Thema: Covid-19 in Tansania: Statistik, Strategie - 08/2020

Aus Tansania Information
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Statistik, Strategie

Während die Nachbarländer steigende Infektionszahlen meldeten und kürzere oder längere, strenge Kontaktsperren verfügten, steht in Tansania seit Ende April die offizielle Zahl der Infizierten bei 509 (Kenia meldet Ende Juli bei vergleichbarer Bevölkerung 16.300 nachgewiesene Fälle). Es ist unbekannt, wie viele Tests durchgeführt wurden.

Medien und Krankenhäuser in Tansania dürfen keine eigenen Daten zur Corona-Pandemie veröffentlichen. Der YouTube Kanal „Kwanza TV“ wurde für 11 Monate verboten, weil er eine Warnung der US-Botschaft vor Corona-Gefahren in Tansania zitiert hatte. Der Anwalt A. Msando, Arusha wurde verhaftet, nachdem er Regierungsangaben zu Corona in Frage gestellt hatte.

Regierungssprecher H. Abassi widersprach in scharfer Form einem Bericht von Sky TV (UK), demzufolge Ärzte in Tansania es nicht wagten, die Corona-Krise realistisch zu schildern und Medien die Wahrheit nicht wiedergeben dürften.

Nachdem mehrere Prominente mit Corona-Symptomen verstorben waren, zog sich Präsident Magufuli in seinen Heimatort zurück und ordnete zwar Vorbeugungsmaßnahmen wie Gesichtsmasken, Hände-Desinfektion und Abstandhalten in der Öffentlichkeit an, verzichtete aber auf einen umfassenden lock-down und Schließung der Grenzen. Mit Blick auf die nahenden Wahlen will er den wirtschaftlichen Einbruch möglichst gering halten. Besonders die großen Infrastrukturprojekte (Bahn, Brücken, Straßen, Staudamm) sollten weiterlaufen. Zudem leben die vielen informell Arbeitenden von der Hand in den Mund und können ohnehin nicht vom Staat unterhalten werden. Es wurden nur wenige Personen auf Covid-19 getestet, nachdem der Präsident die Tests als unzuverlässig eingestuft hatte. Ein Test soll etwa € 120 kosten.

Die Regierung empfahl, auf nicht unaufschiebbare Reisen zu verzichten und an Gottesdiensten und Gebetsveranstaltungen teilzunehmen. Sport- Musik- und politische Veranstaltungen wurden zeitweilig eingestellt, wobei Letztere seit Langem stark eingeschränkt sind. Bei Beerdigungen wurden nur wenige Teilnehmende zugelassen.

Etwa 150 Kontrollposten wurden an Flughäfen und Grenzübergängen eingerichtet. Diese Kontrollen konnten schnell etabliert werden, weil Geräte und Räumlichkeiten schon seit der drohenden Ebola-Epidemie vorgehalten werden. Die Grenzkontrollen wurden relativ streng gehandhabt, konnten aber die gewohnten Übertritte über die grüne Grenze nicht verhindern. Die stärkste Einschränkung war die Aussetzung des Unterrichts an Schulen und Universitäten.

Die meisten Quarantänezentren und Sonderkliniken wurden wieder geschlossen. Anfang Juli waren von ursprünglich 84 noch 11 solcher Einrichtungen geöffnet. Das Corona-Zentrum im Amani-Krankenhaus in Dar es Salaam (150 Betten) war zeitweise voll belegt. Es gab auch Todesfälle, über die jedoch keine Einzelheiten mitgeteilt wurden. Anfang Juni waren in Dar es Salaam noch 30 Corona-Patienten registriert, Mitte Juni waren 66 Personen in Behandlung (laut Premier K. Majaliwa).

Die 44. Internationale Handelsmesse DITF wurde Anfang Juli unter Vorsichtsmaßnahmen durchgeführt, teilweise auch über Internetportale. 2.837 einheimische und 43 ausländische Aussteller nahmen teil (2019 noch etwa 500).

Das Arusha International Conference Centre wurde mit neuen Einrichtungen zur Virus-Vorbeugung versehen und wird demnächst ein Treffen der SADC beherbergen, deren Vorsitz Dr. Magufuli z. Zt. innehat.

Die CCM-Mehrheit im Parlament lobte Dr. Magufulis Führungsstärke während der Corona-Krise. Er habe Panikreaktionen vermieden und durch Gottvertrauen und traditionelle Aufgüsse von Heilpflanzen die Epidemie in Schach gehalten. Experten führen die vergleichsweise geringe Zahl schwerer Corona-Erkrankungen auf den hohen Anteil junger Menschen in der Gesamtbevölkerung zurück. Weil selten getestet wird, ist die tatsächliche Infektionsrate völlig unbekannt.

Citizen 30.04.; 16.07.20; DN 05.,30.05.; 02.,08.,10.,24.06.20; 07.07.20; Reporter ohne Grenzen 11.07.20

Prävention und Bekämpfung

Die Feierlichkeiten zum Ramadan-Ende fanden zwar in zentralen Moscheen statt, die sonst üblichen Familienfeiern wurden jedoch diesmal in kleinerem Umfang begangen. Die offizielle Idd-Baraza zum Ramadan-Ende entfiel.

