Thema: Wirtschaft: Pläne, Herausforderungen, Politik: Wirtschaftspolitik – Konzepte – 05/2017

Aus Tansania Information
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Zustimmung zu Austeritätspolitik

Mehrere Volkswirtschaftler und der „Runde Tisch der Unternehmenschefs“ befürworteten Magufulis Anstrengungen, die Staatseinnahmen zu steigern und die Ausgaben zu reduzieren. Viele hätten jahrelang mit unredlich erworbenem Geld über ihre Verhältnisse gelebt. Leute ohne erkennbare wirtschaftliche Aktivität konnten über das Wochenende erster Klasse nach Dubai fliegen, um ihrer Freundin ein neues Telefon zu kaufen und Autorennen anzuschauen. Die tansanische Wirtschaft habe einem gedopten Sportler geglichen, der scheinbar gute Leistungen bringt, irgendwann aber zusammenbricht. Dr. Magufuli selbst zitierte in einer Pressekonferenz zahlreiche Beispiele dafür, wie die tansanische Wirtschaft von allen Seiten ausgeplündert wurde.

Citizen 24.11.16; 01.01.17; Guardian 30.11.16

Kritik

Der Vorsitzende des Industrie-Ausschusses im Parlament und sein Stellvertreter (beide CCM) traten zurück. Sie seien von Mitarbeitern des Industrieministeriums unter Druck gesetzt und bedroht worden, nachdem der Ausschuss dessen Bericht zurückgewiesen hatte. Die Industrialisierungslyrik der Regierung sei unseriös. Bisher sei für das ambitionierte Programm noch kein Shilling zur Verfügung gestellt worden. Das Ministerium arbeite nicht konstruktiv mit dem Parlament zusammen. Vertreter aller Parteien hatten moniert, dass die Regierung ihren großen Plänen und Ankündigungen kaum Taten folgen lasse. Einige CCM-Abgeordnete priesen dem gegenüber Erfolge wie neue Flugzeuge der Air Tanzania, kostenfreie Schulbildung und dörfliche Elektrifizierung.

Wirtschaftswissenschaftler wiesen darauf hin, dass Industrialisierung ein längerer Prozess sei und vor allem eine glaubwürdige und transparente Wirtschaftspolitik voraussetze. Erratische Entscheidungen und spontane Interventionen der Regierung verunsicherten potentielle Investoren. Der Generalkontrolleur erinnerte daran, dass die TANESCO immer tiefer in Schulden versinke, u.a., nachdem der Staatspräsident im Dezember eine von der Regulierungsbehörde bereits genehmigte Strompreis-Erhöhung rückgängig gemacht und den Direktor des Stromversorgers entlassen hatte. Daher könnten dringend erforderliche Investitionen nun nicht finanziert werden.

Abgeordnete kritisierten im Parlament, dass die nationalen Entwicklungspläne Kleinlandwirte nicht berücksichtigten. Ohne eine starke Landwirtschaft könne aber auch keine verarbeitende Industrie entstehen. Zudem würden geplante Fördermaßnahmen wegen fehlender Haushaltsmittel einfach nicht durchgeführt. Im zu Ende gehenden Finanzjahr seien nur 26% der geplanten Entwicklungsinvestitionen getätigt worden.

Schuhhersteller sagten, Tansania könnte mit seinem großen Viehbestand alle Lederwaren selbst herstellen und exportieren, wenn die Verarbeiter nicht durch hohe Importzölle auf Chemikalien und Werkzeuge ihre Konkurrenzfähigkeit verlören. Kleinunternehmer beklagten, sie müssten jeden Monat 14 verschiedene Steuern und Abgaben entrichten und könnten sich daher nicht am Markt durchsetzen. Ein Bericht der UN-Wider Universität (Finnland) findet, TZ könnte Fleisch und Milchprodukte nach Europa exportieren, wenn die Ressourcen rationell genutzt würden. Die Vielzahl der Abgaben lasse jedoch viele Erzeuger im informellen Wirtschaftssektor verharren.

Wirtschaftskreise reagierten mit Unverständnis auf eine neue Bestimmung, dass öffentliche Einrichtungen nur noch mit Staatsunternehmen Geschäfte machen dürfen. Dies widerspreche der offiziellen Politik der Partnerschaft von Staat und Privatwirtschaft (PPP) und schrecke Investoren ab. Außerdem könnten Staatsbetriebe nur in Konkurrenz mit privaten Firmen einigermaßen effektiv arbeiten.

