Thema: Frauen und Männer: Gewalt gegen Mädchen und Frauen - 04/2016

Aus Tansania Information
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Geschlechtsverstümmelung (FGM)

Bei einem Anti-FGM-Forum in Singida berichtete eine Beschneiderin aus 30 Jahren Praxis. Sie habe mehr als 2.000 Mädchen verstümmelt und während der Saison jeden Tag 10 Kinder beschnitten und dabei etwa TZS 2000 verdient. Sie meinte, mit dem grausamen Ritual der Stammestradition zu dienen und genoss ihr Ansehen im Dorf. Nun hätten sie ihre Kinder davon überzeugt, dass die FGM unmenschlich und gefährlich sei. Sie habe nach mehreren Todesfällen Buße getan und bekämpfe das Übel aktiv. Die FGM wird trotz alljährlicher Kampagnen in der Singida-Region vermehrt durchgeführt (57% der Frauen verstümmelt). Stark betroffene Regionen sind auch Arusha (59%), Dodoma (67%), Manyara (71%) und Mara (40%).

2.118 Mädchen aus dem Tarime-Distrikt (Mara) flohen in das katholische Masanga-Rettungszentrum, um der Genitalverstümmelung zu entgehen. Etwa 1.600 wurden während der laufenden Saision verstümmelt. Das Zentrum führte auch dieses Jahr ein gut besuchtes Seminar für Kurya-Älteste durch. Diese versprachen, sich gegen die FGM-Praxis einzusetzen.

Die Verantwortlichen des Zentrums forderten die Regierung auf, die Anti-FGM-Gesetze durchzusetzen und Übertreter/innen konsequent zu bestrafen. Dies geschieht bisher auch bei Todesfällen kaum. Es gibt eine zunehmende Tendenz, die Genitalverstümmelung bereits an Säuglingen durchzuführen. Theoretisch wird FGM in Tansania mit Gefängnis zwischen fünf und fünfzehn Jahren bestraft.

Die medizinischen Fakultäten der Universitäten Dar-Es-Salaam, Dodoma und Kilimanjaro (KCMC) entwickelten Kurse über FGM für Studenten sozialer und medizinischer Berufe.

Citizen 30.11.; 28.12.15; DN 31.07.; 08.11.; 26.12.15; 29.02.16

Sexuelle Gewalt

Die Schutzorganisation „Kwieco“ meldete, in der Kilimanjaro-Region würden 60% der Vergewaltigungen nicht angezeigt. Traditionelle Tabus hinderten Betroffene, darüber zu sprechen. 2015 wurden im Moshi-Distrikt 1.200 Fälle von sexueller Gewalt angezeigt.

Die Tansanischen Medienfrauen (TAMWA) beklagten, dass Fälle von Vergewaltigung, vor allem von Kindern, häufig verschleppt oder fallengelassen würden. 2015 wurde in DSM nur ein Fall von 63 zu Ende geführt. Wegen schlampiger oder bewusst nachlässiger Ermittlungen der Polizei scheiterten viele Prozesse. Polizisten und Ärzte ließen sich durch Bestechung zu Falschaussagen verleiten.

TAMWA wies wiederholt auf verbreitete sexuelle Nötigung im öffentlichen Dienst hin. 89% der dort beschäftigten Frauen seien mit diversen Formen sexueller Erpressung konfrontiert worden. Das Ethiksekretariat gab neue Richtlinien gegen sexuelle Erpressung im öffentlichen Dienst und im Bildungssektor heraus.

Arusha Times 06.06.15; Guardian 30.04.; 10.06.15; 28.02.16

Häusliche Gewalt

Bei traditionell gebundenen Ethnien kollidiert das staatliche Recht häufig mit patriarchalen Gewohnheiten. So wurde eine 32-jährige Maasai in Engaruka / Monduli von 10 Ältesten, die ihr Mann einberufen hatte, nackt ausgezogen und bewusstlos geschlagen, weil sie ihren 13-jährigen Sohn getadelt hatte. Besonders viele Fälle prügelnder Ehemänner werden aus den Regionen Kagera, Mara, Mwanza und Kigoma gemeldet. In DSM berichteten 33% der Frauen von ehelicher Gewalt, in Mbeya gar 47%.

