Aktuelles: Magufuli nach einem Jahr - 11/2016
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Nach knapp einem Jahr Magufuli-Regierung versuchen Beobachter, seine Leistungen und seine Persönlichkeit einzuordnen. Hervorgehoben wird Dr. Magufulis („JPM“) Art, scheinbar unlösbare Probleme anzupacken und zeitnah und effizient zu lösen. Vieles geriet in Bewegung, was angesichts des Filzes, der Korruption und der sich gegenseitig blockierenden Fraktionen in der seit 50 Jahren regierenden CCM unmöglich erschien. JPM schaffte es, sich über die innerparteilichen Machtkämpfe und die scheinbar allmächtige Staatsbürokratie zu erheben, indem er sich als dynamischen Mann des Volkes und unermüdlichen Verteidiger des normalen Bürgers profilierte. Er pflegt ein gutes Verhältnis zur Armee und zeigt sich gern im Kampfanzug als Oberbefehlshaber.
Ein Oxforder Politologe bezeichnete ihn daher als einen „dynamischen Populisten“, der selbst ein Beispiel gibt, entschlossen Ziele setzt und Aufgaben termingerecht abarbeitet. Die wichtigsten Erfolge JPMs waren bisher:
- Die allgemein übliche Verschwendung öffentlicher Gelder wurde unterbunden
- Aufwendige Feiern der Elite reduziert zugunsten von Straßen und Krankenhäusern
- Auslandsreisen mit üppigen Tagesgeldern stark eingeschränkt; JPM strich auch eigene Reisen, soweit sie nur Routinegespräche betrafen
- Symbolträchtige Sauberkeits- und Aufräumaktionen durchgeführt
- Ineffektive oder arrogante Beamte (ohne formale Beweise und langwierige Verfahren) gefeuert
- Leistungen des Öffentlichen Dienstes spürbar verbessert (Strom, Wasser, Schulen, medizinische Versorgung, Gerichte, ja sogar die Polizei)
- Korrupte Spitzenbeamte entlassen (in der Hoffnung auf einen Abschreckungseffekt auf allen Ebenen)
- Phantom-Mitarbeitende und -Studierende massenhaft entlarvt
- Inhaber gefälschter Zeugnisse und Urkunden aufgespürt
- Steuern effektiv eingetrieben, auch von der Partei „nahestehenden“ Geschäftsleuten
- Staatschulden erfasst und anfänglich abbezahlt
- Untätige Großgrundbesitzer enteignet zugunsten landsuchender Bauern
- Prestigeträchtige Projekte realisiert oder zumindest angekündigt: 2 neue Flugzeuge für die bankrotte Air Tanzania; Rohöl-Leitung nach Tanga; Neue Zentralbahn
- Auslandshilfe für unnötig erklärt, vor allem, wenn sie mit Auflagen verbunden ist
- Der seit Jahrzehnten vorgesehene Umzug der Ministerien und Behörden in die eigentliche Hauptstadt Dodoma wird zügig vorangetrieben
JPM führte seinen Befreiungsschlag gegen selbstgefällige und erstarrte Institutionen und Cliquen allerdings als Einzelkämpfer und in der Art eines „Bulldozers“ (so sein Spitzname). Demokratische Konzepte und Institutionen, die allein auf Dauer Effizienz und Korruptionsbekämpfung gewährleisten, werden damit nicht gestärkt, sondern geschwächt.
Die Problematik zeigt sich besonders in JPMs Dünnhäutigkeit gegenüber Kritik in den Medien und im autoritären Umgang mit der politischen Opposition. Die manipulierte Wahl auf Sansibar verteidigte JPM. Die Oppositionsparteien erhielten Versammlungsverbot, um „Stabilität und inneren Frieden“ zu wahren; nur auf diskreten internationalen Druck hin dürfen sie wieder „interne“ und lokale Treffen veranstalten. Medien beklagen Zensurversuche, einzelne Zeitungen und Radiostationen wurden verboten. Der „Citizen“ sieht darin das Modell des afrikanischen Politikers, der als gütiger Chef gesehen werden will, dem beflissene Dankbarkeit zusteht, nicht schnöde Kritik.
Berufsverbände und Gewerkschaften wehrten sich gegen die willkürliche Entlassung von Mitarbeitern wegen Korruptions- oder Inkompetenz-Vorwürfen, oft ohne dass die Betreffenden auch nur angehört werden. Auch Beschuldigte könnten rechtsstaatliche Verfahren verlangen. Die für den Öffentlichen Dienst geltenden Gesetze müssten beachtet werden, sonst drohe eine weitere Demotivierung der Mitarbeitenden.
International, vor allem in afrikanischen Ländern, erscheint der tansanische Präsident als leuchtendes Vorbild, das der Verschwendungssucht und Ineffizienz der jeweils eigenen Regierung entgegen gehalten wird. Ein Pressefoto JPMs in der Economy-Klasse eines neuen Flugzeugs wurde in den sozialen Medien zum Schlager, obwohl er gar nicht geflogen war, sondern nur dekorativ vor der Kamera saß.
