Wahlen in Tanzania - 11/2020

Aus Tansania Information
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Zur Erinnerung: Die Abkürzungen

ACT-Wazalendo: „Alliance for Change and Transparency”, gern mit dem Zusatz “Wazalendo”, zu übersetzen als “Allianz für Wechsel und Transparenz – die Patrioten“ – gegründet 2014 und populär geworden durch den Beitritt von Zitto Kabwe (vormals Chadema), der seit 2015 der einzige Wahlkreisabgeordnete der Partei war. Empfing 2020 einen starken Zuwachs durch den Wechsel von CUF-Mitgliedern.

CHADEMA (Chama cha Demokrasia na Maendeleo), somit Partei für Demokratie und Fortschritt; seit 2015 (bis gerade eben) die stärkste Oppositionspartei im Parlament; Vorsitzender Freeman Mbowe.

CCM (Chama cha Mapinduzi) – also die Partei der Revolution, die aus der Vereinigung von Nyereres TANU (Tananyika National Union) mit der sansibarischen ASP (Afro-Shirazi Party) entstand. Regierungspartei seit eh und je; früher populäre Übersetzung des Akronyms: „Chukua Chako Mapema“, mittlerweile oft umgestaltet aber stabil!

CUF Civic United Front (Suaheli: Chama Cha Wananchi, Bürgerpartei); gegründet 1992, eine der ersten Oppositionsparteien Tansanias; war früher stärkste Oppositionspartei.Vorsitzender seit 1995 ist Professor Ibrahim Lipumba; ihre Hochburg war Sansibar und Pemba wo sie lange durch Seif Hamed Sharif geführt wurde; der Machtkampf zwischen ihm und Lipumba führte zur Abspaltung vieler Gliederungen zur ACT.

NCCR - National Convention for Construction and Reform, eine der frühen (1992) Oppositionsparteien im Lande, zuletzt nur noch mit einem Abgeordneten im Parlament

Erste Ergebnisse, Entwicklungen

Erdrutschsieg für Magufuli und CCM

Am 28. Oktober fanden die Wahlen für die Präsidenten der Unionsregierung sowie der Teilrepublik Sansibar statt, verbunden mit den Parlamentswahlen für die Parlamente der Union und Sansibars sowie für Kommunalparlamente. Laut Wahlbehörde errangen Präsident Magufuli und die Regierungspartei CCM bei den Wahlen am 28. Oktober einen Erdrutschsieg. Die Opposition sprach von Betrug und forderte eine Wiederholung der Wahl. Laut Wahlkommission errang Magufuli 12,5 Mill. Stimmen (84,4%), sein Hauptkonkurrent Tundu Lissu von der CHADEMA bekam 1,9 Mill. (13%). Alle weiteren Bewerber waren weit abgeschlagen, wie Bernard Membe (ACT, 81.000 Stimmen, 0,5%) und Ibrahim Lipumba (CUF, 73.000 Stimmen, 0,5%). Insgesamt beteiligten sich 15 Mill. Tansanier an der Wahl, es gab 14,6 Mill. gültige Stimmen. Die Wahlbeteiligung war deutlich niedriger als 2015 und betrug nur noch 50,7% gegenüber 67% damals. 2005 hatte der gemeinsame Kandidat der Opposition noch 40% errungen. Das geltende Wahlgesetz lässt Einsprüche gegen verkündete Wahlergebnisse zu, die dann innerhalb der Wahlbehörde entschieden werden. Klagen vor Gericht gegen eine Entscheidung der Wahlbehörde sind laut Verfassung hinsichtlich der Präsidentenwahl nicht zulässig. - Magufuli erhielt vom Leiter der Wahlbehörde eine Urkunde über seinen Sieg und erklärte, dass er eine weitere Amtsperiode nicht anstrebe. Auf Sansibar wurde der CCM-Präsidentschaftskandidat Hussein Ali Mwinyi mit 67% zum Sieger erklärt

