Thema: Tansania in der Ostafrikanischen Gemeinschaft EAC: Visionen, Politische Tendenzen, Finanzierungsprobleme – 12/2019

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Währungsunion, Steuerharmonisierung

Die EAC beschloss die Zollunion (2004) und den Gemeinsamen Markt (2009). Damit dürfen sich Personen, Arbeitskräfte, Dienstleistungen, Waren und Kapital frei bewegen. Diese Vereinbarungen gelten als umgesetzt, obwohl noch spürbare Herausforderungen bestehen. [vgl .u. S. 12 „Barrieren“].

Als z.B. die USA drohten, das AGOA (Abkommen über Zollfreiheit) auszusetzen, nahm die EAC ihren für 2019 vorgesehenen Einfuhrstopp für Gebrauchtkleidung zurück. Die Mitgliedsländer belasten die Gebrauchtkleidung nun mit unterschiedlichen Steuern. Die EAC importiert ausgemusterte Kleidung für $ 150 bis 200 Mill. Nach US-Angaben sichert dieser Markt in den USA 40.000 und in der EAC 300.000 Arbeitsplätze. In Kenia und Tansania fertigen amerikanische Firmen Kleidung und Schuhe für den US-Markt. Sie können diese Waren unter AGOA zollfrei in die USA liefern.

Der EAC-Ministerrat verschob die von den Staatspräsidenten für 2024 angekündigte gemeinsame Währung auf einen späteren Zeitpunkt. Das seit 2013 im Aufbau befindliche Monetäre Institut EAMI (Vorläufer einer EAC-Zentralbank, Sitz in Arusha) sei weit hinter seinem Zeitplan zurück; ebenso Statistikinstitut, Kommission für Überwachung und Durchsetzung der Konvergenzziele und die Harmonisierung der Finanzsysteme. Inflationsraten, Staatsschulden, Währungsreserven und Haushaltsdefizite seien noch sehr weit von den vereinbarten Zielwerten entfernt. Diese Verzögerungen zeigten, dass der politische Wille zur Einschränkung der nationalen Souveränität noch zu wenig ausgebildet sei.

Für steuerliche Anreize verzichten die EAC-Staaten jährlich auf Steuereinnahmen von $ 2 Mrd. Unterschiedliche Steuersysteme behindern den Handel, führen zu Doppelbesteuerung und steuerpolitischer Konkurrenz um Investitionen. Kenia erhebt 16% Mehrwertsteuer, die restlichen EAC-Staaten 18%. Daher will man die Steuersätze stufenweise angleichen, beginnend mit Verbrauchssteuern, sodann Mehrwert- und schließlich Einkommens- und Gewerbesteuern.

Citizen 13.10.19; DN 20.03.; 22.06.; 14.11.17; East African 17.,24.02.; 01.05.; 25.06.18; 20.05.19; Guardian 30.09.18

Politische Föderation

Eine „Kommission zur Verfassungsbildung“ sammelt Meinungen und Ideen für die Verfassung einer Ostafrikanischen Konföderation in allen Ländern der EAC. Sie besteht aus je drei Delegierten der Mitgliedsstaaten und wird vom ugandischen Präsidenten Museveni beraten. Die angestrebte Konföderation (als Vorstufe zur vollen Föderation) soll eine gemeinsame Wirtschafts- und Außenpolitik betreiben, andere Bereiche aber den Nationalstaaten überlassen. Tansania hat bisher allerdings noch keine Delegierten für die vorbereitende Kommission ernannt, was auf eine zögernde Einstellung zur politischen Integration der EAC hindeutet.

DN 20.08.19; East African 18.08.19

Politische Spannungen in der EAC

Die besonders von Uganda favorisierte Integration scheint in weiter Ferne angesichts schwerwiegender Divergenzen zwischen einzelnen Ländern und Staatsoberhäuptern [vgl. auch u. S.12 „Barrieren“]:

