Innenpolitik ‐ 11/2025

Aus Tansania Information
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Hauptmann Tesha

In den sozialen Medien tauchte am 4. Oktober ein einstündiger Beitrag eines Hauptmann John Tesha auf, der seine Besorgnis im Hinblick auf die Sicherheit in Tansania zum Ausdruck brachte und die Streitkräfte Tansanias unter dem Oberbefehl von General Jacob Mkunda drängte, militärisch zu intervenieren und die Wahl am 29. Oktober zu stoppen. In dem viralen Video warf Tesha der Regierung Korruption, Rechtsverstöße und politische Einmischung in militärische Angelegenheiten vor. Armeesprecher Oberst Bernard Masala Mlunga reagierte auf das Video mit der Warnung vor Versuchen Einzelner, die Armee in das politische Geschehen hineinzuziehen. Die Streitkräfte Tansanias betrachteten Teshas Beitrag als schweren Verstoß gegen das militärische Protokoll. Was seither aus dem Offizier wurde, ist unbekannt.

Die Polizei warnte unterdessen davor „kriminelle und aufrührerische Inhalte“ in den sozialen Medien zu verbreiten. Sie werde nicht ruhen, bis die Zündler verhaftet und vor Gericht gestellt seien.

BBC, 06.10.2025, TheChanzo, 05.10.2025

Entführt: Humphrey Polepole

Godfrey Polepole informierte die BBC, dass sein älterer Bruder Humphrey, der frühere Botschafter Tansanias in Kuba und CCM-Parteimitglied, am frühen Morgen des 6. Oktober von Unbekannten unter Gewaltanwendung aus seinem Haus in Dar es Salaam abgeholt worden sei. Der Polizeichef der Stadt Jumanne Muliro versicherte, die Untersuchung des Vorfalls sei bereits im Gange. Allerdings habe Polopole mehrfach angegeben, sich im Ausland aufzuhalten. Der Sprecher der Landespolizei David Misime bestätigte, dass seine Behörde gleichfalls ermittle.

BBC, 06.10.2025, Citizen, 08.10.2025

Der Magufuli-Gefolgsmann Humphrey Polepole war am 13. Juli als Botschafter in Kuba zurückgetreten, weil er, wie er erklärte, das Vertrauen in seine Partei und in die Regierung verloren habe. Von 2016-2021 war er Parteisekretär für Ideologie und Öffentlichkeitsarbeit, dann von 2022-2023 Tansanias Hochkommissar in Malawi und schließlich Botschafter in Kuba gewesen. Seit seiner Rückkehr aus Kuba bezweifelte er öffentlich die Rechtmäßigkeit von Präsidentin Hassans Kandidatur, schimpfte über das „Netzwerk“, eine sich angeblich bereichernde Clique führender CCM-Politiker und Geschäftsleute, und über Rostam Aziz, ein Milliardär, Geschäftsmann und CCM-Mitglied, der sich, so Polepole, 70 % der Ngaka-Kohlengrube gesichert habe, die größten in Ost- und Zentralafrika, zu einem Bruchteil ihres Wertes, was Aziz als Lüge zurückwies.

Quellen aus Militär, Politik und Sicherheit gaben an, Polepole habe das Blutbad in seinem Haus nicht überlebt. Am 11. Oktober erklärte der Aktivist Onesmo Olengurumwa von der Tanzania Human Rights Defenders‘ Coalition, der Vermisste lebe. Die Organisation, die mehr als 100 politisch motivierte Verschleppungen in den letzten zwei Jahren dokumentierte, warnte, dass Polepoles Entführung und die zuletzt vermehrten Verhaftungen, vor allem von Jugendgruppenführern der Chadema, die Opposition zu öffentlichen Protesten am Wahltag veranlassen könnten.

Mit der Entführung dieses Kritikers aus den eigenen Reihen, habe die Regierung eine letzte rote Linie überschritten, so die tansanische Whistleblowerin Maria Sarungi Tsehai, die selbst im Januar 2025 entführt aber wieder freigelassen worden war. Präsidentin Hassan erweise sich als noch brutaler als ihr Vorgänger Magufuli, so Menschenrechtsanwalt Jebra Kambole. Zudem falle es auf, dass alle Entführungsopfer vom tansanischen Festland stammten, nicht aus Sansibar. Die Wut in der Bevölkerung, die sich bisher bei Enttäuschungen eher in die Passivität zurückgezogen habe, wachse und verändere die Kultur, da nun auch Priester, Evangelikale und Prominente ihre Stimme für Menschenrechte erhöben.

