Thema: Kirchen und Religionsgemeinschaften: Religionen in Gesellschaft und Politik - 11/2017

Aus Tansania Information
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Soziales Engagement

Der spirituelle Führer der Ismailiten, einer islamisch-schiitischen Gemeinschaft, besuchte Tansania auf Einladung des Präsidenten. Er versprach, das auf Herz/Kreislauf- und Krebs-Behandlungen spezialisierte Aga-Khan-Hospital in Dar-es-Salaam weiter auszubauen. Das Krankenhaus kooperiert mit den Aga-Khan-Universitätshospitälern in Nairobi und Karachi.

Das Aga-Khan-Entwicklungs-Netzwerk (AKDN) erbaut derzeit eine neue Universität in Arusha, die besonders Führungskräfte aus ganz Afrika mit Schwerpunkt Entwicklungsstrategien bilden und fördern soll.

Das AKDN ist seit etwa 100 Jahren in Tansania tätig und förderte u.a. 100.000 Kleinbauern und 9.200 Kreditgenossenschaften im südlichen Tansania. In der Iringa-Region ermöglichte das AKDN solarbetriebene Wasserpumpen für etwa 6.000 Dorfbewohner/innen. Bereits 1896 stiftete der Ismailit Sewa Haji ein Hospital in DSM, das später Teil des Prinzessin-Margaret-Hospitals und heutigen Muhimbili-National-Krankenhauses wurde. Imam Aga Khan feiert zurzeit sein 60-jähriges Amtsjubiläum und wurde in Tansania fast wie ein Staatsoberhaupt empfangen. Er führt seine Abstammung auf Mohammeds Schwiegersohn Ali zurück.

Anlässlich des islamischen Opferfestes forderte ein Scheich das Antikorruptionsbüro PCCB auf, nicht nur in Regierungs- sondern auch in religiösen Einrichtungen nach Korruptionsfällen zu fahnden. Manche würden von heuchlerischen Leuten geleitet, die z.B. Privatautos unter religiösem Etikett zollfrei einführen.

Präsident Magufuli lobte anlässlich eines Gottesdienstbesuchs den Entwicklungsbeitrag der Adventistischen Kirche und spendete 400 Sack Zement und TZS 1 Mill.

Der stellvertretende Bischof der lutherischen Süddiözese Dr. G. Fihavango ermutigte Pfarrfrauen, eigene geschäftliche Projekte zu beginnen. Dies diene dem Wohl ihrer Familien und der Nation.

Citizen 09.07.; 02.,06.09.; 02.,12.10.17; DN 03.,09.10.17; Guardian 02.04.17; Mtanzania 10.10.17

Verhältnis zur Regierung

Die Regierung wirbt vielfach um Unterstützung durch religiöse Gemeinschaften. Bisher findet sie viel Zustimmung und kaum kritische Anfragen.

Ministerpräsident K. Majaliwa erklärte vor dem Muslimischen Nationalrat (BAKWATA), die Regierung Magufuli sei entschlossen, eine ethisch orientierte und hart arbeitende Nation zu bauen. Laster wie Korruption, Veruntreuung und Drogenkonsum hätten hier keinen Platz mehr. Majaliwa bat die Religionsführer, ihre Gläubigen zu einem moralischen Lebenswandel zu drängen und den Jugendlichen Disziplin einzuflößen. So könne der moralische Verfall des Landes aufgehalten werden. Bei der Jahresversammlung der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinschaft forderte der Premier alle religiösen Verantwortlichen zum Kampf gegen Leute auf, die Frieden und nationale Einheit bedrohten und Regierungsmitglieder schmähten. Der Bischof der „Evangelischen Bruderschaft Tansania“ verurteilte Politiker, die Regierungsmitglieder beleidigten und die Verdienste Magufulis herabsetzten.

Präsident Magufuli bat in katholischen und lutherischen Gottesdiensten um Fürbitte und Unterstützung für seine strikten Maßnahmen gegen „Korrupte, Betrüger, Diebe, Drogenhändler und Unterdrücker der Unterprivilegierten“. Manche hätten sich Gehälter in Höhe des 200-fachen eines normalen Lohnes genehmigt. Der lutherische Leitende Bischof betete für Dr. Magufuli und seinen Kampf gegen Entwicklungshemmnisse. Er wünschte ihm gute Berater ohne Heuchelei und Selbstsucht <möglicherweise in Anspielung darauf, dass der Präsident einen von den Kirchen angebotenen Politik-Dialog noch nicht wahrgenommen hat>. Dr. Shoo ersuchte Magufuli um Steuererleichterungen bei der Einfuhr von Schul- und Krankenhausbedarf kirchlicher Institutionen.

Sowohl Präsident Magufuli und seine Frau, sowie einige Minister, als auch die Oppositionsführer E. Lowassa und F. Sumaya besuchten Ostergottesdienste christlicher Kirchen. Anglikanische, katholische, lutherische, moravische Bischöfe und Geistliche beteten für die Regierung und für Frieden zwischen den Religionen und den politischen Strömungen. Die Predigten befassten sich mit der zunehmenden Gewaltkriminalität, Drogenkonsum und der Neigung von Politikern zu Hass und Selbstsucht. Einige Prediger erinnerten daran, dass Rechtsstaatlichkeit eine wichtige Grundlage für ein friedliches Zusammenleben ist.

