Thema: Entwicklung – Ziele, Herausforderungen, Strategien: Strategien - 03/2018

Aus Tansania Information
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Pläne und Ziele

Ende des 20. Jahrhunderts entstand die „Tanzania Development Vision 2025“ (www. mof.go.tz/mofdocs/overarch/vision2025.htm). Sie formuliert das Ziel, 2025 ein jährliches Pro-Kopf-Einkommen von $ 3.000 zu erreichen (2017: $ 842 bis 960, je nach Quelle). Ab 2011 gilt der „Long Term Perspective Plan“ mit drei 5-Jahresplänen. In Landwirtschaft und Industrie sollen rasch neue Arbeitsplätze für die immer schneller wachsende Zahl junger Arbeitssuchender entstehen. Dies ist trotz jährlichen Wirtschaftswachstums von durchschnittlich 6% über die letzte Dekade hinweg bisher nicht gelungen.

Mittelfristig will Tansania seine bedeutenden Bodenschätze [vgl. TI 2017 07/08] und Energiereserven [vgl. TI 2017 12] nutzbar machen. In jüngster Zeit wurden neue Vorkommen hochpreisiger Rohstoffe entdeckt: Helium, Lithium, Neodym und Praseodym.

Business Times 18.07.14; Guardian 28.11.17; 11.01.18;

Neuorientierung unter Magufuli

Präsident Magufulis Vorgänger J. Kikwete warb auf zahlreichen Auslandsreisen unermüdlich Finanzhilfen für immer neue Entwicklungsprojekte ein. Im Unterschied dazu will JPM mehr aus eigener Kraft erreichen, um sich westlichen Pressionen (Menschenrechtsfragen, Jerusalem-Frage) besser entziehen zu können. Magufuli beobachtet außerdem die Arbeit westlicher Entwicklungsorganisationen mit Skepsis, weil er argwöhnt, sie relativierten tansanische Werte z.B. durch Sexualpädagogik und Anerkennung homosexueller Beziehungen. JPM erkennt auch deutlicher als seine Vorgänger, dass sich externe Entwicklungshilfe lähmend auf eigene Initiativen auswirken kann. So empfindet er es als beschämend, wenn das Land nach 50 Jahren Selbständigkeit immer noch ausländische Hilfe in Anspruch nimmt, um einfache Latrinen zu bauen.

Ein wichtiges Vorbild für Magufuli ist die Entwicklungsstrategie des ruandischen Präsidenten P. Kagame. Sie erwartet wirtschaftliches Wachstum weniger von ausländischen Investoren oder „dem Markt“ als von massiven Infrastruktur-Investitionen durch Unternehmen im Besitz der Regierungspartei. Diese kann Schlüssel-Sektoren wie Leichtindustrie und Landwirtschaft gezielt fördern und Gewinne effizient reinvestieren.

Das Modell setzt eine langfristig dominierende Partei (und damit eine schwache und unterdrückte Opposition) voraus. Weil damit demokratische Kontrollen ausgeschaltet sind, muss ein quasi allmächtiger Präsident persönlich alle Ansätze von Korruption, Vetternwirtschaft und Klientelismus im Parteiapparat unter Kontrolle halten. Diese Strategie wird Patrimonialismus genannt und erbrachte in Ruanda trotz ungünstiger Ausgangslage nach dem Bürgerkrieg ab 1994 ein jährliches Wachstum von 8% und reduzierte den Anteil der Armen von 57 auf auf 45%. Die (versteuerten) Mineralexporte Ruandas wuchsen 2017 um 210%.

In Tansania stehen besonders Kirchen, NROs und Oppositionsparteien dem patrimonialistischen Konzept reserviert gegenüber. Sie verlangen, stattdessen die Korruption durch eine modernisierte Verfassung und robuste Kontroll-Instanzen zu bändigen und so die Entwicklung zu beschleunigen.

Guardian 11.,26.01.18; DN 28.12.17; New Times, Ruanda 08.02.18

Prioritäten der Magufuli-Regierung

JPM gibt folgenden Zielen Vorrang:

  • Steigerung der Steuereinnahmen
  • Priorität für Korruptionsbekämpfung
  • Begleichung unbezahlter Rechnungen staatlicher Organe (TZS 200 Mrd.)
  • Große Infrastruktur-Investitionen
  • Verlässliche Elektrizitätsversorgung
  • Erdgas als tragende Energiequelle
  • Land-Gesetzgebung und Lösung der Landkonflikte
  • Veredelung von Mineralien wie Gold, Edelsteinen und seltenen Erden im Land, mit dem dazu erforderlichen Wissenstransfer

Die bäuerliche Landwirtschaft, die die meisten Arbeitskräfte absorbieren könnte, genießt weniger Aufmerksamkeit als eine mechanisierte Agrarproduktion. Von Letzterer verspricht sich die Regierung mehr Export-Chancen, mehr Vorprodukte für eine verarbeitende Industrie und schnellere Kaufkraft-Steigerung und Nachfrage nach Industrieprodukten. Allerdings finden die meisten gebildeten Jugendlichen eine landwirtschaftliche Tätigkeit wegen der harten Arbeit und der geringen Produktivität nicht attraktiv.

In den letzten 10 Jahren wuchs die Landwirtschaft um weniger als 4% jährlich. Dies behindert auch die verarbeitende Industrie. Z.B. konnten die Molkereien 2017 nur 155.000 l Milch verarbeiten, obwohl ihre Kapazität 672.000 l beträgt. Tansania importiert daher mehr als 50 Mill. l Milch im Jahr. Experten kritisieren, dass die bäuerliche Landwirtschaft zu wenig gefördert werde und damit die Fehler der 70er und 80er Jahre wiederholt würden. - Der Landwirtschaftsminister hofft jedoch, dass die Verkaufsernten Baumwolle, Cashew, Kaffee, Tabak und Tee 2020 TZS 13,6 Bill. (€ 5,4 Mrd.) erbringen werden.

