Covid und Politik - 03/2021

Aus Tansania Information
Version vom 13. März 2021, 14:47 Uhr von imported>Sysop (Die Seite wurde neu angelegt: „Die tansanische Innenpolitik war im Februar weithin von der steigenden Zahl von Erkrankungen und Todesfällen im Land und den mehr oder minder phantasievollen…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die tansanische Innenpolitik war im Februar weithin von der steigenden Zahl von Erkrankungen und Todesfällen im Land und den mehr oder minder phantasievollen Bemühungen der Regierungsstellen gekennzeichnet, diese nicht mit „Covid“ in Beziehung zu bringen. Am Wochenende 19.-21. Februar erfolgte dann ein jäher Kurswechsel, nach dem Vorsichtsmaßnahmen im öffentlichen Raum verstärkt propagiert werden.

Impfungen und Gemüsesaft

Nachdem Präsident Magufuli Ende Januar Covid-Impfungen für Ansteckungen verantwortlich gemacht und seine Institutionen vor der Übernahme ausländischer Impfstoffe gewarnt hatte, erklärte Gesundheitsministerin Dorothy Gwajima Anfang Februar, das Land habe nicht vor, ausländische Impfstoffe zu bestellen, solange man diese nicht eingehend auf ihre Eignung geprüft habe. Sie rief alle Tansanier auf, mit persönlicher Hygiene und dem Gebrauch einheimischer Naturmedizin den Nachbarländern ein gutes Beispiel zu geben, die schwer von der Covid-Pandemie getroffen sind. Naturmedizin sei nicht nur hilfreich gegen Covid, sondern gegen viele Erkrankungen. Die Ministerin ließ dann auf der Pressekonferenz demonstrieren, wie man aus Zitrone, Zwiebel, Knoblauch, Ingwer und Pfeffer ein Getränk herstellt, das bei täglich zweimaliger Einnahme nach amtlicher Feststellung sicher gegen Covid und andere Erkrankungen schütze. Sie legte Wert darauf, dass man Ingwer, Knoblauch und Pfeffer aus tansanischem Anbau verwenden solle, da diese geeigneter seien. Gwajima rief alle privaten, religiösen und politischen Organisationen auf, keine Informationen über Gesundheitsfragen zu verbreiten, die von den Richtlinien ihres Ministeriums abweichen. Im Anschluss wurde das Inhalieren mit Kräutermischungen vorgeführt.

Citizen 01.02., East African 01.02., Milliardyo 01.02.21

Kein Covid

Nach vermehrten Berichten über Todesfälle und erhöhte Covid-Sorgen brachte die Parteizeitung Daily News Anfang Februar einen ausführlichen Bericht über eine Inspektion Dar es Salaamer Krankenhäuser durch den Gesundheitsstaatssekretär Prof. Mabula Mchembe, der die Krankenhäuser nicht überfüllt antraf und keine Covid-Kranken identifizierte. Das zentrale Muhimbilikrankenhaus sei mit 1282 Patienten belegt gewesen, von denen lediglich 90 Atemwegerkrankungen hatten. Laut Daily News war damit klar, dass die Berichte in den sozialen Medien nicht zutrafen. Mchembe besuchte auch Krankenhäuser in Mwanza sowie Arusha und gab bekannt, er habe keine Covid-Patienten angetroffen. – Die Kommentare in sozialen Netzen hierzu waren überwiegend kritisch und bezichtigten ihn wahrheitswidriger Propaganda. – Mchembe erklärte in Mwanza auch, jedermann könne gerne Masken tragen, wenn er sich damit sicherer fühle. Masken seien nicht als Schutz gegen Coronaviren gedacht, wie oft behauptet wird, sondern allgemein gegen Erkrankungen, die auf dem Luftwege übertragen werden, wie beispielsweise Lungenentzündung.

