Magufulis Tod: Zeitenwechsel in Tansania - 04/2021

Aus Tansania Information
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Im März 2021 waren Tansanianachrichten im Wesentlichen Magufulinachrichten. Anfang des Monats tauchte die Frage auf: „Wo ist Magufuli?“, begleitet von Spekulationen und Dementis über seinen Gesundheitszustand. Zur Monatsmitte hin verdichteten sich Gerüchte über eine schwere Erkrankung, in Verbindung mit Meldungen aus dem Nachbarland Kenia wurde zunehmend über den Tod des Präsidenten diskutiert, wiederum verbunden mit offiziellen Dementis. Die tansanischen Medien haben in den letzten Jahren schmerzlich ihre Lektion in Sachen Zensur gelernt und berichteten nichts, was über die regierungsamtlichen Verlautbarungen hinausging. In der kenianischen und internationalen Presse gab es Berichte über Magufulis Erkrankung, die seitens der Regierung teils ignoriert, teils dementiert wurden. Die einzige offene Diskussion lief auf dem Internetportal Jamiiforums, wo immer noch anonyme Teilnahme unter selbstgewählten Pseudonymen möglich ist. Auf den sozialen Medien wie Twitter und Facebook gab es hier und da eine Verbreitung der Krankheits- und Todesgerüchte, auf die die Polizei mit mehreren Verhaftungen reagierte. Oppositionspolitiker beschränkten sich darauf, hier mehr Klarheit von der Regierung zum Verbleib des Präsidenten zu fordern.

Am 17. März wurde dann offiziell sein Ableben verkündet, und die folgende Woche war von der Berichterstattung über die ausgedehnten Trauerfeiern im ganzen Lande sowie Nachrufen und Würdigungen bestimmt bis zur Beisetzung am 26. März. Im Zusammenhang damit rückte die bisherige Vizepräsidentin und neue Präsidentin Samia Suluhu Hassan in den Vordergrund, die in den kommenden Tagen (bei und nach Redaktionsschluss) gemäß den Fristen in der Verfassung erste Weichenstellungen mit der Benennung eines neuen Vizepräsidenten und einer Entscheidung über das Kabinett vornehmen muss.

Fragen, Dementis, Verhaftungen und herzliche Grüße

Präsident John Pombe Magufuli war zuletzt am 27. Februar in der Öffentlichkeit gesehen worden, als er morgens seinen neuen Kabinettsekretär Bashiru Ali vereidigte. An der Videoschaltung der Ostafrikanischen Gipfelkonferenz am gleichen Tag nahm er nur kurz teil und überließ die Verhandlungen seiner Stellvertreterin Samia Suluhu Hassan. Es fiel nicht weiter auf, dass am Sonntag 28. Februar nicht am Gottesdienst teilnahm, für den er diesmal in der lutherischen Azania-Front-Kathedrale in Dar es Salaam angekündigt war. In sozialen Netzen kommentiert wurde seine Abwesenheit beim Videogipfel, weil das Präsidialamt zwar seine Teilnahme verkündete, er aber ausweislich des Kommuniqués und Fernsehberichten nicht dabei war. Die Fragen nach Magufulis Verbleib kamen auf, als er auch am kommenden Sonntag, 7. März in keinem Gottesdienst zu sehen war. Es fiel auf, dass auch in der ganzen vorherigen Woche kein Lebenszeichen des sonst öffentlichkeitsfreudigen Magufuli zu sehen war. Am 9. März fragte Sautikubwa, das Nachrichtenportal: des Exiljournalisten Ansbert Ngurumo: „Ist Magufuli im Krankenhaus?“ Im gleichen Sinn twitterte am gleichen Tag der Oppositionspolitiker Tundu Lissu aus seinem belgischen Exil. Verschiedene Twitterkonten teilten „vertrauliche Informationen“ mit, wonach Magufuli mit Atemproblemen im Krankenhaus sei.

Am 10. März meldete die „Nation“ in Nairobi, das ein ungenannter Führer eines afrikanischen Staates zur Behandlung von Covid-19 in das private Nairobi Hospital eingeliefert wurde. Offenkundig durfte die Nation den Namen nicht nennen, beschrieb den Ungenannten aber so detailliert, dass es klar war, dass Magufuli gemeint war.

