Äußerungen zur Einführung eines Kadi-Gerichts - 09/2008

Aus Tansania Information
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<Vergl. Tans.-Inf. 12/06 S. 12>

Mathias Chikawe, Minister für Justiz und Verfassungsfragen, berichtete dem Parlament, die von der Gesetzesreform-Kommission durchgeführte Sammlung von Äußerungen zur Frage, ob das Kadi-Gericht eingeführt werden solle oder nicht, sei abgeschlossen. Die Regierung prüfe den Untersuchungsbericht und die Empfehlungen.

Bei der emotionalen Diskussion des Parlaments über dieses Thema wurde eine tiefe Kluft zwischen den Abgeordneten deutlich. Die Muslime bestanden auf der Einführung des Kadi-Gerichts, denn es sei untrennbar vom muslimischen Glauben. Die Christen nannten jeglichen Versuch, besondere Gerichte einzuführen, verfassungswidrig, eine Bedrohung des Friedens.

Ein CCM-Abgeordneter mahnte zu Vorsicht und Geduld, denn dieses Thema berühre Muslime und Christen, weil für Einrichtung und Arbeit der Gerichte Steuergelder verwendet würden. Er betonte, es sei unnötig, die Regierung zur Legalisierung des Kadi-Gerichts zu zwingen, denn die Muslime könnten ein System entwickeln, Dinge, für die das Kadi-Gericht zuständig sei, selbst zu entscheiden.

Von der Aufforderung, Toleranz zu üben, wollte ein CCM-Abgeordneter absolut nichts hören, denn die Muslime hätten keine Geduld mehr. Seit den 1960er Jahren hätten sie auf das Kadi-Gericht gewartet.

Eine Abgeordnete der Opposition wies darauf hin, dass es in Kenia, Ruanda und Uganda seit Jahrzehnten Kadi-Gerichte gebe; sie hätten weder zu sozialen Unruhen noch zu religiös bedingter Gewalt geführt. “Die Verfassung Ugandas erkennt die Kadi-Gerichte an, aber sie wurden nie eingeführt.” Außerdem sei im Wahlmanifest der CCM von 05 die Einführung des Kadi-Gerichts zugesagt worden.

Das Wahlmanifest sei ausgearbeitet worden, als Präsident, Parlamentspräsident, Premierminister und CCM-Generalsekretär zufällig alle Christen waren, erklärte ein anderer. Er betonte, die Einrichtung des Kadi-Gerichts bedeute nicht, dass Tansania ein muslimischer Staat werde und eine muslimische Regierung habe.

Ein Abgeordneter forderte, Minister Chikawe solle genau erklären, warum das Kadi-Gericht 1963 abgeschafft wurde. Die Wellen schlugen hoch, als er behauptete, der Muslim Council of Tanzania (Bakwata) sei den Muslimen aufgezwungen worden. Außerdem habe man Sansibar untersagt, der Organization of Islamic Countries (OIC) beizutreten. “Alle haben die gleichen Rechte. Warum sollte der Beitritt zur OIC auf die Genehmigung der Kirche warten”, fragte er wutentbrannt.

Probleme, um die sich das Kadi-Gericht kümmere, Ehestreitigkeiten, Erbschaft und Scheidung, könnten leicht von vorhandenen muslimischen Einrichtungen gelöst werden, dazu sei kein Gericht nötig, für das Steuergelder gebraucht werden, betonte eine Abgeordnete.

Ein anderer gab zu bedenken, die Einrichtung eines Kadi-Gerichts könne andere Religionsgemeinschaften ermuntern, zu fordern, dass Steuergeld für die Arbeit ihrer Gerichte verwendet wird, was verfassungswidrig wäre.

Diese Diskussion zeige, wie notwendig es sei, für das Land zu beten, auf dass der mit Blut und Schweiß aufrechterhaltene Friede andauere, betonte ein CCM-Abgeordneter. (Citizen 14./15.08)

Kommentar: Die hitzige Debatte sollte nicht unbedingt als Zeichen für eine tiefe Kluft zwischen christlichen und muslimischen Abgeordneten verstanden werden. Seit mehr als 40 Jahren blieb Tansania ein vereintes, friedliches Land, das zusammenhält, denn Differenzen in Fragen der Religion durften niemals zu Uneinigkeit und Feindschaft führen, weil die Verfassung sehr klar ist, was die Religionsfreiheit betrifft.

Tansanier anderer Glaubensrichtung unterstehen dem Kadi-Gericht nicht. Seine Entscheidungen heben die Verfassung, das oberste Gesetz, nicht auf.

In Kenia, Ruanda und Uganda gab es wegen der Kadi-Gerichte nie Probleme; außerdem sind in Kenia 70 % der Einwohner Christen.

Bis die Regierung die letzte Entscheidung trifft, sollte die Diskussion der Abgeordneten und der Öffentlichkeit insgesamt weitergehen. (Citizen 15.08)