DN 03.02., Jamiiforums 03.02., Mwananchi 06.02.21

Atemwegserkrankungen statt Covid

Staatliche Vertreter auf allen Ebenen mühten sich, die Welle von Erkrankungen unter Vermeidung des Begriffes „Covid“ zu erklären. Staatssekretär Mchemba als Mediziner gab die Sprachregelung vor, als er erklärte, die Öffentlichkeit solle nicht jede Erkrankung, die Probleme beim Luftholen auslöst, mit Corona in Verbindung bringen, vor allem nicht in den sozialen Medien. Das würde nur Ängste bei anderen auslösen. - Beim Besuch von Mchembe in Bukoba erklärte der neben ihm stehende Krankenhausdirektor, man habe keinen einzigen Covid-Fall, aber einige Fälle von Atemwegserkrankungen, die auf andere Ursachen wie Bluthochdruck und Übergewicht zurückgingen. - Der Regionalkommissar von Mtwara, Gelasius Byakanwa, forderte alle traditionellen Heiler seiner Region auf, sich bei ihm zu melden, wenn sie „Atemwegserkrankungen“ behandeln können. - Der Regionalkommissar von Mbeya Albert Chalamila griff auf seine Weise das Thema „volle Krankenhäuser“ in einem Grußwort auf und erklärte: „Manche Leute sagen, geht nicht ins Krankenhaus, das ist voll mit Kranken. Womit soll es denn bitte sonst voll sein? Die Kirche ist voller Gläubige, das Krankenhaus voller Kranker, die Kneipe voller Betrunkener, der Acker voller Bauern – was denn sonst?“ - Chalamila reagierte eine Woche später empfindlicher, als er für Mbeya die Benutzung von Lautsprecherwagen verbot, die die Leichenzüge zwischen Kirche bzw. Moschee und Friedhof begleiteten; sie würden Covid-Ängste in der Bevölkerung auslösen - Am 10. Februar nahm der medizinische Direktor im Gesundheitsministerium zur aktuellen Lage Stellung und forderte die Bevölkerung auf, sich gegen ansteckende Krankheiten wie Durchfall, Tuberkulose, Lungenentzündung, Grippe, Malaria oder Denguefieber zu schützen. Diese würden verursacht von Parasiten, Bakterien und Viren und könnten sich je nach Jahreszeit plötzlich ausbreiten. Die Bürger sollten sich durch persönliche Hygiene und Händewaschen unter fließendem Wasser mit Seife auf der Arbeit, in der Schule und den religiösen Versammlungsorten dagegen schützen. (den Ausdruck Covid benutzte er nicht. Red.) – Die Regionalkommissarin von Moshi, Anna Mghwira, versuchte, die Bevölkerung hinsichtlich der großen Zahl von Beerdigungen zu beruhigen. Die Begräbnisse kamen daher, dass viele Leute vom Kilimanjaro außerhalb leben und arbeiten würden, sich aber gerne in der alten Heimat bestatten ließen. Deshalb seien Beerdigungen am laufenden Band am Kilimanjaro normal. Es sei unwahr, dass dies auf Corona zurückzuführen ist. Die Berichte würden nur darauf abzielen, Angst in der Bevölkerung und besonders bei den Sportlern zu verbreiten, die zum Kilimanjaro-Marathon am 28. Februar kommen wollten. Mghwira unterstrich, dass der Bezirk Kilimanjaro sicher sei. – In der Küstenregion verhaftete die Polizei 4 Personen, die über soziale Netzwerke Nachrichten über Covid verbreitet hatten; alle 4 sind Funktionäre der Oppositionspartei Chadema.

Jamiiforums 21.02., 22.02.; ITV 22.02.21, Mwananchi 05.02., 10.02., 17.02., 22.02. 21

Ein bisschen Covid

Regierungssprecher Hassan Abbas erklärte gegenüber der BBC, Tansania habe Covid im Wesentlichen überwunden, aber es gebe hin und wieder Fälle durch Einreisen aus dem Ausland. „Wir können unsere Zeit nicht damit verbringen, Patientenzahlen bekanntzugeben, denn wir haben die Krankheit weithin unter Kontrolle“, sagte er.