Oft ist berufliche Frustration bzw. Erwerbslosigkeit und Alkoholmissbrauch der Männer ursächlich. Die meisten Fälle von geschlechterbezogener Gewalt (GBV) wurden aus der Arusha-Region gemeldet, es folgen DSM, Shinyanga und Kilimanjaro. Laut der Demographie- und Gesundheitsumfrage 2010 machten 44% aller verheirateten Frauen Gewalterfahrungen. 37% aller Mädchen sind mit 18 Jahren verheiratet, oft gegen ihren Willen.

Der „Kilimanjaro Informations-Austausch für Frauen“ (Kwieco) meldet Erfolge seiner Kampagne gegen häusliche Gewalt. Vor allem die rechtliche Aufklärung ermutige Frauen, ihre Rechte einzufordern und mache Männern die Risiken ihres Fehlverhaltens klar. Viele Männer verabschiedeten sich von überholten Rollenbildern; Einige hätten sogar ihre Frauen als Erbinnen eingesetzt.

Citizen 09.12.15; DN 04.04.14; 15.10.; 20.12.15; 16.03.16; Guardian 14.12.15

Schutzmaßnahmen gegen GBV

Die Organisation „Frauen in Recht und Entwicklung“ (WiLDAF) forderte mehr Schutz für Schulmädchen vor sexueller Gewalt. Dazu gehörten angemessene sanitäre Einrichtungen, Schlafräume, Schulzäune und Schutz auf dem Schulweg. Demütigende Massen-Untersuchungen von Schülerinnen auf Schwangerschaft sollten unterbleiben. Schülerinnen, die entbunden haben, sollten weiter zur Schule gehen.

Als hilfreich hätten sich die speziellen Polizeiposten für die Anzeige von GBV-Fällen erwiesen. Sie sind mit Polizistinnen mit Spezialausbildung besetzt. Besonders in Städten nähme die Zahl der gewaltbezogenen Anzeigen zu. Etwa 5% der Fälle beträfen inzwischen Männer, die meist aus Eifersucht von der Partnerin mit kochendem Wasser begossen würden. Langfristig könne am meisten durch präventive Arbeit mit Jungen und Männern erreicht werden. Respektvoller Umgang mit Mädchen und Frauen müsse von Kindheit an eingeübt und gegen traditionelle Muster durchgesetzt werden. Großer Nachholbedarf bestehe aber noch in der Anpassung der einschlägigen Gesetzgebung an internationale Standards.

Mit schwedischer und norwegischer Finanzierung formulierte das Parlamentarische Forum der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft ein Modellgesetz gegen Kinderehen. Es soll eine gemeinsame Linie der Mitgliedsstaaten erleichtern. Mit weniger minderjährigen Müttern hofft man, Kinder- und Müttersterblichkeit drastisch zu senken.

Die Regierung von Sansibar schloss sich der UN-Kampagne „UniTE“ gegen GBV an. Sie sensibilisiert besonders Bus- und Taxifahrer für das Problem. Auf Sansibar werden täglich mehrere Übergriffe auf Frauen und Kinder angezeigt. Eine hohe Dunkelziffer wird vermutet, viele Opfer verzichten auf eine Anzeige, weil sie nicht ernst genommen oder gar eingeschüchtert werden.

