Innenpolitik ‐ 03/2024

Aus Tansania Information
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Edward Ngoyai Lowassa

Der frühere Premierminister (2005-2008) Tansanias Edward Ngoyai Lowassa (* 26.08.1953) starb am 10.02.24 in Dar es Salaam. In Erinnerung bleibt er vor allem, weil er am 07.02.2008 wegen eines Korruptionsskandals von seinem Amt zurücktrat – ein seltenes Vorkommnis in Afrika. Im Jahr 1995 hatte sich Lowassa um die Kandidatur als Präsident für die CCM bemüht, doch Julius Nyerere empfand ihn für dieses Amt als ungeeignet, weil er sich zu schnell bereichert habe. In der Folge hatte er mehrere Ministerämter inne, bis Präsident Jakaya Kikwete ihn als Premierminister vorschlug. Bei der Präsidentschaftswahl 2015 wurde ihm die Nominierung durch die CCM verweigert. Daraufhin verließ Lowassa die CCM, schloss sich der Oppositionspartei Chadema an und wurde ihr Präsidentschaftskandidat. Vier Jahre später wechselte er zurück zur CCM. Die Beerdigung fand am 15.02.24 in Monduli bei Arusha statt (Tanzania Times 10.02.24, Citizen 12./13.02.24)

Wahlgesetzgebung

Am 24.01.2024 hatte die Chadema gegen die drei neuen Wahlgesetze (National Electoral Commission Bill; President, Parliamentarians and Councillors Bill; Political Parties Affairs Bill), gegen explodierende Lebenshaltungskosten und für eine unabhängige Wahlaufsicht demonstriert. Die neue Gesetzgebung sieht vor, dass Wahlen unter der Aufsicht eines unabhängigen Rats für Transparenz und Fairness und nicht mehr von Beamten, die der Regierung verpflichtet sind, geleitet werden. Die Chadema hatte kritisiert, dass das bisherige Wahlverfahren den Übergang vom Ein- zum Mehrparteiensystem nicht unterstützt. Die neue Gesetzgebung soll hier Abhilfe schaffen. (Guardian, 05.02.2024)

Alliance for Change and Transparency (ACT)

Die ACT-Wazalendo ist eine sozialdemokratische Ujamaa-Partei ohne Verstaatlichungsagenda, die am 15.05.2014 von Zitto Kabwe (Absolvent der Bucerius Law School in Hamburg, von 1992-2015 Mitglied der Chadema, zweimal Abgeordneter für Kigoma North) gegründet wurde. 2020 hatte sie einen Sitz im Parlament und 0,5 % der Stimmen erreicht. Jetzt ist ihr Vorsitzender Zitto Kabwe vor Ablauf seiner Amtszeit zurückgetreten, damit die Wahl des Parteivorsitzenden nicht mit den Parlamentswahlen zusammenfällt – das ist für Tansania etwas Neues, denn bisher betrachteten Vorsitzende ihre Partei als eine Art Privatbesitz. Auch der Rücktritt des Generalsekretärs Juma Duni Haji ist angekündigt. Zitto Kabwe sieht Tansania auf gutem Weg, spricht sich aber deutlich für eine neue Verfassung aus als Rahmen für Reformen, nationalen Zusammenhalt, Toleranz und Versöhnung. Er würdigt, dass sich die Präsidentin mit ihrer 4R-Philosophie (Reconciliation, Resilience, Reforms, Rebuilding – Versöhnung, Stabilität, Reformen, Erneuerung) aus dem Fenster gelehnt und kritisierbar gemacht habe. Dies sei auch in der Gesetzgebung spürbar. Ihre politischen Gegner könnten in Sicherheit agieren. Ungestörte Parteiversammlungen seinen möglich. Aber: Man brauche eine neue Verfassung als Rechtsbasis, nicht die persönliche Philosophie der Präsidentin. (Citizen, 07.02.2024)

Zitto Kabwe mahnt die Umsetzung der versprochenen Leuchtturmprojekte an: den mit Shell und Equinor unterschriebenen Vertrag für eine Flüssiggas-Terminal in Lindi für 42 Mrd. Dollar sowie den mit Chinas Sichuan Hongda Co. Ltd. geschlossenen Vertrag für den Abbau von Kohle und Eisenerz in Mchuchuma und Lganga. (Guardian, 12.02.2024)

Diplomatenempfang

Präsidentin Hassan nutze den jährlichen Diplomatenempfang im Parlament in Dar es Salaam, um über die anstehenden Wahlen zu sprechen. Dieses Jahr fänden in Tansania Bürgerschaftswahlen statt, in denen Stadtbezirke, kleine und große Dörfer ihre Vertreter wählten. Nächstes Jahr kämen die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Oberste Priorität seien transparente, demokratische Wahlen in Rechtssicherheit und unter Wahrung der Menschenrechte, so die Präsidentin. Es sei eine eigene Taskforce eingerichtet für Beaufsichtigung und Beratung. (Daily News, 09.02.2024)

