Thema: Bildung und Ausbildung II: Schulen, Hochschulen: Primarschulen - 02/2017
Vorschule
Prinzipiell hat das Bildungsministerium erkannt, dass die gravierenden Probleme des Bildungssystems nur behoben werden können, wenn die Basiserziehung effektiver wird. Daher ist seit 2015 die einjährige Vorschule für alle Sechsjährigen verpflichtend. Allerdings fehlen noch sehr viele, und vor allem qualifizierte, Lehrkräfte für die Vorschulerziehung. De facto besuchen auf dem Festland 34,4% eines Jahrgangs eine Vorschule, in erster Linie in den Städten (Sansibar: knapp 50%). Gerade die Kinder bildungsferner, ländlicher Familien aber haben wenig Zugang dazu, so dass die angestrebte Chancengleichheit noch in weiter Ferne liegt.
Die Initiativen „Fursa kwa Watoto“ (Chancen für Kinder, TZ-Festland) und „Watoto Kwanza“ (Kinder zuerst, auf Sansibar) haben ein Modellprojekt für 54.000 Vorschulkinder (4,5 und 6 Jahre) gestartet. Es soll Erfahrungen sammeln, wie eine einheitliche frühpädagogische Ausbildung erreicht werden kann und welche Materialien erschwinglich und effektiv sind. Man will damit vermeiden, dass das bisher dominierende Modell der Paukschule in die Früherziehung übernommen wird. 1.680 Lehrkräfte werden mit modernen Lehrmethoden vertraut gemacht, Eltern erhalten Informationskurse. Unter Federführung des Erziehungsministeriums entwickeln NROs die Vorschul-Programme: Aga Khan University, Children in Crossfire, Maarifa ni Ufunguo und TAHEA (TZ Home Economists Association). Die Kosten von $ 7,2 Mill. tragen UNICEF, Dubai Cares (VAE) und Hewlett-Stiftung. Langfristig sollen alle Vier- bis Fünfjährigen eine Vorschule besuchen.
Das Bildungsministerium hat 22 Ausbilder vorbereitet, die zunächst 16.129 Vorschul-Lehrkräfte in Schnellkursen mit dem neuen Lehrplan, neuen Materialien und moderner Methodik vertraut machen sollen. Allerdings boykottierten 954 einberufene Lehrer aus Njombe und Iringa den Kurs, weil sie mit der Aufwandsentschädigung von TZS 60.000 pro Tag nicht zufrieden waren.
Die Bildungsministerin Ndalicho verbot Vor- und Grundschülern, bei Abschlussfeiern akademische Talare und „Doktorhüte“ zu tragen. Dies sei Universitätsabsolventen vorbehalten. Die aufwendigen Abschlusszeremonien waren von vielen privaten Schulen eingeführt worden, weil sie als attraktiv gelten und die Vermietung der Roben viel Geld einbringt. Viele Eltern stöhnten über die Kosten, brachten sie aber auf, um ihr Kind nicht zum Außenseiter zu machen.
Citizen 24.05.; 29.09.16 17.01.17; ; DN 11.01.17; Guardian 28.04.; 06.05.16; www. childrenincrossfire.org; www.tahea.or.tz; www.ufunguo.org
Schülerzahlen, Infrastruktur
Derzeit gibt die Regierung monatlich TZS 25 Mrd. für die neu eingeführte kostenlose Grundschul-Erziehung aus. Infolge der Kostenfreiheit und verstärkten Drucks auf die Eltern stieg die Zahl der Erstklässler im Januar 2016 auf 1,896,584 (2015: 1.028.021). Daher fehlen jetzt schon 127.745 Klassenräume für Grundschulen (dazu 10.204 für Sekundarschulen). In der Region Dar-Es-Salaam fehlen 7.514 Schulräume an Grundschulen, in Arusha 1.321, in Mwanza 923. Besonders hohen Bedarf meldet Dodoma wegen des Umzugs vieler Behörden dorthin: 1.860 Klassenzimmer in etwa 80 Schulen müssen gebaut werden. Obwohl innerhalb eines Jahres 1,4 Mill. Schulbänke hergestellt wurden, fehlen durch den Zuwachs erneut 1 Mill.Bänke. Ferner werden 69.220 zusätzliche Lehrerhäuser benötigt.
In abgelegenen Gebieten gibt es noch nicht genügend Schulen. 600 Kinder im Kilombero-Distrikt (Morogoro) erhalten keinen Unterricht, weil die nächste Schule 18 km entfernt ist. Der Distriktschef von Simanjiro (Manyara-Region) stellte Anfang 2016 fest, dass nur 40% der Schulpflichtigen zum Unterricht kamen. Die Meisten seien mit Viehhüten beschäftigt. Er drohte den betreffenden Eltern Gefängnisstrafen an. Ähnliche Verhältnisse zeigte eine Studie von World Vision in Schulen um den Eyasi-See: fast 60% konnten nicht sinnerfassend lesen. In Mara kommen zur Zeit 128 Schüler auf eine Lehrkraft, jeweils acht Kinder müssen sich ein Lehrbuch teilen.
