Die ersten Wochen von „Mama Samia“ - 05/2021

Aus Tansania Information
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Die ersten Amtswochen von Präsidentin Samia Suluhu Hassan waren von vorsichtigen Tönen und einigen klaren Richtungsänderungen geprägt. Die durch den plötzlichen Tod ihres Vorgängers Magufuli aufgerückte bisherige Vizepräsidentin war am 19. März als neue Präsidentin vereidigt worden.

Die erste Frau an der Spitze des Staates und mittlerweile auch der Regierungspartei wird in der Presse oft mit ihrem Vornamen als „President (Rais) Samia“ bezeichnet, in Reden und Internetforen auch als „Mama Samia“. Fans belassen es bei „Mama“. Daneben hat sich schnell das Kürzel „SSH“ durchgesetzt, anstelle des bisherigen „JPM“ (John Pombe Magufuli).

Bei der Vereidigung der Staatssekretäre sowie ihrer Antrittsrede im Parlament machte sie eine Reihe von Ankündigungen und Anordnungen, die seither breit in den Medien diskutiert und interpretiert werden.

Sie legte großen Wert darauf, die Kontinuität zwischen sich und Magufuli herauszustreichen und benutzte dazu Formulierungen, die den Bibelleser an Johannes 10,30 erinnern. Zugleich setzte sie so deutlich andere Akzente, dass in Netzkommentaren der Magufulianhänger von Verrat die Rede war und viele Kommentatoren ein neues Zeitalter für Tansania heraufziehen sahen. Eine vielgeteilte Karikatur zeigt Hassan vor einem geöffneten Motor, der die Aufschrift „Made by JPM“ trägt. Mit beiden Händen greift sie in den Motor und wirft Lager, Kolben und Zahnräder im hohen Bogen hinter sich, währen die große Sprechblase ihr Originalzitat zeigt „Ich und Magufuli sind Ein und Dasselbe“ (Mimi na Magufuli ni kitu kimoja). Man wird bald sehen, ob sie mit zunehmender Absicherung ihrer Autorität diese Beteuerungen noch für nötig befinden wird. Sie wird weiterhin eine ambivalente Formulierung benutzen können, die dieser Tage auch oft wiederholt wurde: „Wir werden alles Gute weiterführen, das von Magufuli begonnen wurde“.

Der altgediente Journalist Jenerali Ulimwengu meinte dazu in einer Glosse, bisher habe Tansania jeden neuen Präsidenten mit großen Hoffnungen begrüßt, ob Mkapa, Mwinyi, Kikwete oder Magufuli. Man solle besser nicht in „Samiphilia“ verfallen. Auch sie sei eine CCM-Politikerin, die die Macht für ihre Partei behalten wolle. Die Teilhabe aller an Entscheidungen werde auch ihr abgerungen werden müssen.

East African 14.04., Observer (Uganda) + Voice of America 06.04.21

Umbesetzungen im Regierungsapparat

Bei der Regierungsumbildung direkt nach Amtsantritt war sie sehr behutsam vorgegangen. Auffällig war nur das umgehende Abschieben des Kabinettsekretärs und Magufulivertrauten Bashir Ali auf einen Parlamentssitz und 2 neue Gesichter im Justiz- sowie dem Außenministerium. Kein Minister wurde ganz entlassen, es gab einige Umbesetzungen, für einige auf eine Abseitsposition als Staatsminister im Präsidialamt. Anfang April erfolgte dann ein großer Eingriff mit der Umbesetzung von Staatssekretärsposten in den Ministerien; damit verstärkte sie ihre Machtbasis im Regierungsapparat, ohne in die Ämter der Politiker einzugreifen; in Tansania muss jeder Minister ein Abgeordneter sein. Sie ersetzte auch die Leiter einiger großer halbautonomer Behörden, wobei insbesondere die Versicherungs- und Rentenkasse NSSF, die Steuerbehörde TRA und der für Presse und Internet zuständige Kommunikationsregulierer TCRA zu nennen sind. TCRA war unter Magufuli durch Verhängung von Strafen und Entzug von Lizenzen als Zensureinrichtung ausgebaut worden. In der NSSF hatten sich Vorgängerregierungen mehrfach mit großen Geldentnahmen für Projekte bedient, von denen eine Reihe aufgrund Korruption und Fehlplanung als Investitionsruinen herumstehen, wobei auf der anderen Seite Ruheständler lange auf Rentenzahlungen warten müssen. Der jetzige Leiter der Steuerbehörde war unter Magufuli degradiert worden.

