Thema: Wirtschaft: Pläne, Herausforderungen, Politik: Günstige Voraussetzungen und Herausforderungen – 05/2017

Aus Tansania Information
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Positive Faktoren

Nationalbank (BoT) und Weltbank (http://www.worldbank.org/en/country/tanzania) sehen in Tansania eine günstige Ausgangslage für eine wirtschaftliche Weiterentwicklung:

  • Tansania gilt als politisch stabil und als stabilisierender Faktor im Zusammenhang mit lokalen Krisenherden wie Burundi und Südsudan
  • Die Gesamtwirtschaft wächst seit mehr als 10 Jahren um 6 bis 7% jährlich
  • 62% der Bevölkerung (2006 waren es erst 11%) haben Zugang zu Finanzdienstleistungen via Mobiltelefon, was Transfers enorm vereinfacht und verbilligt; 15% verfügen über ein Bankkonto
  • Tansania hat ein modernes Glasfaser-Basisnetz für die Internet-Kommunikation
  • Die Regierung bekämpft die verbreitete Korruption, die die wirtschaftliche Entwicklung stark behindert
  • Sie bemüht sich auch – mit moderatem Erfolg – gegen Behördenwillkür und – Schlendrian anzugehen
  • Tansania liegt verkehrsgünstig und ist Durchgangsland für mehrere Binnenstaaten
  • TZ hat hervorragende landwirtschaftliche Möglichkeiten sowohl für die Grundversorgung als auch für Export-Ernten wie Kaffee, Tee, Sisal etc.
  • TZ verfügt über immense Reserven an Rohstoffen, Mineralien und Energieträgern wie Kohle und Gas
  • TZ hat ein riesiges ungenutztes Potential an erneuerbaren Energien: Wind, Sonne, Biomasse und Geothermie
  • Für Kompetenzförderung in Forschung, Technologie und Innovation errang TZ den 2. Rang in Afrika nach Marokko (Africa Capacity Report 2017).

Citizen 12.04.17; Guardian 05.04.17; Weltbank TZ Economic Update 11.04.17; www.acbf-pact.org

Aktuelle Daten

In den letzten fünf Jahren wuchs der industrielle Sektor um 8% jährlich. 2016 wurden 1.423 neue Betriebe gegründet. Die Einfuhr von Investitionsgütern für Industrieanlagen ging aber im abgelaufenen Jahr zurück; Maschinen und Konstruktionsmaterial wurden weniger nachgefragt. Insgesamt reduzierten sich die Importe von Gütern und Dienstleistungen um 15% auf $ 10,5 Mrd., während die Exporte um 5% zunahmen und $ 9,3 Mrd. betrugen. Allerdings wurden ausgerechnet verarbeitete Produkte weniger ausgeführt (Rückgang von $ 1,3 auf 1 Mrd.).

53% der tansanischen Industriebetriebe stellen Fertigprodukte her, 43% verarbeiten Vorprodukte (z.B. Lebensmittel), 4% montieren importierte Elemente. Während des ersten Jahres der Magufuli-Regierung wurden laut Industrieministerium 2030 neue Betriebe, meist Kleinunternehmen, neu registriert. Von den etwa 50.000 Industrie- und Handwerksbetrieben beschäftigten 80 mehr als 100 Mitarbeitende, sieben mehr als 45, der Rest 10 oder weniger Angestellte. Die wenigen Großbetriebe beschäftigen 53% der Arbeitnehmer. Im Durchschnitt arbeiten die tansanischen Industriebetriebe bei 63% ihrer Kapazität. Etwa 30% der Kleinbetriebe sind bei der Registrierungsagentur erfasst.

