Innenpolitik ‐ 11/2024
TCRA sperrt drei Mwananchi-Publikationen
Wegen eines vom Citizen am 01.10.2024 veröffentlichten animierten Clips, der in den sozialen Medien viral ging, hat die Tanzania Communications Regulatory Authority (TCRA) drei Mwananchi-Communication-Veröffentlichungen die online-Lizenz für 30 Tage entzogen: The Citizen, Mwananchi Digital und Mwanaspoti. Begründet wurde die Sperre mit dem Verstoß gegen das Electronic and Postal Communication Gesetz von 2020, das auslegungsoffen Online-Inhalte reguliert, sowie der Gefährdung der nationalen Einheit und des sozialen Friedens. In der Animation sieht man eine Frau, die Präsidentin Hassan ähnelt, vor dem Fernseher sitzen und durch die Kanäle zappen. Jeder „Programmwechsel) zeigt das Gesicht eines anderen Entführungsfalls: Edgar Mwakalebela „Sativa“ (23.-27.06.2024), James Sije (seit 17.08.2021), Lilenga Isaya Lilenga (seit 11.05.2024), Shadrack Chaula (seit 02.08.2024), Issa Sango (seit 27.01.2023). Eine derartige Sperre ist in dieser Form neu, da auch Presseorgane betroffen sind wie Mwananchi (web) und Mwananchi Digital (YouTube), die das Video nicht veröffentlicht haben, sowie Mwanaspoti, das ausschließlich über sportliche Ereignisse berichtet. Allerdings wurde bereits im September 2021 die Raia Mwena für 30 Tage suspendiert, unmittelbar nachdem die neue Präsidentin Hassan im Juni versprochen hatte, sich für freie Meinungsäußerung einzusetzen. Auch ein Cartoonist (Optatus Fwema), der Hassan ein halbes Jahr nach ihrem Amtsantritt aufs Korn genommen hatte, kam dafür ins Gefängnis (in der Oysterbay-Polizeistation. Reporter ohne Grenzen führt Tansania aktuell auf dem 97. Platz von 180 Ländern (mit 46 getöteten Journalisten, 1 getöteten Medienmitarbeiter, 545 inhaftierten Journalisten und 28 inhaftierten Medienmitarbeitern).
Der Media Regulator sagt, „der Inhalt drohe und werde sich auf Nationale Einheit auswirken oder sie beschädigen sowie den sozialen Frieden in T.“
BBC News 04.10.2024, The Chanzo, 03.10.2024, Reporter ohne Grenzen.de (abgerufen am 15.10.2024)
Freeman Mbowe
Seit 2004 ist Freeman Mbowe (14.09.1961) Vorsitzender der Chadema. Er hat sich darauf konzentriert, die 1992 gegründete Partei aufzubauen und so seit 2005 den Stimmenanteil der Chadema von 6 % (2005 mit Freeman Mbowe als Präsidentschaftskandidat) auf 40 % (2015 mit Edward Lowassa als Präsidentschaftskandidat) zu steigern. Mbowe war vor seinem Eintritt in die Politik 1992 Geschäftsmann und Banker. Sein Vater war reicher Nyerere-Unterstützer, sein Schwiegervater Edwin Mtei ist einer der Gründer der Chadema. Das 2015-Wahlergebnis veranlasste die Magufuli-Regierung, autokratische Züge anzunehmen. So kam es zum fast tödlichen Angriff auf Tundu Lissu, den stellvertretenden Vorsitzenden, zu einer Vielzahl von Verhaftungen, auch von Mbowe, und zu Oppositionsparteien auferlegten Einschränkungen, die die Wahlen von 2020 zu einer undemokratischen Farce verkommen ließen. Auch unter Präsidentin Hassan saß Mbowe bis März 2022 acht Monate im Gefängnis. Dann folgte Hassans Versöhnung und die Aufhebung des Verbots von Parteikundgebungen.
The Conversation, 07.10.24
Tundu Lissu
Der Jurist und frühere Vorsitzende der Tanganyika Law Society Tundu Lissu (*20.1.1968) ist stellvertretender Vorsitzende der Chadema. Seit seinem ersten politischen Auftreten 1995 im Kampf um einen Parlamentssitz hat er sich als Vorkämpfer von Rechenschaftspflicht, Demokratie und Menschenrechten sowie im Einsatz gegen Korruption hervorgetan. In seiner Kritik gegen Präsident Magufuli nahm er kein Blatt vor den Mund. 2010 wurde er für Singida East ins Parlament gewählt. Am 7. September 2017 wurde ein Attentat auf ihn verübt, danach war er drei Jahre in Belgien im Exil. In der Wahl 2020 war er der Präsidentschaftskandidat der Chadema, die beharrlich eine neue Verfassung forderte – deren Überprüfung hatte bereits Präsident Kikwete angeordnet. Lissu saß in der verfassungsgebenden Versammlung, die aber von der CCM dominiert wurde. Das für 2014 angesetzte Referendum fand nicht statt, stattdessen die Wahlen von 2015, die Magufuli gewann. Er wird wohl auch Chadema-Kandidat für 2025.