Die Parlamentswahl ging für die Opposition verheerend aus. Zeitungsberichten ist zu entnehmen, dass von den 71 Wahlkreisen der Oppositionsparteien im Jahr 2015 nur noch 8 übriggeblieben sind. Es gab bei Redaktionsschluss noch kein offizielles Endergebnis und keine veröffentlichte Gesamtübersicht, aber bei über 200 ausgezählten Wahlkreisen (von 264) scheinen auf dem Festland nur 2 an die Opposition gegangen zu sein, alle anderen an die CCM. Auf Pemba scheint die ACT 4 Sitze gewonnen zu haben und die CUF 2. - Alle Sitze des Regionalparlaments auf der Insel Sansibar gingen an die CCM, von Pemba lagen hierfür noch keine Zahlen vor. Vom neugewählten Sansibarpräsidenten Mwinyi kamen versöhnliche Töne in Richtung Opposition: er wolle mit allen arbeiten und sei für eine Regierung der Nationalen Einheit offen.

Die einzige Abgeordnete der CHADEMA ist Aida Khenani aus der Rukwaregion; wenn die Partei insgesamt mehr als 5% der Stimmen erhielt und die Partei sie nicht aus Protest zurückzieht, können noch einige weibliche Abgeordnete über die Liste der 113 „women special seats“ hinzukommen, sodass die CHADEMA dann nur von Frauen im Parlament vertreten wäre. Der andere Oppositionssitz auf dem Festland wurde in Mtwara-Land von der Kandidatin der CUF Shamsia Mtamba errungen.

DN 31.10.20; Mtanzania 31.10.20

Opposition verlangt Wiederholung

Die Führer von CHADEMA und ACT trafen sich am 31.10. und erklärten, dass sie die Wahl nicht anerkennen, da sie nicht entsprechend den Gesetzen verlaufen seien. Man rufe die Bürger ab dem 2. November auf, in friedlichen Demonstrationen die Wahlwiederholung zu verlangen. Es habe Manipulationen gegeben, in vielen Stimmlokalen seien die gesetzlich vorgesehenen Wahlbeobachter der Oppositionsparteien nicht eingelassen worden. An Wahllokalen in Dar es Salaam und Kigoma habe man zu Beginn der Wahlhandlung gefüllte und bereits versiegelte Urnen festgestellt und an einigen Orten auch beutelweise Stimmzettel unbefugten Personen abgenommen. Die staatlichen Wahlkommissionen auf dem Festland und in Sansibar müssten aufgelöst und durch unabhängige Körperschaften ersetzt werden. Die Wahlbehörde erklärte dazu, ihr seien keine konkreten Fälle angezeigt worden, die Wählerverzeichnisse und Listen der Wahllokale seien allen Parteien zugänglich. - Zitto Kabwe erklärte in Namen der ACT, man werde die wenigen gewonnenen Sitze nicht einnehmen, da man die Legitimität der Wahl nicht anerkenne. Es bleibt zu sehen, ob er dies durchsetzen kann. -

BBC 31.10.20; Jamiiforums 28.10.20; KBC Kenya 31.10.20; Mwananchi 31.10.

Rückblick

Ausgangslage

Bei den Wahlen am 28. Oktober bewarb sich Präsident Magufuli um eine 2. Amtszeit. Der sansibarische Präsident war neu zu wählen, da Ali Mohamed Shein nicht zum 3. Mal kandidieren konnte. Zugleich waren die Abgeordneten des Nationalparlaments (Bunge) und des sansibarischen Abgeordnetenhauses zu bestimmen, sowie die Mitglieder der kommunalen Parlamente.

Insgesamt standen 15 Präsidentschaftskandidaten zur Wahl, von denen die meisten unbekannt waren. Auf Seiten der Opposition traten mehrere Parteien an, die sich nicht auf ein formales Bündnis hatten einigen können. Die CHADEMA als größte unter ihnen war zum Ende der vorherigen Legislaturperiode durch den Wechsel von Abgeordneten zur CCM stark geschwächt erschienen. Die Aufstellung von Tundu Lissu als Spitzenkandidat, der im Juli nach dem Mordanschlag auf ihn im Jahr 2017 nach Tansania zurückkehrte, weckte wieder Enthusiasmus bei den Besuchern seiner Wahlveranstaltungen. Die CUF als vormals zweitgrößte Oppositionspartei war durch eine Spaltung geschwächt, nachdem Seif Sharif Hamad , ihr vormaliger Generalsekretär und mehrfacher Spitzenkandidat für Sansibar, im Machtkampf mit dem Vorsitzenden Ibrahim Lipumba die Partei verließ und zur ACT-Wazalendo wechselte, die bisher nur mit dem Abgeordneten Zitto Kabwe in der Bunge vertreten war. Hierdurch gewann die ACT schlagartig zahlreiche Mitglieder auf Sansibar und Pemba sowie an der Festlandsküste und wurde damit ein starker Faktor in der Auseinandersetzung.

