Kirchen, Schulen, Gesellschaft ‐ 02/2023

Aus Tansania Information
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Zentralprüfungen der Schulen

Anfang Januar gab das staatliche Prüfungsamt die Ergebnisse der Zentralprüfungen für die Sekundarstufe Kl. 9 (Form II) und Kl. 11 (Form IV) bekannt. 1,6 Millionen Schülerinnen und Schüler waren für die Prüfung nach Klasse 11 angetreten, von denen rund 83% bestanden, was gegenüber dem Jahr 2021 eine Verschlechterung von 3% bedeutet. Wie jedes Jahr löste die Bekanntgabe auch heuer wieder eine Diskussion über den Zustand des Bildungssystems aus.

Hinter diesen Prozentsätzen der bestandenen Examina verbergen sich wieder katastrophale Resultate vor allem in den Naturwissenschaften und Mathematik. Nach Klasse 8 fielen mehr als 80% aller Prüflinge in Mathematik und Physik durch. Bis Klasse 11 konnten diese Resultate insofern verbessert werden, als jetzt die Hälfte aller Schüler die Stufe E in Mathe erreichte, was einem schwachen Ausreichend entspricht.

Nach Meinung von Dr. Sima, dem Vorsitzenden des Verbandes der Mathematiklehrer, liegen diese schwachen Ergebnisse am Lehrermangel. Seit unter Magufuli das Schulgeld abgeschafft wurde, sind die Schülerzahlen an den Sekundarschulen in die Höhe geschnellt, womit aber weder der Bau neuer Klassen noch vor allem die Einstellung von Lehrern Schritt hielt.

Im Hintergrund steht aber die miserable Lage vor allem an den Grundschulen auf dem Lande, wo immer noch die meisten Tansanier leben und es schwer ist, Lehrer zu gewinnen. Hier macht es die Überfüllung der Klassen den Lehrkräften kaum möglich, auf den Lernfortschritt einzelner Schüler zu reagieren. Ansonsten sind laut Sima viele Grundschullehrer, die oft nur eine Ausbildung an Lehrerseminaren durchlaufen, selber schwache Schüler in Mathematik gewesen, was sich an ihrem Unterricht zeigt. Angesichts der Überfüllung der Schulen und der geringen Motivation vieler Grundschullehrer verlassen viele Schüler die Schule, ohne wirklich lesen und rechnen zu können. Wenn sie mit dieser lückenhaften Bildung dann an die Sekundarschule kommen, wo ab Klasse 8 der Unterricht in Englisch stattfinden soll, haben zahlreiche Schüler einen schweren Start, was sich an den Resultaten der Abschlussprüfungen zeigt. Seit Jahrzehnten schlagen sich tansanische Regierungen mit der verkorksten Struktur des Bildungssystems herum und schwanken zwischen der Absicht, das ganze System auf Swahili umzustellen und der Skepsis, ob moderne Bildung in einer anderen Sprache als Englisch überhaupt denkbar sei.

Bei der Bekanntgabe der Resultate verzichtete die Prüfungsbehörde in diesem Jahr auf die im ganzen Lande erwartete Liste der "Besten Schulen" , die nach ihren Examensdurchschnitten aufgeführt werden. Das konnte dann jede Zeitung oder Organisation anhand der veröffentlichten Resultate selber ausrechnen. Vor allem für gute private Schulen, die weiterhin vom Schulgeld leben, gehört dieses Ranking zu ihren hauptsächlichen Werbemitteln, um neue Schüler zu gewinnen. Böse Zungen im Internet behaupteten, die Regierung habe auf das offizielle Ranking verzichtet, weil in diesem Jahr die staatlichen Spitzenschulen weiter hinter den privaten Schulen zurückgefallen seien, Dabei handelt es sich vor allem um Schulen in kirchlicher, insbesondere katholischer, Trägerschaft.

Citizen 04.+ 29.01.2023, Jamiiforums 29-01-2023, Mwananchi 06.+ 08.01.2023, Nipashe 31.01.2023

Universität ohne Studenten

Seit 13 Jahren gibt es in Butiama, dem Heimatort des ersten Präsidenten, die Mwalimu Nyerere Universität für Landwirtschaft und Technologie. Der Ausschuss des tansanischen Parlaments für Soziale Dienste und Entwicklung zeigte sich überrascht, nachdem er die Einrichtung besuchte und feststellte, dass hier noch nie ein Student eingeschrieben wurde. Die Einrichtung hat 80 Personen auf ihrer Gehaltsliste, von denen 60 zum Lehrkörper gehören. Die meisten von ihnen nutzen derzeit ihre Position für Fortbildungsstudien. Jedes Jahr kostet die inaktive Universität den Staat $ 171 Mil. Laut stellvertretendem Erziehungsminister Omary Kipanga gab es bisher nicht die benötigten 50 promovierten Dozenten, um die Zulassung als Universität zu erhalten.

