Zum Kadi-Gericht - 08/2009

Aus Tansania Information
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<Vergl. Tans.-Inf. 2/03 S. 11; 12/06 S. 10; 11/07 S. 11; 9/08 S. 3>

Eines der Versprechen des CCM-Wahlmanifests '05 lautet, man werde erwägen, in Tansania-Festland Kadi-Gerichte einzuführen. In Sansibar sind sie seit 1985 Teil des Rechtssystems. Sie sind zuständig für Meinungsverschiedenheiten unter muslimischen Gläubigen. In Sansibar sind 99 % der Einwohner Muslime, in Tansania-Festland nahezu 50%. (Guardian 1./2.7.09)

Der Justizminister zu Kadi-Gerichten, Reaktionen

Bei der Vorlage des Haushaltes seines Ministeriums, erklärte Mathias Chikawe, Minister für Justiz und Verfassungsfragen, man werde keine Kadi-Gerichte einführen, doch das im Augenblick geltende Rechtssystem kümmere sich um alle Fälle, die nach früheren Plänen von den Gerichten, für die sich die muslimischen Gläubigen einsetzten, behandelt werden sollten. Das Amt des Generalstaatsanwaltes sei dabei, die Ansichten der muslimischen Repräsentanten zu erkunden, um eine Liste der relevanten muslimischen Prinzipien zusammenzustellen, die später in das juristische Rahmenwerk des Landes eingearbeitet werden. Ein von der Regierung gebildetes Komitee rechtswissenschaftlicher Gurus habe die diesbezüglichen Empfehlungen der Law Reform Commission bereits durchgearbeitet und den Generalstaatsanwalt entsprechend beraten. Es sei sichergestellt, dass die Regierung die Interessen der muslimischen Gläubigen garantiert und schützt. "Das System wird die Rechte der Muslime schützen ohne die Verfassung des Landes zu untergraben", erklärte Chikawe. Ein ähnliches System funktioniere in Südafrika, "wo es viele Muslime gibt". Der Prozess der Einarbeitung werde im Lauf des Finanzjahres 2009/ 10 abgeschlossen und "sehr sorgfältig" durchgeführt.

Ein prominenter Menschenrechtsaktivist sagte: "Die Regierung verspricht oder plant nichts Neues für die Muslime oder die Nation." Alle geltenden Rechte müssten genau befolgt werden. "Sogar das Gewohnheitsrecht verdient Respekt." (Guardian 1./2.7.09)

Äußerungen zum Kadi-Gericht

Wiederholt hatten die Kirchen gegen den Plan, Kadi-Gerichte einzusetzen, Einspruch erhoben. Der wirkungsvollste ist eine von 64 Verantwortungsträgern unterzeichnete Petition des Christian Council of Tanzania (CCT). Dr. Leonard Mtaita, Generalsekretär des CCT, betonte bei einem Telefongespräch, die Entscheidung der Regierung sei "sehr anerkennenswert". Ein anderer CCT-Verantwortungsträger sagte, das Vorgehen sei weise, denn die Einführung eines unabhängigen Kadi-Gerichts der ehedem empfohlenen Art wäre nicht verfassungsgemäß gewesen. (Guardian 1./2.7.09)

Premierminister Pinda sagte im Parlament, das Thema Kadi-Gericht werde sorgsam behandelt. Für eine überstürzte Erledigung sei es zu heikel.

Parlamentspräsident Samuel Sitta erklärte: "Im Wahlmanifest steht nicht, die Regierung werde Kadi-Gerichte einrichten, sondern, sie werde sich mit diesem Thema befassen." (DN 3.7.09)

Reaktionen führender Muslime

Muslimische Geistliche versammelten sich in der Zentrale des National Muslim Council (Bakwata) in Dar-es-Salaam, um einen Tag lang hinter verschlossenen Türen über die Entscheidung der Regierung gegen die Einrichtung von Kadi-Gerichten in Tansania-Festland zu diskutieren. (Guardian 1./2.7.09)

Der Oberscheich (Mufti), Scheich Mohamed Issa Simba, forderte die Regierung auf, das Thema Kadi-Gericht ernst zu nehmen. Die Muslime hätten etwa 20 Jahre lang Geduld geübt und darauf gewartet, dass die Regierung, zu ihrem Versprechen steht, Kadi-Gerichte einzuführen. Es gehe nur um Ehe- und Erbschaftsfragen, andere Themen blieben unberührt. Nur Muslime, die dem Gesetz zustimmten, seien betroffen, Personen, die christliche Partner haben, dürften nicht teilhaben. "Der Minister sollte die Existenz der muslimischen Gemeinde in diesem Land beachten", betonte der Oberscheich. (DN 3.7.09)

Scheich Suleiman Kilemile, Vorsitzender aller muslimischen Komitees, rief die Muslime ganz Tansanias auf zu 40 Tage währenden besonderen Gebeten, um Gott anzuflehen, er möge diejenigen bestrafen, die beteiligt waren an der Vorbereitung des Manifests der regierenden Partei und der Entscheidung der Regierung, die muslimischen Prinzipien in die Gesetze einzugliedern. Kilemile erklärte, die Gebete würden gleichzeitig mit anderen Mitteln, die die Einsetzung von Kadi-Gerich-ten vorantreiben, fortgesetzt. (Citizen 6.7.09)