Neben Seif Sharif Hamad war im Juli der frühere Außenminister Bernard Membe nach seinem Ausschluss aus der CCM zur ACT gekommen und von ihr als Präsidentschaftskandidat aufgestellt worden.

Wahlkampfregeln

Landesweite Wahlen werden durch die Nationale Wahlkommission NEC organisiert; sie soll unabhängig arbeiten, aber ihre Mitglieder werden durch den Präsidenten berufen und abberufen. Sie beruft staatliche und kommunale Verwaltungsbeamte auf allen Ebenen als Wahlleiter. Diese Behörde stellt das Wählerregister zusammen, entscheidet über die Zulassung von Kandidaten und die Durchführung der Wahl. Registrierte Parteien müssen ihre Wahlkampftermine anmelden, wobei die Behörde örtlich dafür sorgen soll, dass es zu keinen Überschneidungen konkurrierender Veranstaltungen kommt. Wenn eine Kundgebung so registriert ist, gilt sie auch als polizeilich angemeldet und genehmigt. Änderungen der Pläne seitens der Oppositionsparteien haben in diesem Wahlkampf wiederholt zu Konflikten geführt.

Kandidatenaufstellung

Der Vorlauf zu den Wahlen war von Auseinandersetzungen um die Registrierung der Oppositionskandidaten bestimmt. Laut Wahlgesetz nimmt die nominell unabhängige Wahlkommission Kandidaturen entgegen und entscheidet über Einsprüche gegen Kandidaten. Wenn die lokale Behörde einen Vorgeschlagenen disqualifiziert, kann dieser hiergegen bei der nationalen Behörde Einspruch einlegen.

Unmittelbar nach dem Ende der Nominierungsfrist meldete die größte Oppositionspartei CHADEMA, dass über 600 ihrer 3750 kommunalen Bewerber und 57 von 244 Parlamentskandidaten disqualifiziert worden seien. Auch seitens der anderen nationalen Oppositionsparteien ACT-Wazalendo, CUF und NCCR gab es entsprechende Rückmeldungen. Offenkundig benutzten örtliche Mitarbeiter der Wahlkommission geringste Formalitäten, um Bewerber abzulehnen, bis hin zur Rechtschreibung oder Abkürzungen auf den Meldeformularen. In einigen Extremfällen waren Bewerber auf dem Weg zum örtlichen Büro der Wahlkommission überfallen und ihre Meldeunterlagen entwendet worden, sodass sie nicht mehr fristgemäß einreichen konnten, in anderen Fällen trafen sie vorzeitig geschlossene Büros an. Es gab keinen Bericht, dass ein Kandidat der Regierungspartei abgelehnt wurde, alle Disqualifizierungen betrafen die Opposition.

Da das Wahlgesetz vorsieht, dass ein Kandidat ohne gültige Gegenkandidaten als gewählt gilt, wurden noch im August etliche Bewerber der CCM offiziell zu Abgeordneten erklärt, ebenso 450 lokale Vertreter der CCM. Die Oppositionsparteien konnten mit Einsprüchen vor der zentralen Wahlkommission einen Teil der Disqualifizierungen bis zum 20. September aufheben. Den betroffenen Oppositionskandidaten war es erst mit der Aufhebung ihrer Disqualifikation erlaubt, ihren Wahlkampf zu beginnen. Schließlich fand in 28 Parlamentswahlkreisen keine Wahl mehr statt, weil die CCM-Kandidaten ohne Gegenbewerber blieben, unter ihnen Premierminister Kassim Majaliwa, Außenminister Palamagamba Kabudi, der bisherige Parlamentspräsident Job Ndugai sowie weitere Minister.

