Thema: Frauen und Männer / Genderfragen: Gewalt gegen Frauen und Mädchen - 01/2018

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Unterdrückung

Zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen werden unterschiedliche Trends berichtet. Die Hilfsorganisation „Kivulini“, Mwanza [s.o. Organisationen] meldet einige Erfolge ihrer Aufklärungsarbeit. Dagegen berichtet eine staatliche Untersuchungskommission von stark zunehmenden Gewaltakten auf Sansibar.

Die Organisation „Women in Law and Development in Africa“ (www.wildaftanzania. org) forderte die Regierung auf, das veraltete Ehegesetz von 1971 zu modernisieren. Es erlaubt, Mädchen mit elterlicher Zustimmung ab 14 Jahren zu verheiraten. Im Alter von 18 Jahren seien schon 40% der tansanischen Mädchen verheiratet. Dies sei oft wirtschaftlich motiviert, führe zu hohen Geburtenraten und gefährde Gesundheit und Leben von jungen Müttern und Kindern. Zu früh Gebärende haben zudem ein hohes Risiko, eine Fistula zu entwickeln. Jährlich brechen etwa 8.000 Mädchen ihren Schulbesuch wegen Schwangerschaft ab.

Unter den Wamaasai kommt es noch relativ häufig vor, dass Mädchen ab einem Alter von 12 Jahren verheiratet werden. Diese Gesetzesverstöße werden praktisch nicht verfolgt. Manche Maasai-Gemeinschaften versuchen, den schädlichen Traditionen durch intensive Aufklärungsarbeit und Kinderschutz-Teams entgegenzuwirken. Verbreitet ist die Verheiratung von Kindern noch bei Wakurya, Wahehe und Wahaya.

Die staatliche Menschenrechtskommission (CHRGG) forderte ebenfalls, konsequent gegen die traditionellen Kinderehen vorzugehen. Es sei inakzeptabel, 15-jährige Mädchen an ältere Männer zu verheiraten.

In der Arusha-Region wurden 80 für Sekundarschulen qualifizierte Grundschülerinnen vor bereits arrangierten Eheschließungen gerettet. Sechs wurden wegen erhöhter Gefährdung in Heime gebracht. 36 Erziehungsberechtigte wegen Bildungssabotage verhaftet. Schulräte berichteten, dass manche Eltern ihre Töchter dazu verleiten, die Abschlussprüfung der Grundschule absichtlich nicht zu bestehen, um sie rasch verheiraten zu können.

In Sumbawanga, Rukwa-Region werden monatlich etwa 50 Fälle von häuslicher Gewaltanwendung gemeldet. Auch 20 Ehemänner gaben an, ihre Gattin habe sie verprügelt. Die zuständige Behörde rechnet hier mit einer großen Dunkelziffer.

Regionen mit verbreiteter häuslicher Gewalt gegen Frauen sind Mara und Shinyanga (78%), Tabora (71%), Kagera (67%), Geita (63%), Simiyu (62%), Mwanza (60%), alle im nordwestlichen Tansania gelegen. Etwas günstigere Zahlen finden sich im Süden und Osten: Dar-Es-Salaam (39%), Iringa (38%), Lindi (37%), Morogoro und Kilimanjaro (35%), Mtwara (33%), Tanga (25%). Die Übergriffe geschehen häufig unter Alkohol-Einfluss (Bericht des Menschenrechtszentrums LHRC, April 2017). Gewalterfahrungen gelten als die häufigste Ursache für gescheiterte Ehen und Partnerschaften. Viele Straßenkinder geben an, aus gewalt-belasteten Familien geflohen zu sein.

Im Rorya-Distrikt, Tarime-Region wurden 10 Männer festgenommen, weil sie eine 38-Jährige wegen vermuteter Zauberei nackt ausgezogen und verprügelt hatten. Ein Video der Tat war online zu sehen.

Besonders häufig sehen sich Hausangestellte unter Druck gesetzt. Sie müssen unbezahlte Überstunden leisten, bekommen oft nicht den vereinbarten Lohn und sind nicht selten sexuellen Avancen ausgesetzt.

Citizen 04.05.; 16.06.; 29.09.; 07.,17.10.17; DN 26.05.; 01. 09.16; 11.01.,26.08.; 26.12.17; Guardian 03.08.16; 04.09.17

Sexuelle Gewalt und Belästigung

Dem Bericht über den „Nationalen Fünf-Jahres-Plan zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen und Kinder“ zufolge erlitten in Tansania 20% aller Frauen ein- oder mehrfach sexuelle Gewalt. 10% gaben an, ihre erste sexuelle Erfahrung sei gewaltsam gewesen. Das Büro gegen geschlechtsbezogene Gewalt in Sumbawanga registriert jeden Monat etwa 10 Schülerinnen, die vergewaltigt und schwanger wurden.

In Dar-Es-Salaam hielten Eltern ihre Töchter vom Schulbesuch ab, nachdem eine Reihe von Mädchen teils von Mitschülern, teils von Erwachsenen vergewaltigt worden waren. Manche wurden den Tätern von Mitschülern zugeführt, andere durch mit Drogen versetzten Süßigkeiten angelockt. Eine Mutter beklagte, dass sich die Ermittlungen der Polizei trotz eindeutiger Beweise unverständlich lange hinzögen.

