Thema: Gesundheitswesen II: Probleme im Gesundheitssystem - 06/2016

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Bisher ist es Tansania noch nicht gelungen, die Abuja-Erklärung von 2001 umzusetzen. Damals verpflichteten sich die Staaten der Afrikanischen Union, 15% des jährlichen Staatshaushalts für das Gesundheitswesen zu reservieren. TZ erreichte 2015 erst 10%. Einige afrikanischen Länder haben das 15%-Ziel verwirklicht: Ruanda (24%), Liberia (19), Malawi (19), Sambia (16), Togo (15), Madagaskar (15). Die Länder der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) wendeten im Jahr 2013 $ 59 pro Einwohner für Gesundheitsdienste auf.

In der EAC steht Tansania mit $ 49 pro Kopf für Gesundheitsdienste zwischen Ruanda (71), Uganda (59) einerseits und Kenia (45), Burundi (21) andererseits. Die EAC fährt (von westlichen Gebern finanziert) einen regionalen Gesundheitsplan mit den Programmen: Open Health Initiative; EA Medicines Harmonization; Population, Health and Environment Programme, sowie einem Programm gegen HIV, Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten.

Vergleichsweise hohe Beträge geben Tansanier sowohl privat als auch mit staatlicher Unterstützung für medizinische Behandlungen im Ausland aus, vorwiegend in Indien (2015: etwa $ 70 Mill.). Nach einer indischen Statistik waren 2013 von 23.345 Tansaniern, die Indien besuchten 4.319 „medizinische Touristen“. Spezialisten der indischen „Apollo Hospitals“ kommen auch regelmäßig nach Tansania, um Operationen durchzuführen und einheimische Ärzte fortzubilden.

Citizen 05.10.15Guardian 02.06.; 11.11.15;

Medizinisches und Pflege-Personal

Immer wieder wird ein Mangel an Pflegepersonal beklagt, vor allem in ländlichen Regionen, obwohl TZ viele Ausbildungsstätten besitzt. Viele ziehen es vor, ins Ausland zu gehen, wo sie bessere Arbeitsbedingungen zu finden hoffen. Fachleute konstatieren oft Motivations-Probleme bei Pflegern und Ärzten, die ihrerseits über unzureichende Bezahlung, geringe Aufstiegschancen und mangelhafte Unterkünfte klagen. Die Ausbildung von Pflegekräften werde erschwert dadurch, dass Viele mit mangelhaften naturwissenschaftlichen Kenntnissen von den Schulen kommen.

Häufig sind Klagen über Nachlässigkeit oder Rohheit von Pflege-Personal oder Ärzten. Beispiele:

  • In Sumbawanga (Rukwa-Region) wurden mehrere Pflegekräfte entlassen, weil sie Gebärende sich selbst überlassen und deren Tod verursacht hatten; Andere waren monatelang nicht zum Dienst erschienen.
  • Der Regionalkommissar von Rukwa ermahnte das medizinische Personal, Anderen ein Beispiel für Berufsethik zu geben. Ärzte und Pfleger, die Patientinnen, vor allem Schwangere, beleidigten, würden nicht mehr geduldet. Frauen beklagten, sie hätten mehr als neun Stunden auf Behandlung gewartet. Der Regionalchef erklärte, er werde nur noch vier Stunden pro Nacht schlafen um Präsident Magufulis Arbeitstempo gerecht zu werden und Nachlässigkeiten unnachsichtig aufzudecken.
  • In der Geita-Region spürten erzürnte Patienten den diensthabenden Arzt in einer Bar auf und verprügelten ihn.
  • Die Gesundheitsministerin warnte Ärzte wiederholt vor korrupten Praktiken, besonders vor illegalen Schwangerschaftsabbrüchen. Dies werde nicht mehr geduldet.

Ärzte beschwerten sich über zunehmende Angriffe von Seiten erzürnter Patienten-Angehöriger. Diese kennten oft nicht die Verfahrensregeln der Krankenhäuser und wollten bestimmte Behandlungen erzwingen oder verhindern. Dem Christlichen Medizinischen Zentrum am Kilimanjaro (KCMC) fehlen mehr als 50% der benötigten Ärzte, weil so Viele wegen geringer Bezahlung abgewandert sind. Das Krankenhaus wird von einer lutherischen Stiftung getragen und erhält nur begrenzte Zuschüsse vom Staat.

Citzen 23.12.14; 15.12.15; 23.03.16; Guardian 21.07.15; 03.,23.04.16; DN 09.04.16

Organisation, Versorgung

Die Aufsichtsbehörde für private Kliniken auf Sansibar schloss vorübergehend 10 private und kirchliche Dispensaries und Kliniken wegen Hygienemängeln oder unqualifizierten Personals. Laut Gesundheitsministerium sind derzeit 200 private Einrichtungen wegen Verstößen gegen Mindeststandards geschlossen.

Das Tumbi-Überweisungskrankenhaus in Kibaha, zuständig für vier Regionen, arbeitet immer noch mit der Ausstattung von 1967, was zu schweren Mängeln führt; besonders die Leichenhalle sei in katastrophalem Zustand und völlig überbelegt.

Das Krankenhaus des Bagamoyo-Distrikts leidet an akutem Mangel an Medikamenten. Der staatliche Versorger (Medical Stores Dept. - MSD) liefert nicht mehr, weil die Klinik TZS 220 Mill. Schulden hat. Ähnliches berichten weitere Krankenhäuser der Küstenregion. Das MSD begründet die Engpässe mit Unterfinanzierung: im laufenden Finanzjahr habe das Gesundheitsministerium nur TZS 80 Mrd. für Medikamente zur Verfügung gestellt, der Bedarf betrage aber etwa TZS 500 Mrd., nach Berechnungen der NRO „SIKIKA“ 577Mrd. Die Regierung führt die Engpässe hauptsächlich auf Veruntreuung und Fehlplanung zurück. Immer wieder wird berichtet, dass medizinisches Personal Medikamente entwendet und privat verkauft. Private Apotheken in unmittelbarer Nähe staatlicher Krankenhäuser sollen wieder untersagt werden.

