Thema: Kirchen und Religionen: Religionsgemeinschaften und Regierung - 10/2018

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Unterstützende Äußerungen

Der Bischof der Adventistischen Kirche in Südtansania (SDA) erklärte, die Kirche sollte sich nie politisch engagieren, sondern statt dessen die Anstrengungen der Regierung bei Armutsbekämpfung und Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützen. Der Staatssekretär im Industrieministerium würdigte es als beispielhaft, wie die SDA ihre Mitglieder zu Unternehmensgründungen ermutigten. Die Kirchen sollten besonders der Jugend für die Arbeitswelt wichtige Werte wie Integrität und Gewissenhaftigkeit vermitteln.

Der Bischof der „Gilgal Christian International Ministries“ rühmte die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Erfolge der Fünften Regierung. Sie habe Stabilität und Berechenbarkeit gebracht und damit Entwicklung ermöglicht. Kirchenführer sollten sich auf ihre geistlichen Aufgaben konzentrieren und von der Politik fernhalten.

Die Leiterin der Pfingstkirche vom „Feurigen Berg“ Dr. G. Rwakatare pries in einem Jahresschluss-Gottesdienst die Errungenschaften Dr. Magufulis und forderte die Gläubigen auf, für ihn und seine Regierung zu beten. Sie sollten nicht über knappe Mittel klagen, nachdem die Schlupflöcher der Veruntreuung gestopft wurden, sondern lernen, mit dem Vorhandenen auszukommen. Sie müssten im Interesse des Landes auf einen nicht finanzierbaren Lebensstil verzichten. Die CCM-Abgeordnete Rwakatare ist seit Jahren in einen Prozess um ihre repräsentative Villa verwickelt, die sie illegal in einem Mangroven-Schutzgebiet erbaut hatte. 2014 waren bereits vier illegal errichtete Häuser ihres Sohnes abgerissen worden.

Citizen 04.01.; 01.04.18; DN 02.01.; 01.04.18; Guardian 08.08.14; 09.01.16; Mwananchi 03.12.17;

Bemühen um Dialog

Präsident Magufuli bemühte sich stets um ein gutes Verhältnis zu den religiösen Gemeinschaften, ging aber lange Zeit nicht auf deren wiederholte Bitten um vertrauliche Gespräche über problematische Entwicklungen ein. Die Sorge um den gesellschaftlichen Zusammenhalt veranlasste daher mehrere christliche und islamische Führungsgremien zu schriftlichen Stellungnahmen, die klare Korrekturen einfordern (s.u.)

Bereits im Mai 2017 lud der Tansanische Christenrat (CCT) politische Parteien und religiöse Gemeinschaften zu einer Konsultation ein, um die Gesprächskultur zwischen Religionen, Parteien und Regierung zu stärken. Vertreter entsandten die im CCT organisierten protestantischen Kirchen, der Rat der Pfingstkirchen (CPCT), die Katholische Bischofskonferenz (TEC), der Muslimrat (BAKWATA) und die Muslimische Erweckungsbewegung. Von den im Parlament vertretenen und im „Zentrum für Demokratie“ (TCD) zusammengeschlossenen Parteien nahmen teil: CHADEMA („Demokratie und Fortschritt“), NCCR-Mageuzi („Aufbau und Reform“) und ACT-Wazalendo („Wandel, Transparenz und Patriotismus“). Die regierende CCM („Revolutionspartei“) beteiligte sich nicht.

Die Teilnehmer erkannten, dass die Repräsentanten der Religionen für Toleranz, Meinungsfreiheit und Dialogbereitschaft ohne Rücksicht auf eigene Belange eintreten müssten. Die politische Kultur des Landes sei durch latente Spannungen und ein Klima der Angst gefährdet. Die Religionen könnten einen geschützten Raum für freie Gespräche bieten. Sie sollten kritische Punkte offen mit Regierungsvertretern ansprechen.

Die Vollversammlung des CCT veröffentlichte im Juli 2017 einen Hirtenbrief, in dem sie die Erosion des gesellschaftlichen Lebens, politischen Hass und Gewalttaten beklagte. Die CCT-Mitgliedskirchen wollen verstärkt auf Kenntnis der Menschenrechte und staatsbürgerliches Wissen hinarbeiten. Die Christen sollen die aktuelle Verfassung studieren und auf eine Erneuerung des Grundgesetzes hinarbeiten. Die künftige Verfassung soll u.a. die sozialverträgliche Verwertung der Naturschätze regeln. Alle Gemeinden sollen mindestens einmal im Monat für die Nation beten.

