Schwerpunktthema Bevölkerung und Städte: Probleme in städtischen Zentren - 08/2014

Aus Tansania Information
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Bau-Chaos in Dar-es-Salaam

Die allgegenwärtigen Straßenhändler („machinga“) irritieren viele Städter und Verkehrsteilnehmer. Die wiederholten Versuche, sie zu vertreiben, schlugen fehl. So verlangten Händler mit einer Behinderung, die von der Kongo Street im Stadtteil Kariakoo vertrieben worden waren, eine Rente vom Stadtrat, weil er sie ihres Lebensunterhalts beraubt habe.

Der Stadtrat setzte große Hoffnungen auf ein Geschäftszentrum für Kleinhändler, das 2010 im Stadtteil Ilala erbaut worden war. 5000 Händler sollten hier ihre Waren feilbieten. Das Angebot wurde allerdings kaum angenommen, teils wegen hoher Standmieten, teils, weil wegen schlechter Verkehrsanbindung die Kunden ausblieben. Die Händlervertreter klagten die Stadtteilverwaltung an, eine dringend benötigte Bushaltestelle zu verzögern, obwohl die Zentralregierung Tshs 250 Mill. dafür bereitgestellt habe. Der sogenannte Machinga-Komplex wurde mit einem Tshs 32-Mrd.-Kredit von der Rentenversicherung gebaut und nimmt nur einen Bruchteil der Betriebskosten ein. Damit ist ein kostspieliger Versuch gescheitert, die vielen fliegenden Händler zu „formalisieren“

Ebenfalls in Ilala, im lebhaften Geschäftszentrum Kariakoo, entdeckten Inspektoren, dass 96 Gebäude erheblich von den zur Genehmigung eingereichten Plänen abwichen: verengte Straßen, fehlende Feuerwehr-Zufahrten und Fluchtwege, zweifelhaftes Baumaterial, Arbeiter ohne Schutzkleidung und ohne Verträge; an Stelle geplanter Parkplätze im Untergeschoss fanden sich Läden und Büros. Die mit der Kontrolle beauftragte Firma erhielt Anrufe aus Regierungskreisen, bestimmte Objekte keinesfalls zu überprüfen. Trotzdem empfahl sie den Abriss eines Hochhauses, dessen Stahlträger schon während des Baus deformiert waren.

Der Bürgermeister von Ilala teilte mit, dass der Stadtrat kein Geld habe, um ein Hochhaus abzureißen, das mit dem Einsturz eines benachbarten 36-stöckigen Gebäudes baufällig geworden war. In Tansania gebe es kein Unternehmen, das diese schwierige Aufgabe durchführen könnte. Der Katastrophenschutz müsse sich darum kümmern.

Der Eigentümer bestreitet, dass von seinem Gebäude Gefahren ausgehen. Das gegenüber liegende Hochhaus war im März 2013 während der Bauarbeiten eingestürzt. Dabei wurden 36 Menschen getötet und Viele verletzt.

Im Stadtteil Kinondoni wurden mehrere Gebäude errichtet, die den Vorgaben nicht entsprechen: zu viele Stockwerke, zu geringe Abstände, keine Parkplätze. Oft werden die Bauarbeiten Nachts und an Wochenenden durchgeführt.

In den bekannten Überschwemmungsgebieten Dar-Es-Salaams leben etwa 140.000 Einwohner in Billigquartieren. Sie wurden aufgefordert, umzuziehen, lehnten dies aber ab; sie seien nicht in der Lage, die Mieten in sicheren Stadtvierteln und die Fahrtkosten zu ihrer Arbeitsstelle aufzubringen. Die Überflutungen seien auch nur deshalb so verheerend geworden, weil Abflüsse verstopft und verbaut worden seien. 654 Familien erhielten 30 km vom Zentrum entfernt kleine Grundstücke und Baumaterial, finden dort aber keine Arbeit. So haben Manche den geschenkten Zement wieder verkauft, um die Familie zu ernähren. Der Fahrpreis zur bisherigen Arbeitsstelle betrüge € 2,-. Dies sei für sie unerschwinglich.

Citizen 28.11.; 02.12.13; DN 11.12.13; 24.02.; 13.07.14; Guardian 18.05.; 20.07.14

Abfallentsorgung

Im dicht besiedelten Dar-Es-Salaamer Geschäftszentrum Kariakoo liegen Abfallhaufen bis zu drei Monate lang herum. Der Umweltbeauftragte von Ilala sagte zur Begründung: die Bevölkerung nehme rasch zu während die ohnehin unzureichende Ausrüstung der Müllabfuhr gleich bliebe. Der Regen habe wichtige Straßen derart beschädigt, dass die Müllautos nur langsam fahren könnten, Von 150 Lastwagen seien nur 80 einsatzbereit. In den drei Stadtdistrikten fallen täglich 4.252 t Abfall an, von denen etwa 2.000 t eingesammelt würden.