Der MSD startete lokale Verkaufsstellen (bisher beim Sekou-Touré Krankenhaus in Mwanza und Muhimbili in DSM; Arusha und Mbeya sollen folgen), die Basismedikamente zu kontrollierten Preisen anbieten, vor allem für örtliche Kliniken. Medikamente des MSD werden nun besonders gekennzeichnet, um Diebstahl und Missbrauch zu verhindern.

Sorgen bereiten auch verbreitet angebotene gefälschte Medikamente. Staatliche Stellen bemühen sich um Kontrollen und Aufklärung der Bevölkerung. Bei Antibiotika werden zunehmend Resistenzen registriert. 50% der Erreger sind gegen gebräuchliche, 25% gegen neuere Antibiotika resistent. Viele dieser Mittel werden noch frei verkauft und vor allem in der Tierzucht wahllos eingesetzt. Das Nationale Institut für Medizinische Forschung (NIMR) forderte einen nationalen Plan, um den unkontrollierten Einsatz von Antibiotika bei Menschen und Tieren einzudämmen. Resistente Erreger verursachten hohe Kosten, da neue Antibiotika um bis zu 50 mal teurer seien als gebräuchliche. Als erfolgreich hat sich die strikte Kontrolle von TB-Medikamenten erwiesen: nur 8% der Patienten wiesen einfach resistente, 1% mehrfach resistente Erreger auf.

Das Muhimbili-Nationalkrankenhaus in DSM meldet, dass nur 40% der benötigten Blutkonserven verfügbar sind. Tansania verbraucht 450.000 Flaschen Blut jährlich, erhält aber nur die Hälfte davon von Spendern. Viele Gebärende mit Blutverlust sterben, weil keine Blutreserven vorhanden sind. Hinzu kommt, dass etwa 10% des gespendeten Blutes wegen Infektionen unbrauchbar sind: Hepatitis B 5%, Hepatitis C 3%, HIV 1%, Syphilis 0,9%. Das Mount Meru Regionalkrankenhaus in Arusha musste seine Geburts- und Unfallstationen vorübergehend wegen Mangels an Blutkonserven schließen. Ähnliche Probleme meldet der Nationale Blutspendedienst aus der Mwanza-Region. Der Mangel zwingt vor allem kleine Kliniken, Patienten unter gefährlichen Bedingungen weiter zu überweisen.

Citizen 05.01.; 01.02.; 17.02.; 26.02.; 11.04.16; DN 22.09.; 23.,29.11.15; 22.01.; 09.02.; 03.,09.03.16; 20.04.16; Guardian 15.08.; 23.09.; 26.12.15

Traditionelle Behandlungsmethoden

Traditionelle Behandlung von Erkrankungen ist nach wie vor sehr beliebt. 70% trauen ihr mehr als der westlichen Medizin. Ein Sprecher der „Vereinigung traditioneller Heiler“ sagte, es gebe in Tansania etwa 80.000 solche Praktiker, jeder habe seine Rezepturen; insgesamt seien etwa 80.000 pflanzliche Heilmittel bekannt. Er plädierte für eine formale Ausbildung in Pflanzenheilkunde und forderte Kirchenvertreter auf, ihre Vorbehalte gegenüber traditionellen Heilern aufzugeben. Herbalisten könnten sogar den Tourismus beflügeln, wie das Beispiel des „Babu wa Loliondo“ zeige, der mit einem Wurzelsud Hunderttausende nach Samunge (Manyara-Region) gelockt habe.

Viele Herbalisten locken ihre Kundschaft mit aggressiver Werbung und großen Versprechungen (vor allem Heilung weiblicher Unfruchtbarkeit) an. Ihre Kliniken tragen verheißungsvolle Namen wie „Haleluyah Sanitarium Clinic“. Ihr Vorteil ist, dass sie ihren Klient/innen mehr Zeit widmen können: auf 4.000 Menschen kommt ein traditioneller Heiler, während ein ausgebildeter Arzt statistisch 30.000 Patient/innen versorgt.

Hinzu kommt der schlechte Ruf der staatlichen Behandlungs-Einrichtungen. Auch manche religiösen Gemeinschaften wie die Adventisten lehnen „künstliche“ Heilmittel ab. In Arusha brachen 34% der HIV-infizierten Mütter die Vorbeugung gegen die Ansteckung ihres Kleinkindes ab und wandten sich Herbalisten zu. Sie hätten kein Vertrauen zu Beraterinnen im Alter ihrer Töchter. Traditionell werden ältere Frauen als Hebammen geschätzt und für kompetent gehalten.

Die Heiler-Vereinigung verbot ihren Mitgliedern, herumreisend in Gasthäusern zu praktizieren. Das Gesundheitsministerium überprüfte im Januar die Lizenzen aller Herbalisten und verbot Werbung im Fernsehen und an Plakatwänden, bisher ohne durchschlagenden Erfolg. Das Ministerium schloss zwei nordkoreanische Naturheil-Kliniken in Dar-Es-Salaam wegen fehlender Lizenzen und gefälschter Medikamente. Allein in DSM arbeiten mehr als 30 koreanische Behandlungsstätten, fast ausschließlich mit nordkoreanischem Personal und importierten Heilpflanzen.

Citizen 15.06.15; 03.01.; 26.03.16; Guardian 11.08.14; 05.,17.04.15