DN 20.09., 02.10.20; Citizen 01.10.20; Reuters 28.08.20; VOA 27.08.20; Webseite der NEC

Behinderung der Opposition

Im Vorfeld der Wahlen

Bereits im Vorfeld der Wahlen war es seit Juni zu Verhaftungen und verstärkten Repressionen gegen Oppositionspolitiker gekommen. Im Juni war Zitto Kabwe bei einer Reise an der Küste in Kilwa für einen Tag festgenommen werde, als er die neugewonnenen Gruppen der ACT besuchte. Kabwe wurde mit 7 weiteren Mitgliedern der Partei bei einer nichtöffentlichen Versammlung festgesetzt, da es laut Polizei einen Verdacht auf Gefährdung des öffentlichen Friedens gab. Er war bereits im Mai des Jahres in Dar es Salaam wegen „aufrührerischer Reden“ verurteilt worden. - Ebenfalls im Juni wurde der Chademavorsitzende F. Mbowe in Dodoma von Unbekannten zusammengeschlagen und musste wegen eines gebrochenen Beins behandelt werden. - Im Juli wurden 8 Mitglieder der CHADEMA wegen „Beleidigung nationaler Symbole“ und „ungesetzlicher Versammlung“ verhaftet, nachdem sie beim Aufziehen ihrer Parteifahne die Nationalhymne angestimmt hatten. Sie wurden wochenlang ohne Prozess in Haft gehalten. Im August wurden von Unbekannten sowohl in Arusha als auch in Mbeya die örtlichen Chademabüros in Brand gesetzt. Täter konnten nicht ermittelt werden. Ebenfalls im August kam es zu Verhaftungen von Oppositionskandidaten wegen „ungenehmigter Demonstration“, wenn sie in Begleitung von Parteifreunden zu den Büros der Wahlkreiskommission zogen, um die offiziellen Unterlagen für die Registrierung abzugeben, so geschehen unter anderem dem bisherigen Chademaabgeordneten J. Mbilinyi in Mbeya-Stadt,.

Die behördlichen Maßnahmen richteten sich auch gegen Medien, für die im Vorfeld der Wahlen weitere Beschränkungen angeordnet wurden, verbunden mit exemplarischen Sanktionen gegen einzelne Zeitungen und Radiosender. Die Übernahme von Material internationaler Sender ist jetzt reglementiert und risikobehaftet, die Zusammenarbeit mit ausländischen Journalisten nur noch unter Auflagen möglich. Die Verordnung über Onlineinhalte im August verlängerte die Liste strafbewehrter Themen und enthält zahlreiche Gummiparagraphen, die von den Behörden willkürlich eingesetzt werden können.

Eingriffe der Polizei im Wahlkampf

Nach Beginn des offiziellen Wahlkampfs Ende August wurden immer wieder Oppositionspolitiker unter verschiedenen Vorwänden von der Polizei verhaftet oder seitens der Wahlkommission mit Sperren belegt. Die Berichte scheinen nicht auf ein zentral gelenktes Vorgehen hinzudeuten; vielmehr sieht es so aus, dass jeweils örtlich Entscheidungen getroffen wurden im Bewusstsein, von oben gedeckt zu sein. Der punktuelle Vergleich mit sozialen Netzwerken zeigt, dass es eine Reihe von Vorfällen gab, die nie bis in die gedruckte Presse vordrangen.