Citizen 23.03.17; DN 18.10.; 19.11.; 15.12.16; Guardian 23.04.17

Hemmende Faktoren

Die Interessenverbände TZ Private Sector Foundation (TPSF) und Confederation of TZ Industries (CTI) nannten als wichtigste Hindernisse für den Aufbau von Industriebetrieben:

  • Fehlende Vorhersehbarkeit politischer Entscheidungen: sprunghafte Änderungen schädigten das Vertrauen potentieller Investoren. Dies wird von vielen Beobachtern als schwerstes Handicap betrachtet.
  • Die Privatwirtschaft wird nicht in Planungen und wirtschaftspolitische Entscheidungen einbezogen.
  • Komplizierte und zu hohe Steuern; arrogante und unhöfliche Steuerbeamte
  • Zeitraubende und frustrierende Bürokratie mit unzähligen Vorschriften und Formularen
  • Zu viele Regulierungsbehörden mit zu hohen Gebühren
  • Zahlreiche nichttarifäre Handelshindernisse
  • Staatsbetriebe haben unfaire Wettbewerbsvorteile gegenüber privaten Unternehmen.
  • Liquiditätsenge bei Banken, daher zu wenige und teure Kredite; Faule Kredite nehmen zu.
  • Unzuverlässige Stromversorgung und hohe Energiekosten
  • Schmuggel und illegale Einfuhren, auch gefälschter, Produkte
  • Mangel an qualifizierten, engagierten und verlässlichen Arbeitskräften
  • Hindernisse für hochqualifizierte Ausländer und Führungskräfte
  • Realitätsfernes Bildungssystem

Ähnlich definierte auch der Vertreter der EU im September 2016 anstehende Reformen. TPSF-Vertreter stellten bei einer Konsultation mit dem Finanz- und dem Industrieminister fest, das Verhältnis zwischen Regierung und Privatwirtschaft sei belastet. Häufige Konsultationen seien erforderlich, um eine neue Vertrauensbasis zu schaffen. Nur, wenn dies gelinge, hätten die ehrgeizigen Industrialisierungspläne eine Chance. Das TPSF sei jedoch optimistisch, dass Präsident Magufuli notwendige Reformen durchsetzen könne.

Die Parlamentarische Vereinigung zu Bevölkerung und Entwicklung (TPAPD) sprach sich am Weltfrauentag dafür aus, Familienplanung auf allen politischen Ebenen zu einer Priorität zu machen. Das rapide Bevölkerungswachstum von 2,7% jährlich gefährde die wirtschaftliche Entwicklung und führe zu wachsender Verarmung. Vor allem die stark zunehmenden Schwangerschaften Minderjähriger müssten durch Aufklärungsprogramme eingeschränkt werden. Wenn sich das Wachstum unkorrigiert fortsetzt, wird Tansania im Jahr 2050 mehr als 250 Mill. Einwohner haben.

Präsident Magufuli sieht auch die jahrzehntelange Abhängigkeit von ausländischer Hilfe als Hindernis für eine gesunde Wirtschaftsentwicklung. Immer wieder zitiert er asiatische Staaten wie China, Malaysia, Singapur oder Südkorea, die sich bei ähnlicher Ausgangssituation wie Tansania und weniger natürlichen Ressourcen zu modernen Industriestaaten entwickelt hätten. Im „Doing Business Report 2017“ der Weltbank rückte Tansania zwar von Platz 139 auf Rang 132 vor, muss sich jedoch beträchtlichen Reformbedarf bei Steuersystem, Landreform, Handelshemmnissen, Investorenschutz und Bürokratie-Abbau bescheinigen lassen. Kenia (Rang 92) und Uganda bemühten sich deutlich effektiver um ein günstiges Geschäftsklima. Die Weltbank empfiehlt in ihrem diesjährigen Bericht, günstigere Bedingungen für private, besonders kleine und mittlere, Unternehmen zu schaffen.

Sie empfiehlt auch massive öffentliche Investitionen, vor allem in die Infrastruktur. Obwohl der Staatshaushalt 2016/17 dafür relativ hohe Summen vorsieht, konnte das Finanzministerium bisher nur minimale Beträge anweisen. Gründe dafür sind unrealistische Haushalts-Ansätze und riesige Schulden von Ministerien, Militär, Polizei, Behörden und Staatsunternehmen (z.B. Energie- und Wasserrechnungen, Sozialversicherung), die in keinem Budget auftauchen.

Die Magufuli-Administration hat erkannt, dass diese Zahlungsrückstände (TZS 6,5 Billionen, entsprechend 6,5% des BPI) das Vertrauen von Gebern und Gläubigern untergraben und versucht, sie schrittweise abzutragen, was aber ihren finanziellen Spielraum drastisch einengt. Baufirmen, deren wichtigster Kunde der Staat ist, klagen über hohe unbezahlte Rechnungen, die ihre Zahlungsfähigkeit gefährden. Wenn sie auf Zahlung bestehen, riskieren sie, keine neuen Staatsaufträge mehr zu erhalten. Weltbank und Währungsfonds warnen vor einer Glaubwürdigkeitskrise.