Google Maps zeigt die Einrichtung als wenige neuere Gebäude, fernab jeder befestigten Straße im Gelände etwa 2 km außerhalb des nächsten Ortes.

Citizen 23.01.2023

Körperstrafen an Schulen

Eine landesweite Debatte über die Prügelstrafe an den Schulen wurde durch ein Video ausgelöst, das sich im Januar über soziale Medien verbreitete. Es zeigte, wie ein Lehrer zwei auf dem Boden liegende Schüler mit einem Stock auf die bloßen Fußsohlen schlug, während er seinen Fuß auf das Bein der 9- und 10-jährigen Kinder stellte, damit diese ihren Fuß nicht wegziehen konnten. Im Hintergrund waren mehrere sitzende Lehrer zu sehen, die sich offenkundig über das Geschrei der Kinder köstlich amüsierten. Der Vorfall ereignete sich am 10. Januar, einen Tag nach Wiedereröffnung der Schulen. Die beiden Schüler hatten eine Hausaufgabe nicht gemacht, die ihnen über die Ferien aufgegeben worden war.

Die Angelegenheit nahm Fahrt auf, nachdem das Video zur Kenntnis der Sozialministerin Dorothy Gwajima gelangte, die eine sofortige Untersuchung anordnete und die regionalen Behörden in Bewegung setzte. Der Regionalkommissar von Kagera veranstaltete daraufhin eine Pressekonferenz, auf der er energische Maßnahmen gegen die beteiligten Lehrer anordnete, die gegen den Erlass über die Prügelstrafe aus dem Jahr 2022 verstoßen hätten. Er nannte dabei öffentlich sowohl die Namen des schlagenden Grundschulleiters, der geschlagenen Schüler als auch der im Hintergrund des Videos sichtbaren lachenden Lehrer. Gegen die Lehrer seien Disziplinarverfahren eröffnet und der Schulleiter degradiert und suspendiert worden. Ministerin Gwajima rief die Öffentlichkeit via Twitter auf, Fälle von Misshandlungen an den Schulen zu melden.

Das Erziehungsministerium verwies auf seinen einschlägigen Erlass, wonach Prügelstrafen bei nur "übermäßiger Übertretung" der Schulordnung, kriminellem Verhalten oder "Verletzung der Schulehre" zulässig seien. Sie dürften nur vom Schulleiter selbst oder von ihm schriftlich beauftragten Lehrkräften durchgeführt werden. Alle Körperstrafen sind in einem Register zu verzeichnen. Schülerinnen dürfen nur von weiblichen Lehrkräften auf die Hände geschlagen werden, es sei denn, es gibt keine Lehrerin an der Schule. Männliche Schüler sind mit einem leichten, biegsamen Stock auf das bekleidete Hinterteil zu schlagen. Mehr als 4 Schläge sind nicht zulässig. In der Praxis werden diese Einschränkungen offenkundig weithin ignoriert.

In den sozialen Netzwerken äußerten sich wieder Befürworter und Gegner der Prügelstrafe. In der tansanischen Gesellschaft scheinen die Befürworter nach wie vor in der Mehrheit zu sein, allerdings melden sich Gegner immer lautstärker zu Wort. Befürworter verweisen auch auf die konkreten Zustände in den Schulen, wo Lehrer sich in völlig überfüllten Klassen durchsetzen müssen und oft Schüler vor sich haben, von deren Elternhäusern wenig Unterstützung kommt.

Premierminister Majaliwa appellierte vor dem Parlament an die Öffentlichkeit, Videoaufnahmen von Schülermisshandlungen nicht mehr im Internet zugänglich zu machen, weil damit Stimmung gegen Lehrer im Allgemeinen gemacht werde. Man solle sie hingegen den zuständigen Behörden mitteilen, die dann die nötigen Schritte unternehmen würden. Die Abgeordnete Conchesta Rwamlaza wandte ein, dass ohne Öffentlichkeit Übertretungen von Lehrern oft vertuscht würden.