www.cct-tz.org 16.05.17; CCT-Hirtenbrief 12.07.17

Kritik und Forderungen

Die katholische Bischofskonferenz TEC veröffentlichte im Februar 2018 einen Fastenbrief „Die Kirche und die sich entwickelnde Gesellschaft in Tansania“ [TI März 18, S. 2]. Eine Konferenz aller ELCT-Diözesen gab zu Ostern einen Hirtenbrief an alle Gemeinden heraus: „Unsere Nation, unser Frieden“ [TI April 18, S. 3]. Während der offizielle Muslimrat BAKWATA bisher keine offizielle Stellungnahme veröffentlichte, äußerten sich die militanteren „Islamischen Gemeinschaften und Institutionen“ in einem Schreiben an die Gläubigen zum Ende des Ramadan [TI Aug. 18, S. 2] ähnlich wie die christlichen Kirchen. Die zentralen Kritikpunkte der Religionsgemeinschaften sind:

  • Eingeschränkte Versammlungsfreiheit. Oppositionsabgeordnete dürfen nur im eigenen Wahlkreis öffentliche Versammlungen abhalten. Demonstrationen sind generell verboten und werden als Aufruhr eingestuft. Prominente Oppositionsvertreter wurden häufig in Untersuchungshaft genommen und in zahlreiche Prozesse verwickelt.
  • Die neuen Gesetze zu Mediendiensten und Internet-Verbrechen werden für Zensur- und Selbstzensurmaßnahmen eingesetzt. Sie sind mit ruinösen Strafandrohungen bewehrt. Dies gefährdet die freie Meinungsäußerung.
  • Die Rechtsprechung wurde durch Übergriffe von Distrikts und Revisionskommissionen eingeengt. Der Präsident wies die Gerichte an, Steuerprozesse vorrangig zu behandeln.
  • Die Unabhängigkeit des Parlaments ist eingeschränkt. Die direkte Übertragung der Sitzungen wurde eingestellt. Die Regierung verwendete Gelder anders als budgetiert. Abgeordnete wurden unter Druck gesetzt. Toleranz und Debatten-Kultur sind im Schwinden.
  • Freiheit und Fairness bei Wahlen schwinden.
  • Alle diese repressiven Maßnahmen sind verfassungswidrig, schüren Hass und gefährden Demokratie und gesellschaftlichen Frieden. „Im Land herrscht ein Klima der Angst“.
  • Eine unbekannte Zahl von Personen ist verschwunden, andere wurden entführt und zum Teil ermordet. Die Fälle wurden bisher nicht aufgeklärt.
  • Der vielstimmige Ruf nach Wiederaufnahme der Verfassungsreform verhallte bisher ungehört.
  • Viele leiden unter Liquiditätsenge in der Wirtschaft und Arbeitslosigkeit, vor allem Jugendliche. Auch die immer schärferen Landkonflikte müssten grundsätzlich gelöst werden.

Religiöse Amtsträger in Mwanza verurteilten Entführungen und Tötungen von Politikern, Journalisten und Künstlern und forderten die Sicherheitskräfte zum Handeln auf. Der katholische Bischof von Moshi Amani sagte, das Verschwinden von Menschen sei kein Unfall, sondern Absicht. Es sei hochgefährlich für den Frieden im Land.

Der Leitende ELCT-Bischof Dr. F. Shoo betonte, die lutherischen Bischöfe hätten ihren Osterbrief nach intensivem Fasten und Gebet im Hören auf Gottes Wort verfasst. Die ELCT werde nicht schweigen, wenn im Land gegen den Willen Gottes gehandelt werde. Es gelte, in den Grundfragen ideologische Differenzen zurückzustellen und Hass und Spaltungen zu vermeiden.

Erzbischof E. Chengula von der katholischen Mbeya-Diözese sagte in seiner Karfreitagspredigt, die Christen sollten sich nicht über die von ihnen gewählten Staatsführer beschweren, sondern jetzt schon an die Wahl 2020 denken und genau überlegen, wem sie zutrauen, die Gesetze zu respektieren und die Menschenrechte zu wahren. Der Charakter eines Kandidaten sei wichtiger als seine Parteizugehörigkeit.

Alt-Erzbischof von Arusha, J. Lebulu (r.k.) bestand darauf, dass die Kirche öffentlich und ohne Ansehen der Person die Wahrheit zu Problemen und Schwierigkeiten verkünden müsse. Sie könne nicht zum Schweigen gebracht werden, da sie für alle Menschen ein Schlüssel zu Wahrheit und Frieden sei. Ein TEC-Sprecher betonte, ein nationaler Versöhnungsdialog sei für ein friedliches Zusammenleben unabdingbar.

Bischof D. Bendankheha der anglikanischen Kagera-Diözese beklagte, dass die Regierung kirchliche Kritik zu unterdrücken versuche. Religionsführer seien zu Kritik und Warnung verpflichtet, wenn der gesellschaftliche Frieden bedroht ist. Die Lage im Land verlange einen nationalen Dialog.