Der Generalkontrolleur wies daraufhin, dass die Regierung für den Liquiditätsengpass mit verantwortlich sei. Sie nehme ihn hohem Maß inländische Kredite auf und konkurriere dabei mit Privatunternehmen. Ferner habe sie Staatsunternehmen verboten, Konten bei Privatbanken zu unterhalten, wodurch Letztere über TZS 500 Mrd. weniger an Krediten ausreichen könnten.

Die schwedische Eco Energy Africa gab ihr großes Zuckeranbau-Projekt ($ 500 Mill.) in Bagamoyo auf. Sie hatte nicht die erwartete Unterstützung der Regierung zum Erwerb der ehemaligen Rinderfarm bekommen.

Citizen 26.,28.10.16; 09.,16.03.; 06.,12.,13.,14.,18.04.17; DN 27.10.16; 06.,09.04.17; Guardian 20.02.; 10.03.; 12.,14.04.17

Negative Indikatoren

Zwei staatseigene Banken mussten wegen Unterkapitalisierung unter Zwangsverwaltung gestellt werden: Twiga Bankcorp und Tanzania Women‘s Bank. Alle Banken klagen darüber, dass sich Kredit-Rückzahlungen verzögern oder ganz ausfallen. Viele Hotels stehen zum Verkauf, 400 bankrotte Hotels standen in einem Jahr zur Versteigerung, fanden aber kaum Interessenten.

Der Zeitungsverlag Mwananchi Communications entließ 8% seiner Mitarbeitenden wegen finanzieller Probleme. Die Einnahmen aus Anzeigen seien durch die Sparmaßnahmen der Regierung drastisch zurückgegangen.

Der Bürgermeister von Arusha beklagte, dass 60% der nach 1961 gegründeten Fabriken geschlossen seien. Viele Gebäude dienten nun als Kirchen oder Moscheen. Fast alle Industrie-Grundstücke seien verkauft worden und stünden nicht mehr für junge Firmen zur Verfügung. Arusha leidet unter dem Zusammenbruch großer Textilfirmen: A to Z und Sunflag mussten 2.500 Mitarbeiter entlassen, weil ihre Moskitonetze drei Mal so viel kosten wie importierte. Deshalb können sie auch nicht an Großabnehmer wie den Global Fund liefern. U.a. seien Zölle und Steuern auf importierte Rohstoffe ursächlich für die hohen Preise. Auch mit chinesischer Billig- und europäisch-amerikanischer Gebrauchtkleidung könnten die tansanischen Textilhersteller nicht konkurrieren. Laut Statistikbüro gibt es in Arusha noch etwa 8.000 Klein- und Kleinstbetriebe.

Nur 19,4% der tansanischen Firmen verkaufen ihre Produkte auch im Ausland. Dies zeigt nach Auffassung des Statistik-Büros, dass die meisten Firmen noch nicht mit indischen oder chinesischen Konkurrenten mithalten können. Die Magufuli-Regierung tendiert dazu, einheimische Unternehmen durch Importbeschränkungen zu schützen, was jedoch von den Partnern in der EAC kritisiert wird. Ein wichtiger Wettbewerbsnachteil sind die hohen Stromkosten infolge der miserablen Verfassung des staatlichen Versorgers TANESCO.

Sechs von Helvetas geförderte Gartenbau-Genossenschaften in Singida warten seit einem halben Jahr auf einen Stromanschluss, um ihre Arbeit aufzunehmen. Dies demotiviert Investoren und Mitglieder.

Die Fischverarbeitung am Victoriasee wird wohl längere Zeit Probleme haben, da nicht genügend Fische gefangen werden, um die hohen Kapazitäten auszulasten.

Arusha Times 10.12.16; Citizen 18.10.16; 21.03.; 02.02.; 17.,23.04.17; DN 16.06.; 18.10.; 04..11.12.16; 15.,16.04.17; East African 03.04.17; Guardian 30.11.16