Innenpolitik ‐ 10/2022

Aus Tansania Information
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Volkszählung

Die Volkszählung in Tansania wurde Anfang September um eine Woche verlängert, nachdem am Ende der geplanten Zählwoche nur 93% der Landesbewohner erfasst waren. Es hatte auch Beschwerden über die Koordination und Vorgehensweise der Zähler gegeben. Es gab Berichte, dass diese bisweilen nur mit Telefonanrufen arbeiteten und sogar um Rückruf baten. Sie hatten die Aufgabe, einen Katalog von mehr als 100 Fragen abzuarbeiten, in denen es neben Geschlecht und Alter auch um Beruf, Eigentums- und Wohnverhältnisse ging. Mit den ersten Ergebnissen ist in den kommenden Monaten zu rechnen.

East African 03.09.2022, Guardian 01.09.2022

Versammlungsfreiheit

Trotz aller bisherigen Lockerungen unter Präsidentin Samia kam es in Mwanza wieder zur Verhaftung von Oppositionspolitikern, um eine öffentliche Versammlung zu verhindern. In Mwanza wurden Anfang September mehrere Führer der Chadema festgenommen, als sie eine Versammlung ihrer örtlichen Parteianhänger vorbereiteten. Sie hatten nicht um eine Genehmigung gebeten und sich dabei auf die Verfassung berufen.

In Kommentaren auf sozialen Medien wurde die Verhaftung der Chademafunktionäre mit der Rundreise des stellvertretenden CCM-Vorsitzenden Abdulrahman Kinana verglichen, der derzeit Tansania bereist und laufend öffentliche Veranstaltungen abhält. Kinanas Reise wird als „Inspektion zur Einhaltung des CCM-Wahlprogramms“ bezeichnet. So ließ der Parteifunktionär sich die Baustelle der neuen Straßenbrücke zwischen Busia und Geita im Westen vorführen, und forderte vor Bauern im nordwestlichen Kagera, dass die Beschränkungen für den Verkauf der Kaffeeernte aufgehoben werden müssten. Unter Beifall der Versammelten forderte er den Regionalkommissar auf, den Kaffeeverkauf ins benachbarte Ausland nicht zu behindern - was von CCM-Regierungen bisher als Schmuggel bezeichnet wurde.

Ein Teilnehmer am Forum kommentierte, die Regierungspartei müsse schließlich prüfen, ob ihr Programm auch umgesetzt wird. Die Opposition solle ruhig sein und Mama Samia jetzt in Ruhe arbeiten lassen. Andere meinten, die Chademaführung würde sich selbst in die Tasche lügen, wenn sie auf Absprachen mit der CCM setzt, die es mit ihren Versprechen zu politischer Öffnung und Vorbereitung einer neuen freiheitlichen Verfassung nicht ernst meine.

Guardian 05.09.2022, Jamiiforums 04.09.2022

Konflikt um Telefonüberweisungen

In der Frage der zusätzlichen Gebühren auf Überweisungen mittels Mobiltelefon hat die tansanische Regierung eine teilweise Rücknahme vorgenommen. Ab 1. Oktober fallen bei Beträgen unter TSh 30.000 keine Gebühren mehr an. Die sonstige Gebührenstruktur werde überarbeitet.

Im Juni waren diese Gebühren erst erhöht worden, wobei bei Überweisungen Beträge von TSh 10 (€-Cent 0,4) bis TSh 10.000 (€ 4,20) anfielen. Die Regierung wollte dadurch Einnahmen von ca. € 500 Mil. zur Finanzierung des Haushalts 2021/22 erzielen. Sie warb um Akzeptanz mit dem Hinweis, dass dafür Klassenzimmer und Krankenhäuser gebaut bzw. verbessert werden sollen.

Die Reaktion der Öffentlichkeit war aber massiv ablehnend. In der Presse und den sozialen Medien wurde berichtet, dass zahlreiche Geschäftsleute zurück zu Barzahlung kehrten und vermehrt Motorradkuriere in Dar es Salaam einsetzten.

In den sozialen Netzen wurde die Gebührenerhöhung als Diebstahl bezeichnet. Die meisten Tansanier verfügen nicht über Bankkonten, sondern erhalten oder zahlen seit Jahren Beträge über ihre Mobiltelefone, wobei sie Guthabenkonten bei ihrer Telefonfirma haben.

Das Menschenrechtszentrum LHRC rechnete vor, dass es sich hier um eine Doppelbesteuerung handele, wenn ein Bezieher eines versteuerten Gehaltes dieses via Telefon erhält und sowohl für den Empfang wie auch für Zahlungen jeweils mit Gebühren belegt wird. LHRC reichte Klage gegen den Finanzminister ein.

