Tansanias neue Präsidentin: Samia Suluhu Hassan - 04/2021

Aus Tansania Information
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Nach dem Tod von Präsident John Pombe Magufuli rückte die bisherige Vizepräsidentin Samia Suluhu Hassan an seine Stelle. (Ihr Name wird häufig inkorrekt als Samia Hassan Suluhu wiedergegeben. Red.) Sie verkündete in der Nacht des 17. März die Todesnachricht und wurde am Freitag, 19. März in Dodoma vereidigt. Die im Ausland wenig bekannte Politikerin aus Sansibar war seit 2015 Stellvertreterin Magufulis und stand bisher in seinem Schatten. In Afrika ist sie bekannter, da sie Magufuli, der nicht gerne reiste, oft auf Gipfeltreffen der Afrikanischen Union, der Ostafrikanischen Gemeinschaft und der Entwicklungsgemeinschaft im Südlichen Afrika vertrat. Sie ist die erste Präsidentin Tansanias und die erste Muslima an der Spitze eines afrikanischen Landes. Sie ist auch die erste in Sansibar geborene Person an der Spitze des Landes.

Zur Person

In einer Ansprache vor Schülern Anfang 2020 hatte sie berichtet, dass sie selbst mit ihrer Aufstellung als Vizepräsidentschaftskandidatin nicht gerechnet hatte. Die CCM-Führung hätte 2015 entschieden, erstmals eine Frau als Stellvertreterin zu nominieren, da es zwei starke Bewerberinnen für das Präsidentenkandidatur gegeben hatte, die gegen Magufuli nicht zum Zuge kamen. Traditionell hat die CCM den Vizepräsidenten aus Sansibar geholt, wenn der Präsident vom Festland ist. Hassan war seit dem Jahr 2000 Abgeordnete und Ministerin in Sansibar gewesen, und wurde 2010 ins nationale Parlament gewählt, wo sie sogleich Staatsministerin unter Kikwete wurde.

Hassan machte nach eigenen Angaben einen schlechten Sekundarschulabschluss und begann mit 17 Jahren, als Sekretärin im Planungsministerium von Sansibar zu arbeiten. In einer Reihe von Kursen bildete sie sich neben ihrer Arbeit fort und erreichte ein Diplom in Verwaltungswissenschaften. Sie schied dann aus dem Staatsdienst aus und arbeitete mehrere Jahre für das Welternährungsprogramm und als Koordinatorin für Nichtregierungsorganisationen. Als Ministerin erreichte sie im Fernstudium einen Masterabschluss. Als Abgeordnete gehörte sie auch 2014 der verfassungsgebenden Versammlung Tansanias an, die einen bis heute nicht verabschiedeten Entwurf für eine neuen Verfassung des Landes erarbeitete. Hier wurde sie zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt und fiel durch ihre ruhige und ausgleichende Verhandlungsführung der oft sehr erregt und kontrovers geführten Debatten auf.

Sie ist seit 1978 mit dem Agrarwissenschaftler Hafidh Ameir verheiratet und hat 4 Kinder, 3 Söhne und eine Tochter, die in die Fußstapfen der Mutter trat und Abgeordnete im Regionalparlament von Sansibar ist. Sie ist in der islamischen Tradition Sansibars aufgewachsen und tritt immer mit Kopftuch auf. Als Vizepräsidentin erklärte sie in einer Rede, dass Frauen und Männer nicht in allen Aspekten gleich seien. Sie selber als Vizepräsidentin knie daheim vor ihrem Ehemann; nicht weil sie ihm untergeben sei, sondern als Ausdruck ihrer Liebe.

In Tansania wird sie häufig „Mama Samia“ genannt; es gab anfangs Debatten, ob dies ihrem neuen Amt angemessen sei.

Kommentare zu Hassan

Zahlreiche Medien beeilten sich, ihrem Publikum die neue Präsidentin vorzustellen. Im Porträt der BBC wurde hervorgehoben, dass ihre Persönlichkeit im starken Kontrast zu Magufuli steht, der impulsiv war (und fähig zum Jähzorn; Red.) und oft improvisierte, während Hassan mehr mit Vorbedacht und ruhig reagiere. Sie soll eine gute Zuhörerin sein. Ein früherer Ministerkollege von ihr nannte sie „die am meisten unterschätzte Politikerin Tansanias“.

