Veranstaltungen zu Maulid, Zwischenfall bei Maulid Baraza, zum Fundamentalismus - 04/2009

Aus Tansania Information
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Am Vorabend des Maulid-Festes, dem Geburstag des Propheten Mohammed, sprach Hadschi Ali Hassan Mwinyi, von 1985-95 tansanischer Staatspräsident, im Mnazi Mmoja-Gelände Dar-es-Salaams.

Er sagte, Frieden, Harmonie und Liebe, Werte, die das Land von Julius Nyerere, dem Gründungsvater der Nation, geerbt habe, seien unbezahlbar. Sie müssten bewahrt und vermehrt werden. "Die Harmonie, in der Muslime und Christen zusammenkommen, um die Feste des anderen zu feiern, sind ein Segen Gottes." (..) Sogar Jesus habe seine Nachfolger davor gewarnt, sich an den Feinden zu rächen. Statt dessen sollten sie Geduld haben und ihnen Liebe entgegenbringen. "Die Muslime haben ähnliche Lehren in ihren heiligen Büchern."

Er betonte, die jungen Muslime sollten "unseren Feinden keinen Vorwand dafür liefern, mit dem Finger auf uns zu zeigen und uns mit schlimmen Namen zu brandmarken wie 'Mujahedeen' oder Terroristen." (Guardian 11.3.09)

Bei der Maulid Baraza <Versammlung> in der Diamond Jubilee Hall in Dar-es-Salaam, vertrat Mwinyi Präsident Kikwete, der wegen der Africa-IWF-Konferenz nicht teilnehmen konnte. Vor Tausenden von Gläubigen sagte er, alle Tansanier sollten ungeachtet ihrer religiösen Überzeugung Einheit und Frieden fördern, nie erlauben, dass man versucht, sie nach ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit zu trennen, denn das habe häufig schlimme Konsequenzen. "Religionskriege sind endlos, wie die Geschichte lehrt. Und in solchen Kriegen gibt es keine Sieger, nur Verlierer", sagte er und forderte die religiösen Einrichtungen, vor allem den Tanzania Muslims Council (Bakwata) auf, bei der Förderung der Moral die Führung zu übernehmen. "Sie verkommt rasch, denn die meisten Jugendlichen respektieren die Erwachsenen nicht mehr. Das ist ein ernstzunehmendes Problem." (DN 11.3.09; ThisDay 12.3.09)

Während Mwinyis Ansprache näherte sich dem Podium ein junger Mann im weißen 'Kanzu', der aus der Menge aufgetaucht war. Viele hielten ihn für einen Reporter, der ein Mikrophon ausrichten wollte. Er schlug Mwinyi auf die linke Wange. Sicherheitskräfte überwältigten ihn rasch und brachten ihn zur Zentralen Polizeistation. Aufgebrachte Teilnehmende forderten das Blut des Angreifers. Mwinyi reagierte ruhig, rief wiederholt laut: "Lasst uns weitermachen, bitte!" Er habe dem Angreifer vergeben, erklärte er. (DN 18.3.09; Citizen 12.3.09, ThisDay 12.3.09)

Der Angreifer, Ibrahim Said (26) sagte der Polizei, er habe Mwinyi geohrfeigt, weil er auf friedlicher Koexistenz von Christen und Muslimen bestehe. Außerdem ermuntere er die Muslime, Kondome zu verwenden; sie ermutigten die Gläubigen zu Promiskuität. Außerdem verbiete der Islam Empfängnisverhütung. Said betonte, er habe Mwinyi nicht verletzen wollen. (Citizen 12.3.09)

Der Bakwata forderte eine gründliche Untersuchung des Falles. Er entschuldigte sich bei Mwinyi, seiner Familie, der Regierung und den Muslimen. In einer Erklärung heißt es, diese Tat entspreche der muslimischen Lehre nicht, sie müsse von allen Muslimen und anderen vernünftigen Tansaniern verurteilt werden. (Citizen 12.3.09)

Ein Polizeichef forderte, der Angreifer solle in die Psychiatrie des Muhimbili National Hospital (MNH) überwiesen, hinsichtlich seiner geistigen Gesundheit untersucht werden. Man sei dabei herauszufinden, ob Said auf eigene Faust handelte oder Teil einer größeren Verschwörung ist. (Citizen 12.3.09)

Saids Mutter sagte, ihr Sohn sei psychisch gestört, weil er "zu viel liest". Die meiste Zeit verbringe er mit dem Lesen von Büchern, denn er gebe Schülern der vierten und der sechsten Klasse Nachhilfeunterricht. (Citizen 13.3.09)

Said wird als frustrierter junger Mann beschrieben, der darunter leide, dass sein Traum, in Europa zu leben, nicht in Erfüllung ging. Vergeblich hatte er versucht, als blinder Passagier dorthin zu kommen. Ein Nachbar sagte, er sei intelligent und sehr talentiert, benehme sich gut, trinke und rauche nicht. Zu Hause habe er weibliche Besucher ohne Kopfbedeckung belästigt, denn das sei gegen die Lehre des Propheten Mohammed. Leute, die ihn bei der Versammlung am Vorabend des Maulid beobachtet hatten, sagten, häufig habe er Mwinyis Rede unterbrochen, behauptet, er sei nicht zu hören. (DN 11.3.09)

Bei der Gerichtsverhandlung bekannte sich Said schuldig. Vor der Urteilsverkündung bekam er die Möglichkeit, um Milderung zu bitten. Aber er begann, laut zu beten und Verse aus dem Koran zu rezitieren. Er wurde angewiesen, leise zu beten. Danach bedankte er sich für die Möglichkeit, zum Allmächtigen zu beten. Dann sagte er: "Ich nehme die Verurteilung an und glaube, das Urteil, das Sie sprechen werden, ist heilig und kommt vom Allmächtigen Gott." Said wurde zu einem Jahr Haft verurteilt.

Einige Menschenrechts-Anwälte meinen, das Gericht hätte sich vor der Inhaftierung über die psychische Gesundheit des Angeklagten kundig machen müssen. (DN 14.3.09; Citizen 14.3.09)

Aus einem Kommentar

Viele meinen, Said sei einer der muslimischen Fundamentalisten. Villeicht war der Fundamentalismus in Tansania bisher noch kein großes Problem. Aber wie die Dinge sich entwickeln, wird er das voraussichtlich, wenn er nicht erkannt und schon beim Knospen gezügelt wird.

Weder bei den Muslimen noch bei den Christen im Land wird der Fundamentalismus stillschweigend geduldet. Es sieht so aus, als prophezeiten die gedanklichen Strömungen des Fundamentalismus, die bei religiösen Versammlungen (mihadhara) gepredigt werden, das Schlimmste. Was in Arusha, Dar-es-Salaam, Kigoma und andernorts geschah, zeigt, dass der Fundamentalismus existiert, ungeachtet politischer Forderungen nach religiöser Toleranz und Zusammenlebens der Menschen unterschiedlichen Glaubens. Ein deutliches Beispiel wurde statuiert, als muslimische Jugendliche, vermutlich Fundamentalisten, die Bibel während der Weihnachtsfeiern zerrissen. Das geschah, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.

Ein genauerer Blick auf Saids Aktion zeigt, dass er nicht alleine ist. Es war deutlich zu sehen, dass einige Gläubige, die an der selben Maulid-Baraza teilnahmen, Said unterstützten. (DN 18.3.09)