Thema: Frauen und Männer: Problemanzeigen - 12/2020

Aus Tansania Information
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Defizite und Forderungen

Die Hilfsorganisation Ardhi Yetu, gefördert von Care Denmark, unterstützt in 10 Distrikten Frauen, ihre Landrechte zu verteidigen. Besonders auf kommunalem Land (70% der Fläche Tansanias) ist es für Frauen oft sehr schwierig, eigenes Land zu besitzen oder zu erben. Eine Frau in Kiteto sagte: „Auch wenn ich mir Land kaufe, gehöre ich mitsamt meinem Besitz meinem Ehemann“. Witwen, die keine Söhne haben, werden häufig – entgegen dem Gesetz – um ihr Erbe betrogen. Die Hilfsorganisationen weisen darauf hin, dass dies zu erheblichen Produktivitätsverlusten führt, weil Frauen eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft spielen.

Eine englische Studie stellte fest, dass Frauen im ländlichen Tansania nur selten in Solarstrom-Generatoren investieren, weil sie nur schwer Kredite bekommen. Dies hindert Viele daran, fortschrittliche und produktive Projekte aufzubauen, die elektrischen Strom voraussetzen.

Der „Women Fund Tanzania Trust“ und die „Coalition for Women and Constitution“ formulierten seit den Wahlen 2000 ein Wahlmanifest mit Forderungen nach gleichen Chancen für Frauen. Zu den Wahlen 2015 hätten die Parteien nur wenige Frauen kandidieren lassen: CHADEMA 6%, CCM 9% und CUF 11%. Auch 2020 hätten die Parteien auf ihren Wahllisten Männer bevorzugt. Das Antikorruptionsbüro müsse entschiedener gegen sexuelle Korruption innerhalb der Parteien vorgehen. Parteiunabhängige Kandidaturen sollten ermöglicht werden. Nur so könne man das für 2025 angestrebte Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern erreichen (UN-Entwicklungsziel Nr. 5).

Die Initiative „Frauen in Unternehmen“ betonte, Frauen seien in leitenden Gremien deutlich unterrepräsentiert. Die Regierung solle dem durch Gesetze entgegenwirken und Unternehmen belohnen, die Frauen in Spitzenpositionen fördern.

Vertreter christlicher Kirchen verabschiedeten in Dodoma eine Entschließung, Frauen in politischen, kirchlichen und wirtschaftlichen Führungspositionen zu fördern. Die gegenwärtig schwache Teilhabe der Frauen widerspreche den Weisungen der Heiligen Schriften. Die Kirchenführer verpflichteten sich in Predigt und Unterricht auf die gesellschaftliche Gleichstellung von Mädchen und Frauen hinzuwirken.

Witwen-Gruppen in der Dodoma-Region beklagten, dass die Behörden sie nicht gegen Übergriffe ihrer Sippen verteidigten. Lokale Behörden hätten wiederholt Eigentum von Witwen beschlagnahmt. Die Gruppen raten Verheirateten eindringlich, rechtzeitig ein Testament zu verfassen, damit sich der oder die Überlebende auf dem Rechtsweg gegen traditionelle Übergriffe wehren kann.

Das Menschenrechtszentrum LHRC kritisierte, dass Frauen, die aus beruflichen Gründen Nachts unterwegs sind, wegen Prostitution und Landstreicherei verhaftet und diskriminiert werden.

Präsident Magufuli empfahl den tansanischen Männern, hart zu arbeiten und mehrere Frauen zu heiraten. Damit könne man die zunehmende Prostitution bekämpfen, die auf einen Frauenüberschuss in der Bevölkerung zurückgehe.

Mehrere Frauen-Organisationen bemängelten, dass Frauen die meiste landwirtschaftliche Arbeit leisteten, aber nur wenig davon profitierten. Den Verkauf der Ernten dominierten Männer, bei Planungen hätten Frauen ebenso wenig Mitsprache wie bei Entscheidungen in Familie und Haushalt. Ferner solle die Regierung den Mutterschutz auch bei informellen Arbeitsverhältnissen durchsetzen.

Mit kanadischer Unterstützung betreibt die Tansanische Anwaltskammer ein Projekt, das die Beteiligung von Frauen im Öl-, Gas- und Minenbereich vorantreiben will. Frauen erlitten die meisten Beeinträchtigungen durch große Bergwerksbetriebe, bekämen aber wenig Chancen, beruflich von diesen Aktivitäten zu profitieren.