Citizen 07.,13.,22.10.16; Daily Nation (Kenya) 16.10.16; DN 04.10.16; Guardian 12.10.16; Raia Mwema 13.10.16
Opposition
Magufulis offen geäußerte Genugtuung über die verheerenden Zwistigkeiten in der oppositionellen CUF wurde als nicht staatsmännisch kritisiert. Manche vermuten sogar, dass Regierungskreise die CUF-Krise schüren. Der Partei droht die Spaltung in einem erbitterten Machtkampf zwischen dem ehemaligen Parteichef I. Lipumba und dem Interimsvorsitzenden Mtatiro und Parteisekretär Hamad.
Die oppositionelle CHADEMA sagte zweimal landesweite Demonstrationen gegen „Udikiteta“ (Diktatur) ab. Religiöse Führer hätten davon abgeraten und wollten ihrerseits ein Gespräch mit Präsident Magufuli zur Vermittlung zwischen Regierung und Opposition führen, von dessen Zustandekommen bisher jedoch noch nichts bekannt wurde. Die Partei will ihre Anliegen verstärkt in westlichen Partnerländern bekannt machen.
Der von JPM neu eingesetzte Regional-Kommissar von Arusha kürzte das Sitzungsgeld der Stadträte von TZS 60.000 auf 10.000. Außerdem sollen sie Entschädigungen für Kommunikationskosten von TZS 41 Mill. zurückzahlen. 24 von 25 Stadträten gehören der CHADEMA an, einer der CCM.
JPM rief bei einem anglikanischen Gottesdienst alle Kirchen, Religionen und Parteien zu liebevollem Umgang miteinander auf, um die Entwicklung der Nation zu fördern.
Citizen 27.09.; 01.,02.,13.,23.10.16; DN 24.,25.,26.09.16; Guardian 24.,25.09.16
Eingeschränkte Freiheit
Einige Bürger wurden wegen kritischer politischer Äußerungen in sozialen Medien verurteilt, einer zu drei Jahren Gefängnis und $ 3.190 wegen Beleidigung des Präsidenten.
Der Bongo-Flava-Sänger Mwana Cotide wurde angeklagt, weil er auf Youtube einen Song mit dem Titel „Diktatürchen“ (Udikteta Uchwara) hochgeladen hatte.
Ein Interviewprogramm des Senders Cloud TV wurde für 3 Monate verboten, weil darin eine Dame mit dem beziehungsreichen Namen Gigy Money erläuterte, wie sie Geld verdiente, indem sie mit Männern schlief, deren Namen sie dann auch nannte. Bereits im Juni musste sich der Sender 5 Tage in Folge bei der Bevölkerung wegen Verteidigung der Homosexualität entschuldigen.
Nach dem allgemeinen Demonstrationsverbot äußern sich vor allem junge, kritische Bürger vermehrt über soziale Internet-Medien. Die CCM kündigte an, auch ihr Jugend-Flügel werde sich in die Diskussion einschalten. Zur Zeit diskutierte Themen: wirtschaftliche Probleme, Sansibar-Wahl, Demonstrationsverbot, Tanesco-Zahlungen, Medikamenten-Knappheit. Beobachter begrüßen es, dass sich über die sozialen Medien Viele an der politischen Diskussion beteiligen können. Die Polizei warnt vor „Missbrauch“. Viele Bürger/innen haben jedoch noch keinen Internet-Zugang, nicht Wenige scheitern schon daran, dass sie nicht flüssig lesen und schreiben können.
Die NRO „Twaweza“ veröffentlichte eine Telefon-Umfrage von Ende August „Demokratie, Diktatur und Demonstrationen – Was denken die Bürger?“ Einige Resultate:
- 69% wollen eine demokratische Regierung
- 86% wollen mehrere Parteien
- 80% denken, zwischen Wahlen sollte die Opposition mit der Regierung zusammenwirken, anstatt sie zu bekämpfen. 51% befürworten öffentliche Versammlungen der Opposition, 49% halten sie für schädlich
- 11% bezeichnen Magufuli als Diktator, 58% widersprechen dieser Qualifikation, wobei jedoch 34% den Begriff Diktatur nicht kennen; 9% würden an einer Demonstration gegen Diktatur teilnehmen
Die Umfrage wurde kontrovers aufgenommen, u.a. wegen innerer Widersprüche. Der ACT-Wazalendo-Chef Z. Kabwe urteilte: Magufuli sei gewiss nicht mit Diktatoren vom Schlag I. Amins oder Mobutu vergleichbar. In einer Demokratie aber müsse sich ein politischer Führer kritische Fragen gefallen lassen und sie auch beantworten.
Citizen 28.,29.,30.09.16; DN 29.09.; 03.10.16; Guardian 30.09.16