Schwere Menschenrechtsverletzungen – vier Minister entlassen - 01/2014 und Schwerpunkt: Bildungswesen I: Bildungspolitik - 07/2015: Unterschied zwischen den Seiten

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==Anhaltende Kritik an Regierungsmitgliedern==
==Erfolge==
Die regierende Partei CCM (Revolutionspartei) bestellte sieben Kabinettsmitglieder ein, um Vorwürfe unzureichender Leistung im Amt zu diskutieren. Der Generalsekretär der CCM, A. Kinana, hatte mit einer Parteidelegation verschiedene Regionen besucht. Dabei zeigten sich erhebliche Mängel in der Umsetzung sowohl des CCM-Parteiprogramms als auch der Nationalen Entwicklungs-Agenda. Beispiele sind stagnierende Entwicklungsprojekte, anhaltende Streitigkeiten zwischen Hirten und Landwirten, Landraub durch reiche Personen und Gesellschaften, Wasserknappheit, Unregelmäßige Belieferung mit Kunstdünger, Enttäuschende Prüfungsergebnisse an sehr vielen Schulen u.a. Die betreffenden Ministerien sind: Bildung, Öffentlicher Dienst, Justiz, Landwirtschaft, Industrie und Handel, Fischerei und Viehzucht, Finanzen und Wirtschaft.


Der Chef der Region Kilimanjaro sagte, einige Politiker seien ein Hindernis bei der Durchführung von Projekten des Ministerpräsidenten, namentlich der Nahrungsmittelhilfe. Manche ermutigten die Leute, lieber Nahrungsmittelhilfe zu beantragen, anstatt etwas anzubauen und nach der Ernte angemessen zu lagern. Andere eigneten sich Hilfsgüter an und verkauften sie dann, auch im Ausland. Dies wurde vom Projektkoordinator des Premierministers bestätigt: wenn die Hilfsgüter vollständig die wirklich bedürftigen Haushalte erreichten, würden sie auch für alle genügen. (Guardian 14.,15.12.; DN 16.,17. 12..13)
Nach dem „Education for All (EFA) Global Monitoring Report 2015“ ist Tansania unter den sieben schwarzafrikanischen Ländern, die fast allen Kindern eine Basis-Schulbildung anbieten können. Der Anteil der Grundschul-Abbrecher sank auf 12,5%. Andere Ziele des EFA-Konzepts erreichte TZ wenigstens teilweise:  


==Große Parlamentsdebatte zu Gräueltaten==
* Kostenlose, verpflichtende Grundschulbildung auch für Mädchen und ethnische Minderheiten
Die Regierung hatte eine gemeinsame Aktion mehrerer Ministerien zur Bekämpfung der grassierenden Wilderei gestartet. Vor allem Elefanten waren in letzter Zeit massenhaft mit automatischen Waffen getötet worden, um an Elfenbein zu gelangen. Die „Operation Tokomeza Ujangili“ (Wilderei ausrotten) lief aber vollständig aus dem Ruder. Nach Medienberichten über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch Polizei, Armee und Nationalpark-Schützer setzte der Abgeordnete Nkumba aus Sikonge einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss durch. Die Debatte wurde ganztägig im Fernsehen übertragen. Ein Bericht des Ständigen Ausschusses zu natürlichen Ressourcen und Umwelt machte offenbar, dass die Einsatzkräfte weniger den kriminellen Elfenbeinjägern nachstellten, als Menschen terrorisierten, die in der Nähe von Nationalparks oder Wildschutzgebieten Felder bestellten oder Vieh weideten. Dabei geschahen unerhörte Gräueltaten und Demütigungen: Menschen wurden über Kopf aufgehängt, vergewaltigt, zu tabuisierten sexuellen Handlungen gezwungen, hohe Bestechungsgelder wurden erpresst, Eigentum gestohlen und Vieh getötet. Es gab Tote, bleibend Geschädigte und Traumatisierte.
* Gleichberechtigter Zugang zu allen Ausbildungsgängen
* Alphabetisierung aller Erwachsenen und Zugang zu fortlaufenden Bildungsangeboten
* Messbar gute Leistungen in Lesen, Schreiben, Rechnen und Lebenstüchtigkeit für alle