Zu Beginn des Wahlkampfes war von 2 Vorfällen die Rede, wo die Polizei auch gegen unangemeldete CCM-Aufläufe vorging, danach sollen verantwortliche Polizeibeamte versetzt worden sein. Es gibt eine Reihe von Berichten, dass spontane Halte am Wegesrand von Oppositionspolitikern polizeiliche Maßnahmen zur Folge hatten, was anscheinend bei CCM-Politikern nicht vorkam. - Im September traf es drei Mitarbeiter des ACT-Vorstandes, die unter dem Verdacht der Cyberkriminalität tagelang in Haft genommen wurden. - Zwei Assistenten des ACT-Präsidentschaftskandidaten B. Membe wurden am Flughafen unter dem Verdacht der Geldwäsche verhaftet; bei Anklage wegen Geldwäsche kann ein Beschuldigter keine Freilassung auf Kaution erwirken. - Anfang Oktober wurde die CHADEMA Wahlkreiskandidatin Catherine Ruge von der Polizei verprügelt, sexuell belästigt und auf die Polizeiwache gezerrt, nachdem sie sich geweigert hatte, das örtliche Büro der Wahlkommission zu verlassen. Sie hatte eine Änderung ihres Zeitplans für ihre Besuche im Wahlkreis mitgeteilt und eine briefliche Bestätigung des Büros verlangt, um nicht vor Ort jeweils in Konflikte der Polizei zu kommen. Die Büroleiterin hatte sich geweigert, ihr die Bestätigung auszustellen und die Polizei gerufen. Seitens der Polizei wurde gegen sie Anzeige gestellt, unter anderem wegen „Wirtschaftssabotage“. Generalinspekteur der Polizei Sirro erklärte dazu in Dar es Salaam, er lasse den Vorfall untersuchen, aber auch Kandidaten müssten sich an Regeln halten. - Esta Matiko, Kandidatin der CHADEMA in in der Mararegion, filmte das Eindringen der Polizei in ihr Wahlkreisbüro, wo ihr Bodyguard ohne jegliche Erklärung ergriffen und auf die Wache gebracht wurde. - Laut CHADEMA drang Anfang Oktober in Tarime im Nordwesten Tansanias die Polizei in 2 Wahlkreisbüros ein und zerstörte dabei Lautsprecherausrüstung und anderes Material. - Die Polizei zwang mehrfach Mitglieder der CHADEMA, Flaggen ihrer Partei einzuholen, bevor der Präsident ein Gebiet bereiste. - In Sumbawanga verhaftete die Polizei einen Chademakandidaten wegen des Verdachts, kein Tansanier zu sein; Protestierende wurden ebenfalls festgesetzt. - Der Chademakandidat Adolf Mukono in Karagwe wurde im Ort Chanika festgenommen; der Polizei habe eine Beschwerde der CCM vorgelegen, wonach die CHADEMA keine Veranstaltungen vor Ort angemeldet habe. Im gleichen Ort soll Polizei in Begleitung des örtlichen CCM-Funktionärs Verhaftungen von Kommunalratskandidaten vorgenommen haben; dabei seien sie nach einer Liste vorgegangen, die der CCM-Mann in der Hand hatte. - Kurz vor der Wahl wurde Halima Mdee (bisher Chademaabgeordnete von Kawe-Dar es Salaam) auf der Polizeiwache verhaftet, nachdem sie dorthin gegangen war, um Anzeige gegen unbekannte Personen zu erstatten, die ihr seit Tagen folgten und versucht hatten, ein Gebäude auf ihrem Nachbargrundstück zu mieten. Ihr Haus wurde durchsucht unter dem Vorwand, es bestehe ein Verdacht auf Cyberkriminalität gegen sie. Sie wurde nochmal am Wahltag kurzfristig verhaftet, nachdem sie im Wahllokal gegen die Gültigkeit einiger Stimmzettel protestiert hatte.

Citizen 21.08., 20.09, 27.09., 14.10., 26.10.20 ; Deutsche Welle 13.10.20; Jamiiforums 23.08., 29.09., 14.19.20 ; Standard (Kenya) 16.10.20

Tundu Lissu als Präsidentschaftskandidaten der CHADEMA wurde erhöhte Aufmerksamkeit der Sicherheitskräfte zuteil. Laut Wahlgesetz hat die Polizei die Aufgabe, für die Sicherheit aller Kandidaten zu sorgen. Anfang September gab es noch eine Meldung, wonach Lissu sich bei der Polizei für gute Begleitung bedankt habe. Ende September traf seine Fahrzeugkarawane im nordtansanischen Tarime ein. Auf sozialen Medien verbreitete Videos zeigen, wie die Kolonne sich durch Wolken von Tränengasexplosionen bewegt. Lissu twitterte, der Konvoi sei angegriffen worden, um eine Zwischenhalt zu verhindern. Die Polizei erklärte dazu, man habe Tränengas eingesetzt, nachdem aus einer Menschenmenge Steine auf Polizisten geworfen worden seien. Die Polizei hätte die zur Begrüßung Lissus am Straßenrand Versammelten zum Weggehen aufgefordert, da an dieser Stelle laut Plan keine Versammlung vorgesehen gewesen sei; die Menge sei dem nicht nachgekommen und habe so die Polizei zum Einsatz von Tränengas „gezwungen“. Die Polizei habe für die Sicherheit des Kandidaten gesorgt. Lissu konnte nach einer kurzen Konfrontation mit dem örtlichen Polizeikommandeur dann doch Worte an die Menge richten und später in einem von der Wahlkommission genehmigten Ort eine Kundgebung abhalten.