Citizen 12.02.21

Entschuldigung für Covid-Warnung

Am 8. Februar unterrichtete der Rektor der Open University Elifas Tozo Bisanda alle Universitätsangehörigen, dass die Covid-Epidemie sich im Lande weiter ausbreite und schon viele Opfer gefordert habe. Die Krankheit sei bekannt und es gebe im Lande derzeit keine Behandlung dafür. Deshalb ordnete er an, alle Lehrveranstaltungen und Sitzungen nur noch online durchzuführen. Zugang zum Gelände gebe es nur noch in Ausnahmefällen, wobei die Maskenpflicht einzuhalten sei. - Das Ministerium für Bildung und Wissenschaft reagierte umgehend und teilte mit, dass Professor Bisanda nur seine Privatmeinung geäußert habe. Es ordnete an, dass der Universitätsbetrieb wie bisher weiterzulaufen habe. - Der Senat der Offenen Universität forderte daraufhin in einer Sondersitzung Bisanda auf, sich zu entschuldigen und bat die Regierung um Verzeihung für alle Unannehmlichkeiten, die entstanden waren.- Zur gleichen Zeit wie Bisanda hatte auch die Leitung der Sokoine-Universität für Agrarwissenschaften in Morogoro Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet und auf Maskenpflicht, Abstandhalten und Händewaschen hingewiesen. Sie war dabei allerdings diplomatischer vorgegangen und hatte das „C-Wort“ nicht benutzt. Es gab keine Gegenmaßnahmen.

Jamiiforums 08.02., 09.02., 11.02.: Nipashe 11.02.21

Covid im Parlament

Der CCM-Abgeordnete von Kawe (Dar es Salaam) Josaphat Gwajima, auch Bischof einer selbstgegründeten Pfingstkirche, rief im Parlament zur Überwindung der Furcht vor Covid auf. „Unsere Haltung gegen Impfungen und gegen Social Distancing ist richtig und wird uns an den richtigen Ort bringen.“- Lediglich der CCM-Abgeordnete von Mbulu, Zacharia Isaay, tanzte etwas aus der Reihe, als er seine Besorgnis über die vielen Fälle von „Lungenentzündung“ zum Ausdruck brachte und die Regierung bat, hierüber offen zu reden.

Citizen 16.02.21

Prominente Todesfälle im Februar

Die tansanische Presse berichtete ausführlich über die Todesfälle prominenter Tansanier, die sich im Februar häuften. Generell wurden keine Todesursachen angegeben, mit Ausnahme von Sansibars Vizepräsident Seif Sharif Hamad, der selber aus dem Krankenhaus seine Covid-Erkrankung mitgeteilt hatte, und des Abgeordneten Nditiye, der einen Autounfall hatte.

  • Benno Ndulu, 71 J., ehemaliger Gouverneur der Zentralbank, in USA promovierter Wirtschaftswissenschaftler, der von 2008 bis 2018 die Zentralbank leitete.
  • Servicius Likwelile, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Dar es Salaam, vormals Staatssekretär im Finanzministerium
  • John Kijazi, langjähriger Diplomat und Botschafter Tansanias, seit 2016 Generalsekretär des Kabinetts von Präsident Magufuli (die Position ist mit dem Kanzleramtsminister in Deutschland vergleichbar)
  • Seif Sharif Hamad, langjähriger Oppositionsführer in Sansibar und seit der Wahl Vizepräsident Sansibars im Rahmen der Regierung der Nationalen Einheit.
  • Muhammed Seif Khatib, sansibarischer Politiker und Vorsitzender des Swahilirates von Sansibar; langjähriger Abgeordneter, der auf nationaler Ebene Minister des Inneren, Minister für Unionsangelegenheiten und Kulturminister gewesen war.
  • Atashasta Nditiye, stellvertretender Kommunikationsminister von 2017-2020 und Abgeordneter
  • Bakari Mwapachu, ehemaliger Abgeordneter von Tanga und Justizminister sowie Sicherheitsminister
  • Gaudence Mpangala, Politikwissenschaftler, Professor der katholischen Ruaha-Universität in Iringa
  • Delphina Mamiro, Agrarwissenschaftlerin und Dekanin des Fachbereichs Pflanzenbau an der Landwirtschaftlichen Sokoine Universität in Morogoro
  • Peter Mamiro, ebenfalls Agrarwissenschaftler in Morogoro und ihr Ehemann
  • Regina Rweyemamu, Richterin am Obersten Gerichtshof in Dar es Salaam
  • Arthur Shoo, Generalsekretär der Norddiözese der Lutherischen Kirche in Moshi

Citizen 13.02, 17.02., 21.02., 22.02., 25.02.; Guardian 13.02.21, Mwananchi 17.02., 25.02. 21