Im Parlament herrschte parteienübergreifend große Empörung und Premier Pinda wurde zum Rücktritt aufgefordert. Präsident Kikwete entließ schließlich vier Minister, deren Untergebene in die Gräuel verstrickt waren: E. Nchimbi (Inneres), S. Nahodha (Verteidigung), D. Mathayo (Viehzucht, Fischerei)., K. Kagasheki (Tourismus). Letzterer hatte als Einziger die politische Verantwortung für die abstoßenden Vorfälle übernommen. Premier M. Pinda sagte: „Ich möchte mein herzliches Mitgefühl ausdrücken an alle, die unter der Anti-Wilderer-Aktion gelitten haben. Die grausamen Bilder, die heute hier gezeigt wurden, rufen nach gründlichen Nachforschungen, um alle anzuprangern, die hinter diesen inakzeptablen Verletzungen der Menschenrechte stehen.“ Der Generalstaatsanwalt kündigte an, eine Untersuchungskommission einzusetzen, um die Vorfälle aufzuklären.
Weltweit erreicht 1/3 der Länder diese Ziele, keines in Schwarzafrika.  


==Bewertungen==
Präsident Kikwete bezeichnete die seit 2005 flächendeckend eingerichteten Bezirks-Sekundarschulen als erfolgreich. Sie ermöglichten praktisch allen Geeigneten, die Mittlere Reife (O-level) zu erreichen. Auch der zunächst ebenfalls flächendeckende Mangel an Klassenräumen, Schulbänken, Lehrmaterial, Schulbüchern und Lehrkräften sei weitgehend überwunden. Manche Bezirks-Sekundarschulen hätten sogar die viel gepriesenen Privatschulen überflügelt. Seit 2005 wurden 3.500 Community Secondary Schools errichtet.
Die Presse begrüßte die entschiedene und Parteien übergreifende Reaktion des Parlaments und die Entlassung der verantwortlichen Minister. Darüber hinaus wird gefordert, auch die unmittelbar Beteiligten und ihre Vorgesetzten konsequent zur Rechenschaft zu ziehen.  


Der Untersuchungsbericht nannte keine Namen von in das Elfenbeinsyndikat verstrickten Politikern oder Regierungsmitgliedern. Angeblich seien jedoch Information über Telefon- und Kontonummern angeboten worden. Sowohl im Parlament als auch in der Presse wird der Verdacht geäußert, die „Operation Tokomeza“ sei von mächtigen Drahtziehern aus dem illegalen Elfenbeinhandel sabotiert und von den Wilderern weg auf unbewaffnete Zivilisten umorientiert worden. Besonders Hirten in der Nähe von Nationalparks sollen anscheinend eliminiert werden. Ein Kommentator weist darauf hin, dass diese Vertreibungen den Interessen von Bergbau- und Biosprit-Firmen entgegen kommen, also Folge und Wegbereiter der fortschreitenden Globalisierung sind. Landkonflikte träten vielfach auf. Sie müssten politisch gelöst und nicht mit Gewaltmaßnahmen angegangen werden. Seit Aussetzung der Operation Tokomeza wurden 60 weitere Elefanten getötet. Umweltschützer meinen, dies zeige, dass man bisher nur die „kleinen Fische“ angegangen habe, nicht aber die mächtigen Hintermänner und Profiteure der Wilderei.
Die Region Mwanza erreichte die für 2013/14 gesetzten Ziele im Bildungsbereich der Initiative „Big Results Now“: 11 Grundschulen sind unter den 100 besten des Landes. 98 Sekundarschul-Lehrkräfte bildeten sich fort in Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaft. 2.248 Klassenräume, 148 Labore und 50 Lehrerhäuser wurden errichtet. Der Bau von 11 neuen Sekundarschulen wurde begonnen. Premier M. Pinda teilte mit, landesweit habe der Bildungssektor mit 81% die meisten für 2014 gesetzten Ziele im Rahmen der BRN-Initiative erreicht. Für die Wasserversorgung gab Pinda 80% Erfolgsquote an, für Energie 79%, für Landwirtschaft 77%, für Transportwesen 64% und für Ressourcen-Erschließung 54%.


