Zum vom Gewerkschaftsverband geplanten landesweiten Streik - 06/2010

Aus Tansania Information
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Vergebens hatte die Regierung wiederholt versucht, den Gewerkschaftsverband TUCTA davon abzubringen, zum Streik ab 5. Mai aufzurufen.

Kundgebungen zum 1. Mai

Im ganzen Land versammelten sich die Arbeiter zu Kundgebungen und riefen zum seit Monaten geplanten, landesweiten, unbefristeten Streik auf. Trotz neuer Mindestlöhne werde ab 5. Mai gestreikt.

Der TUCTA hatte in diesem Jahr weder Präsident Kikwete noch andere Regierungsleute, wie sonst üblich, eingeladen. TUCTA-Repräsentanten nutzten die Gelegenheit, die Regierung zu geißeln; sie habe ihr Volk im Stich gelassen, sie kümmere sich nicht um die Arbeiter, umarme dagegen Investoren aus dem Ausland und einige wenige reiche Geschäftsleute, während einfache Bürger weiterhin in äußerster Armut darbten. Die Reichen regierten nicht nur die Wirtschaft des Landes, sondern seien auch in die Politik eingedrungen und säßen nun in den Entscheidungsgremien.

Der TUCTA-Präsident sagte, seit mehreren Jahren habe die Regierung von den Klagen der Arbeiter keinerlei Notiz genommen. Nun sei ein landesweiter Streik unumgänglich. Die Demons-trationen würden wie geplant fortgesetzt. "Wählt nur solche Leute, die echtes Interesse an den Arbeitern gezeigt hatten", forderte der TUCTA-Generalsekretär. (Guardian 1./2.5.10; Citizen 1.5.10; East African 3.5.10)

Gewerkschaften, die nicht zur Dachorganisation TUCTA gehören und gegen den Streik sind, organisierten in Dar-es-Salaam eine Parallelveranstaltung und luden dazu Arbeitsminister Kapuya ein; dieser beauftragte den Regional Commissioner, ihn zu vertreten. (Citizen 1.5.10)

Rede Kikwetes

Bei seiner nahezu zweistündigen Monatsansprache bat Präsident Kikwete die TUCTA-Repräsentanten, den Streik abzublasen. Er nannte den Streik illegal und warnte die Arbeiter vor schwerwiegenden Konsequenzen, sollten sie streiken. Angestellte des öffentlichen Dienstes riskierten, ihren Job zu verlieren. Die Regierung könne es sich nicht leisten, 315.000/- TSh als Mindestlohn zu zahlen. "Auch wenn sie acht Jahre ununterbrochen streiken würden, sei ihre Forderung nach 315.000/- TSh unerfüllbar." Er werde die Arbeiter nicht anlügen. Würden sie ihn nur unter dieser Bedingungen wählen, sollten sie es bleiben lassen. Er nannte die TUCTA-Verantwortlichen "Lügner" und "Heuchler", was einigen Politikern und einfachen Bürgern nicht schmeckte. (DN 8.5.10; Guardian 5.5.10; Citizen 5.5.10)

Zum Termin des Streiks

Weil am 5. Mai in Dar-es-Salaam das dreitägige Weltwirtschaftsforum (WFP) für Afrika begann, hatte man allgemein das Gefühl, der Zeitpunkt für den Streik sei schlecht gewählt. Das WFP fand erstmalig nicht in Cape Town statt. Unter den 1.000 Delegierten waren acht Staatshäupter. Das Thema des Forums lautete 'Neu Afrikas Wachstumsstrategie überdenken'. (DN 8.5.10; Citizen 5.5.10)

Kommentar (Ende April): Unglücklicherweise fällt das WFP mit dem Plan, landesweit unbegrenzt zu streiken zusammen. Wir fordern den TUCTA und die Millionen von Arbeitern auf, nichts zu unternehmen, das verhindern könnte, dass das Forum zu den erhofften Ergebnissen führt. Sagt den Streik ab, wenigstens für die Zeit der Konferenz. (Guardian 24.4.10)

Vorerst kein Streik

Am 4. Mai gab der TUCTA-Präsident bei einer Pressekonferenz bekannt, man streike vorerst nicht. Am 8. Mai wer- de man mit der Regierung verhandeln. Er bat die Arbeiter, bis zu weiteren Informationen nach dem 8. Mai ihre normale Arbeit zu tun, Geduld zu üben. (Guardian 5./6.5.10; Citizen 5.5.10)

Der amtierende TUCTA-Generalsekretär reagierte auf Kikwetes Behauptung, die Regierung könne sich die geforderte Lohnerhöhung nicht leisten und forderte die Regierung auf, Löcher zu stopfen, die zum Verlust von Einnahmen führen: Zuwendungen kürzen, zeitweilige Steuerfreiheit reduzieren, Steuerhinterziehung verhindern, nicht zulassen, dass Führungskräfte ein Luxusleben führen. Kikwete habe nicht das Recht, den Streik als illegal zu bezeichnen. (DN 8.5.10; Guardian 8.5.10; Citizen 8.5.10)

Zur Geschichte

Kikwete schlug einen Ton an, der deutlich das Ende der historischen entspannten Beziehung zwischen der regierenden Partei (ehedem TANU, später CCM) und dem Gewerkschaftsverband anzeigte. Während des Kampfes um die Unabhängigkeit war dessen Verhältnis zur Kolonialregierung selbstverständlich feindselig. Einige Gewerkschaftler wollten nach der Unabhängigkeit Abstand halten zur neuen Regierung, aber diejenigen, die eng mit der Partei kooperieren wollten, gewannen. Der Gewerkschaftsverband wurde, genau wie die TANU Youth League und die TANU Women's League eine Unterorganisation der TANU. Die Zusammenarbeit zwischen Regierung und Gewerkschaft wurde durch die Arusha Erklärung im Februar 1967 besonders eng. Es geht in dieser um weitgehende Verstaatlichung, zentrale Planung und um Verringerung der Einkommensunterschiede zwischen den Einwohnern. TANU, später CCM verwirklichten sozialistische Wirtschaftspolitik. Doch seit Mitte der 80er Jahre verfolgen regierende Partei und Regierung mehr und mehr neoliberale Wirtschaftspolitik. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Stimmen in der Gewerkschaftsbewegung gegen die Fortsetzung der engen Beziehung zur Regierung und der regierenden Partei immer lauter wurden. (Citizen 4.5.10)