Steuer- und Wirtschaftspolitik

Eine der ersten deutlichen Ansagen von Hassan betraf die Arbeit der Steuerbehörden. Es dürfe keine gewaltsame Steuereintreibung mehr geben, die Betriebe zum Schließen zwingt. Firmen seien ins Ausland weggezogen, was auch dringend benötigte ausländische Investoren betreffe. Steuern müssten effektiv und höflich eingezogen werden, sie wolle keine Gewaltmethoden wie Kontensperrungen mehr sehen, die zur Geschäftsaufgabe zwingen. Ausländische Investoren würden Tansania für unberechenbar halten und wegbleiben. Auch die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen dürfe nicht mehr so langwierig und schwierig bleiben.

Einen großen Teil ihrer Rede vor dem Parlament widmete Hassan Maßnahmen, mit dem das Vertrauen von Investoren wiedergewonnen werden kann, das unabdingbar für wirtschaftliches Wachstum sei. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssten berechenbar und zuverlässig werden und die Arbeit der Behörden dürfe nicht abschreckend sein.

Sie kündigte an, umgehend die Verhandlungen über die Erdgasförderung vor der tansanischen Küste mit den Firmen Shell und Equinor (Norwegen) wiederaufzunehmen und zum Abschluss zu bringen.

Geändert werden müsse auch die Produktivität in der Landwirtschaft; Tansania habe den zweitgrößten Viehbestand Afrikas, erziele aber nur einen Bruchteil der Milch- und Fleischleistung anderer Länder. Die Ernteerträge pro Hektar seien nur ein Viertel des internationalen Durchschnitts.

Citizen 23.04., DN 06.04., Guardian 05.04 + 07.04.21

Umgang mit Opposition

Im Parlament kündigte Hassan an, sich demnächst mit Führern der politischen Parteien zu treffen, um mit ihnen über die Gestaltung der Demokratie zu sprechen. Freiheit und Demokratie seien Grundlage für inneren Frieden und unerlässlich für soziale und wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Führer von ACT-Wazalendo und NCCR begrüßten die Ankündigung; Chadema reagierte vorsichtig und wies darauf hin, dass sie in der Rede weder die Aufhebung des Verbotes politischer Versammlungen noch die neue Verfassung angesprochen hatte. Der leitende Bischof der Lutheraner, Shoo, kommentierte, dass er auf einen Prozess der Heilung politischer Wunden der Vergangenheit hoffe.

Medienpolitik und Zensur

Bei der Vereidigung des Staatssekretärs für Presse und Medien sowie des Leiters der TCRA sagte die Präsidentin, sie habe gehört, dass einige Medien geschlossen worden seien. Man solle sie wieder zulassen und sie darauf hinweisen, dass sie sich an die Gesetze halten sollen. Man solle Tansania nicht nachsagen können, dass es die Pressefreiheit beschränkt. – Sie fügte eine Ermahnung an die Distriktkommissare an, die in ihren Bereichen Kritik zulassen sollten, weil sonst die Probleme der Menschen in ihren Bereichen nicht erkannt und gelöst werden können. Sie kündigte Konsequenzen an, wenn jemand Menschen daran hindern würde, ihre Sorgen offen anzusprechen.