Etwa 50 Zivilorganisationen, die die Interessen der Hirten, Nomaden und Jäger-Sammler vertreten und im Hirten-Forum (PINGO – Pastoralists Indigenous Non-Governmental Organisations) zusammen geschlossen sind, begrüßten den korrekten Untersuchungsbericht. Sie forderten, die Opfer zu entschädigen und 1000 Stück Vieh, sowie 1500 Menschen zurückzuführen, die aus dem Loliondo- Wildkontroll-Gebiet nach Mara verschleppt worden waren.
Sansibar schafft ab Juli 2015 alle Beiträge für Grundschüler ab. Seit 2010 wurden 1.780 Lehrkräfte eingestellt und 299 Primarschulen errichtet. Die Zahl der Hochschul-Studenten stieg von 3.600 auf 6.000. Die OPEC unterstützte das Schulwesen mit $ 10 Mill.


Mehrere Universitätsprofessoren nahmen Stellung zur hastigen Kabinettsumbildung. Seit J. Kikwete 2005 Präsident wurde, sei dies nun die dritte große Kabinettsumbildung (nach 2008 und 2012). Ein Problem bestehe darin, dass Berufung und Entlassung von Regierungsmitgliedern nicht klar gesetzlich geregelt seien. Dies sollte in der neuen Verfassung eindeutig geschehen. Nachdem sogar das Sekretariat der regierenden CCM mehreren Ministern Unfähigkeit vorgeworfen hatte und Klagen von Investoren über Bestechlichkeit zunähmen, sei Kikwete wohl vor der Wahl von 2015 zu einer noch umfassenderen Umbildung seiner Regierung gezwungen, wobei auch Premier Pinda in die Schusslinie geraten werde. Dem Präsidenten wird empfohlen, Minister nicht nach politischen, sondern nach sachlichen Gesichtspunkten zu berufen. „Manche Minister verstehen nicht einmal ihr Ministerium“. Noch bevor sie sich orientiert hätten, würden sie entlassen oder versetzt, oft wegen Fehlverhaltens von Untergebenen. (Guardian 14.,15.,21.,22.,29.12.13; DN 13.,16.,17., 20.,22.,23.12., 28.12.13; 02.01.14; Citizen 20.12.13)
Die früher häufigen Betrugsversuche bei Prüfungen gingen auf allen Ebenen zurück: Primarschulen 1 Ertappter (2011: 9.736), Sekundarschulen 184 ('11: 3.303), Hochschulen 3 (11). Der Nationale Examensrat erstellt jährlich eine Analyse, die Lehrkräften Hinweise auf Stärken und Schwächen gibt.


[[Category:01/2014]]
Daily News berichtete von einer 25-jährigen dreifachen Mutter, die die selbe Grundschule besucht wie ihre Kinder. Sie trat in die 5. Klasse ein und ist damit ihrer ältesten Tochter ein Jahr voraus. Sogar die üblichen Schläge mit dem Rohrstock auf die Hände akzeptiert sie als Zeichen ihrer vollen Schüler-Identität. Die eifrige Schülerin will Lehrerin werden. Die Meru-Schule in Arusha zählt insgesamt 20 heranwachsende und erwachsene Schüler/innen.


[[Kategorie:Innere_Angelegenheiten_-_Innere_Sicherheit]]
Mitglieder der Tanzania Forest Conservation Group auf Sansibar führten Grundschulkinder durch das Dole-Masingini-Waldschutzgebiet und pflanzten mit ihnen 2.500 Bäume, die die Kinder auch weiter betreuen. Eltern und Regierungsvertreter begrüßten die Initiative, da sie die Ressourcen der kommenden Generation bewahre. Fortschrittliche Lehrer der örtlichen Koranschule interpretierten den Umweltschutz als vom Koran gebotenes „Almosen“ und damit für jeden Muslim verbindlich.
[[Kategorie:Innere_Angelegenheiten_-_Rechtswesen]]
 
[[Kategorie:Staatswesen_-_Parlament,_Regierung]]
Citizen 13.,14.04.; 13.05.15; DN 31.01.14; 12.01.; 17.04.; 29.04.; 24.05.; 06.06.15; Guardian 13.01.; 24.02.; 06.03.15
 
==Kritische Stimmen==
 
Vizepräsident G. Bilal hob hervor, nur eine qualitativ hochwertige Bildung auf allen Ebenen (Quality Education for All – QEA) könne vermeiden, dass die schnell wachsende Bevölkerung Afrikas zur Zeitbombe wird. Für 2050 werden in Ostafrika 400 Mill., in Schwarzafrika insgesamt 2 Mrd. Einwohner erwartet.
 