  • Die kenianische Regierung vermerkte es übel, dass Ruanda und Uganda eine Bahnstrecke und eine Rohöl-Leitung durch Tansania anvisieren anstatt, wie ursprünglich verabredet, durch Kenia.
  • Der im tansanischen Bagamoyo geplante Großhafen würde mit dem kenianischen Mombasa konkurrieren. Allerdings stagnieren derzeit die Verhandlungen mit China über Bau und Betrieb dieses Hafens.
  • Kenia und Tansania blockierten immer wieder die Einfuhr von Produkten des jeweils anderen Landes, u.a. Hühner, Zucker, Milchprodukte.
  • Tansania und Uganda stoppten immer wieder den Handel mit Zucker und Reis.
  • Ruanda beschuldigt Burundi, seine Tutsi-Bevölkerung zu unterdrücken bzw. zur Flucht zu zwingen. 400.000 Personen sind aus Burundi geflohen
  • Burundi beschuldigt Ruanda, die burundische Opposition zu unterstützen und das Land zu destabilisieren.
  • Hinzu kommt, dass Tansania im Einvernehmen mit Burundi seine Flüchtlinge zur Rückkehr drängt. Burundi fürchtet, dass sich in den Flüchtlingslagern stabile Rebellengruppen bilden.
  • Ruanda und Uganda, früher enge Alliierte, beschuldigen sich gegenseitig der Spionage, der Einmischung in innere Angelegenheiten und der Unterstützung von Rebellen. Sie schlossen Grenzübergänge und ließen zeitweilig Truppen aufmarschieren. Kürzlich schlossen die beiden Staaten in Angola ein Abkommen zur Verständigung.
  • Animositäten zwischen Burundi und Uganda zwangen die EAC-Staatsoberhäupter zwei Mal dazu, ihr Jahrestreffen aufzuschieben. Ein Ende November geplantes Treffen zum 20-jährigen EAC-Jubiläum wurde auf Wunsch Burundis vertagt. Der EAC-Generalsekretär beteuerte, dies deute nicht auf Spannungen in der EAC hin.
  • Die inneren Konflikte Burundis und Südsudans lähmen ihre Wirtschaft und lassen diese Länder wirtschaftlich hinter den anderen EAC-Staaten her hinken.
  • Die Meinungen zum Internationalen Strafgerichtshof ICC gehen weit auseinander. Burundi und Kenia lehnen ihn ab, Uganda ist unentschieden, Tansania hält am ICC-Vertrag fest. Ugandische Oppositionelle starteten eine Unterschriftensammlung, um Präsident Museveni wegen vieler Entführungen und Morde vor dem ICC anzuklagen.
  • Zahlreiche Beschlüsse zum Gemeinsamen Markt wurden von einzelnen Staaten verspätet oder gar nicht umgesetzt, z.B. zur Niederlassungsfreiheit. Zu manchen Fragen gab es überhaupt keine Einigung (Gebrauchtkleidung, Auto-Industrie, Handelsabkommen mit der EU - EPA).

Die EAC hat keine institutionellen Mechanismen, um politische Unstimmigkeiten zu bearbeiten. Sekretariat und Parlament (EALA) sind dazu nicht befugt und auch weitgehend von den jeweiligen Präsidenten abhängig.

Immerhin einigten sich Kenia und Uganda, die seit 10 Jahren umstrittene Insel Migingo im Victoriasee (2.000 m²) gemeinsam zu nutzen. Fischer beider Länder dürfen dort ihrer Arbeit nachgehen.

Citizen 15.01.; 10.11.,21.19; East African 30.06.17; 11.02.; 04.02.; 27.03.; 18.09.19; Independent, Kampala 13.11.19;Mwananchi 08.11.19

Tendenz zu autoritärer Politik

Ein Kommentator des East African stellt fest, dass alle Mitgliedsländer der EAC – paradoxerweise nach einem Erstarken der Oppositionsparteien – demokratische Freiheiten einschränken und dem Modell des „strong man rule“ folgen. Dies geschehe durch Verfassungsänderungen, durch drakonische Gesetze, oder ganz ungeniert durch Missbrauch staatlicher Einrichtungen für Partei-Interessen. Derartige Entwicklungen seien früher unter dem Druck westlicher Geberländer in Grenzen gehalten worden. Nun aber gebe China bedingungslose Kredite aus und die traditionellen Geberländer wendeten sich mehr eigenen Problemen zu.

Das „Ostafrikanische Forum für zivilgesellschaftliche Organisationen“ forderte alle EAC-Staaten auf, die „Afrikanische Charta für Demokratie, Wahlen und korrekte Staatsführung“ von 2007 zu akzeptieren und allen Bürgern ihre Grundrechte zu gewähren. Bisher haben nur Ruanda und Südsudan die Charta ratifiziert; Burundi, Kenia und Uganda haben unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Tansania hat sich noch nicht damit befasst, da die Charta einigen Gesetzen des Landes widerspreche.

East African 16.12.17; 13.05.18;

Finanzierungsprobleme

Alle EAC-Mitglieder sind mit ihren Finanzierungsbeiträgen (je $ 8,3 Mill./Jahr; insgesamt also $ 49,8 Mill./Jahr) im Rückstand: Südsudan mit $ 27 Mill., Burundi ($ 13 Mill.), Tansania ($ 9 Mill.), Kenia ($ 8 Mill.), Ruanda ($ 7 Mill.), Uganda ($ 2 Mill.). Die Gesetzgebende Versammlung der EAC (EA LA) empfahl, die Schuldnerstaaten vertragsgemäß zu sanktionieren, nachdem Sitzungen der EALA und des Ostafrikanischen Gerichtshofs wegen fehlender Finanzmittel ausgefallen sind. Der aktuelle EAC-Haushalt ist nur zu 59% durch Geber- und Mitgliederbeiträge gedeckt. Die Summe der Zahlungsrückstände übersteigt $ 100 Mill.

Citizen 20.11.19; DN 06.10.19; East African 05.,21.10.19; Guardian 14.10.19; www.eac.int