Einige Kommentatoren witterten die Ankündigung eines neuen Zeitalters der Meinungsfreiheit, während andere darauf verwiesen, dass die bisherigen Mediengesetze weitergelten, wie beispielsweise das Verbot der Veröffentlichung statistischer Angaben, die nicht von der Regierung stammen, oder die Pflicht, nur über vom Ministerium bekanntgegebene Krankheiten zu berichten. Die Vereinigung der Medienbesitzer sah einen guten Anfang und verwies auf die Notwendigkeit, die geltenden Gesetze zu überarbeiten.

Am folgenden Tag verkündete das Ministerium für Presse und Medien, dass die Anordnung der Präsidentin nur für 2 geschlossene Fernsehsender gelte, nicht aber für die 4 suspendierten Zeitungen. Im Netz folgten Kommentare, dass hier Überbleibsel von Magufulizeiten versuchten, die neue Richtung zu behindern. Die Betreiberin eines unter Magufuli geschlossenen Fernsehsenders Maria Tsehai Sarungi sagte, dass das Land Systemreformen brauche, da in der jetzigen Lage Präsidentenerlasse wie Gesetze betrachtet werden und man so immer von der Person abhängig sei, die gerade am Ruder ist.-

Citizen 23.04; Guardian 07.04., Mwananchi 07+22.04., Observer (Uganda) 06.04. + 09.04., Washington Post 07.04.21

CCM Vorsitz

Die neue Präsidentin wurde am 30. April zur Vorsitzenden der Regierungspartei CCM gewählt. Auf einem Sonderparteitag stimmten alle 1862 Delegierten für sie. Sie tritt die Nachfolge des verstorbenen John Magufuli an, der als Präsident ebenfalls Parteivorsitzender war. Damit hat sie eine wichtige Rolle übernommen, die ihre Machtposition verstärken wird. Das Ergebnis zeigt die Parteidisziplin der CCM. Wie lange diese anhält, wird man sehen. Aktuell besteht Unsicherheit, wieweit Hassan die Öffnung des politischen Lebens fortsetzen wird. Die größte Zahl an CCM-Abgeordneten im Parlament seit Jahrzehnten, nach der Wahl im Dezember, umfasst eine große Zahl von Neulingen, die ihre Position Magufuli verdanken, der ihnen die politische Konkurrenz durch Zensur und Wahlmanipulationen aus dem Wege geräumt hatte. Die Möglichkeit einer Wiederbelebung der Opposition dürfte zur einstweiligen Geschlossenheitsdemonstration beigetragen haben.

Sofort nach ihrer Wahl wurden Neu- und Umbesetzungen im Parteiapparat bekanntgegeben. Der bisherige Distriktkommissar von Dar es Salaam-Kinondoni, Daniel Chongolo, wurde Generalsekretär der CCM. Magufuli hatte bei seinem letzten öffentlichen Auftritt den Vorgänger Bashiru Ali zum Kabinettssekretär ernannt; Hassan entledigte sich seiner umgehend durch Ernennung zum Abgeordneten und Ernennung eines neuen Kabinettsekretärs. Das gleiche widerfuhr dem Parteisekretär für Ideologie und Propaganda, Humphrey Polepole, der bereits von Magufuli auf einen der dem Präsidenten zur Verfügung stehenden Abgeordnetensitze ernannt wurde. Seine Stelle in der CCM übernimmt jetzt ein Parteifunktionär, der erst im Februar von Magufuli suspendiert worden war. Zwei weitere Abteilungsleiter im Parteisekretariat, der Sekretär für Organisation und der stellvertretende Generalsekretär für den Bereich Festland, wurden abgelöst und durch Frauen ersetzt. Damit hat nach Meinung von Kommentaren Hassan Positionen im Parteiapparat besetzt, die sie zuverlässig auf ihrer Seite benötigt, falls sie eine eigene Präsidentschaftskandidatur für das Jahr 2025 anstrebt.

Citizen 30-04. + 01.05, East African 30.04.21