Der Citizen erinnert daran, dass etwa 90% der Politiker und Prominenten ihre Kinder auf Privatschulen im In- und Ausland schicken. Dies zeige, was sie von den schlecht ausgestatteten öffentlichen Schulen halten. Deren Probleme würden auch nicht durch ein neues Bildungskonzept gelöst.
 
Der Guardian zitiert das Motto der diesjährigen Bildungswoche „Bildung ist das Recht jedes Kindes“. Dieses Recht sei eklatant verletzt durch Klassenräume ohne Fenster, Türen und Bänke und, wenn sich je drei Schüler ein Lehrbuch teilen müssten.
 
Ein Kommentar des Guardian beklagt, dass Fähigkeit und Interesse am Lesen zurückgehen. Nur 60% der Schüler besuchten jemals die Schulbibliothek. Selbst Journalisten recherchierten mehr im Internet als in Büchern. Immer mehr Schulabgänger könnten nicht flüssig lesen.
 
Etwa 1,5 Mill. Kinder zwischen 11 und 18 Jahren besuchen keinerlei Schule. 13 Jahre nach Einführung der „Ergänzenden Grundbildung“ (Complementary Basic Education - COBET) für erfolglose Grundschüler sind von den 15 bis 19-Jährigen 16% der Mädchen und 15% der Jungen volle Analphabeten ohne jede Kenntnis im Lesen, Schreiben und Rechnen. Das COBET-Programm läuft noch bis 2016 und gilt vielen Mitwirkenden als ineffektiv. Das Bildungsministerium setzt nun auf die „Global Partnership for Education (GPE – [http://www.globalpartnership.org/ www.globalpartnership.org]; vgl. TI Feb. 2014). Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) meint, 58,5% der tansanischen Jugendlichen qualifizierten sich nicht für den Arbeitsmarkt. Nach dem UNESCO-Bericht für 2014 können 14 Mill. Tansanier/innen nicht lesen und schreiben. Das entspricht 33% der Bevölkerung (2002: 17%).
 
Die parlamentarische Opposition warf der Regierung vor, keine Konzeption für den Bildungsbereich zu haben und unzureichende Mittel einzusetzen. 67% aller Schulen seien 2014 nicht inspiziert worden. Investitions-Mittel seien nicht ausgezahlt worden. Prüfungsergebnisse würden einfach durch neue Benotungssysteme verbessert. Manche Prüfungsfragen seien unlogisch. Ein Abgeordneter bot jedem Professor im Haus TZS 10 Mill., der die Rechenaufgaben des letzten Grundschul-Examens zu 100% löse. Ein Professor der Uni DSM bedauerte, dass gewisse Mitglieder der Verfassunggebenden Versammlung nicht in der Lage waren, ihre Gedanken klar und zusammenhängend zu formulieren. Dies lasse das Bildungsniveau in einem bedenklichen Licht erscheinen.
 
Citizen 16.05.14; 13.02.; 09.03.; 02.06.15; DN 28.04.15; Guardian 20.;23.05.; 11.06.; 28.11.14; 12.05.; 04.06.15;
 
==Ursachenforschung==
 
Die Zivilorganisation Twaweza ([http://www.twaweza.org/ www.twaweza.org]) wies darauf hin, dass sich der Bildungshaushalt während der letzten Dekade verdreifacht hat, während die Qualität zurückging. Dies zeige, dass zu viel in quantitative Ausweitung und zu wenig in innovative Arbeitsformen und in Motivation der Mitarbeitenden investiert worden sei.
 
Das Legal and Human Rights Centre führte nach dem verheerenden Sekundarschul-Examen 2012 (61% fielen durch) eine Umfrage durch. Es fand folgende Ursachen des Qualitätsverlustes im Bildungsbereich:
 
* Mangel an Lehrmaterial
* Ungünstiges Arbeitsumfeld
* Lehrermangel
* Mangelhafte Aus- und Fortbildung der Lehrer
* Geringe Motivation der Lehrkräfte wegen schlechter Bezahlung, ausstehender Gehälter, fehlender Anerkennung und armseliger Wohnbedingungen
* Unzureichende Unterstützung durch die Eltern
* Lückenhafte Überprüfung, besonder auf dem Land
* Realitätsfremde Lehrpläne
* Schulversäumen wegen weiter Schulwege, Kinderarbeit, Schwangerschaft und Initiationszeremonien
 
