Zum Glauben an Zauberei - 09/2008

Aus Tansania Information
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Begebenheiten

Bei einem zwölfjährigen Jungen fand man den Kopf eines dreijährigen Mädchens. Er habe ihn verzehren wollen, heißt es.

Ein 18-jähriges Mädchen wurde verhaftet, als es versuchte, einen Säugling aus einer Krankenstation zu stehlen. Seine Großmutter habe sie geschickt, um das Neugeborene und Blut seiner Mutter zwecks Zauberei zu holen, berichtete das Mädchen der Polizei. Sie habe bei der Erfüllung dieses ihres ersten Auftrags, magische Kräfte besessen. Wäre es ihr gelungen, hätte man sie in der Zauberer-Hierarchie ihrer Familien befördert, sagte das Mädchen. Die Polizei sucht weiterhin nach der Großmutter. Sie befragte den Vater des Mädchens; die Mutter ist tot. Aus Sicherheitsgründen behielt die Polizei das Mädchen. Wenn der Vater es erlaubt, soll es in einem Krankenhaus untersucht werden.

Eine Schulkameradin zweier Albino-Kinder berichtete, zwei Männer hätten ihr viel Geld versprochen, wenn sie ihnen helfe, die beiden zu bekommen. Ihre Eltern seien nicht zu Hause. Die Schülerin hatte im Radio über die Entführung von Albinos gehört und berichtete der Schulleitung von dem Vorfall. Ein Unbekannter hatte den Albino-Kindern in ihrer Wohnung eine Schachtel voll Kleidung angeboten. Als sie ablehnten, versprach er, bei seinem nächsten Besuch noch schönere Dinge zu bringen. Die beiden haben einen Schulweg von 8 km; er führt durch eine Zuckerrohrplantage. Die Schulleitung informierte die zuständigen Stellen. Sie kümmert sich nun um die Sicherheit der beiden Albinos. (DN 1./6.5.08; Guardian 27.4.08)

Kampf gegen von Aberglauben geleiteten Praktiken

Die Verwaltung eines Distrikts der Mwanza-Region brachte 30 Albino-Kinder ihrer Sicherheit wegen in einer Internatsschule unter. (Guardian 6.5.08)

Der Stellvertretende Innenminister sagte im Parlament, im Distrikt Mwanza-Stadt gebe es die gefährlichsten sich als traditionelle Heiler ausgebenden Quacksalber. 25 sog. traditionelle Heiler seien bisher festgenommen worden. Die Regierung plane, die traditionellen Heiler im ganzen Land zu registrieren, um alle Quacksalber erkennbar zu machen, die Geschäftsleute, Bergleute, Fischer u. a. reinlegen, sodass sie Albino töten. Bisher habe man 36 Personen verhört, weil sie vermutlich bei abergläubischer Tötung von Albinos beteiligt waren. Das Ministerium suche für dieses Übel eine dauerhafte Lösung. Traditionellen Heilern würden Techniken gelehrt, die sie befähigen, einen Beruf zu ergreifen. Man sei im Begriff, festzustellen, wo Albinos leben und wie viele es gibt. (DN 21.6.08; Guardian 24.6.08)

Einige Albinos aus dem Ausland wollen mit Präsident Kikwete sprechen, denn die Art in welcher staatliche Organe mit dem Problem der von Aberglauben motivierten Morde umgehen, sei entmutigend. Die Polizei verfahre mit diesen Verbrechern nicht in der gleichen Weise wie mit Gangstern. Außerdem wollen sie darum bitten, dass der Staat bei der Beschaffung der von Albinos benötigten Medikamente hilft. Weil sich die Albino diese nicht leisten könnten, bestehe die Gefahr, dass sie Hautkrebs bekommen. Infolge von Stigmatisierung seien die meisten Albinos arbeitslos. (Guardian 7.5.08; Citizen 23.7.08)

Ein Abgeordneter, der erste Albino im Parlament, sagte, es sei an der Zeit, dass die Regierung eine Erklärung zur Tötung von Albino veröffentlicht. “Wir wollen erleben, dass wenigstens einmal ein Verbrecher verhaftet wird. Das gäbe uns etwas Hoffnung und würde die Übeltäter abschrecken”, betonte er. Eine Abgeordnete sagte, weltweit sei viel über die Tötung von Albinos berichtet worden. “Das ist sehr schlimm für unser Land. Schande über uns!” (DN 6.8.08; Citizen 6.8.08; Arusha Times 9.8.08)

In einer Erklärung des Ministeriums für Entwicklung der Gesellschaft, Frauen und Kinder wird ein gemeinsamer und unermüdlicher Kampf gegen Verbrecher, die Albinos töten, gefordert. Die anwachsende Welle der Morde sei “barbarisch”, ein Verstoß gegen die Menschenrechte. (DN 23.7.08)