Eingriffe seitens der Wahlbehörden

Der NCCR-Abgeordnete J. Mbatia (Vunjo – Kilimandscharo) wurde mit einer einwöchigen Sperre für Wahlkampfauftritte belegt, weil er nicht genehmigte Flugblätter verteilt hatte. Laut tansanischem Parteiengesetz dürfen Parteien im Wahlkampf Druckschriften verteilen, die aber von der Wahlbehörde zuvor genehmigt werden müssen. Mbatia versuchte sich damit zu verteidigen, dass er die neuen Flugblätter vor Verteilung eingereicht hatte, aber keine Reaktion darauf erhielt. Mbatia war im letzten Parlament der einzige Abgeordnete seiner Partei gewesen. - Im bereits erwähnten Chanika-Karagwe waren die kommunalen Chademakandidaten erst nach Beschwerde gegen die Disqualifizierung durch die Behörde in Dodoma zugelassen worden; sie wurden später zum Ortswahlleiter gerufen, der ihnen ein Schreiben der Wahlkommission Dar es Salaam übergab, wonach ihr Einspruch abgewiesen worden sei. Da sie niemand über den Widerspruch aufklären konnte, sahen sie sich als zugelassen an und wurden daraufhin wegen ungenehmigter Wahlaktivitäten verhaftet. - Im Oktober wurden die Parlamentskandidatin Halima Mdee (CHADEMA – Kawe/Dar es Salaam) sowie Maftah Nachuma (CUF - Mtwara) für 7 bzw. 10 Tage vom Wahlkampf suspendiert.

Anfang Oktober wurde T. Lissu von der Wahlkommission in Dar es Salaam vorgeladen, um sich wegen Äußerungen zu verantworten, wonach Präsident Magufuli eine Versammlung der kommunalen Verwaltungsleiter dazu benutzt habe, zur Manipulation des Wahlergebnisses aufzufordern. Laut Wahlgesetz sind diese Beamten zugleich Wahlleiter in ihren Bereichen. Auf die Vorladung der Kommission folgte eine weitere Seitens der Polizei, die Lissu zum Verhör vorlud. Lissu erklärte, dass die Vorladung der Polizei nicht rechtmäßig sei, weil sie keine Verstöße oder Themen benenne, die untersucht werden sollten. Er werde sie ignorieren. Die Polizei zog die Vorladung später zurück. Lissu folgte auch nicht der Aufforderung der Wahlkommission, da diese ihm persönlich nicht zugestellt worden sei und ihm zu keiner Zeit die Vorwürfe zur Stellungnahme mitgeteilt wurden, wie es die geltenden Ethikregeln für Wahlen vorsehen. Ansonsten sei die Wahlkommission offenkundig parteiisch, auf mehrere eingereichte Beschwerden gegen die CCM habe es nie eine Reaktion gegeben. Lissu wurde vom Ethikausschuss der Kommission in Abwesenheit der Verbreitung von Lügen und aufrührerischer Äußerungen für schuldig befunden und mit einer siebentägigen Wahlkampfsperre belegt. Lissu erklärte zunächst, er werde das Verbot ignorieren, beschränkte sich dann auf die Teilnahme an nichtöffentlichen parteiinternen Veranstaltungen. - Am 6. Oktober versuchte die Polizei, Lissu am Verlassen Dar es Salaams zu hindern, da er der Sperre unterliege. Schwer bewaffnete Einsatzkräfte blockierten seine Fahrzeugkolonne auf dem Weg zu einer Parteiveranstaltung in Morogoro. Nach 9 Stunden konnte er seinen Weg fortsetzen. - Am 23. Oktober wurde eine Kundgebung Lissus im Dorf Somanga bei Kilwa durch Tränengaseinsatz der Polizei aufgelöst. Lissu hatte der Wahlkommission eine Änderung seines Kundgebungsplans mitgeteilt und keine Antwort erhalten. Die Polizei kam zu spät in die begonnene Kundgebung und beschoss die Zuhörer mit Tränengas.