Das Bildungsministerium nennt als wichtige Ursachen für die Unzulänglichkeiten im Bildungsbereich:
 
* Die Pro-Schüler-Zuweisungen an die Schulen laufen bisher über die Stadt- und Distriktsverwaltungen und werden nur verzögert oder teilweise ausgezahlt.
* Die Höhe der Zuweisung wurde längere Zeit nicht mehr angepasst (TZS 10.000 für Grund-, 25.000 für Sekundarschulen)
* Viele neu gegründete Schulen finden nicht genug qualifizierte Lehrkräfte. Die Regierung bezifferte das Defizit an Lehrkräften auf 43.441 Stellen. Daher stellte das Bildungministerium 2.700 naturwissenschaftliche, 11.795 einfache, 6.596 diplomierte und 12.666 akademische Lehrkräfte ein. Dazu kommen 10.625 neu eingestellte Labortechniker.
* Es fehlen 140.812 Lehrerhäuser an Grund- und 56.520 an Sekundarschulen
* An Grundschulen müssen sich 5, an Sekundarschulen 3 Schüler ein Lehrbuch teilen
* In manchen ländlichen Gebieten fehlt es noch am Nötigsten. Im sansibarischen Parlament wurde von einer Schule berichtet, wo 200 Schüler in einem Raum auf dem Boden sitzen. Ein Lehrer unterrichtet, einer verfolgt das Benehmen der Schüler, einer fungiert als Zuchtmeister.
* 1.882.313 Schulbänke fehlen in öffentlichen Schulen
* Zu wenige Schulbücher werden von einheimischen Pädagogen geschrieben
* Viele Sekundarschüler auf Sansibar scheitern in Examina an mangelnden Englischkenntnissen.
 
DN 28.04.; 11.06.15; Guardian 07.05.; 11.06.; 29.11.; 11.12.14;
 
[[Kategorie:07/2015]]
[[Kategorie:Erziehungswesen_-_Allgemein]]
[[Kategorie:Erziehungswesen_-_Schulen_allgemein]]

Aktuelle Version vom 6. Januar 2019, 20:22 Uhr

Erfolge

Nach dem „Education for All (EFA) Global Monitoring Report 2015“ ist Tansania unter den sieben schwarzafrikanischen Ländern, die fast allen Kindern eine Basis-Schulbildung anbieten können. Der Anteil der Grundschul-Abbrecher sank auf 12,5%. Andere Ziele des EFA-Konzepts erreichte TZ wenigstens teilweise:

  • Kostenlose, verpflichtende Grundschulbildung auch für Mädchen und ethnische Minderheiten
  • Gleichberechtigter Zugang zu allen Ausbildungsgängen
  • Alphabetisierung aller Erwachsenen und Zugang zu fortlaufenden Bildungsangeboten
  • Messbar gute Leistungen in Lesen, Schreiben, Rechnen und Lebenstüchtigkeit für alle

Weltweit erreicht 1/3 der Länder diese Ziele, keines in Schwarzafrika.

Präsident Kikwete bezeichnete die seit 2005 flächendeckend eingerichteten Bezirks-Sekundarschulen als erfolgreich. Sie ermöglichten praktisch allen Geeigneten, die Mittlere Reife (O-level) zu erreichen. Auch der zunächst ebenfalls flächendeckende Mangel an Klassenräumen, Schulbänken, Lehrmaterial, Schulbüchern und Lehrkräften sei weitgehend überwunden. Manche Bezirks-Sekundarschulen hätten sogar die viel gepriesenen Privatschulen überflügelt. Seit 2005 wurden 3.500 Community Secondary Schools errichtet.

Die Region Mwanza erreichte die für 2013/14 gesetzten Ziele im Bildungsbereich der Initiative „Big Results Now“: 11 Grundschulen sind unter den 100 besten des Landes. 98 Sekundarschul-Lehrkräfte bildeten sich fort in Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaft. 2.248 Klassenräume, 148 Labore und 50 Lehrerhäuser wurden errichtet. Der Bau von 11 neuen Sekundarschulen wurde begonnen. Premier M. Pinda teilte mit, landesweit habe der Bildungssektor mit 81% die meisten für 2014 gesetzten Ziele im Rahmen der BRN-Initiative erreicht. Für die Wasserversorgung gab Pinda 80% Erfolgsquote an, für Energie 79%, für Landwirtschaft 77%, für Transportwesen 64% und für Ressourcen-Erschließung 54%.