Staatsinvestitionen

Im Rahmen einer Überprüfung der Investitionen des Staates durch das Parliament’s Investment Committee (PIC) wurde kritisiert, dass von den 73,36 Billionen TSh, die die Regierung im Finanzjahr 2021/22 investiert habe, 70,8 Billionen TSh an Unternehmen gingen, die dem Staat zu mehr als 51% gehören. Doch erhalte das Land aus diesen „staatseigenen“ Betrieben Einnahmen von nur 645 Mrd. TSh, während aus den übrigen Investitionen von lediglich 2,56 Billionen TSh 204 Mrd. TSh zurückflössen. Hier gebe es ein beklagenswertes Missverhältnis. Der PIC-Vorsitzende Deus Sangu verlangte, die Regierung solle ihre Investitionspolitik einer Überprüfung unterziehen, denn die Folgen, auch für die Mehrwertsteuereinnahmen, sei erheblich. Außerdem würden einige der „staatseigenen“ Betriebe, zu denen auch Banken gehörten, auf wackeligen finanziellen Beinen stehen, Verluste schreiben und hätten keinen nachvollziehbaren Investitionsplan. (Citizen, 15.02.2024)

Stromausfälle

Der Kommentator Charles Makakala kritisiert, dass Tansanier derzeit unter einem noch nicht dagewesenen Maß an Stromausfällen litten. Früher habe es sich um ein paar Stunden pro Woche gehandelt, doch derzeit gebe es zweimal wöchentliche 24-Stunden-Ausfälle. Die Regierung führt dies auf zu geringe Stromerzeugung zurück – eine Folge unzureichender Planung, ausgebliebenen Regens und vernachlässigter Wartung der vorhandenen Wasserkraftwerke. Der Strombedarf habe sich im zurückliegenden Jahrzehnt verfünf- oder verzehnfacht, doch die Produktion sei gleichgeblieben. Außerdem ist die Fertigstellung von JNHPP stark verzögert, bisher befinde sich lediglich die erste Turbine im Testlauf. Dabei hätten private Investoren, die längst in den Startlöchern stehen, mit Solar- und Windkraftanlagen innerhalb weniger Monate für eine weitgehende Verbesserung der Situation sorgen können. China allein habe 2023 mittels Solarenergie die Kapazität um 216 GW gesteigert. Doch werde es privaten Investoren fast unmöglich gemacht, im tansanischen Energiesektor Fuß zu fassen. Dies seien sehr schlechte Voraussetzungen, um die Wirtschaft mit neuen Vorhaben voranzubringen und kleinere Betriebe würden in den Bankrott getrieben. Deshalb sei die Produktivität gering und Kosten hoch. Und die Bevölkerung leide. (Citizen, 15.02.2024)

Die Stromrationierungen haben nun auch das Legal and Human Rights Centre (LHRC) auf den Plan gerufen. Die Organisation unter der Leitung von Generaldirektorin Anna Henga hat begonnen, die Auswirkungen der Stromausfälle auf die Bevölkerung zu untersuchen und Betroffenen mit Rechtsberatung zur Seite zu stehen. Präsidentin Hassan hat die Tanzania Electric Supply Company (Tanesco) verpflichtet die Stromrationierungen bis März 2024 zu beenden und das LHRC will alles tun, damit die für Kleinunternehmer so schädliche Situation möglichst schon früher beendet wird. (Tanzania Times, 20.02.24)

Schon im September 2021 wies January Makamba bei seinem Antritt als Energieminister darauf hin, dass Stromausfälle möglicherweise nicht auf mangelnde Stromproduktion, sondern auf unterdimensionierte Stromleitungen zurückzuführen sein könnten. Überlandleitungen mit einer Kapazität von 11 KV seien ursprünglich gelegt worden, um Haushalte in einem Umkreis von 30 km zu versorgen. Jetzt aber trügen die Leitungen Strom in Regionen mit Millionen Verbrauchern über 100 km entfernt. Für die Behebung dieser Problematik verlangte Makamba Investitionen und sorgte für die Gründung des National Grid Stabilisation Project (NGSP), dessen Implementierung im Finanzjahr 2022/23 mit 500 Mrd. TSh erfolgte. Seither wurden dem NGSP 4,42 Billionen TSh zugewiesen. Bisher hatte Tanesco Stromausfälle immer auf die zu geringe Stromproduktion zurückgeführt. Seit kurzem aber wird zugegeben, dass die Ursachen andere sein könnten. (Citizen, 26.02.24)