Citizen 28.09., 02.10., 17.10., 23.10., 28.10.20; Guardian 03.10.20; Jamiiforums 28.09., 14.10.20; Mwananchi 17.10.20; Nation (Kenya) 03.10.20 ; rfi 07.10.20; Standard (Kenya) 06.10., 07.10.20

Entwicklungen im Wahlkampf

Die CCM trat mit dem Präsidenten an unter dem Slogan „5 Jahre mehr!“. Magufuli zog durchs Land und listete jeweils die Maßnahmen auf, die regional unter seiner Regierung durchgeführt worden sind und kündigte weitere Projekte an, die fertiggestellt oder begonnen werden sollten. Er kündigte an, Tansania werde „wie Europa” sein.

Als Beispiel sei hier Magufulis Auftritt in Njombe genannt, wo er für die kommenden 5 Jahre den Ausbau von Straßen ankündigte, da die örtlichen Avocadobauern gute Straßen für die Vermarktung ihrer Ernte benötigen. Der Flughafen Njombe werde eine Asphaltpiste erhalten, sodass auch größere Flugzeuge landen können. Unter den weiteren Flugzeugen, die er für Air Tanzania anschaffen werde,sei auch ein Frachtflugzeug geplant, um landwirtschaftliche Produkte wie Avocado auf internationale Märkte zu bringen. Für die drei Distriktstädte Makambako, Njombe und Wanging’ombe kündigte er Projekte zur Wasserversorgung an. Das Regionalkrankenhaus in Njombe sei bereits zu 80% fertiggestellt und werde weiter ausgebaut. Für die Bahnlinie der TAZARA, die durch die Region führt, würden neue Lokomotiven und Waggons beschafft. Der Hafen Manda am Nyassasee werde ausgebaut werden. Das Projekt in Mchuchuma-Liganga zur Stahlproduktion mittels der von einer chinesischen Firma erschlossenen Kohle und Erzvorräte soll jetzt realisiert werden. Am Ende der Veranstaltung knieten Magufuli und die örtlichen CCM-Kandidaten auf der Bühne nieder und baten um die Stimmen der Wähler.

Der Präsident sowie die Kandidaten seiner Partei verwiesen auch immer wieder auf den Sonderweg Tansanias im Umgang mit der COVID-19 Epidemie, der das Land vor Wirtschaftskrise und Hunger bewahrt habe und es jetzt besser dastehen lasse als andere Länder. Dies sei für ihn eine schwere Entscheidung gewesen. „Ich legte unsere Nation in Gottes Hand durch die religiösen Führer, die uns 3 Tage lang im Gebet leiteten. Heute ist Tansania frei von COVID“, erklärte er. - Die Opposition war bei diesem Thema sehr still geworden. Noch Ende Mai hatte ACT-Führer Z. Kabwe die Haltung des Präsidenten als „irrational und gefährlich“ bezeichnet und angekündigt, dass 3% der Bevölkerung den Tod finden könnten. Nachdem sich die Lage in Tansania deutlich günstiger als in Nachbarländern entwickelte, wurde das Thema aufgegeben.

Die CHADEMA hatte einen für viele Beobachter überraschend erfolgreichen Wahlkampf mit ihrem Spitzenkandidaten Tundu Lissu, der auf seinen Kundgebungen große Menschenmengen anzog und von seinen Anhängern als zukünftiger Präsident gefeiert wurde. Auch die CHADEMA versuchte sich mit Wahlversprechen aber hatte es naturgemäß schwerer; der kostenlose Schulbesuch sei ein Programmpunkt der CHADEMA gewesen, den Magufuli nur kopiert habe; man werde dies viel besser umsetzen und auch alle Beiträge der Eltern für Schulbau und sonstige Nebenausgaben endgültig abschaffen.