Die Vereinigung der Medienfrauen bedauerte, dass das Gesetz Sansibars zu Kadhi-Gerichten immer noch Frauen als Richterinnen ausschließt. Immerhin wird aber jetzt von diesen Gerichten anerkannt, dass auch Witwen und geschiedene Frauen Besitztum erben können.

Die Vereinigung der Richterinnen machte auf die vielen Fälle von Gewalt in Familien und gegenüber Dienstboten aufmerksam. Sie schlug vor, spezielle Familiengerichte zu etablieren, die sich mit geschlechtsspezifischer Gewalt befassen. Derzeit scheiterten viele Anklagen wegen sexueller Gewalt an Medizinern, die von den Tätern Geld nähmen und dann Beweismittel verfälschten oder vernichteten.

CAJ 12.02.18; Citizen 27.09.18; 12.12.19; DN 09.07.18; 13.08.19; 08.01.; 04.08.20; Guardian 03.12.18; 20.,27.,29.03.; 10.04.19; 27.01.20; Wildaf-TZ 23.10.20

Geschlechterbezogene Gewalt

Laut Bericht des Menschenrechtszentrums LHRC für 2019 wurden im Zeitraum vom Juni 2017 bis Juni 2019 88.612 Fälle von geschlechterbezogener Gewalt (GBV - Gender based violence) gemeldet, darunter 3.709 Vergewaltigungen von Kindern.

Die Hilfsorganisation WOWAP (Women Wake Up) verurteilte gesellschaftliche und individuelle Gewalt gegen Mädchen in der Dodoma-Region. Eltern verleiteten ihre Töchter dazu, die Grundschule mit schlechten Noten abzuschließen, um sie schneller verheiraten zu können. Die meisten Fälle von Vergewaltigung würden zwischen Eltern, Tätern und Verwaltungsorganen mit diskreten Zahlungen „geregelt“. WOWAP klärt Betroffene über ihre Rechte auf und eröffnet ihnen Verdienstmöglichkeiten. Sie weist Lehrkräfte und Geistliche auf die Problematik hin.

Ein Staatssekretär im Gesundheitsministerium sagte, in der Katavi-Region sei Gewalt gegen Mädchen weit verbreitet. Dies erweise sich daran, dass 30% aller Gebärenden im Katavi-Hospital Kinder unter 18 Jahren seien. Hauptproblem seien die Eltern der betroffenen Mädchen, die nicht mit der Polizei kooperierten. Dadurch blieben die meisten Übeltäter straffrei. 2018 registrierte die Polizei landesweit 14.419 Fälle von GBV gegen Kinder. Der Kommissar der Mbeya-Region verurteilte den Aberglauben, man könne durch Quälen, Verstümmeln oder gar Töten von Kindern reich werden.

Nach einer Statistik des Gesundheitsministeriums von 2015/16 zu Partnergewalt berichteten 39% der verheirateten Frauen über physische, 36% über psychische und 14% über sexuelle Gewalterfahrungen.

Ein sansibarischer Staatsanwalt bedauerte, dass viele Opfer auch bei guter Beweislage die Klage plötzlich zurückziehen und Zeugen sich um klare Aussagen drückten. Dies demoralisiere die Behörden und ermutige Übertreter. Der sansibarische Polizeipräsident erklärte, dank eines gemeinsamen Programms mit den UN hätten die Fälle sexueller Gewalt gegen Frauen und Kinder auf Sansibar nicht weiter zugenommen. Auch die Sozialen Medien hätten zu diesem Erfolg beigetragen. 2019 seien noch 941 einschlägige Fälle angezeigt worden.

Die UNESCO veranstaltete Schulungen für sansibarische Journalist/innen mit dem Ziel, die Öffentlichkeit für sexuelle Gewalt zu sensibilisieren. Täter kontaktierten Kinder zunehmend über das Internet. Zudem gefährdeten sich Kinder indem sie intime Fotos und Botschaften über ihr Mobiltelefon veröffentlichten.

Ein Vertreter des SOS-Kinderdorfes Sansibar berichtete, dank intensiver Aufklärung seien sexuelle Übergriffe auf Kinder zurückgegangen. Kinder, Jugendliche und Eltern kennten ihre Rechte und wüssten, wohin sie sich wenden können. Es sei sehr hilfreich, dass Gefährdete und Opfer bei der Polizei spezielle Büros und Ansprechpersonen für sexuelle Übergriffe vorfänden.