Evangelikal orientierte Prediger mehrerer Kirchen verdammten Kritik an der Regierung und Falschmeldungen in den sozialen Medien. Dadurch würden Hass und Zwietracht geschürt. Die Kirchen sollten sich politischer Stellungnahmen enthalten und statt dessen die Gläubigen auf ihre Sünden hinweisen <vgl. dagegen unten „Kritische Stimmen“>.

Der Rukwa-Regionalkommissar lobte auf einer Konferenz von Pfingstkirchen die sozialen Dienste der Kirchen. Er forderte die Kirchenführer auf, der Regierung im Kampf gegen Drogen, Alkoholismus, Aberglauben, Korruption und Umweltschäden zu helfen.

Der Bischof der „International Evangelism Church“ pries Dr. Magufulis tapfere Haltung im Kampf für einen gerechteren Anteil an Goldexporten und forderte alle Bürger auf, sich hinter den „Kreuzzug“ des Präsidenten zu stellen.

Die „Joyful Church Tanzania“ organisierte einen 7-tägigen Gebetskongress in Moshi für Gesundheit und Erfolg des Staatspräsidenten. Bischof J. Molla wies Oppositionelle zurück, die die Regierung grundlos kritisierten. Alle Tansanier/innen müssten an einem Strang ziehen, um das Land vor Ausbeutung zu schützen.

Die Regierungspartei CCM organisierte im Stadion von Morogoro eine Gebetsversammlung für Dr. Magufuli. Dabei würdigten ein Scheich und ein lutherischer Pfarrer den Kampf des Präsidenten gegen unehrliche Investoren aus dem Ausland.

Der Innenminister lobte bei einer Spendenaktion für eine katholische Kirche in Dodoma den Beitrag der Kirchen zur moralischen Stärkung der Bevölkerung. Er hob hervor, dass weder die Heiligen Schriften noch die tansanische Tradition Homosexualität und Kinderschwangerschaften billigten. Daher werde die Regierung beides konsequent bekämpfen. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die für Homosexualität einträten, würden sofort verboten; Ausländer, die für „schmutzige Praktiken“ einträten, würden des Landes verwiesen, „noch bevor sie ihr Mobiltelefon aus dem Ladesockel ziehen können“. Citizen 17.,25.04.; 17.06.; 01.10.17; DN 15.,17.04.; 25.,30.04.; 01.05.; 17.,26.06.; 20.07.17;

Kritische Stimmen

Das interreligiöse Komitee für Ethik, Frieden und Menschenrechte riet dem Präsidenten, sich weniger gegen schwangere Schülerinnen zu wenden als vielmehr die verantwortungslosen Männer zu verhaften und durch harte Strafen abzuschrecken.

Der Bischof der ELCT-Nordost-Diözese Dr. S. Munga sagte bei einem Fürbitte-Gottesdienst für die Nation in Tanga, er wäre überrascht zu hören, dass Tansania sicher sei. „Nein, Tansania ist absolut nicht ok.“ Für alle Politiker, angeführt vom Präsidenten, sei es die vornehmste Pflicht, die Bürger zu einen und nicht, Spaltungen voranzutreiben. Die Justiz müsse ohne Befangenheit allen zu ihrem Recht verhelfen.

Der Tansanische Christenrat (CCT) bedauerte in einem Pastoralbrief den fortschreitenden Verfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Beispiele dafür seien teils blutige Land-Streitigkeiten, Mordserien, offener Hass zwischen politischen Gruppierungen und Angst, seine Meinung frei zu äußern. Die Mitgliedskirchen sollen ihre Gläubigen gründlich über ihre Bürgerrechte aufklären und Rechtsverletzungen anprangern. Alle sollten die Verfassung Tansanias kennen und darauf drängen, dass das Grundgesetz weiterentwickelt wird. Die neue Verfassung sollte auch klare Leitlinien zur Verwertung aller Rohstoffe und Bodenschätze enthalten und damit Behörden und Investoren zur Transparenz zwingen.

Der CCT veranstaltete zusammen mit dem „Tanzania Centre for Democracy“ (<http://www.tcd.or.tz/ www.tcd.or.tz>) ein Konsultationstreffen zur Lage der Nation. Das TCD ist ein Forum aller im Parlament vertretenen Parteien. Die regierende CCM nahm jedoch an der Konsultation nicht teil. Ziel war es, die politischen Parteien untereinander und mit Vertretern der christlichen Kirchen (katholische, protestantische, pfingstlerische) und muslimischer Gemeinschaften ins Gespräch zu bringen. Die wachsenden politischen Spannungen im Land sollten in Gesprächen aufgefangen werden, bevor es zu unbeherrschbaren Ausbrüchen von Gewalt kommt. Die Delegierten nannten einige wichtige Herausforderungen:

