Schwerpunkt: Bildungswesen I: Bildungspolitik - 07/2015

Aus Tansania Information
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Erfolge

Nach dem „Education for All (EFA) Global Monitoring Report 2015“ ist Tansania unter den sieben schwarzafrikanischen Ländern, die fast allen Kindern eine Basis-Schulbildung anbieten können. Der Anteil der Grundschul-Abbrecher sank auf 12,5%. Andere Ziele des EFA-Konzepts erreichte TZ wenigstens teilweise:

  • Kostenlose, verpflichtende Grundschulbildung auch für Mädchen und ethnische Minderheiten
  • Gleichberechtigter Zugang zu allen Ausbildungsgängen
  • Alphabetisierung aller Erwachsenen und Zugang zu fortlaufenden Bildungsangeboten
  • Messbar gute Leistungen in Lesen, Schreiben, Rechnen und Lebenstüchtigkeit für alle

Weltweit erreicht 1/3 der Länder diese Ziele, keines in Schwarzafrika.

Präsident Kikwete bezeichnete die seit 2005 flächendeckend eingerichteten Bezirks-Sekundarschulen als erfolgreich. Sie ermöglichten praktisch allen Geeigneten, die Mittlere Reife (O-level) zu erreichen. Auch der zunächst ebenfalls flächendeckende Mangel an Klassenräumen, Schulbänken, Lehrmaterial, Schulbüchern und Lehrkräften sei weitgehend überwunden. Manche Bezirks-Sekundarschulen hätten sogar die viel gepriesenen Privatschulen überflügelt. Seit 2005 wurden 3.500 Community Secondary Schools errichtet.

Die Region Mwanza erreichte die für 2013/14 gesetzten Ziele im Bildungsbereich der Initiative „Big Results Now“: 11 Grundschulen sind unter den 100 besten des Landes. 98 Sekundarschul-Lehrkräfte bildeten sich fort in Sprachen, Mathematik und Naturwissenschaft. 2.248 Klassenräume, 148 Labore und 50 Lehrerhäuser wurden errichtet. Der Bau von 11 neuen Sekundarschulen wurde begonnen. Premier M. Pinda teilte mit, landesweit habe der Bildungssektor mit 81% die meisten für 2014 gesetzten Ziele im Rahmen der BRN-Initiative erreicht. Für die Wasserversorgung gab Pinda 80% Erfolgsquote an, für Energie 79%, für Landwirtschaft 77%, für Transportwesen 64% und für Ressourcen-Erschließung 54%.

Sansibar schafft ab Juli 2015 alle Beiträge für Grundschüler ab. Seit 2010 wurden 1.780 Lehrkräfte eingestellt und 299 Primarschulen errichtet. Die Zahl der Hochschul-Studenten stieg von 3.600 auf 6.000. Die OPEC unterstützte das Schulwesen mit $ 10 Mill.

Die früher häufigen Betrugsversuche bei Prüfungen gingen auf allen Ebenen zurück: Primarschulen 1 Ertappter (2011: 9.736), Sekundarschulen 184 ('11: 3.303), Hochschulen 3 (11). Der Nationale Examensrat erstellt jährlich eine Analyse, die Lehrkräften Hinweise auf Stärken und Schwächen gibt.

Daily News berichtete von einer 25-jährigen dreifachen Mutter, die die selbe Grundschule besucht wie ihre Kinder. Sie trat in die 5. Klasse ein und ist damit ihrer ältesten Tochter ein Jahr voraus. Sogar die üblichen Schläge mit dem Rohrstock auf die Hände akzeptiert sie als Zeichen ihrer vollen Schüler-Identität. Die eifrige Schülerin will Lehrerin werden. Die Meru-Schule in Arusha zählt insgesamt 20 heranwachsende und erwachsene Schüler/innen.

Mitglieder der Tanzania Forest Conservation Group auf Sansibar führten Grundschulkinder durch das Dole-Masingini-Waldschutzgebiet und pflanzten mit ihnen 2.500 Bäume, die die Kinder auch weiter betreuen. Eltern und Regierungsvertreter begrüßten die Initiative, da sie die Ressourcen der kommenden Generation bewahre. Fortschrittliche Lehrer der örtlichen Koranschule interpretierten den Umweltschutz als vom Koran gebotenes „Almosen“ und damit für jeden Muslim verbindlich.

Citizen 13.,14.04.; 13.05.15; DN 31.01.14; 12.01.; 17.04.; 29.04.; 24.05.; 06.06.15; Guardian 13.01.; 24.02.; 06.03.15

Kritische Stimmen

Vizepräsident G. Bilal hob hervor, nur eine qualitativ hochwertige Bildung auf allen Ebenen (Quality Education for All – QEA) könne vermeiden, dass die schnell wachsende Bevölkerung Afrikas zur Zeitbombe wird. Für 2050 werden in Ostafrika 400 Mill., in Schwarzafrika insgesamt 2 Mrd. Einwohner erwartet.

Der Citizen erinnert daran, dass etwa 90% der Politiker und Prominenten ihre Kinder auf Privatschulen im In- und Ausland schicken. Dies zeige, was sie von den schlecht ausgestatteten öffentlichen Schulen halten. Deren Probleme würden auch nicht durch ein neues Bildungskonzept gelöst.

Der Guardian zitiert das Motto der diesjährigen Bildungswoche „Bildung ist das Recht jedes Kindes“. Dieses Recht sei eklatant verletzt durch Klassenräume ohne Fenster, Türen und Bänke und, wenn sich je drei Schüler ein Lehrbuch teilen müssten.