Sansibar

In der halbautonomen Inselrepublik Sansibar konzentrierte sich das Interesse auf die regierende CCM und die hier neue Oppositionspartei ACT-Wazalendo. Die ACT war durch den Übertritt des langjährigen Politikers Seif Sharif Hamad auf den Inseln präsent. Hamad hatte auf Sansibar bereits fünfmal für die Civic United Front (CUF) kandidiert und nach Meinung von Beobachtern mehrfach Wahlen gewonnen, wobei durch Manipulationen jeweils die CCM als Sieger endete. Für die CCM kandidierte der bisherige Verteidigungsminister der Unionsregierung, Dr. Hussein Ali Mwinyi, ein Sohn des früheren Präsidenten Mwinyi. Der überwiegend auf dem Festland und im Ausland aufgewachsene Arzt war seit 2005 Abgeordneter eines Wahlkreises auf Sansibar. Die bisher starke CUF spielte keine Rolle mehr.

Seif Hamed forderte volle Autonomie für die Inseln – nur so könnten sie ihr wirtschaftliches Potential entfalten, auch in Hinsicht auf mögliche Gasfunde im Meer, und zu alter Größe zurückfinden. Die Polizei dürfe nicht mehr vom Festland aus kommandiert werden und müsse sich an die Gesetze halten. Hamed stellte die Bekämpfung der Armut als Ziel heraus und versprach höheren Mindestlohn, Sozialhilfe und weniger Abgaben für die Bauern. In seiner Rhetorik wechselte er zwischen Beteuerungen, an der Union mit dem Festland festhalten zu wollen, und der Charakteristik der herrschenden Politiker als von dort kontrolliert und als “Kolonialisten”

Die Auseinandersetzungen waren heftiger als auf dem Festland. Hamad warnte früh vor kommendem Wahlbetrug. Er habe Informationen, dass 50.000 Sansibaris aus der Wahlliste entfernt und eine größere Zahl von Geisterwählern für die CCM hinzugefügt worden seien. Die Wahlbehörde bestritt dies unter Verweis auf das einsehbare Wählerregister. Hamad rief alle Bürger auf, bereits am 27. Oktober zur Wahl zu gehen, wo die Stimmabgabe für Polizisten, Soldaten und andere vorgesehen war, die am folgenden Wahltag Dienst zu tun hatten. So sollte Betrug verhindert werden. Wegen dieses Aufrufs suspendierte ihn die Ethikkommission der Wahlbehörde für 5 Tage vom Wahlkampf. Hamad trat in dieser Zeit in Moshi bei einer Veranstaltung mit Tundu Lissu (CHADEMA) auf. In der Woche vor der Wahl kam Lissu nach Sansibar, um als Gast bei der Schlussversammlung Hamads zu sprechen. In beiden Fällen forderte die Wahlbehörde von beiden Stellungnahmen (die sie nicht bekam), da sie dies als illegale Zusammenarbeit betrachtete. - Die Abschlusskundgebungen von CCM und ACT fanden am 25.10 statt; nach Eindruck von Beobachtern konnte die Regierungspartei eine weit größere Menschenmenge versammeln. - In der Nacht vor dem ersten Abstimmungstag am 27.10 kam es zu Zusammenstößen vor allem auf Pemba. Als Transportfahrzeuge mit Urnen auf dem Weg zu den Wahllokalen mit Steinen beworfen wurden, setzte die Polizei scharfe Munition ein; dabei sollen bis zu 10 Menschen getötet worden sein. Als Hamad am 27.10. ein Stimmlokal aufsuchen wollte, wurde er wegen Verstoß gegen das Wahlgesetz von der Polizei vorübergehend verhaftet.

Citizen 30.09.,17.10., 23.10.20; Daily Mail UK 25.10.20; DN 13.10.20; Jamiiforums 05.10.20; Mwananchi 16.10.20;

Warnungen vor Manupulationen

In der Woche vor der Wahl warnten mehrere Oppositionsführer vor Manipulationen. Tundu Lissu und Seif Hamad erklärten, sie hätten Beweise für Manipulationen am Wählerregister und die Existenz von „Geisterwählern“, dazu auch zusätzlichen Wahllokalen, ohne dies weiter zu erläutern. Zitto Kabwe verbreitete Fotos von ausgefüllten Stimmzetteln für die CCM, die man bei Kigoma CCM-Mitgliedern abgenommen habe.

Citizen 26.10.