Besonderes Interesse fand des Präsidenten Eintreten für verschiedene Naturheilmittel im Kampf gegen das Corona-Virus. Magufuli ließ per Sondermaschine den in Madagaskar u.a. aus Beifuß-Pflanzen hergestellten Trank “Covid-Organics“ einfliegen. Der das Unternehmen begleitende Außenminister erklärte, Covid-Organics werde nicht verteilt, sondern zunächst für Forschungszwecke verwendet. Madagaskar musste allerdings trotz des Wundertranks jüngst seine Kontaktsperren verschärfen und um internationale Hilfe bitten, nachdem die Infektionsrate steil angestiegen war. Die Weltgesundheitsorganisation WHO wies darauf hin, dass Wirksamkeit und Sicherheit von Naturheilmitteln wissenschaftlich überprüft werden müssen.

Der Präsident pries auch Schlangenöl sowie Aufgüsse und Dampf-Inhalation von Ingwer, Zitronen und Basilikum (Kiswahili: Kashwagala) als Heilmittel an. "Wir müssen eigene afrikanische Lösungen finden. Wir müssen unsere Unabhängigkeit beweisen." Magufuli betonte, das Inhalieren von Kräuter-Extrakten habe sich in Tansania, China und Europa als wirksam gegen das Corona-Virus erwiesen.

Er wies das Gesundheitsministerium an, die Abteilung für Pflanzen-Heilkunde besonders auszubauen. Das Waldforschungsinstitut TAFORI nannte 10 Bäume, aus denen Mittel für den milden Verlauf einer Corona-Infektion gewonnen werden können. Das Nationale Medizinforschungsinstitut NIMR sprach von einer anhaltenden Verwirrung über Naturheilmittel und kündigte Leitlinien zu ihrer Anwendung an. Das Gesundheitsministerium konstatierte, tansanische Corona-Patienten wiesen andere Symptome auf als Ausländer. Dies und einen möglichen Zusammenhang mit Naturheilmitteln soll das NIMR erforschen.

Nachdem der Staatspräsident angedeutet hatte, heißer Dampf könne das Corona-Virus „schmelzen“, schnellten die Verkäufe von Dampferzeugern in die Höhe. Experten warnten vor möglichen Gesundheitsschäden durch solche Geräte.

Ein CCM-Sprecher in Dodoma forderte die Regierung auf, gegen traditionelle Heiler vorzugehen, die versprechen, Covid-19 zu heilen und ihren Patienten damit das Geld aus der Tasche ziehen. Das Gesundheitsministerium erklärte, Antibiotika, Cortison, AIDS-Medikamente, Aspirin und Vitamin C wirkten nicht gegen den Corona-Virus, hätten aber unerwünschte Nebenwirkungen. Wegen der Gerüchte um nächtliche Bestattungen von Corona-Opfern müssten die Krankenhäuser die betroffenen Familien unbedingt in alle Vorgänge einbeziehen.

Die Aga Khan Universität entwickelte eine App (Corona Check), die hilft, Symptome zu bewerten. Sie vermittelt Aufklärung über irreführende Behauptungen in Sozialen Medien zur Corona-Pandemie.

Zwei Studenten des Dar es Salaam Institute of Technology konstruierten eine leicht transportable Beatmungsmaschine für Covid-19 Patienten.

Verschiedene einheimische Firmen stellen inzwischen Schutz-Material her, z.B. liefert das Bugando Hospital, Mwanza Gesichtsmasken (auf Kiswahili „barakoa“), Schutzanzüge und Desinfektionsmittel.

Im April und Mai führte die Justiz auf allen Ebenen 4.711 Prozesse über Video-Konferenzen durch. Dabei wurden auch Zeugen aus China, Großbritannien und den USA einbezogen.

Sprecher des Mkamala-Distrikts, Nordwesttansania baten das Gesundheitsministerium um medizinisches Personal, um die Hadzabe-Bevölkerung vor Corona-Infektionen zu schützen. Die etwa 1.300 Hadzabe leben zum Teil noch als Jäger und Sammler in einem kleinen Schutzgebiet.

Bis Mitte Juni gab Tansania laut Finanzminister Dr. Mpango TZS 15,5 Mrd./€ 6 Mill. für Hilfsmittel zur Corona-Bekämpfung aus. Hersteller erhalten eine Steuerermäßigung.

Betriebe wurden davor gewarnt, Arbeitnehmer zu internieren. Es sei kein erlaubtes Vorbeugungsmittel, die Mitarbeitenden wochenlang am Arbeitsplatz festzuhalten.

Citizen 09.,10.,26.05.; 11.06.20; DN 04.,09.05.; 01.,11.,20. 06.; 06.07.20; Guardian 03.,05.,08.,11.,21.05.; 12.06.20; SZ 19., 23.05.20; VOA 09.06.20; www.mimr.or.tz