Einwohner wie Touristen bezeichnen Sansibar-Stadt als eines der schmutzigsten Stadtgebiete Afrikas. Aus Abfallhaufen und geborstenen Abwasserrohren entweicht Gestank. Abflüsse sind oft mit Abfall verstopft. Die Verwaltung führt die belastende Situation zurück auf Mangel an Material und Mitarbeitern; zudem blockierten die Einwohner selbst die Abwasserkanäle, indem sie Abfall einfach wegwerfen und ungeplante Bauten errichten. Trotz Materialhilfe von Entwicklungspartnern könne die Stadt derzeit nur 40% der täglich anfallenden 250 t Abfall entsorgen. Das meiste Abwasser fließe ungeklärt ins Meer.

DN 19.02.14; Guardian 01.07.14; AlertNet Climate 21.07.14

Verkehr

Eine Studie des Guardian vom Oktober 2013 ergibt, dass Verkehrsstaus in DSM jährlich Verluste von Tshs 411 Mrd. (€190 Mill.) verursachen. Die Staus verdoppeln Treibstoff-Verbrauch und Fahrzeugverschleiß. Jeder Arbeitnehmer verliert jährlich 341 Arbeits- oder Freizeit-Stunden zusätzlich zur normalen Wegezeit.

In DSM gibt es 1,2 Mill. Motorfahrzeuge. Täglich versuchen etwa 400.000 Menschen mit Hilfe von 7.000 registrierten Kleinbussen (Daladala) ihren Arbeitsplatz zu erreichen; 100.000 sind in Privatfahrzeugen unterwegs. Die Staus verdreifachen den normalen Zeitaufwand. Hinzu kommt eine hohe Schadstoffbelastung durch schlecht gewartete Motoren. [Vgl. zu Nahverkehr unten S.10]

Guardian 04.11.13

Struktur- und Klimaprobleme

Premier M. Pinda gestand zu, dass es in DSM häufig Widersprüche und Missverständnisse zwischen dem Gesamt-Stadtrat und den Räten der drei Stadtdistrikte Ilala, Temeke und Kinondoni gibt. Diese Verwaltungsstruktur war 1997 eingerichtet worden. Pinda forderte die Räte auf, sich zusammen zu setzen und Reformvorschläge zu präsentieren.

Nach einer Studie der Universität von Southampton (Risiken für Bevölkerung und Sachwerte durch Küsten-Überflutung) werden mit dem ansteigenden Meeresspiegel bis 2070 große Teile Dar-Es-Salaams überschwemmungsgefährdet sein, namentlich die Stadtdistrikte Temeke und Kinondoni. Schon heute sind bei schweren Regenfällen Hunderttausende, die in „informellen Siedlungen“ leben, gefährdet. Etwa 8% der Stadtfläche liegen weniger als 10 m über dem Meeresspiegel. Es sei hohe Zeit, dass die Behörden langfristige Pläne entwickelten, die dem Klimawandel Rechnung tragen.

Citizen 16.05.14; DN 30.05.14

Historisches Erbe gefährdet

Oppositionspolitiker zeigten sich besorgt darüber, dass historische Gebäude bereits abgerissen oder zum Abriss freigegeben sind, z.B. in Bagamoyo und Dar-Es-Salaam. Der Tourismus-Minister verwies auf das bestehende Gesetz zum Schutz historischen Erbes. Das Ministerium will einschlägige Gebäude erfassen und die Besitzverhältnisse klären. Ein historischer Friedhof (Mwanamakuka) sei bereits renoviert worden, Eine Reihe historischer und kultureller Stätten ist zu Gunsten gesichtsloser Neubauten beseitigt worden.

Die EU finanziert das neu gegründete DSM Zentrum für architektonisches Erbe (DARCH). Es soll das historische Erbe der Stadt erforschen und dokumentieren, sowie Fachleute und Bevölkerung dafür sensibilisieren. Im Zentrum arbeiten zusammen: die TU Berlin, die Ardhi University DSM und die tansanische Architektenvereinigung (AAT). Damit wendet man sich gegen die rücksichtslose Bodenspekulation in DSM. Den Start des Zentrums leitete der 72-jährige Walter Bgoya. Er hatte 1979 die historische Old Boma durch eine einstweilige Verfügung vor der Zerstörung gerettet. Hier findet nun das neue Zentrum seinen Platz.

Mit einem Kredit der Weltbank wurde das „Städtische Dienste Sansibar“ Projekt (ZUSP) gestartet. Es soll einerseits das kulturelle Erbe in der Stone Town erhalten, andererseits angemessene Modernisierungsschritte planen: Abfall- und Abwasserbeseitigung, Straßenbeleuchtung und eine befestigte Uferpromenade für Stone Town.

Citizen 22.02.; 10.03.14; DN 19.02.14; Guardian 16.05.14