Richmond-Saga: Dubiose Firma verspricht, Strom zu erzeugen - 03/2008
Rückblick
Während der Energiekrise des Jahres 2006, verursacht durch niedrigen Wasserstand der Stauseen infolge anhaltender Dürre, macht die Regierung ein Angebot in Höhe von 172,8rmd/- TSh für die Bereitstellung von 100 MW Strom durch Heizkraft.
23.6.06: Auf Drängen Lowassas bekommt Richmond Development Company LLC, eine in den USA ansässige Stromerzeugungsgesellschaft, den Zuschlag, obwohl sich mehrere internationale Firmen beworben hatten, Richmond die Erfahrung fehlt, seine finanzielle Lage nicht gut ist. Der Vertrag läuft über zwei Jahre, kann verlängert werden. Täglich muss die Tanzania Electric Supply Company (Tanesco) 152,2m/- TSh an Richmond zahlen. Schon bei der Unterzeichnung des Vertrags gibt es Vorbehalte.
15.10.06: Weil noch nichts geschehen ist, veranlasst Kikwete eine Umbildung des Parlaments, ernennt einen neuen Minister für Energie und Bodenschätze.
21.10.06: Endlich werden die ersten Generatoren geliefert.
11.12.06: Trotz mehrfacher Ankündigungen wird noch immer kein Strom ins landesweite Netz eingespeist. Richmond behauptet, man werde von Tanesco sabotiert. Diese habe mit Sand vermischtes Öl geliefert.
Ende 06: Richmond zieht sich aus dem Vertrag heraus, bringt Dowans Holding SA, eine in den Vereinigten Emiraten registrierte Firma, auf die Bildfläche, damit sie den Vertrag "erbe".
28.1.07: Abgeordnete wollen die Richmond-Angelegenheit ins Parlament bringen.
15.4.07: Endlich wird sie dem Parlament vorgelegt.
Mai 07: Das Prevention and Combating of Corruption Bureau (PCCB) erklärt nach einer Untersuchung, am gesamten Ausschreibungsverfahren sei nichts auszusetzen.
Okt. 07: Die Public Procurement Regulatory Authority (PPRA) äußert, der Vertrag sei ein Verstoß gegen die offiziellen Bestimmungen für Ausschreibungen.
13.11.07: Das Parlament stimmt der Einsetzung eines parlamentarischen Sonderausschusses zu. Er soll den gesamten Ausschreibungsprozess, der dazu führte, dass Richmond den Zuschlag bekam, untersuchen.
31.12.07: Der Sonderausschuss legt seinen 165-seitigen Bericht offziell Samuel Sitta, dem Parlamentspräsidenten, vor. 75 Zeugen wurden vernommen, 2.717 Fragen gestellt, 104 Akten durchforstet.
31.1.08 Sitta erklärt, während seiner Abwesenheit in den USA dürften keine heiklen Fragen behandelt werden.
3.2.08 Bei einem Seminar für Abgeordnete weigern sich diese, über den Entwurf von Strom- und Treibstoff-Gesetzen zu sprechen, ehe man ihnen den Richmond-Bericht vorgelegt habe.
4.2.08: Sitta sagt seinen geplanten Besuch in den USA ab.
6.2.08: Der Bericht wird dem Parlament vorgelegt. (DN 5./6./9.2.08; Guardian 2./4./7.2.08; Nipashe 12.2.08; East African Business Week 11.2.08; Inter Press Service 13.2.08)
Zum Bericht des Sonderausschusses
Der Bericht des Sonderausschusses enthält belas-tendes Material gegen Premierminister Edward Lowassa, die Minister Nazir Karamagi und Dr. Ibrahim Msabaha, ferner gegen den Oberstaatsanwalt Johnson Mwanjika und den Direktor des PCCB, Edward Hosea. Offenkundig wurden Fehler gemacht, wechselte Geld den Besitzer.