Als Familienministerin in Sansibar hob sie eine Verordnung auf, die schwangeren Schülerinnen die Rückkehr in die Schule verbot. Es ist nicht bekannt, wie sie reagierte, als Magufuli 2016 ein entsprechendes Verbot für ganz Tansania anordnete.

Mehrere Kommentatoren hoben hervor, dass Hassan die einzige CCM-Politikerin war, die im Jahr 2017 den Oppositionspolitiker Tundu Lissu im Krankenhaus besuchte, nachdem er bei einem -bis heute ungeklärten- Mordanschlag schwer verletzt worden war.

Die Deutsche Welle stützte sich auf ein Gespräch mit der Menschenrechtsaktivistin Maria Sarungi, die den Hintergrund Hassans als Muslima aus Sansibar für bedeutsam hält und ihre erste große Herausforderung in der Behandlung der Coronaepidemie sieht, die ihr Vorgänger weithin zu ignorieren versuchte. Sie müsse als muslimische Frau mit Widerständen aus dem etablierten christlichen Flügel der CCM rechnen. Ansonsten scheine Hassan im Gegensatz zu Magufuli einen Sinn für Humor zu haben. Letztlich sei sie aber genau wie er ein Gewächs der CCM.

Ein Bericht des US-Thinktanks Center for Strategic and International Studies CSIS erwartet zunächst keine grundlegende Kursänderungen seitens der neuen Präsidentin. Sie werde in der ersten Zeit für nationale Einheit werben, da sie beunruhigt über die Spaltungen in der Gesellschaft ist und schockiert von der Gewalt war, die bei der Wahl im Oktober 2020 zutage trat. Man müsse sehen, ob und wie sie mit Magufulis Coronapolitik und seinen großen Infrastrukturprojekten weitermacht. Sie werde sicherlich ihre Machtpositionen in Partei und Regierung auszubauen versuchen und müsse dabei zwischen den Fraktionen in der CCM navigieren; dies seien die Magufulianhänger auf der einen und die „Alte Garde der Partei“ auf der anderen Seite. Das CSIS erwartet Hassan eher bei denen, die eine freiere Presse und einen freieren Handel bevorzugen, wobei sie aber auf Opposition aus dem Magufuli-Lager gefasst sein müsse.

BBC 20-03.21 , CSIS.org 18.03., Deutsche Welle (www.dw.com) 19.03.2021

“Ich bin der Präsident“

Der Amtsantritt Hassans war anfangs von Fragen begleitet, ob sie als Frau die Fähigkeit zur Führung des Landes habe, beziehungsweise ob sie akzeptiert werden würde. Die erste Amtswoche war noch von den Trauerfeierlichkeiten für ihren Amtsvorgänger bestimmt. Auf der regierungsseitigen Hauptveranstaltung in Dodoma begrüßte Hassan die angereisten Staatsoberhäupter aus afrikanischen Länder und nahm die Anfragen an ihre Befähigung direkt auf: „All denen, sie sich fragen, ob eine Frau der Präsident von Tansania sein kann, möchte ich sagen: Die Person, die hier vor Ihnen steht, ist der Präsident von Tansania, und sie ist eine Frau“ (im Swahili gibt es keine männlichen und weiblichen Wortformen, Red.). Die Bemerkung wurde von den Zuhörern im Stadium mit minutenlangem Beifall aufgenommen.

Citizen 23.03.2021, Mwananchi 24.03., Sautikubwa 23.03.2021

Vorsitz der CCM

Zwei Tage nach ihrer Amtseinführung beschloss das Zentralkomitee der Regierungspartei CCM, Hassan als neue Vorsitzende zu nominieren. Mit dem Tode Magufulis wurde auch der Parteivorsitz vakant. Die CCM hat bisher jeweils die von ihr gestellten Präsidenten zu ihren Vorsitzenden gewählt. Sie wird damit auch über den neuen Generalsekretär der Partei zu bestimmen haben, dessen Posten gerade vakant ist.