Die Organisation HakiElimu ("Recht auf Bildung") nutzte die Gelegenheit, erneut auf ihre Kampagne gegen die Prügelstrafe hinzuweisen. Ihr Sprecher verwies auf eine Untersuchung aus dem Jahr 2020, nach der mehr als 80% aller Schüler in der Schule geschlagen wurden; etwa die Hälfte auch mit der Hand. Er forderte die Regierung auf, an ihrem Programm zur Schaffung von "sicheren Schulen" festzuhalten, wobei im ganzen Land zunächst 600 besser ausgestattete staatliche Grundschulen ausgewiesen werden wollen, an denen es auch keine Prügelstrafe geben soll.

Habarileo 26.01.2023, Mwananchi 27.01. + 02.02.2023, Nipashe 31.01.2023

Sittenverfall, homosexuelle Gefahr

Teile der tansanischen Öffentlichkeit machen sich Sorgen um die Ausbreitung von homosexuellem Verhalten in der Jugend und die Propagierung von "landesfremden" Sexualvorstellungen auch an den Schulen. Der stellvertretende Erziehungsminister Omary Kipanga forderte eine Überprüfung von Schulbüchern hinsichtlich der Propagierung von Homosexualität. Nach den wenig klaren Angaben in den Presseberichten könnte es um ausländische Schulbücher gehen, in denen 2 Männer oder 2 Frauen mit Kind als Eltern abgebildet sind. Solche Schulbücher könnten in den privaten englischsprachigen Grundschulen vorhanden sein, in die Familien der Ober- und Mittelschicht gerne ihre Kinder schicken. Bereits im vergangenen Jahr hatte es auf sozialen Netzen eine erregte Debatte über die englischsprachigen Rainbow-Schulen in Tansania gegeben, die den Regenbogen als Wappenzeichen führen. Alarmierte Nutzer sahen darin homosexuelle Propaganda, weil in Europa und USA der Regenbogen als Symbol der LGBT-Bewegung gebräuchlich ist. Nutzer in Tansania konterten mit dem Regenbogen aus der Bibel, der in der Sintflut-Erzählung als Gottes Segenszeichen vorkommt.

Der Generalsekretär der Elternvereinigung der Regierungspartei CCM forderte die Regierung auf, nicht auf ausländische Hilfsangebote einzugehen, die eine Tolerierung von Homosexualität zur Bedingung machen. Seine Vereinigung habe die Aufgabe, die Moral im Lande zu verteidigen und könne deshalb auf keinen Fall mit ansehen, dass homosexuelle Handlungen im Lande vorkommen. Er habe gehört, dass es Leute gebe, die Lehrpläne für Grundschulen vorbereiten, in denen solche Handlungen gebilligt werden sollen. Das müsse verhindert werden. Gleiches gelte auch für alle Arten von sexualisierter und geschlechtsbezogener Gewalt.

Auf einer Veranstaltung der CCM-Elternvereinigung in Iringa wurde das gleiche Thema erörtert. Die Eltern müssten dagegen vorgehen, dass mittlerweile Analverkehr und Homosexualität in Teilen der Gesellschaft akzeptiert würden. Deshalb müsse mehr Acht auf den sittlichen Schutz der männlichen Jugendlichen gegeben werden.

In seinem Grußwort bei einem Gottesdienst zur Einführung des Bischofs der Africa Inland Church forderte auch Vizepräsident Philip Mpango die religiösen Führer zu Anstrengungen gegen den Sittenverfall auf, der sich in der Zunahme von Vergewaltigungen und Homosexualität zeige. Handlungen wie Vergewaltigung, Analverkehr, Homosexualität, Prostitution, Drogenmissbrauch, Bestechung, Gewalt gegen Frauen und Kinder, Kinderheirat und Kinderschwangerschaften sowie unsittliche Kleidung würden Gottes Zorn hervorrufen und verstießen gegen die gute Sitte in Tansania. Sie würden auch den Fortschritt des Landes hemmen. Wenn die Gläubigen die religiösen Lehren befolgen, würden die genannten Übel verschwinden. Deshalb bitte er die Führer der Religionsgemeinschaften immer wieder, der Regierung durch die Stärkung der guten Moral zu helfen.

Mwananchi 27.01.2023, Nipashe 29.01.2023, Swahilitimes 20.01.2023