The Conversation, 18.10.2024
Kommunalwahlen
In einer Bestandsaufnahme bringt Zitto Kabwe, der frühere Parteivorsitzende von ACT-Wazalendo, seine Sorge wegen des geringen Interesses der Bürger an der Wahl zum Ausdruck. Gewählte Dorfvorsteher und ihre gewählte jeweilige Ratsversammlung seien die entscheidende demokratische Basis, ausgestattet mit erheblicher Macht. Regional Bürgervertretungen seien zuständig unter anderem für Landverteilung, Schulen, Gesundheitswesen und Wasserversorgung. Bei der kontroversen Wahl von 2019 seien 97 % der Regierungsparteikandidaten noch vor dem Wahltag bestätigt worden. Deshalb müsse die 2024-Wahl eine Rückkehr zur Demokratie erkennen lassen. Für freie, faire und glaubwürdige Wahlen sollten sich Tansanier und die Behörden gleichermaßen einsetzen.
The Chanzo, 21.10.24
Wählerregister
Der Regierungsstatistik zufolge haben sich 31 Mio. Tansanier über 18 Jahre für die Kommunalwahlen am 27.11.2024 registrieren lassen, nur 1,7 Mio. weniger als die durch den Zensus von 2022 im Melderegister erfassten Wahlberechtigten. Aktivisten bezweifeln die Glaubwürdigkeit dieser Zahlen und führen die Ergebnisse auf die Tatsache zurück, dass die Regierung selbst die Wahlen beaufsichtige. Gegen diesen Umstand haben drei Aktivisten – Bobu Wangwe, Dr. Ananilea Nkya und Buberwa Kaiza – vor dem Obersten Gerichtshof geklagt. Das Urteil steht noch aus und wird für den 25.10.2024 erwartet.
The Chanzo, 23.10.2024
31,28 Mio. Wähler sind 94,83 % der vorausberechneten Wahlberechtigten. So lautet das Ergebnis zwei Tage nach Ende der Registrierung. Die händische Wahlregistrierung fand durch Gerangel zwischen CCM-Wahlhelfern und den beaufsichtigenden Mitgliedern der Oppositionsparteien unter chaotischen Umständen statt. Entsprechend beschwerte sich die Opposition über Unregelmäßigkeiten wie Mehrfachregistrierung in mehrfach vorhandenen Registerbüchern sowie über Unter-18-Jährige mit Wahlzulassung und gestohlene Wahlregister. In manchen Regionen liegt die Wählerzahl über 100 %. Die Regierung hat versprochen, das komplette Wählerregister nach dem 27.10.2024 zu veröffentlichen. Ab dem 01.11.2024 können sich diejenigen registrieren lassen, die gewählt werden wollen.
Jenerali Ulimwengu kommentiert: „Die ausgedachten Wählerzahlen machen unsere Wahlen zu einem Witz.“
East African, 26.10.2024
Steuerkommission
Präsidentin Hassan beauftragte Mitglieder der seit August bestehenden präsidialen Kommission für die Vorbereitung einer Steuerreform damit, innerhalb von sechs Monaten Strategien für ein freiwilliges Bezahlen der Steuern zu bewirken, gerechtere Besteuerungsgrundlagen zu entwickeln und dabei die in- wie ausländische Kritik an der Steuererhebung zu berücksichtigen. Gegenwärtig seien Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum von den Steuereinnahmen abgekoppelt, den von 36 Mio. in Frage kommenden Steuerzahlern würden tatsächlich nur 2 Mio. Steuern bezahlen – eine besorgniserregende Situation. Hinzu käme ein informeller Sektor, der 60 % der Wirtschaftsaktivitäten des Landes umfasse. Man wolle erreichen, dass bis 2026 Steuern mit 14 % der gesamten Staatseinnahmen zu Buche schlügen.
Guardian, 05.10.2024
Die 9-köpfige Kommission für die Erarbeitung einer Steuerreform wurde am 31.07.2024 von Präsidentin Hassan ernannt und am 04.10.2024 in Gang gesetzt. Sie soll ein Gleichgewicht zwischen den Forderungen der Steuerbehörde und jenen der Steuerzahler, aber vor allem eine investitionsfreundliche Umgebung schaffen. Die Leitung der Kommission wurde Ombeni Sefue übertragen, dem früheren Chefsekretär des Parlaments. Andere Mitglieder sind der frühere Zentralbank-Gouverneur Prof. Florens Luoga, der früherer Regierungsrevisor Prof. Mussa Assad und der frühere Chef der Steuerbehörde Rished Bade. Die Einsetzung der Kommission wurde in der Folge der Händlerstreiks im Juni 2024 beschlossen.
East African, 12.10.2024