Auf Internetforen reagierten Magufulianhänger teils entsetzt, teils empört. Es könne gar nicht sein, dass der patriotische Präsident, der kurz zuvor noch die tansanischen Krankenhäuser gelobt hatte, sich zur Behandlung ins Ausland begebe,

Der damalige Justizminister M. Nchemba drohte am 11. März per Twitter allen Gerüchteverbreiter Strafen an, die den „Unsinn“ über Magufuli verbreiten würden. Der Präsident sei schließlich kein Kirchendiener, der in jedem Gottesdienst auftauchen müsse. Er sei auch nicht der Anführer eines Joggingclubs, den man immer auf der Straße sieht. Nchemba wies auf das Informationsgesetz hin, wonach die Verbreitung von Falschmeldungen mit 3 Jahren Haft bestraft werden kann.

Am 12 März forderte Premierminister K. Majaliwa bei einem Besuch in Njombe seine Zuhörer auf, alle Gerüchtemacher zu ignorieren, die nur Panik verbreiten wollten. „Der Präsident muss arbeiten; wo soll er denn hingehen? Nach Kariakoo oder Magomeni (Stadtteile von Dar es Salaam, Red.) ?“ Er habe am Morgen mit dem Präsidenten telefoniert, er solle ausrichten, das dieser sie liebt und sich für die vielen Stimmen bedankt, die er in Njombe bekam. „Eurem Präsidenten geht es gut, er arbeitet ganz normal in seinem Büro“, schloss er. – Es fiel auf, das Majaliwa seinen Besuch in Njombe unterbrach, um nach Dodoma zurückzukehren und seine Bereisung der Region schließlich abbrach.

Ebenfalls am 12. März behauptet auch der Regionalkommissar in Mbeya in einer Pressekonferenz, er habe gerade mit Magufuli telefoniert, dem gehe es gut, man solle Gerüchtemachern im Ausland keinen Glauben schenken.

Der damit gemeinte Tundu Lissu twitterte weiter aus dem Exil und verbreitete die Meldung, Magufuli sei aus Nairobi nach Indien ausgeflogen worden. Später teilte er mit, nach seinen Informationen sei der Präsident nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt. Mehrere Personen wurden verhaftet, die diese Meldungen weitergeschickt hatten.

Mittlerweile verstärkten sich die Nachfragen, ob der Präsident überhaupt noch lebe. Majaliwa sagte einen weiteren angekündigten Besuch im Rungwedistrikt ab.

Vizepräsidentin Samia Suluhu Hassan traf am 15. März zu einem Besuch in Tanga ein. Auch sie richtete Grüße vom Präsidenten aus. Sie flocht aber in ihre Rede den Satz ein, dass schließlich jeder Mensch mal krank werden könne, ohne Namen zu nennen. Die Polizei der Kilimandscharoregion nahm weitere Personen fest, die über soziale Medien „erfundene Nachrichten über angebliche Erkrankungen hoher Regierungsmitglieder“ verbreitet hatten.

Am 16. März forderte der Oppositionspolitiker und ACT-Führer Zitto Kabwe von der Regierung Aussagen über den Verbleib des Präsidenten.

Citizen 15.03., Daily Mail (GB) 11.03., East African 13.03., Jamiiforums 02.03. + 13.03. +16.03., KDrTV 15.03., Mwananchi 12.03., Pindulanews (Zimbabwe) 15.03.202121

Todesnachricht

Am 17. März wurde nachts um 23 Uhr eine Ansprache der Vizepräsidentin ausgestrahlt, in der sie den Tod Magufulis mitteilte. Demnach sei er am frühen Abend um 18 Uhr an seinem lange bekannten Herzleiden verstorben. Er sei erstmals am 6. März kurz in ein Krankenhaus eingeliefert worden, aber bald danach wieder entlassen. Am 14. März sei er ins Mzena Krankenhaus aufgenommen worden, wo er nun verstarb.