Citizen 21.03,21

Loyalitätserklärung des Militärs

Der kommandierende General der tansanischen Armee Venance Mabeyo gab bei der Trauerfeier für Magufuli am 26. März in Dodoma eine Loyalitätserklärung an die neue Präsidentin ab. Die Streitkräfte würden ihr Gehorsam leisten und ihre Aufgaben gemäß der Verfassung ausführen. Zu den zahlreichen Gerüchten über die Nachfolgesituation nach dem Tode Magufulis gehört auch das über ein Machtwort der Armee, das die Bedenken gegen die Amtsübertragung an Hassan aus dem Wege geräumt habe.

Mwananchi 26.03.2021

Bischöfe und Imame sagen Unterstützung zu

Auch aus Kreisen der religiösen Führer gab es eine Reihe von Glückwünschen. Die katholische Bischofskonferenz sagte ihre Unterstützung zu. Der lutherische Bischof Alex Malasusa verwies darauf, dass Führungsqualitäten nicht ans Geschlecht gebunden seien. Der anglikanische Bischof George Okoth rief die Tansanier auf, sich vom Patriarchalismus zu distanzieren und Hassan als von Gott eingesetzt zu akzeptieren. Auch der leitende islamische Geistliche Sheikh Abubakr Zubeir und der Vorsitzende des Christenrates CCT Bischof Alinikiasa Cheyo begrüßten den Amtsantritt.

Citizen 27.03., Guardian 26.03., Mwananchi 26.03., Upendo 28.03.2021

Präsidiale Optik

Bei öffentlichen Auftritten sieht man stets einen Offizier in Uniform hinter dem tansanischen Präsidenten, oft ist neben ihm auch ein Leibwächter in Zivil zu sehen. Der Uniformierte ist ein Oberst der Armee, der sogenannten „aide-de-camp“, dessen praktische öffentliche Aufgabe meist die eines Aktentaschenträgers ist, wobei er die Rolle des Präsidenten als Oberbefehlshaber (Swahili: amiri jeshi mkuu) repräsentiert. Samia Suluhu Hassan ist nunmehr von zwei Frauen umgeben: einer hochgewachsenen Kopftuchträgerin in Zivil sowie einer Soldatin; der gelernten Juristin Oberst Nyamburi Mashauri.

Jamiiforums 19.03.2021

Erste Entscheidungen

Die ersten öffentlichen Entscheidung Hassans nach Magufulis Beerdigung geschahen bei der Entgegennahme des Rechnungsprüfungsberichts 2020. Sie verfügte die sofortige Suspendierung des Hafendirektors von Dar es Salaam und ordnete eine Untersuchung durch die Antikorruptionsbehörde an. Sie wies den Minister für die Lokalverwaltung an, umgehend die Verwaltungsleiter aller Städte und Distrikte zu untersuchen, in denen es Beanstandungen gab.

Sie ordnete ferner eine sofortige Rechnungsprüfung für alle Ausgaben aus dem Budget für Entwicklungsprojekte im laufenden Jahr an, die den größten Posten im Landeshaushalt ausmachen. Dies wurde in Kommentaren als ungewöhnlich und möglicherweise brisant angesehen, da es um Ausgaben geht, die unter der Zuständigkeit ihres Vorgängers getätigt wurden; sollte hier Korruption oder Verschwendung festgestellt werden, würde das am Selbstbild der Magufuliregierung kratzen, die sich die Beseitigung solcher Praktiken zugutegehalten hatte.

Die Leitung der Antikorruptionsbehörde forderte sie auf, sich auf juristisch einwandfreie Fälle zu konzentrieren; es sei nicht gut, wenn die Regierung öfters mit ihren Anklagen vor Gericht verliert. Das könnte Einfluss auf die von Juristen und Menschenrechtsaktivisten kritisierte Praxis haben, zunächst Anschuldigungen zu erheben, Beschuldigte unter dem Vorwurf von Wirtschaftsverbrechen in Haft zu halten und erst dann die Ermittlungen durchzuführen. Die Zeitung Guardian meinte, das eine Reihe von Inhaftierten jetzt Hoffnung auf Einstellung ihrer Verfahren haben können.