Aber auch das Industrie-Wachstum hält sich in Grenzen. Nur 10% der von den kommerziellen Banken vergebenen Kredite (insgesamt TZS 16,3 Bill.) wurden in Industriebetriebe investiert. Die Stiftung Privatsektor forderte daher eine staatliche Industrie-Entwicklungsbank oder Staatsbürgschaften (Es gibt allerdings entmutigende Erfahrungen mit der staatlichen Entwicklungsbank für Landwirtschaft: die Verwaltungskosten überstiegen die Summe der ausgereichten Kredite).

Citizen 06.12.17; 01.01.18; DN 04.01.; 24.02.18;Guardian 01.,11.01.; 27.02.18

Staatliche Maßnahmen

Seit Langem kritisierten Investoren den hohen Aufwand an Zeit und Geld, um ein Unternehmen auch nur behördlich zu registrieren. Tansania fand sich daher auf der Weltbank-Liste für Unternehmensfreundlichkeit auf Platz 162 von 190, rückte aber nach den jüngsten Reformen immerhin auf Rang 137 vor (zum Vergleich: Kenia steht auf Position 80, Ruanda Position 41).

Die Firmen-Registrierungsbehörde (www. brela.go.tz) nimmt eine Online-Plattform in Betrieb, die den bisher tagelangen Zulassungsprozess auf eine Stunde reduzieren soll. Damit entfällt das zeitraubende Sammeln von Stempeln verschiedenster Behörden, das zudem häufig Schmiergelder zur Beschleunigung erforderte. Auch Warenzeichen und Patente kann man via Internet anmelden. Junge Unternehmer soll das neue „Tansanische Zentrum für Unternehmertum und Wettbewerbsfähigkeit“ voranbringen (www.tecc.or.tz). Das Industrie- und Handelsministerium richtete ein Büro für den Dialog mit der Geschäftswelt ein.

Die Regierung will im Ausland studierende Bürger dazu bewegen zurückzukehren, bzw. in Tansania zu investieren.

Mit Weltbank-Finanzierung wird eine neue Datenbank aller Geburts- und Sterbefälle aufgebaut, die auch die Daten der Passbehörden, des Wählerregisters und der Finanzbehörden zusammenführt. Mütter sollen sogleich nach der Entbindung eine Geburtsurkunde für ihr Kind erhalten. Die 2015 eingeführten biometrischen Wählerkarten erleichtern die Identifizierung, die Voraussetzung für eine Geschäftsgründung ist.

Förderung der Landwirtschaft: Einige der zahlreichen Bagatellsteuern für Landwirte wurden gestrichen. Die Vereinigung der Anwältinnen (www.tawla.or.tz) hilft Frauen im Meru-Distrikt, eigenes Land zu besitzen, wodurch die Produktivität deutlich ansteigt.

Die Magufuli-Regierung versucht, Gesetze, die jahrzehntelang ignoriert wurden, durchzusetzen; z.B. müssen Bürger, die sich Land von Flugplätzen, Parks, Wildschutzgebieten, Schulen, Armeegelände, Straßenreserve o.ä. angeeignet haben, mit Enteignung rechnen.

Nachdem das Transportministerium verdächtige Mitarbeiter auf der MV Liemba (Tanganyikasee) ausgewechselt hatte, machte das Schiff pro Fahrt TZS 10 Mill. Gewinn und verbrauchte 9.500 l Treibstoff; vorher verursachte jeder Trip TZS 10 Mill. Verlust und verbrauchte 12.500 l Treibstoff. Die ungetreuen Angestellten hatten regelmäßig Treibstoff gestohlen und Passagiere auf eigene Rechnung befördert. Ähnliche Probleme gab es bei der Tanzania Air.

Citizen 17.,23.01.; 14.02.18; DN 26.08.16; 07.,30.12.17; Guardian 12.,21.12.17; 29.01.; 09.,10.02.18

Private Initiativen

Die Unternehmer-Vereinigung ATE startete ein Trainingsprogramm des Internationalen Lehrlings-Netzwerks (www.gan-global.org) für junge Uni-Absolventen. Das Programm soll die theorie-lastige Ausbildung ergänzen und praktische Erfahrungen und Fähigkeiten vermitteln. Der Ostafrikanische Universitätsrat meint, 61% der Absolventen seien unzureichend auf eine Berufstätigkeit vorbereitet.[vgl. zur Förderung Jugendlicher TI Febr. 17, SS 5-6].

Die Firma Tanzania Tea and Coffee Blenders will in Zukunft fertige Teemischungen in der EU anbieten. Die tansanischen Exporte von Roh-Tee fielen 2016/17 um 17% auf 27 Tonnen.

Die Rockefeller-Stiftung bietet Kleinlandwirten moderne Lager-Techniken an, um die hohen Ernteverluste (bis zu 40%) zu verringern („Hermetic Cocons“). Die mit hohen Kosten restaurierten staatlichen Lagerhäuser werden kaum angenommen, weil die Bauern in der Vergangenheit zu oft um ihre dort gelagerten Vorräte betrogen wurden. Daher verkaufen Viele ihre Ernten lieber zu Schleuderpreisen als sie zu lagern.

Die Tony Elumelu Stiftung (Nigeria) stellt angehenden Unternehmern $ 10.000 Startkapital zur Verfügung. 66 Tansanier haben davon bereits profitiert.

Citizen 06.12.17; 20.,29.01.18; 14.02.18; DN 05.05.17;