Der Innenminister sagte, man kooperiere mit führenden Leuten der Regierung und der Religionsgemeinschaften, um die Öffentlichkeit in Bezug auf diese “barbarische Handlungsweise” zu sensibilisieren. Im Kampf gegen diese Morde werde man keine Mühe scheuen. (DN 2.8.08)

Premierminister Pinda bat die Kirchen, die Regierung beim Kampf gegen die Tötung Behinderter, vor allem der Albinos, zu unterstützen. “Ich glaube, die Menschen, die so Grausames tun, sind unsere Glaubensgeschwister, wir sind in der Kirche mit ihnen zusammen, beten gemeinsam und unternehmen so manches miteinander. Deshalb bitte ich, dass wir sie anzeigen, damit man sie bestrafen kann.” (Msema Kweli 15.6.08)

Alex Malasusa, Leitender Bischof der ELCT und Bischof der ELCT-Ost und Küsten-Diözese, forderte die Kirchenleute und alle Tansanier auf, vom Glauben an Hexerei abzulassen. Es sei erstaunlich und schockierend, dass sich Menschen, die wirklich an Gott glauben, von irreführenden Überzeugungen täuschen lassen. Sogar manche Gebildete glaubten an Zauberkräfte, um materiell oder spirituell zu profitieren, sagte er. (Guardian 9.7.08)

Zahlen

Die Zahl der tansanischen Albinos wird auf 8.000 geschätzt; andere meinen, es seien 173.000. Von März bis Juli 08 wurden einer Untersuchung des BBC Swahili zufolge 25 Albinos umgebracht, unter ihnen ein siebenmonatiges Baby. Manche gehen von 60 Morden aus. 34 Verdächtigte wurden verhaftet. Sobald die Polizei die Untersuchungen abgeschlossen hat, werden sie vor Gericht gestellt.

173 Zauberer wurden verhaftet, aber sie können weiterhin aktiv sein, weil bisher gegen keinen gerichtlich ermittelt, wurde. (DN 2.8.08; Observer 24.8.08; Citizen 6.8.08; Arusha Times 26.7.08)

Albino-Tag der Tanzania Albino Society (TAS)

Die TAS, vor 28 Jahren gegründet, hielt ihren Albino-Tag unter dem Thema ‘Stoppt den Aberglauben, schützt die Albino’. Unter den Teilnehmenden waren auch Vertreter sechs afrikanischer Länder. Vizepräsident Shein sagte bei der Eröffnung der Tagung, gemeinsam müsse man gegen die “schändliche Tötung” von Albinos vorgehen. Die Regierung werde weiterhin mit der TAS zusammenarbeiten. Er forderte, alle Verwaltungsstellen sollten Albinos bei sämtlichen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Aufgaben beteiligen. Der TAS-Generalsekretär bat die Regierung, gegen die Tötung von Albinos genauso vorzugehen wie gegen HIV/AIDS. Sie sei eine nationale Tragödie. Akademiker, Geistliche und alle einflussreichen Leute sollten der Öffentlichkeit bewusst machen, wie schlimm die Tötung von Albinos ist. Ausgebildete Albinos würden trotz ihrer Qualifikationen geächtet. Ein Gast aus Kenia schlug vor, die Albinos sollten ein panafrikanisches Netzwerk schaffen. Die UNO werde sie unterstützen, sagte er. (DN 4.5.08; Guardian 5./6./7.5.08)

Kommentare

Manche Zauberer müssten lebenslang hinter Gitter, weil sie Außenseiter, die ihnen ähnlich sind, anweisen, menschliche Körperteile zu suchen, aus denen man Zaubertränke brauen könne, die schnell zu Reichtum verhelfen würden. Man verwendet Haare, Knochen und Blut von Ermordeten oder ausgegrabenen Leichen. Der Glaube, durch Zauberei könne man reich werden, ist einfach lächerlich. Trotzdem geschieht so etwas in diesem unseren Land. Es vergeht kaum ein Tag, an dem man nicht hört, jemand sei verschwunden; nach einigen Tagen habe man die Person gefunden; an der Leiche hätten einige Teile gefehlt. Es kam auch vor, dass Menschen wegen des Glaubens an Zauberei die Haut abgezogen wurde. Das Morden geht weiter; so ist das Gefühl der Unsicherheit weit verbreitet. (DN 6.5.08; Arusha Times 26.7.08)

Tansania könnte für Albinos das gefährlichste Land werden. Unternimmt man nichts, fragt jeder, wer ist als nächster dran, vielleicht die Glatzköpfe oder die Kleinwüchsigen? Unser Land führt an vielen Fronten Krieg, gegen Korruption, Unwissenheit, Armut und nun gegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, nämlich die von Hexen angeordnete Ermordung von Albinos. (ThisDay 30.7.08)