Citizen 15.09.16; 20.,21.03.17; DN 29.11.; 03.,08.12.16; 29.03.; 13.04.17; Guardian 09.12.16

Widersprüchliche Wirtschaftspolitik

Weitere spontane Eingriffe ließen die Privatwirtschaft an der Berechenbarkeit der Magufuli-Regierung zweifeln:

  • Die staatlichen Entwicklungspläne wurden unter Ausschluss der Verbände der Privatwirtschaft formuliert, obwohl die geplante Industrialisierung von privaten Firmen getragen werden soll.
  • Alle 89 Telekommunikationsfirmen wurden gezwungen, sich in Aktiengesellschaften umzubauen und 25% ihrer Anteile an der Börse Dar-Es-Salaam anzubieten. Nur vier von ihnen folgten dem Erlass bis zum Stichtag. Nur Inländer dürfen Anteile erwerben. Der Verkauf der Aktien lief schleppend, die Kurse brachen ein.
  • Das Dutwa-Projekt in der Simiyu-Region sollte nach dreijähriger Vorarbeit ab 2017 jährlich 27.000 t Nickel abbauen. Dr. Magufuli verweigerte nun dem englischen Unternehmen entschädigungslos die Bergbau-Lizenz, weil im Abbau-Gebiet ein Wassertank für den Ort Bariadi entstehen soll.
  • Buchhändler und Herausgeber von Schulbüchern erlitten Milliardenverluste und mussten Mitarbeiter entlassen, nachdem ihnen die Herstellungslizenz plötzlich entzogen worden war. Als Grund nannte das Bildungsministerium zahlreiche Fehler in den Schulbüchern, die allerdings von einer staatlichen Kommission genehmigt worden waren.
  • Die große Dangote-Zementfabrik in Mtwara drohte zu schließen, nachdem JPM verboten hatte, südafrikanische Kohle einzuführen, tansanische Kohle aber nur in schlechter Qualität, unzureichender Menge und zu teuer angeboten wurde. Zugesagte Gaslieferungen wurden von zwielichtigen Zwischenhändlern verteuert und dann doch wieder zum Vorzugspreis versprochen. Eine weitere Zementfabrik in Tanga (ARM) musste 1000 Arbeiter beurlauben, weil plötzlich die Einfuhr kenianischer Kohle verboten wurde und TANCOAL nicht liefern konnte.
  • Obwohl die Regierung bei den Preisen für Reis und Zucker massiv eingegriffen hatte, sollen nun Agrarprodukte wie Reis, Sesam, Cashewnüsse und Sonnenblumenkerne an der DSM-Börse gehandelt werden, was stärkere Preisschwankungen zur Folge haben wird.

Jahrelang galten Firmengründungen ausländischer Unternehmer, oft mit tansanischer Minderheitsbeteiligung (Foreign Direct Investments – FDI), als wichtigster Motor der erhofften Industrialisierung. Seit Jahren wird die Regierung nicht müde, solche FDI willkommen zu heißen und mit Steuer-Anreizen zu locken. Ein Professor der St. Augustine University warnte jedoch vor den vielfältigen Risiken der Abhängigkeit von Großkonzernen und deren internationaler Steuervermeidung. Sie hätten sich mehrfach auf Kosten von Entwicklungsländern und Weltbank bereichert. [vgl. Perkins, Confessions of an Economic Hit Man] Nur eigene Anstrengungen, verbunden mit schmerzhaften Einschränkungen, könnten eine solide Industrie aufbauen.

Präsident Magufuli heißt zwar nach wie vor FDI willkommen, äußerte aber tiefes Misstrauen gegenüber den Machenschaften ausländischer Bergbaufirmen. Tansania sei um Milliarden von Dollars betrogen worden. JPM scheint (trotz schlechter Erfahrungen) wieder mehr auf staatliche Betriebe setzen zu wollen. Auch der Generalkontrolleur tadelte die für Tansania sehr unvorteilhaften Bergbau-Verträge mit Auslandsfirmen.

Der Africa Investment Index 2016 sieht TZ an achter Stelle auf der Liste attraktiver afrikanischer Destinationen für FDI. Attraktivste Länder sind Botswana, Marokko, Ägypten und Südafrika. Citizen 07.,09.,13.12.16; 03.01.; 16.03.; 17.04.17; DN 08.,11.12.16; 21.04.17; Guardian 05.12.16; 12.,13.01.; 08.03.; 16.04.17