Eine Sprecherin des Regionskrankenhauses in Dodoma berichtete, dass täglich GBV-Opfer vorsprächen. Damit rangiere Dodoma unter den fünf meist-betroffenen Regionen des Landes. Kinder und Behinderte seien die häufigsten Opfer solcher Übergriffe.

Die Organisation „UN Women“ erreichte in Zusammenarbeit mit den lokalen Verwaltungen, dass auf 10 Märkten sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln in den Regionen Dodoma und Shinyanga die Belästigungen von Händlerinnen spürbar zurückgingen. Beleidigende Sprache und Gesten sowie gewaltsame Handlungen kämen nun seltener vor, da die Öffentlichkeit sie nicht mehr einfach hinnehme.

Die Tansanischen Medienfrauen (TAMWA) erinnerten daran, dass auf Sansibar innerhalb der letzten vier Jahre 17 Frauen getötet wurden. Nur in zwei Fällen sei Anklage erhoben worden. Dies könne potentielle Täter ermutigen.

Der „National Plan of Action to end Violence against Women and Children“ koordiniert seit 2017 die staatlichen Maßnahmen gegen GBV. Zahlreiche Veranstaltungen sensibilisieren die Bevölkerung jährlich in einem Zweiwochen-Zeitraum Ende November zum Thema. Landesweit wurden 11.520 Ausschüsse zum Schutz von Frauen und Kindern eingerichtet. Viele Polizeistationen haben ein spezielles Büro mit geschulten Beamtinnen (gender desks). Bedürftige können kostenlose Rechtshilfe beantragen. Auch in Schulen und Bildungseinrichtungen werden nach und nach gender desks eingerichtet. Pädagogen versprechen sich eine Besserung der Situation dadurch, dass mehr Mädchen längere Zeit eine Schule besuchen, nachdem staatliche Schulen bis zur Mittleren Reife kostenfrei sind. Positiv wirkt sich auch das 2017 revidierte Bildungsgesetz aus, das es verbietet, Schülerinnen zu verheiraten.

Citizen 22.11.20; DN16.08.; 23.10.; 26.,27.11.19; 29.01.20; Guardian 17.07.19; 15.01.; 01.05.20; 16.,17.06.; 01.,19.08.; 08.09.; 18.,21.11.20

Sexuelle Erpressung

Das Antikorruptionsbüro PCCB meldete, 2016/17 seien 391 Versuche angezeigt worden, sexuelle Gefälligkeiten von Antragstellerinnen oder Stellungssuchenden zu erzwingen. 46 Vorfälle wurden nachverfolgt, 11 vor Gericht gebracht und fünf Beschuldigte zu Gefängnisstrafen verurteilt. Laut PCCB steht sexuelle Erpressung an dritter Stelle unter den Korruptions-Anzeigen nach Veruntreuung und Amtsmissbrauch. Dabei sei mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen, da viele Betroffene aus Furcht vor Repressalien entweder stillschweigend kündigten oder die Belästigungen hinnähmen.

Die Vereinigung der Medienfrauen TAMWA teilte mit, 28% der Frauen in privaten Firmen würden sexuell belästigt und sogar 89% der Mitarbeiterinnen im Öffentlichen Dienst. Es sei Aufgabe des Arbeitgebers, Frauen vor derartigen Belästigungen zu schützen. Nicht wenige Studentinnen gäben ihr Studium auf, weil sie von Lehrenden oder Prüfern unter Druck gesetzt würden. Besonders verabscheuungswürdig seien Lehrer, die Schülerinnen gute Noten gegen sexuelles Entgegenkommen versprechen.

Praktikantinnen beschuldigten leitende Ärzte des Überweisungskrankenhauses Mbea, sie zu sexuellen Zugeständnissen zu zwingen. Die „Msichana (Mädchen) Initiative“ klärt Jugendliche darüber auf, wie sexuelle Belästigungen aussehen. Viele sähen diese nämlich als „normal“ an und wüssten nichts von ihrem Recht, sich dagegen zu verwahren. Vor allem traditionell erzogene Mädchen hielten sich nicht für berechtigt, Älteren oder Vorgesetzten zu widersprechen oder Fehlverhalten öffentlich zu machen.

12% der männlichen Beschäftigten im Staatsdienst berichteten von sexuelle Avancen von Seiten Vorgesetzter. Die Meisten versprächen sich jedoch keinen Erfolg von einer Anzeige. Daher wird auch hier eine hohe Dunkelziffer angenommen.

Citizen 19.10.; 28.11.19; 06.01.20; DN 06.08.19; 26.03.20; Guardian 09.12.18