Nach einer Versammlung von mehr als 400 Imamen und Scheichs in der Mtoro-Moschee in Dar-es-Salaam sagte Oberscheich Mohamed Issa Simba, man werde die Regierung durch friedliche Demonstrationen zwingen, ihre Einstellung zu ändern und dafür zu sorgen, dass sofort Kadi-Gerichte eingeführt werden. Bei einer Pressekonferenz verurteilte er die Eingliederung der muslimischen Prinzipien in das Gesetz und die Behandlung der Muslime als Bürger zweiter Klasse. Die muslimische Gemeinschaft werde die CCM dafür bestrafen, dass sie in ihrem Manifest getrickst und gelogen hat. Dieses werde das letzte Mal sein, dass man mit der Regierung verhandelt. "Wir rufen die Muslime auf, mit ihren Händen gegen diese Demütigung zu kämpfen. Eine Möglichkeit sei, solche Verantwortungsträger nicht zu wählen. "Wir planen, die regierende Partei bei der kommenden Wahl zu bestrafen. Der Allmächtige Gott versprach seinen Nachfolgern den Sieg. Wir wollen, dass die Regierung die Muslime an Dingen, die für ihren Glauben wichtig sind, beteiligt, nicht Leute, die nichts kapieren, denn wir haben viele Experten dieser Gesetze. Wir verdammen die christlichen Kirchen, die sich in den muslimischen Glauben einmischen, und die Regierung, weil sie für die Kirchen Partei ergreift, um die Muslime zu unterdrücken." Die Behauptung, in Südafrika gebe es viele Muslime, sei eine Lüge, betonte Oberscheich Issa Mohamed Simba; es seien nur 2 %. "Wir erklären, die Muslime lieben den Frieden und nirgendwo haben Kadi-Gerichte Chaos verursacht. Aber dieses Recht zu verweigern, könnte zu Gewalt führen, denn wir werden bis zum Ende für unseren Glauben kämpfen." (Citizen 6.7.09)

Zu Beratungen mit Premierminister Pinda

Premierminister Pinda lud Bakwata-Repräsentanten und Scheichs aller muslimischen Denominationen zu einem Treffen ein. Man vereinbarte, einen gemeinsamen Ausschuss, bestehend aus Scheichs und Rechtsexperten, einzusetzen. Nach diesen Beratungen dämpfte der Bakwata seinen Aufruf zu Aktionen für eine sofortige Einführung von Kadi-Gerichten. Oberscheich Mohamed Issa Simba bat die muslimische Gemeinschaft, Ruhe zu bewahren, während Bakwata und Regierung die beste Herangehensweise an die Forderung der Muslime eruierten. "Lasst uns geduldig sein. Der Premierminister versicherte, man habe die Idee des Kadi-Gerichts nicht verworfen, wie berichtet worden war. Der Prozess geht weiter." Pinda werde Klarheit schaffen bezüglich der vom Minister für Justiz und Verfassungsfragen im Parlament abgegebenen Erklärung zum Kadi-Gericht. Simba warf den muslimischen Verantwortungsträgern vor, sie hätten die Medien falsch informiert. Man müsse ihn als den übergeordneten Sprecher respektieren.

Während Oberscheich Simba zur Ruhe mahnt, planen andere eifrig eine friedliche Demons-tration und die von Scheich Kilemile geforderten am 15. Juli beginnenden Gebete. (DN 7.7.09; Citizen 7.7.09)

Der Bakwata bildete einen 25-köpfigen Ausschuss, bestehend aus Experten des muslimischen Rechts, Advokaten und anderen Fachleuten des sozialen Sektors. Er soll mit der Regierung die Möglichkeit der Einrichtung von Kadi-Gerichten beraten. Den Vorsitz hat Oberscheich Mohamed Issa Simba. (Citizen 14.7.09)

Reaktion der Regierung

Im Parlament erklärte Pinda, die Regierung arbeite eng mit den führenden Leuten der muslimischen Gemeinschaft zusammen, um sicherzustellen, dass das Thema Kadi-Gericht friedlich gelöst wird. Er dankte Oberscheich Simba für seine energischen Bemühungen, die Muslime zu beruhigen, nachdem einige Medien verwirrende Berichte verbreitet hatten. Die Regierung sei nicht gegen die Einrichtung von Kadi-Gerichten, aber sie wolle nicht für diese verantwortlich sein. Präsident Kikwete habe ihn gebeten, die Muslime zur Einrichtung von Kadi-Gerichten in ihrem religiösen Rahmen aufzufordern. Es sei nicht weise, wenn die Regierung dort den Vorsitz führt. (DN 17.7.09; Citizen 17.7.09)

Kommentare

Vor Journalis-ten sagte Weihbischof Kilaini, die Kirche habe kein Problem mit Kadi-Gerichten, vorausgesetzt, sie entsprechen der Verfassung, verstoßen nicht gegen Gesetze. "Ich bin glücklich", dass Regierung und Muslime gute Fortschritte machen bei ihren Beratungen über die Einführung der Gerichte. "Ich bin kein Muslim, aber ich bin nicht gegen den Islam und seine Methoden." Berichte, die katholische Kirche sei gegen Kadi-Gerichte, verurteilte er.

Manche meinen, es sei nicht recht, die Steuerzahler die Kadi-Gerichte bezahlen zu lassen. (Citizen 8.7.09; ThisDay 20.7.09)