Die seit 2015 laufende Kampagne „Ein echter Mann übt keine sexuelle Gewalt“ zeigte relative Erfolge. Die sansibarische Frauenministerin ermahnte vor allem die Landbevölkerung, GBV-Akte nicht zu verschweigen und Übeltäter nicht zu schützen. In allen Distrikten wurden Anti-GBV-Ausschüsse eingesetzt. Alle 34 Polizeistationen erhielten aus EU-Mitteln ein spezielles Büro für GBV-Fälle mit geschulten Beamt/innen. Eine Reihe von niedrigschwelligen Anlaufstellen und eine Notrufnummer (116) wurden eingerichtet. Nach einer EU-Umfrage berichteten auf Sansibar 20% der Frauen, auf Pemba sogar 30%, von Gewalterfahrungen.

„Kwieco“ eröffnete in Shanty Town / Moshi mit finnischer Hilfe ein Zentrum zur Rehabilitation von Opfern sexueller Gewalt in der Kilimanjaro-Region (18 Plätze).

Schweizer Entwicklungsorganisationen finanzierten einen Spielfilm des sansibarischen Regisseurs Chande Omar über eine junge Frau, „Aisha“, die sich nach einer Gruppenvergewaltigung nicht einschüchtern lässt und trotz Opferstigmatisierung und Behörden-Gleichgültigkeit erfolgreich um ihre Ehre kämpft. Der hauptsächlich mit Laiendarstellern aus Pangani gedrehte Film wendet sich gegen das Schweigen über die Gewalt gegen Frauen und die Untätigkeit gegenüber bekannten Tätern. Die bisher gezeigten Filme der Aktion „Sprich darüber“ (Banja basi) prangerten erzwungene Heirat („Vaters Stock“) und Verführung von Schülerinnen („Süße Täuschung“) an.

Citizen 26.09.; 24.,28.11.15; DN 13., 19.05.15; DN 13.,18.05.; 21.08.; 16.09.; 07.11.15; 26.03.16; Guardian 10.06.; 03.08.; 24.10.15; 09.03.16

Selbsthilfe, Zivilgesellschaft

Unter Federführung der „Tansanischen Rechtsanwältinnen“ (www.tawla.or.tz) schlossen sich zehn Frauen-, Kinder- und Menschenrechtsorganisationen zur „Mama Ardhi (Mutter Erde) Alliance“ zusammen. Ziel ist, Verfassung und Gesetzgebung zu beeinflussen, um eine volle Gleichstellung der Geschlechter, vor allem beim Land- und Erbrecht, zu erreichen.

USAID entwickelte eine Anwendung für Mobiltelefone, die Vermessung und Registrierung von Land wesentlich beschleunigt. Besonders Witwen in der Iringa-Region konnten damit ihre Landrechte erfolgreich verteidigen. - Das UN-Entwicklungsprogramm stellte in der Moshi-Region Sparherde vor, die den Holzverbrauch und damit verbundenen Zeitaufwand um 80% senken.

In Arusha finden Frauen mit Behinderung und Witwen ein gutes Auskommen mit einem städtischen Gemüse-Projekt, finanziert von Mailand. - Weitere Selbsthilfegruppen:

  • In Dar-Es-Salaam gründeten 238 Witwen eine Interessengruppe, um Beratung in Erbfragen und Kleinkredite an Witwen zu vermitteln.
  • Das von der „Deutschen Stiftung Weltbevölkerung“ geförderte Projekt „Woge“ („Frauen wachen auf“) verhalf mehr als 2000 Frauen in den Distrikten Monduli und Handeni zu erfolgreichen Kleinunternehmen.
  • Der „Rat der Viehhalter-Frauen von Ngorongoro“ will die Mädchen-Bildung fördern und Frauen zu Besitzrechten helfen, die sie bisher in der Maasai-Gesellschaft nicht haben.

Junge Frauen kaufen Autos nicht mehr nach „femininen“ Farben wie rosa, sondern nach Verbrauchs-Effizienz und Praxistauglichkeit. Am beliebtesten sind bei ihnen „seriöse“ Farben wie schwarz und weiß.

Citizen 05.12.15; DN 17.04.14; 17.03.; 11.05.15; 15.02.16; Guardian 11.02.15; 26.06.16; Thomson Reuters Foundation 25.08.15