Tansanias führende Mobilfunkfirma Vodacom berichtete, dass sie seit der erstmaligen Einführung der Gebühren im Juli 2021 eine Umsatzminderung von Tsh103.8 Mrd (€ 44 Mil.) verbuchen musste.

Nachdem bereits im Juni nach dem ersten Aufschrei in der Öffentlichkeit die Gebühren um 40% reduziert worden waren, die Unruhe aber anhielt, ordnete Präsidentin Samia eine weitere Überprüfung an. Unter ihrem Vorsitz forderte auch das Zentralkomitee der regierenden CCM eine Senkung der Gebühren. Im Parlament versuchte es der altgediente CCM-Abgeordnete Mussa Zungu mit einer Verschwörungstheorie, wonach ein “Syndikat” darauf abziele, die Entscheidung der Regierung hinsichtlich der Gebühren in Misskredit zu bringen, um die eigenen Profite aus dem Telefongeschäft zu verschleiern; er zielte damit offenkundig auf die Gebühren ab, die von den Netzbetreibern für Überweisungen erhoben werden. Telefonfirmen erklärten, sie seien bereit mit der Regierung über ihre Gebühren zu sprechen, die indes ihren Betriebskosten entsprechen würden; Vodacom verwies darauf, dass es seine Gebühren seit 5 Jahren nicht erhöht habe.

Citizen 08., 22.+23.09.2022, East African 02.+ 03. 09.2022, Guardian 09. 09.2022, Jamiiforums August-September

Unfreedom Monitor

Das internationales Netzwerk von Bloggern und Bürgerjournalisten “Global Voices” sieht in seinem “Bericht über Unfreiheit” (Unfreedom Monitor) die Demokratie in Tansania auf dem Rückzug. Das Land sei faktisch ein Einparteienstaat. Wie in vielen autoritären Staaten werde öffentliche Diskussion als “Bedrohung der nationalen Sicherheit” dargestellt. Andererseits habe aber die digitale Kommunikation der Opposition neue Wege eröffnet, als die Regierung mit dem Verbot öffentlicher Versammlungen und verschärfter Zensur der offiziellen Medien ihre bisherigen Ausdrucksmöglichkeiten beschnitt.

Die kenianische Redakteurin des Berichts sieht in Tansania einen diktatorischen Staat, in dem die drei Bereiche der Staatsgewalt entsprechend den Vorgaben der politischen Partei im Gleichschritt arbeiten. Sie schildert die Gesetzesänderungen der Magufulijahre, die mit Strafandrohungen Pressezensur und Meinungsfreiheit beschnitt. Der Bericht erwähnt den Wechsel in der Staatsführung, der Anlass zu Hoffnung gibt, aber verweist am Ende auf die noch nicht erfolgten Änderungen der repressiven Gesetze und die ausstehende Verfassungsreform.

Global Voices 15.09.2022

Konflikt in der NCCR - Mageuzi

Die Auseinandersetzung in der traditionsreichen Oppositionspartei NCCR-Mageuzi setzte sich fort. Hier versucht seit Mai 2022 eine Gruppe um den stellvertretenden Vorsitzenden Joseph Selasini, den langjährigen Vorsitzenden James Mbatia abzusetzen und aus der Partei zu drängen. Die Opponenten warfen ihm selbstherrliche Entscheidungen und den Verkauf von parteieigenen Grundstücken vor. Mbatia versuchte, vor Gericht gegen seine vorerste Suspendierung vorzugehen. Er beklagte mehrfach, dass die staatliche Aufsichtsbehörde des “Registrar of Political Parties” sich gegen ihn in die Vorgänge eingemischt habe, was diese zurückwies. Ende September wurde Mbatia von einem durch die Gegenseite einberufenen Parteikongress aus der Partei ausgeschlossen. Ein Gerichtsurteil gegen die Rechtmäßigkeit der Einberufung dieses Kongresses stand dabei noch aus. Als Mbatia auf einer Pressekonferenz in einem Dar es Salaamer Hotel dazu Stellung nehmen wollte, wurde er seitens des Hotels aus dem von ihm gemieteten Saal verwiesen und musste seine Pressekonferenz auf dem Bürgersteig abhalten. Hotelmitarbeiter äußerten gegenüber der Presse, es habe Anweisungen “von höherer Stelle” gegeben, die Konferenz Mbatias nicht stattfinden zu lassen. Dies wirft wiederum Fragen zum staatlichen Interesse an dieser innerparteilichen Auseinandersetzung auf.

Citizen 23.09.2022, DN 24.09.2022, Mwananchi 25.+26.09.2022