Der Sonderausschuss empfiehlt der Regierung, den Vertrag mit Richmond und Dowans Holdings SA, seinem Nachfolger, unverzüglich aufzulösen, sowie gegen alle Mitglieder des mit den Verhandlungen betrauten Regierungs-Ausschusses disziplinarische Maßnahmen zu ergreifen, unter ihnen Generalstaatsanwalt Mwanyika und Chidowu, ein Anwalt seiner Kammer. Das PCCB habe die Sache gedeckt. Mit dem Ziel, das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückzugewinnen, müsse man dieses neu besetzen. Der Vorsitzende des Sonderausschusses sagte: "Wir fordern, dass der Vorstand der Bank of Tanzania (BoT) prüft, warum die Zentralbank Richmond zusätzlich 5,7mrd/- TSh zahlte, was dem zwischen Tanesco und Richmond vereinbarten Kreditbrief widersprach." Das Ministerium für Energie und Bodenschätze habe den Rat von Tanesco und PPRA missachtet, ebenso die Anweisungen des Kabinetts. Es habe sich bei Richmond um eine Briefkastenfirma gehandelt. Täglich habe sie Anschrift und Namen geändert. Es gebe konkrete Hinweise für unangemessene Beeinflussung durch führende Regierungsleute. (DN 6.2.08; Guardian 2.08; Citizen 7.2.08; East African Business Week 11.2.08)
Reaktionen
Am folgenden Morgen berichtete Premierminister Lowassa dem Parlament zu dessen Erstaunen, er habe Präsident Kikwete seinen Rücktritt angeboten, obwohl es für die Behauptungen des Sonderausschusses nicht genügend zwingende Beweise gebe. Dem Sonderaus-schuss warf er vor, aufgrund von Geschwätz und Hörensagen habe man über ihn geurteilt, ihn nicht angehört. Er fühle sich gedemütigt und unterdrückt.
Wenige Stunden später erklärten Karamagi, Minister für Energie und Bodenschätze, und Msabaha, sein Vorgänger, nun Minister für Ostafrikanische Angelegenheiten, sie folgten Lowassas Vorbild. Karamagi betonte, erst nachdem der Vertrag unterzeichnet war, sei er in das Ministerium für Energie und Bodenschätze versetzt worden, zu spät, um diesen zu stoppen. Msabaha sagte, er müsse gerade stehen für eventuelle Fehler seiner Untergebenen.
Generalstaatsanwalt Mwanyika erklärte, er werde nicht zurücktreten. (DN 7./9.2.08; Guardian 8./11.2.08; Citizen 8.2.08)
Lowassa (54) bekleidete seit 1980 verschiedene Regierungsämter. Er ist CCM-Abgeordneter von Monduli. Dort hält man ihn für eine charismatische Persönlichkeit, wählte ihn wiederholt. Ab 1990 war er Staatsminister, dann Minister für öffentliche Bauvorhaben. 1995 wollte er neben Kikwete für das Amt des Präsidenten kandidieren. Aber infolge Nyereres Intervention, damals Vorsitzender der CCM, wurde Mkapa nominiert. Ab 2000 war Lowassa Minister für Wasser und Entwicklung der Viehzucht, ab 05 dann Premierminister. (DN 9.2.08; The East African 11.2.08)
Präsident Kikwete nahm das Angebot Lowassas zurückzutreten an und löste das Kabinett auf. Laut Verfassung sind alle Ministerposten vakant, wenn der Premierminister, aus welchem Grund auch immer, zurücktritt. (DN 8.2.08; Guardian 8.2.08; Citizen 8.2.08)
Für die Diskussion über den Bericht des Sonderausschusses im Parlament wurden zwei Tage angesetzt. 51 Abgeordnete beantragten Redezeit. Die Sitzung des Parlaments endet am 15. Febr.. Sie wird als eine der geschichtsträchtigsten seit 1961 im Gedächtnis bleiben. Die nächste Parlamentssitzung beginnt im April. (DN 13.2.08; Guardian 8.2.08)
Aus der Parlamentsdebatte
Mehrere Abgeordnete sind überzeugt, Rostam Aziz, Abgeordneter von Igunga (Tabora-Region), sei Eigentümer der Richmond Development Company LLC. Die Zeitung Mwanahalisi habe darüber berichtet. Lowassa, bisheriger Premierminister, sei von Aziz hineingezogen worden. Trotz offizieller Vorladung sei er nicht vor dem Sonderausschuss erschienen, ebenso Daniel Yona, ein ehemaliger Minister. Parlamentspräsident Sitta versicherte, er werde Rostam Aziz auffordern, bei der nächsten Sitzung auf die Vorwürfe zu antworten.