In Dar-Es-Salaam berichteten 23% der Frauen über sexuelle Gewalt in ihrer Partnerschaft, in Mbeya 31%. Im ersten Halbjahr 2016 wurden in DSM 1.030 Vergewaltigungen registriert, in ganz Tansania 2016 etwa 7.000 Fälle. Mit einer hohen Dunkelziffer ist zu rechnen. Ein Bericht für das sansibarische Parlament zitiert für die Region Nord-Unguja 122 Fälle von Vergewaltigung, für Nord-Pemba 101 Fälle (2016). Die Aufklärungsquote sei gering. In Nord-Sansibar wurden in 258 Verfahren zu Sexualdelikten nur 11 Angeklagte verurteilt.

Das Geschlechter-Netzwerk (TGNP) regte an, an den Zollstationen Geschlechter-Büros einzurichten, da viele Zollbeamte Händlerinnen zu Gunstbeweisen zwängen.

Citizen 01.09.16; 26.08.; 28.10.; 04.11.17; DN 07.05.16; 04.05.; 05.10.17; Guardian 19.03.; 23.10.17

Gegenmaßnahmen

Die Regierung stellte einen „Nationalen Fünf-Jahres-Plan zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen und Kinder“ vor, bei dem neun Ministerien zusammenarbeiten. Damit soll der Prozentsatz der Schwangeren unter 18 Jahren von 47 auf 10% vermindert werden. 2016 traten Frühschwangerschaften besonders gehäuft in den Regionen Shinyanga (59%), Tabora (58%), Mara (55%) und Dodoma (51%) auf.

Die bei allen Polizeistationen eingerichteten speziellen Büros für Geschlechterfragen („gender desks“) bewirken, dass Übergriffe nun vermehrt angezeigt und verfolgt werden. Anzeige kann man auch online erstatten (www.policeforce.go.tz/julisha-uhalifu). Immer noch aber schweigen viele Betroffene, weil sie ihre Rechte nicht genau kennen, Repressionen befürchten oder kein Vertrauen in Polizei und Justiz haben. Prozesse platzen oft, weil Angeklagte Eltern oder Zeugen durch Geschenke dazu bewegen, nicht vor Gericht zu erscheinen.

Die sansibarische Regierung erklärte die wachsende Zahl der Fälle von Vergewaltigung und Kinderschändung zur nationalen Bedrohung. Die Schuldigen werden nicht mehr auf Kaution freigelassen und die Gerichtsverfahren beschleunigt. Abgeordnete verlangten, die Höchststrafe für Vergewaltigung (30 Jahre) zu verschärfen. Die meisten Übeltäter kommen aber aus Mangel an Beweisen wieder frei.

„Equality for Growth“ (www.equalityfor growth.org) organisiert zusammen mit 40 weiteren NRO Aktionen gegen geschlechterbezogene Gewalt auf allen Märkten der Küstenregion. Ihr Motto: „Gib ihr Verdienst, nicht Missbrauch!“. Die diesjährige Kampagne gegen geschlechtsbezogene Diskriminierung wendet sich gegen Herabsetzung und Belästigung von Frauen auf Märkten. „Equality for Growth“ erreichte auf sechs großen Märkten in Mwanza durch Sensibilisierung von Frauen und Aufsichtspersonen, dass die Händlerinnen deutlich weniger belästigt werden.

„Uzikwasa“ [s.o. „Organisationen] transportiert in Filmen („Aisha“, „Süße Täuschung“, „Vaters Stock“) und Hörspielen ihre Botschaft gegen Geschlechtergewalt. Die neue Radio-Serie „Tamapendo“ (Gier gegen Liebe) lässt ein junges Paar gegen traditionelle Unterdrückung und für Bildung und Partnerschaft kämpfen.

Die Gründerin einer Stiftung zur Vorbeugung gegen häusliche Gewalt macht in erster Linie überholte kulturelle Muster für das Übel verantwortlich. Sie kritisiert aber auch die Kirchen, in denen Frauen häufig einseitig zu Gehorsam und Unterwerfung aufgefordert würden, was Gewalttäter ermutige.

Citizen 28.08.16; 01.08.; 28.10.17; DN 06.01.; 05.04.; 23,27.06.; 19.07.; 02.,18.12.17; Nipashe 25.07.17

Vorschläge von Frauenorganisationen

Die frühere Parlamentspräsidentin A. Makinda begrüßte die revidierten Landgesetze, die Frauenrechte stärken. Dringend notwendig sei es jedoch, das Ehegesetz von 1971 und das Erbrecht verfassungsgemäß zu gestalten. Diese Gesetze diskriminierten Frauen und Mädchen. Nur starke zivile Organisationen könnten die Frauenrechte auch tatsächlich gegen traditionelle Widerstände durchsetzen. Daher solle der Staat solche Organisationen, die bisher ausschließlich von ausländischen Spenden abhängen, entschieden fördern. Ferner verlangte Makinda, Emanzipations- und Inklusionsfragen in die Lehrpläne aller Schulen aufzunehmen, da viele Frauen und Männer die einschlägigen Gesetze gar nicht kennen. Zur Information der Bevölkerung sei auch die Arbeit der Rechtsassistent/innen sehr hilfreich und sollte daher verstärkt werden.

DN 24.,29.11.16; Guardian 29.11.16

Weitere Meldungen zu Gewalt gegen Schüler/innen, sowie zu Fragen der Empfängnisplanung und Reproduktionsgesundheit in kommenden Ausgaben der TI.