Graca Machel, Witwe von N. Mandela, eröffnete in der Mara-Region ein Projekt, das 20.000 Schüler/innen ermöglicht, den abgebrochenen Schulbesuch wieder aufzunehmen. - Der englische „Human Development Innovation Fund“ eröffnete eine englisch-sprachige Vor- und Grundschule mit stark ermäßigter Gebühr: etwa € 300 pro Schuljahr.
Zwei Brüder in Mwanza produzieren Schultaschen mit eingebautem Solarelement. Damit können die Schüler abends bei komfortabler Beleuchtung ihre Hausaufgaben machen. Ein solcher Rucksack kostet etwa € 25. Die Brüder betreiben auch eine mobile Leihbücherei mit Kinderliteratur für abgelegene Schulen, Waisenhäuser, Straßenkinder und Jugendgefängnisse.
Citizen 08.03.; 30.08.; 02.,23.09.; 08.11.; 30.12.16; DN 05.04.; 14.07.; 24.08.16
Leistungen, Examensbetrug
Zur Zeit der Unabhängigkeit 1961 waren 70% der Gesamtbevölkerung Analphabeten. 1986 wurden 90% als des Lesens kundig ermittelt. 2016 betrug die Zahl der Lesekundigen nur noch 77% der Gesamtbevölkerung, eine andere Quelle nennt 68% (2015 noch 78%). Immerhin zeigten Tests Mitte 2016 in 2. und 3. Grundschulklassen leichte Fortschritte: Nur noch 18% konnten kein Wort lesen, 16% nicht flüssig und 26% nicht sinnerfassend lesen.
2016 legten 789.479 Primarschüler/innen das Schlussexamen nach sieben Schuljahren ab. Davon bestanden 555.291 (70%), 2,5% mehr als 2015. Während die Ergebnisse in den Naturwissenschaften leicht besser ausfielen, verschlechterten sich die Noten in Kiswahili, Englisch und Mathematik. Unter den drei besten Schulen sind zwei in Shinyanga und eine in Mwanza. Den schlechtesten Durchschnitt registrierte wie im Vorjahr Dodoma (58,4% bestanden). 547 Kandidat/innen verfehlten die Prüfung wegen Schwänzens, Krankheit, Schwangerschaft oder Tod. Schwache Leistungen zeigten neben Kativi auch die Regionen Kigoma, Mwanza, Rukwa und Ruvuma.
238 Schüler/innen aus sieben Schulen erhielten wegen massiven Betrugs kein Zeugnis und dürfen das Examen nicht wiederholen. Sie erhielten offenbar von ihren Lehrkräften beim Toilettengang die Lösungen, bzw. hatten sie auf ihren Uniformen notiert.
Citizen 17.06.; 30.08.16; DN 08.09.; 28.10.16; 09.01.17; Guardian 28.,30.10.16
Maßnahmen
Das Bildungsministerium führte in 19 Regionen 18-tägige Trainingskurse in Kiswahili, Englisch und Rechnen für 23.000 Lehrkräfte durch. Landesweit wurden 1.500 Beauftragte für Qualitätssicherung an Primarschulen ausgebildet. Experten fordern, eine Zwischenprüfung nach der 4. Grundschulklasse wieder einzuführen, damit nicht analphabetische Schüler alle sieben Schuljahre ohne jeden Lernerfolg durchlaufen. Das Ministerium hofft, dass auch die sich bessernde Infrastruktur (Räume, Bänke, Bibliotheken, Toiletten, Lehrerwohnungen) sich positiv auswirken wird.
Das Bildungsinstitut (TZ Institute of Education - TIE) hat die seit 2005 gültigen Lehrpläne überarbeitet und neue Lehrbücher für Mathematik, Lesen, Schreiben, Sport und Kunst verfasst. Zu Beginn des Schuljahres werden 4,5 Mill. Bücher verteilt. Die Schulen dürfen nur noch einheitliche, vom TIE genehmigte Bücher verwenden. Den bisher eingesetzten Lehrbüchern wurden zahlreiche Fehler und Widersprüche vorgeworfen. Mit dem aktuellen Schuljahr startet das neue Curriculum für die ersten beiden Schuljahre. Statt bisher 8 Fächern beschränkt es sich auf die Basis-Fertigkeiten Lesen, Schreiben, Rechnen.
Präsident Magufuli besuchte am ersten Tag des neuen Schuljahrs seine ehemalige Grundschule in Chato, Mara-Region, ermahnte die Schüler zu Fleiß und Bürgersinn, die Lehrer zu Ehrlichkeit und stiftete drei neue Klassenräume,
Citizen 30.08.16; DN 20.08.; 17.12.16; Guardian 10.01.17