Sansibar schafft ab Juli 2015 alle Beiträge für Grundschüler ab. Seit 2010 wurden 1.780 Lehrkräfte eingestellt und 299 Primarschulen errichtet. Die Zahl der Hochschul-Studenten stieg von 3.600 auf 6.000. Die OPEC unterstützte das Schulwesen mit $ 10 Mill.

Die früher häufigen Betrugsversuche bei Prüfungen gingen auf allen Ebenen zurück: Primarschulen 1 Ertappter (2011: 9.736), Sekundarschulen 184 ('11: 3.303), Hochschulen 3 (11). Der Nationale Examensrat erstellt jährlich eine Analyse, die Lehrkräften Hinweise auf Stärken und Schwächen gibt.

Daily News berichtete von einer 25-jährigen dreifachen Mutter, die die selbe Grundschule besucht wie ihre Kinder. Sie trat in die 5. Klasse ein und ist damit ihrer ältesten Tochter ein Jahr voraus. Sogar die üblichen Schläge mit dem Rohrstock auf die Hände akzeptiert sie als Zeichen ihrer vollen Schüler-Identität. Die eifrige Schülerin will Lehrerin werden. Die Meru-Schule in Arusha zählt insgesamt 20 heranwachsende und erwachsene Schüler/innen.

Mitglieder der Tanzania Forest Conservation Group auf Sansibar führten Grundschulkinder durch das Dole-Masingini-Waldschutzgebiet und pflanzten mit ihnen 2.500 Bäume, die die Kinder auch weiter betreuen. Eltern und Regierungsvertreter begrüßten die Initiative, da sie die Ressourcen der kommenden Generation bewahre. Fortschrittliche Lehrer der örtlichen Koranschule interpretierten den Umweltschutz als vom Koran gebotenes „Almosen“ und damit für jeden Muslim verbindlich.

Citizen 13.,14.04.; 13.05.15; DN 31.01.14; 12.01.; 17.04.; 29.04.; 24.05.; 06.06.15; Guardian 13.01.; 24.02.; 06.03.15

Kritische Stimmen

Vizepräsident G. Bilal hob hervor, nur eine qualitativ hochwertige Bildung auf allen Ebenen (Quality Education for All – QEA) könne vermeiden, dass die schnell wachsende Bevölkerung Afrikas zur Zeitbombe wird. Für 2050 werden in Ostafrika 400 Mill., in Schwarzafrika insgesamt 2 Mrd. Einwohner erwartet.

Der Citizen erinnert daran, dass etwa 90% der Politiker und Prominenten ihre Kinder auf Privatschulen im In- und Ausland schicken. Dies zeige, was sie von den schlecht ausgestatteten öffentlichen Schulen halten. Deren Probleme würden auch nicht durch ein neues Bildungskonzept gelöst.

Der Guardian zitiert das Motto der diesjährigen Bildungswoche „Bildung ist das Recht jedes Kindes“. Dieses Recht sei eklatant verletzt durch Klassenräume ohne Fenster, Türen und Bänke und, wenn sich je drei Schüler ein Lehrbuch teilen müssten.

Ein Kommentar des Guardian beklagt, dass Fähigkeit und Interesse am Lesen zurückgehen. Nur 60% der Schüler besuchten jemals die Schulbibliothek. Selbst Journalisten recherchierten mehr im Internet als in Büchern. Immer mehr Schulabgänger könnten nicht flüssig lesen.

Etwa 1,5 Mill. Kinder zwischen 11 und 18 Jahren besuchen keinerlei Schule. 13 Jahre nach Einführung der „Ergänzenden Grundbildung“ (Complementary Basic Education - COBET) für erfolglose Grundschüler sind von den 15 bis 19-Jährigen 16% der Mädchen und 15% der Jungen volle Analphabeten ohne jede Kenntnis im Lesen, Schreiben und Rechnen. Das COBET-Programm läuft noch bis 2016 und gilt vielen Mitwirkenden als ineffektiv. Das Bildungsministerium setzt nun auf die „Global Partnership for Education (GPE – www.globalpartnership.org; vgl. TI Feb. 2014). Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) meint, 58,5% der tansanischen Jugendlichen qualifizierten sich nicht für den Arbeitsmarkt. Nach dem UNESCO-Bericht für 2014 können 14 Mill. Tansanier/innen nicht lesen und schreiben. Das entspricht 33% der Bevölkerung (2002: 17%).