  • Das TCD kann in der gegenwärtigen Situation seine Vermittlungsaufgaben nicht mehr erfüllen
  • Das Land ist zwar ruhig, aber von Unsicherheit und Angst geprägt
  • Rede-, Presse- und Medienfreiheit werden mehr und mehr eingeschränkt
  • Justiz und Parlament drohen, ihre Unabhängigkeit zu verlieren. Sogar CCM-Abgeordnete fürchten die Exekutive und werden ihrer Kontrollfunktion immer weniger gerecht
  • Die Rechtsstaatlichkeit ist gefährdet
  • Die Kultur des Dialogs zur Lösung von Konflikten schwindet, während Feindseligkeit und Polarisierung an Boden gewinnen.
  • Die Repräsentanten der Religionsgemeinschaften werden ihrem prophetischen Auftrag nicht gerecht. Sie schweigen, anstatt Unrecht beim Namen zu nennen

Die Delegierten nahmen sich Schritte vor, um die politische Kultur zu fördern:

  • Die Konsultationen sollen weitergeführt und mindestens zweimal jährlich stattfinden
  • Die Religionsführer wollen unter sich klären, wie sie ihrer prophetischen Verantwortung gerecht werden können, ohne sich parteipolitisch instrumentalisieren zu lassen
  • Sie wollen weiter versuchen, mit Präsident Magufuli über Demokratie-Defizite ins Gespräch zu kommen
  • Der Prozess der Verfassungsreform soll fortgeführt werden
  • Eine kleine Kommission soll zwischen den Fraktionen der zerstrittenen CUF vermitteln
  • Mit dem Parlamentspräsidenten soll über die Kontroll-Verantwortung des Parlaments und weitere nationale Probleme gesprochen werden

Das „Interreligiöse Komitee für Wirtschaftliche Gerechtigkeit und Integrität der Schöpfung“ (ISCEJIC; Vertreter aus CCT, TEC, BAKWATA) bot der Regierung an, mit ihr zusammenzuarbeiten, mit dem Ziel, die Steuereinnahmen zu verbessern. So könnten den Ärmsten wesentlich mehr Transfermittel zufließen. Das ISCEJIC schätzt die jährlichen Steuerausfälle auf etwa $3 Mrd.; das entspricht mehr als 20% des Staatshaushalts und dem 10-fachen der Sozial-Ausgaben. Die Ausfälle setzen sich u.a. zusammen aus

  • Steuererleichterungen für Investoren $ 1,83 Mrd.
  • für Staatsunternehmen $ 12 Mill.
  • für Entwicklungsprojekte $ 30 Mill.
  • für Religionsgemeinschaften $ 350.000
  • Kapitalflucht unversteuerter Gelder $ 464 Mill.
  • hinterzogene Mehrwertsteuer $ 300 bis 700 Mill.
  • entgangenen Steuern aus dem informellen Sektor$ 476 bis 761 Mill.

Die in den Wirtschafts- und Export-Sonderzonen gewährten Steuernachlässe würden nicht vollständig veröffentlicht und seien intransparent. Hinzu komme, dass etwa 20% des Haushalts in korrupten Kanälen verschwinden.

Bischof P. Ikongo von der Pfingstkirche „Tanzania Acts of God“ beklagte vehement, dass Gaben amerikanischer Spender an Bedürftige nicht kostenlos abgegeben, sondern an die Empfänger verkauft wurden.

CCT und TEC (kath. Bischofskonferenz) verurteilten die jüngsten Gewaltverbrechen, besonders das Attentat auf den Chadema-Abgeordneten T. Lissu. Nur rückhaltlose Aufklärung könne den guten Ruf Tansanias wiederherstellen.

CCT Pastoral Letter from General Assembly 12.07.17Citizen 11.,24.09.17; DN 15.05.17; Guardian 21.,28.05.; 04.07.; 16.09.17; <http://www.cct-tz.org/ www.cct-tz.org>; www.policyforum.tz.org/ files/ONEBILLIONDOLLARQUESTION.pdf

Zur Verfassungsreform

Der katholische Bischof S. Niwemugizi (Rulenge, Kagera-Region) sagte, eine Verfassungsreform müsse vorrangig angestrebt werden. Auch widerspreche der bisherige CCM-Verfassungsentwurf nationaler Ethik und seinem Glauben. Erzbischof Kardinal Pengo und der Apostolische Nuntius M. Solczynski bezeichneten Niwemugizis Forderung als seine persönliche Meinung, die nicht der Auffassung der katholischen Kirche entspreche. Wichtiger als eine Verfassungsreform sei es, Gesundheits- und Bildungswesen, sowie die Wasserversorgung voranzubringen. Die Kirchenleitung unterstützt damit die hinhaltende Position des Staatspräsidenten.

Demgegenüber sprachen sich andere Religionsvertreter dafür aus, den Verfassungsprozess wiederaufzunehmen, so Bischof W. Mwamalanga (Vorsitzender des interreligiösen Komitees für Ethik, Frieden und Menschenrechte) und Scheich K. Mataka (Institut für Islam-Gelehrte).

Citizen 27.09.17; DN 08.10.17