Citizen 02.,21.,30.03.; 01.04.; 12.06.18; CCT Press Release 17.05.17; Citizen 26.03.18; DN 31.03.18; East African 31.03.; 04.04.; 09.06.18; Guardian 31.03.18; Mtanzania 08.06.18; Mwanahalisi 16.02.; 17.06.; 03.8.18; Mwananchi 15.12.17; 17.06.18

Reaktionen

Zunächst forderte die Direktorin des Amtes für Religiöse Gemeinschaften die katholischen und lutherischen Bischöfe in ultimativer Form auf, ihre Botschaften zurückzunehmen (und Steuerschulden innerhalb einer Woche zu begleichen). Der damalige Innenminister Dr. Nchemba suspendierte sie jedoch und bestritt die Authentizität des Briefes. [TI Sep. 18, S. 5]. Die Opposition forderte eine offizielle Entschuldigung der Regierung für ihr von Vielen mit Empörung aufgenommenes Vorgehen. Die Religionsführer genössen in der Bevölkerung wesentlich mehr Vertrauen als die Politiker. Eine Diskussion der kirchlichen Botschaften im Parlament wurde nicht zugelassen.

Der Bischof der „Full Gospel Bible Fellowship Church“, der die Fünfte Regierung recht vollmundig attackiert hatte [TI Jan. 2018, S.4; Feb., S.3], erhielt Besuch von der Steuerfahndung. Diese gab bekannt, die betreffende Kirche ließe die vorgeschriebene Buchführung vermissen und bewahre gespendete Gelder in Eimern auf. Die Kinder des Bischofs hätten zudem TZS 37 Mill. Steuern hinterzogen. Die gesetzwidrige Veröffentlichung der Verfehlungen wurde kritisiert.

Ein lutherischer Pfarrer in Moshi wurde verhaftet, sein Computer und sein Telefon beschlagnahmt, nachdem er bei einer Gemeindeversammlung die wirtschaftliche Lage und die bedrohte Meinungsfreiheit scharf kritisiert hatte. Der katholische Bischof von Rulenge wurde von der Einwanderungsbehörde einbestellt, um seine Nationalität zu klären. Er hatte erklärt, wenn der Ruf nach einer Verfassungsreform ihn zum Aufwiegler mache, dann wolle er ein solcher genannt werden.

Premier Majaliwa sagte bei einer Konferenz der BAKWATA, die Regierung respektiere die Beiträge religiöser Amtsträger und nehme sie ernst, soweit sie dem Frieden im Land dienten. Mehrere Regierungsvertreter betonten, die Kirchen dürften nicht unautorisierte Personen [d.h. Oppositionspolitiker] für sich sprechen lassen.

Im August 2018 empfing Dr. Magufuli die Spitzen von CCT und TEC zu dem seit Langem erbetenen Gespräch. Die Kirchenvertreter rühmten als Errungenschaften der Fünften Regierung: Verbesserungen bei sozialen Diensten wie Gesundheitspflege und den umfangreichen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Erfreuliche Fortschritte zeige auch die Disziplin im Öffentlichen Dienst und der Kampf gegen Korruption und Veruntreuung staatlicher Mittel. Desgleichen kämen die Bodenschätze mehr als bisher den Bürgern des Landes zugute. Auch die kostenfreie Schulbildung bis zur Mittleren Reife verdiene Anerkennung. Die Kirchenführer dankten für die Gelegenheit, das Verhältnis zwischen Kirchen und Regierung anzusprechen und sagten der Regierung konstruktive Zusammenarbeit zu.

Dr. Magufuli zollte dem „riesigen Beitrag der Religionsgemeinschaften zur Entwicklung des Landes“ Anerkennung. Sie spielten eine Schlüsselrolle im Kampf seiner Regierung gegen Korruption, Veruntreuung und Steuerbetrug. Er versprach ihnen völlige Freiheit und jede Unterstützung. Sie sollten ihren Gläubigen Frieden, Solidarität und Patriotismus predigen. Damit ging er auf eine der geäußerten Befürchtungen ein, ob auch die freie Religionsausübung demnächst in Frage gestellt würde. Inzwischen scheinen auch die Finanzämter gemäßigt und zielorientiert vorzugehen, wie von den Religionsgemeinschaften angeregt.

Citizen 22.02.; 26.03.; 01.04.; 07.06.18; DN 08.08.18; East African 10.06.18; Guardian 09.04.; 11.06.; 08.08.18; Mtanzania 08.,10.06.18; Mwanahalisi 08.06.18; Mwananchi 22.02.; 11.,18.03.18;