Polepoles Anwälte und seine Familie beantragten am 8. Oktober vor dem Hohen Gericht in Dar es Salaam „Habeas Corpus“, d.h. wer immer Polepole verhaftet hat, muss ihn jetzt dem Gericht innerhalb von 24 Stunden vorführen. Die Polizei hat verneint, ihn in Haft zu halten. Am 24. Oktober wies das Gericht den Antrag aus Mangel an Beweisen zurück.

BBC, 06.10.2025, Citizen, 08./27.10.2025, TheChanzo, 09.10.2025, AfricaReport, 12.10.2025, Guardian, 13.10.2025

Human-Rights-Watch-Bericht

Die Unterdrückung politischer Gegner und kritischer Medien durch die Regierung sowie deren Unfähigkeit, für eine tatsächliche Unabhängigkeit der von der Regierung ernannten Unabhängigen Nationalen Wahlkommission (INEC) zu sorgen, haben schwere Befürchtungen geweckt, ob die Wahl am 29. Oktober wirklich frei und fair und damit glaubwürdig sein könne.

„Wer die Regierung kritisiert“, so ein von HRW befragter Kirchenführer, „bringt sein Leben in Gefahr.“ Anfragen von HRW an die Tanzania Police Force, die INEC, die Communications Regulatory Authority und das Außenministerium vom 19. September sind bisher unbeantwortet geblieben. HRW dokumentierte zehn Fälle politisch motivierter Angriffe, Entführungen und Folterungen und bestätigte mehr als 150 Fälle von politisch motivierter Gewaltanwendung im weitesten Sinne, dokumentiert durch das Legal and Human Rights Centre und die Tanzania Human Rights Defenders‘ Coalition. HRW verurteilt den Ausschluss von Präsidentschaftskandidaten der Opposition durch die INEC und die damit verbundene Verhinderung von Wettbewerb.

Die starken Beschneidungen der Medien durch die Tanzania Communications Regulatory Authority wegen angeblicher Verbreitung „irreführender, täuschender und falscher Informationen“ wird gleichfalls kritisch gesehen. Im Mai wurden mehr als 80.000 Webseiten, Social-Media-Konten, Blogs und online-Plattformen „wegen Verbreitung von Inhalten, die die Öffentlichkeit irreführen sowie die Regierung und die Präsidentin beleidigen und missachten“ abgeschaltet. Blockiert wurde außerdem der Zugang zu X, Clubhouse, Telegram und JamiiForums. „Unabhängigen Journalismus gibt es in Tansania nicht“, erklärt ein von HRW befragter Journalist.

Ihre Besorgnis über die Zustände in Tansania unmittelbar vor der Wahl haben außerdem die Afrikanische Kommission der Menschenrechte und der Rechte der Völker, die Vereinten Nationen und das Europäische Parlament zum Ausdruck gebracht.

Die Regierung bekräftigt ihr Engagement für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und gute Regierungsführung vor der Wahl und darüber hinaus, auch wenn internationale Organisationen immer wieder „ungenau und missverständlich“ berichteten, so Regierungssprecher und Staatssekretär des Ministeriums für Information, Kultur, Künste und Sport Gerson Msigwa in Reaktion auf den HRW-Bericht vom 29.09.2025. Die Regierung sei zutiefst enttäuscht, das HRW ihr im Vorfeld der Veröffentlichung keine Gelegenheit zu einer Richtigstellung der falschen Beschuldigungen gegeben habe. Tansania bekenne sich zu allen durch die Verfassung und ratifizierten internationalen Verträge auferlegten Pflichten. Die Regierung sei gerne bereit, mit allen internationalen Institutionen zusammenzuarbeiten, die zutreffende Informationen suchten.

HRW hatte außerdem den mangelnden Schutz von Bürgerdaten, sowie den geringen Fortschritt bei Kinderehe und körperlicher Züchtigung in Schulen kritisiert.

HumanRightsWatch, 29.09.2025, Guardian, 04.10.2025