Citizen 17.03., Daily News 17.03.2021

Konkurrierendes Todesdatum aus Nairobi

Die kenianische „Nation“ brachte am 19.März einen eigenen Bericht über Magufulis letzte Stunden. Magufulis Zustand habe sich am 8. März im Mzenakrankenhaus in Tansania plötzlich verschlechtert. Daraufhin sei zunächst beschlossen worden, ihn nach Südafrika zu bringen. Da aber bezweifelt wurde, ob der zu dem Zeitpunkt nicht mehr ansprechbare Präsident den dreistündigen Flug überstehen würde, entschied man sich kurzfristig für das Nairobi Hospital als nächstes gut ausgestattete Krankenhaus. mit akuten Herz- und Atembeschwerden heimlich nach Nairobi gebracht worden. So sei er am 8. März in Nairobi angekommen. Nach einigen Tagen war es aber klar, dass der durch Maschinen beatmete Präsident nicht mehr gesund werden könne. So wurde beschlossen, ihn nach Tansania zurückzubringen. Kurz nach Rückkehr sei er dann im Mzenakrankenhaus am Donnerstag, 11. März gestorben.

Wenn der Bericht der als seriös angesehenen „Nation“ stimmt, stellt sich die Frage, warum in Tansania sein Tod erst am folgenden Mittwoch, 17.März bekanntgegeben wurde. Das könnte auf massive Machtkämpfe hinter den Kulissen hindeuten, die sich um die Nachfolgefrage gedreht haben dürften. Zu den zahlreichen Vermutungen gehören Bedenken gegen die Person der Vizepräsidentin als Nachfolgerin. Erst ein Machtwort der Armee habe am Ende die Verfassungskrise verhindert. Nach anderen Vermutungen habe die Entscheidung aufgrund mehrerer schwerer Covidfälle in der Staatsführung nicht gefällt werden können.

Nation (Kenia) 19.03.2021

Trauerfeiern, Tote in Dar es Salaam

Die Regierung verkündete eine dreiwöchige Staatstrauer. Der Sarg wurde nacheinander in Dar es Salaam, Dodoma, Sansibar, Mwanza und seinem Heimatort Chato aufgebahrt und durch die Straßen gefahren, jeweils verbunden mit Gottesdiensten und Ansprachen.

In Dar es Salaam sollte der Verstorbene im Nationalstadium aufgebahrt werden, damit die Bevölkerung in einem Defilee vor dem mit Glasdeckel versehenen Sarg Abschied nehmen konnte. Vor dem Stadium kam es wegen Überfüllung zu einem Andrang, den die Sicherheitskräfte nicht bewältigen konnten. Erst 10 Tage später wurde bekanntgegeben, dass insgesamt 45 Personen starben. Das Defilee wurde abgebrochen, und der Sarg stattdessen mehrfach im Stadium herumgefahren. – Danach wurde der Verstorbene durch mehrere Hauptstraßen der Stadt gefahren, die beiderseits dicht von Menschenmassen gesäumt waren. Es müssen Hunderttausende gewesen sein, die sich zum Abschied vom von vielen verehrten Präsidenten zusammengefunden hatten. Am Flughafen überwanden Hunderte Zuschauer die Umzäunung und liefen aufs Rollfeld, von wo der Leichnam nach Dodoma geflogen wurde. – An den weiteren Stationen der Abschiedsreise Magufulis wurden dann keine Defilees der Bevölkerung mehr vorgesehen und die Sicherheitsmaßnahmen waren sichtlich besser vorbereitet.

Nachrufe, Magufulilieder

Zeitungen, Radio- und Fernsehprogramme waren in den 8 Tagen bis zur Beisetzung in Chato ganz auf Trauer, Nachrufe und Würdigungen abgestellt. Wenn es nichts über Veranstaltungen, Ansprachen oder den Weg des Leichenzuges zu berichten gab, wurden Gespräche mit Bürgern, Politikern und Prominenten übertragen, die ihre Erinnerungen bzw.. Empfindungen zum Ausdruck brachten. – Nachrufe, die Kritik und positive Würdigung von Magufuli miteinander verbanden, gab es nur in ausländischen Medien sowie in den anonymen sozialen Medien. In Tansania wurden ausschließlich Trauerbekundungen und Würdigungen seiner Leistungen veröffentlicht.

Eindrucksvoll war der Beitrag der tansanischen Musikszene, die binnen weniger Tage Dutzende von Magufuliliedern produzierte, die in verschiedenen Stilrichtungen von Rap über tansanischen Pop und gefühlsbetonten Trauergesängen bis hin zu mehrstimmigen Chorstücken den Schmerz über den Verlust Magufulis und die Aufzählung seiner Taten für das Land und die Menschen musikalisch ausdrückten und rund um die Uhr im Radio liefen. (Man kann sich auf Youtube über „Magufuli funeral songs“ einen Eindruck verschaffen, Red.). .