Citizen 28.03. + 29.03., Guardian 29.03., Mwananchi 28.03.2021

Vizepräsident Phillip Mpango

Am 30. März schlug Hassan dem Parlament den bisherigen Finanzminister Philipp Mpango als Vizepräsident vor. Als muslimische Präsidentin aus Sansibar hatte sie hier traditionell einen Christ vom Festland zu benennen. Mpango stammt nicht aus dem Parteiapparat der CCM. Er studierte in Dar es Salaam Wirtschaftswissenschaften und promovierte 1992 in Schweden. Er war von Präsident Kikwete aus einer Lehrtätigkeit als Wirtschaftswissenschaftler heraus zum Berater ernannt worden, hatte dann vorübergehend die Steuerbehörde und die Planungskommission geleitet und war 2015 von Magufuli auf einen der 10 vom Präsidenten zu berufenden Abgeordnetensitze ernannt worden, damit er ihn zum Wirtschaftsminister machen konnte. Als Wirtschaftsminister hatte er alle Kabinettsumbildungen der Magufulizeit überlebt und gehörte auch dem neuen Kabinett nach der Wahl wieder an. Alle Abgeordneten des Parlamentes stimmten der Ernennung Mpangos zu.

Mwananchi 30.03.2021

Kabinettsumbildung

Am 31. März gab Samia Suluhu Hassan eine Kabinettsumbildung bekannt. Sie beließ Ministerpräsident Kassim Majaliwa und die meisten Minister auf ihren Posten. Die wichtigsten Veränderungen sind die Abberufung des Kabinettssekretärs Bashiru Ali (oft Ally geschrieben, Red.) und die Wahl der Außenministerin.

Magufuli hatte den Politikwissenschaftler Bashiru Ali von der Universität Dar es Salaam im Jahr 2018 als Generalsekretär in die Leitung der CCM geholt. Bashiru hatte sich zuvor für eine neue Verfassung eingesetzt, aber sich seither an die von Magufuli vorgegebene Parteilinie gehalten, in der die Verfassungsfrage vertagt wurde. Als Generalsekretär war Bashiru Ali seitens seiner Partei für die Organisation der Kommunalwahlen im Jahr 2019 und der nationalen Wahlen im Jahr 2020 zuständig, die beide als hochgradig manipuliert galten und zum fast vollständige Verschwinden der Opposition führten. Magufuli hatte ihn als seinen engen Vertrauten erst im Februar dieses Jahres auf den Posten des Kabinettssekretärs befördert. An seine Stelle tritt jetzt der Karrierebeamte Hussein Katanga.

Zur Außenministerin wurde die langjährige Diplomatin Liberata Mulamala berufen, die Tansania an der UN und in den USA vertreten hatte. Sie ist die zweite Frau auf diesem Ministersessel. Der bisherige Außenminister Palamagamba Kabudi wechselt ins Justizministerium. Der in Berlin promovierte Jurist war 2017 von Magufuli aus der Hochschule ins Parlament berufen und zum Justizminister gemacht worden, um 2019 ins Außenministerium zu wechseln. Seine Rückkehr ins Ministerium für Justiz und Verfassungsfragen könnte darauf hindeuten, dass die Präsidentin das Thema Verfassungsreform wieder aufnehmen möchte. Kabudi und auch Hassan waren 2014 beide an der Ausarbeitung des Verfassungsentwurfs beteiligt gewesen, den Magufuli dann als Präsident auf die lange Bank schob. – Der bisherige Justizminister Mwigulu Nchemba kehrt zurück ins Wirtschaftsministerium, dem er bereits einmal vorstand.

Weitere Umbesetzungen betreffen die Staatsminister im Präsidialamt und dem Amt des Ministerpräsidenten. Die Präsidentin gab die Zuständigkeit für Investitionsförderung zurück an den Ministerpräsidenten, von wo Magufuli sie vor kurzem abgezogen hatte. Der Minister für Regional- und Kommunalaufsicht Selemani Jafo, in dessen Aufsichtsbereich die Rechnungsprüfung Mängel festgestellt hatte, wurde mit einer anderen Aufgabe betraut. An seiner Stelle wird die vormalige Gesundheitsministerin Ummy Mwalimu für die Kommunalaufsicht zuständig.

Citizen 31.03, Mwananchi 31.03.2021