Die parlamentarische Opposition warf der Regierung vor, keine Konzeption für den Bildungsbereich zu haben und unzureichende Mittel einzusetzen. 67% aller Schulen seien 2014 nicht inspiziert worden. Investitions-Mittel seien nicht ausgezahlt worden. Prüfungsergebnisse würden einfach durch neue Benotungssysteme verbessert. Manche Prüfungsfragen seien unlogisch. Ein Abgeordneter bot jedem Professor im Haus TZS 10 Mill., der die Rechenaufgaben des letzten Grundschul-Examens zu 100% löse. Ein Professor der Uni DSM bedauerte, dass gewisse Mitglieder der Verfassunggebenden Versammlung nicht in der Lage waren, ihre Gedanken klar und zusammenhängend zu formulieren. Dies lasse das Bildungsniveau in einem bedenklichen Licht erscheinen.

Citizen 16.05.14; 13.02.; 09.03.; 02.06.15; DN 28.04.15; Guardian 20.;23.05.; 11.06.; 28.11.14; 12.05.; 04.06.15;

Ursachenforschung

Die Zivilorganisation Twaweza (www.twaweza.org) wies darauf hin, dass sich der Bildungshaushalt während der letzten Dekade verdreifacht hat, während die Qualität zurückging. Dies zeige, dass zu viel in quantitative Ausweitung und zu wenig in innovative Arbeitsformen und in Motivation der Mitarbeitenden investiert worden sei.

Das Legal and Human Rights Centre führte nach dem verheerenden Sekundarschul-Examen 2012 (61% fielen durch) eine Umfrage durch. Es fand folgende Ursachen des Qualitätsverlustes im Bildungsbereich:

  • Mangel an Lehrmaterial
  • Ungünstiges Arbeitsumfeld
  • Lehrermangel
  • Mangelhafte Aus- und Fortbildung der Lehrer
  • Geringe Motivation der Lehrkräfte wegen schlechter Bezahlung, ausstehender Gehälter, fehlender Anerkennung und armseliger Wohnbedingungen
  • Unzureichende Unterstützung durch die Eltern
  • Lückenhafte Überprüfung, besonder auf dem Land
  • Realitätsfremde Lehrpläne
  • Schulversäumen wegen weiter Schulwege, Kinderarbeit, Schwangerschaft und Initiationszeremonien

Das Bildungsministerium nennt als wichtige Ursachen für die Unzulänglichkeiten im Bildungsbereich:

  • Die Pro-Schüler-Zuweisungen an die Schulen laufen bisher über die Stadt- und Distriktsverwaltungen und werden nur verzögert oder teilweise ausgezahlt.
  • Die Höhe der Zuweisung wurde längere Zeit nicht mehr angepasst (TZS 10.000 für Grund-, 25.000 für Sekundarschulen)
  • Viele neu gegründete Schulen finden nicht genug qualifizierte Lehrkräfte. Die Regierung bezifferte das Defizit an Lehrkräften auf 43.441 Stellen. Daher stellte das Bildungministerium 2.700 naturwissenschaftliche, 11.795 einfache, 6.596 diplomierte und 12.666 akademische Lehrkräfte ein. Dazu kommen 10.625 neu eingestellte Labortechniker.
  • Es fehlen 140.812 Lehrerhäuser an Grund- und 56.520 an Sekundarschulen
  • An Grundschulen müssen sich 5, an Sekundarschulen 3 Schüler ein Lehrbuch teilen
  • In manchen ländlichen Gebieten fehlt es noch am Nötigsten. Im sansibarischen Parlament wurde von einer Schule berichtet, wo 200 Schüler in einem Raum auf dem Boden sitzen. Ein Lehrer unterrichtet, einer verfolgt das Benehmen der Schüler, einer fungiert als Zuchtmeister.
  • 1.882.313 Schulbänke fehlen in öffentlichen Schulen
  • Zu wenige Schulbücher werden von einheimischen Pädagogen geschrieben
  • Viele Sekundarschüler auf Sansibar scheitern in Examina an mangelnden Englischkenntnissen.

DN 28.04.; 11.06.15; Guardian 07.05.; 11.06.; 29.11.; 11.12.14;