Ein Kommentar des Guardian beklagt, dass Fähigkeit und Interesse am Lesen zurückgehen. Nur 60% der Schüler besuchten jemals die Schulbibliothek. Selbst Journalisten recherchierten mehr im Internet als in Büchern. Immer mehr Schulabgänger könnten nicht flüssig lesen.

Etwa 1,5 Mill. Kinder zwischen 11 und 18 Jahren besuchen keinerlei Schule. 13 Jahre nach Einführung der „Ergänzenden Grundbildung“ (Complementary Basic Education - COBET) für erfolglose Grundschüler sind von den 15 bis 19-Jährigen 16% der Mädchen und 15% der Jungen volle Analphabeten ohne jede Kenntnis im Lesen, Schreiben und Rechnen. Das COBET-Programm läuft noch bis 2016 und gilt vielen Mitwirkenden als ineffektiv. Das Bildungsministerium setzt nun auf die „Global Partnership for Education (GPE – www.globalpartnership.org; vgl. TI Feb. 2014). Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) meint, 58,5% der tansanischen Jugendlichen qualifizierten sich nicht für den Arbeitsmarkt. Nach dem UNESCO-Bericht für 2014 können 14 Mill. Tansanier/innen nicht lesen und schreiben. Das entspricht 33% der Bevölkerung (2002: 17%).

Die parlamentarische Opposition warf der Regierung vor, keine Konzeption für den Bildungsbereich zu haben und unzureichende Mittel einzusetzen. 67% aller Schulen seien 2014 nicht inspiziert worden. Investitions-Mittel seien nicht ausgezahlt worden. Prüfungsergebnisse würden einfach durch neue Benotungssysteme verbessert. Manche Prüfungsfragen seien unlogisch. Ein Abgeordneter bot jedem Professor im Haus TZS 10 Mill., der die Rechenaufgaben des letzten Grundschul-Examens zu 100% löse. Ein Professor der Uni DSM bedauerte, dass gewisse Mitglieder der Verfassunggebenden Versammlung nicht in der Lage waren, ihre Gedanken klar und zusammenhängend zu formulieren. Dies lasse das Bildungsniveau in einem bedenklichen Licht erscheinen.

Citizen 16.05.14; 13.02.; 09.03.; 02.06.15; DN 28.04.15; Guardian 20.;23.05.; 11.06.; 28.11.14; 12.05.; 04.06.15;

Ursachenforschung

Die Zivilorganisation Twaweza (www.twaweza.org) wies darauf hin, dass sich der Bildungshaushalt während der letzten Dekade verdreifacht hat, während die Qualität zurückging. Dies zeige, dass zu viel in quantitative Ausweitung und zu wenig in innovative Arbeitsformen und in Motivation der Mitarbeitenden investiert worden sei.

Das Legal and Human Rights Centre führte nach dem verheerenden Sekundarschul-Examen 2012 (61% fielen durch) eine Umfrage durch. Es fand folgende Ursachen des Qualitätsverlustes im Bildungsbereich:

  • Mangel an Lehrmaterial
  • Ungünstiges Arbeitsumfeld
  • Lehrermangel
  • Mangelhafte Aus- und Fortbildung der Lehrer
  • Geringe Motivation der Lehrkräfte wegen schlechter Bezahlung, ausstehender Gehälter, fehlender Anerkennung und armseliger Wohnbedingungen
  • Unzureichende Unterstützung durch die Eltern
  • Lückenhafte Überprüfung, besonder auf dem Land
  • Realitätsfremde Lehrpläne
  • Schulversäumen wegen weiter Schulwege, Kinderarbeit, Schwangerschaft und Initiationszeremonien

Das Bildungsministerium nennt als wichtige Ursachen für die Unzulänglichkeiten im Bildungsbereich:

  • Die Pro-Schüler-Zuweisungen an die Schulen laufen bisher über die Stadt- und Distriktsverwaltungen und werden nur verzögert oder teilweise ausgezahlt.
  • Die Höhe der Zuweisung wurde längere Zeit nicht mehr angepasst (TZS 10.000 für Grund-, 25.000 für Sekundarschulen)
  • Viele neu gegründete Schulen finden nicht genug qualifizierte Lehrkräfte. Die Regierung bezifferte das Defizit an Lehrkräften auf 43.441 Stellen. Daher stellte das Bildungministerium 2.700 naturwissenschaftliche, 11.795 einfache, 6.596 diplomierte und 12.666 akademische Lehrkräfte ein. Dazu kommen 10.625 neu eingestellte Labortechniker.
  • Es fehlen 140.812 Lehrerhäuser an Grund- und 56.520 an Sekundarschulen
  • An Grundschulen müssen sich 5, an Sekundarschulen 3 Schüler ein Lehrbuch teilen
  • In manchen ländlichen Gebieten fehlt es noch am Nötigsten. Im sansibarischen Parlament wurde von einer Schule berichtet, wo 200 Schüler in einem Raum auf dem Boden sitzen. Ein Lehrer unterrichtet, einer verfolgt das Benehmen der Schüler, einer fungiert als Zuchtmeister.
  • 1.882.313 Schulbänke fehlen in öffentlichen Schulen
  • Zu wenige Schulbücher werden von einheimischen Pädagogen geschrieben
  • Viele Sekundarschüler auf Sansibar scheitern in Examina an mangelnden Englischkenntnissen.

DN 28.04.; 11.06.15; Guardian 07.05.; 11.06.; 29.11.; 11.12.14;