Manche lobten, die lokalen Medien hätten unermüdlich über die Richmond-Saga berichteten, bis das Parlament mit Nachforschungen begonnen habe.
"Warum meinen einige Geschäftsleute, um ihr Unternehmen zu fördern, müssten sie einen politischen Posten anstreben?" fragte ein Abgeordneter. "Sie benützen ihr politisches Amt, um ihre schmutzigen Geschäfte zu verdecken."
"Die Tanesco war gezwungen, die Tarife um 23 % anzuheben. Viele Kleinbetriebe können sich den Strom nun nicht mehr leisten, entlassen ihre Angestellten", klagte ein anderer.
Eine Abgeordnete forderte die Beschlagnahmung des Besitzes aller in den Skandal verwickelten Personen. Ihre Pässe müssten eingezogen werden, damit sie das Land nicht verlassen können, meinen viele. Alle müssten umfassend verhört und gerichtlich belangt werden.
Das Parlament forderte, dem Vorschlag des Sonderausschusses entsprechend, die Umstrukturierung des Prevention and Combating of Corruption Bureau (PCCB). Es habe seine Glaubwürdigkeit verloren. Der PCCB-Direktor jedoch tritt nicht zurück. Er betonte, seine Aufgabe sei es gewesen, zu untersuchen, ob es in der Vereinbarung Spuren von Korruption gebe, nicht, ob der Vertrag schlecht oder gut war.
Einige lobten die Einigkeit der Abgeordnete ungeachtet ihrer Ideologie. Gemeinsam kämpften sie für die Rechte des Volkes.
Ein Mitglied des Sonderausschusses sagte, der Bericht diene als Spiegel. "Wenn er zeigt, dass du schmutzig bist, zerbrich ihn nicht, sondern entferne den Schmutz." (DN 14.2.08; Guardian 15./16.2.08; ThisDay 16.2.08)
Reaktionen auf die Vorgänge
Viele hoffen, Kikwete werde die Minister nicht nur herumschieben und das Kabinett verkleinern. Bisher gehörten ihm 30 Minister und 31 Stellvertretende Minister an.
Ein Dar-es-Salaamer lobte, der Richmond-Bericht habe bestätigt, dass die Menschen mit Recht an Lowassas Integrität zweifelten. Eine Bäuerin sagte: "Jetzt haben wir einfachen Leute die Macht."
In den Pressezentralen war der Jubel groß über die Offenbarung, dass führende Leute des Staates am Richmond-Skandal beteilgt waren, wichtige Minister zurücktraten und Kikwete das Kabinett auflöste.
Um zu demonstrieren, dass sie im Kampf gegen Korruption hinter Präsident Kikwete stehen, zogen viele Einwohner Dar-es-Salaamser zum Mnazi-Mmoja-Platz. Viele Jugendliche trugen Plakate. "Glückwünsche zur Auflösung der Kabinetts", war zu lesen, oder "Jetzt bekommen wir die Unabhängigkeit", oder "HIV/ AIDS bringt uns genauso um wie korrupte Verantwortungsträger".
Minister Mkullo bezweifelt, dass die Entwicklungspartner nach den Korruptionsvorwürfen weiterhin wie in den vergangenen Jahren helfen. "Das macht der Regierung Kopfzerbrechen." Man werde andere Finanzquellen suchen.
Premierminister Pinda betonte nach seiner Ernennung, er werde ein tatkräftiges Beratungsteam mit Repräsentanten unterschiedlicher Ministerien bilden. (DN 9./10.2.08; Guardian 9./10./21.2.08)