Innenpolitik ‐ 02/2023

Aus Tansania Information
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Neuaufstellung im CCM-Sekretariat

Die regierende CCM hat ihre zentrale Verwaltung, das Sekretariat der Partei, neu besetzt. Damit hat sich Präsidentin Samia Suluhu Hassan nun auch als Parteichefin durchgesetzt und diese politische Schaltstelle mit ihrem Personal belegt. Samia hatte nach ihrer plötzlichen Amtsübernahme den damaligen Generalsekretär Ally Bashiru auf einen Parlamentssitz abgeschoben und Daniel Chongolo an seine Stelle gebracht. Chongolo behielt jetzt seine Funktion, aber seine beiden Stellvertreter und die meisten der Sekretäre, die für Fachbereiche der Partei zuständig sind, wurden ausgewechselt. Samia hatte im Dezember Veränderungen in Partei und Regierung angekündigt, um für die kommenden Wahlen in den Jahren 2024 (Regional- und Kommunalwahl) und 2025 (Parlaments- und Präsidentschaftswahl) bereit zu sein. Sie selber will offensichtlich 2025 wieder als Präsidentin antreten, was zu Beginn ihrer Amtszeit von Stimmen aus der Partei noch in Zweifel gezogen wurde.

Neben den Veränderungen im Sekretariat ließ Samia auch 6 neue Mitglieder ins Zentralkomitee der Partei berufen. Dabei kehrt auch der frühere Premierminister Mizengo Pinda in das Gremium zurück. Pinda war Premier unter Präsident Kikwete. Viele Beobachter meinen, dass sich Samia häufig auf Netzwerke ihres Vorvorgängers Kikwete stützt, die unter dem verstorbenen Magufuli ins Abseits geraten waren.

Citizen 15.01.2022

Aufhebung des Kundgebungsverbots

Anfang Januar hob Präsidentin Samia Suluhu Hassan das Verbot politischer Kundgebungen auf, dass ihr Vorgänger Magufuli im Jahr 2016 erlassen hatte und das nur während der offiziellen Wahlkampfperiode 2020 gelockert worden war. Magufuli hatte wenige Monate nach seiner Wahl Kundgebungen mit der Begründung verboten, das Land habe zu arbeiten und keine Zeit auf Versammlungen zu verschwenden. Das Verbot traf aber lediglich die Oppositionsparteien, die bei der Wahl Ende 2015 zahlreiche Abgeordnetensitze gewonnen und die CCM erstmals unter die 60-Prozent-Marke gedrückt hatten. Der Präsident, Regierungsmitglieder und hohe Funktionäre konnten bei Reisen im Lande immer unter der CCM-Flagge öffentlich auftreten und Reden halten.

In einem Land, wo die politische Kommunikation weithin nicht über Medien, sondern über direkte Begegnung verläuft, war damit der Opposition die Grundlage für ihre Arbeit genommen. Weiterhin wurden unter Magufuli auch Zeitungen und Internet zunehmend zensiert sowie mit Verboten und Geldstrafen aufgrund geänderter Gesetze belegt. Eine Reihe von Journalisten wurde entführt, von "Unbekannten" ermordet oder verschwand.

Die Aufhebung des Verbots wurde weithin begrüßt, wenn auch mit Vorsicht. Mehrere Kommentatoren wiesen darauf hin, dass Samia zur Zeit von Magufulis Verboten seine offizielle Stellvertreterin gewesen war, wiewohl sie in dieser Rolle allgemein als unbedeutend galt. Wenige mutige Juristen und Oppositionsvertreter hatten immer wieder darauf hingewiesen, dass das Verbot ohne rechtliche Grundlage war, da die tansanische Verfassung die Versammlungs- und Meinungsfreiheit garantiert. Es wurde dennoch von der Polizei zum Teil mit Schusswaffengebrauch durchgesetzt. Diese Maßnahmen erstreckten sich auch auf parteiinterne Treffen, es wurden sogar örtliche Sitzungen von Vorstandsgremien durch Verhaftungen unterbunden.

Samia erklärte jetzt bei einem Empfang mit Vertretern der 19 registrierten Parteien Tansanias, sie wolle vor der kommenden Wahl 2025 eine neue Seite aufschlagen und wies die Polizei an, alle Parteien friedliche und angemeldete Veranstaltungen ungestört durchführen zu lassen. Sie hatte mehrfach angekündigt, die gestörte nationale Einheit wieder herstellen und Versöhnung anstreben zu wollen. Sie war aber bisher, bei der von ihr angekündigten Öffnung sehr vorsichtig vorgegangen, da sie offenkundig Rücksicht auf Teile der Partei sowie zahlreiche Magufuliverehrer in der Bevölkerung Rücksicht nehmen musste. Sie stützt sich im Parlament auf die fast 100-prozentige CCM-Mehrheit, wobei zahlreiche Abgeordnete ihre vorher von der Opposition gehaltenen Sitze vermutlich der Wahlfälschung von 2020 verdanken.

Die Präsidentin kündigte auch eine Überarbeitung der Wahlgesetze an, wo es vor allem um die Gestaltung der Wahlkommission gehen dürfte. Sie gab auch die Diskussion über eine neue Verfassung frei, stellte sich dabei aber nicht hinter den seit 2015 vorliegenden Entwurf.

In Internetforen wurde ihre Rede als "endgültige Beerdigung des Erbes ihres Vorgängers" bezeichnet. Kommentatoren in der Presse verspürten einen "frischen Wind"

Eastafrican 04-01-2023 Citizen 03.01.2023 Jamiiforums 03.01.2023 Guardian 04.01.2023

Vorsichtige Zustimmung

Die Ankündigung Samias traf weithin auf Zustimmung. Nur in einigen Internetforen wagten sich Magufulianhänger mit negativen Kommentaren hervor. Die Reaktionen der Oppositionsparteien waren vorsichtig zustimmend. Ibrahim Lipumba als Vorsitzender der traditionsreichen Civic United Front (CUF) lobte die Präsidentin und forderte, dass jetzt als nächster Schritt umgehend die Schaffung einer wirklich unabhängigen Wahlkommission noch vor den Kommunalwahlen 2024 nötig sei.

Im East African meinte der altgediente Journalist Jenerali Ulimwengu, für das Tauwetter seien vor allem Präsidentin Samia und Chadema-Vorsitzender Freeman Mbowe verantwortlich, die in zahlreichen Gesprächen die Konfrontation zwischen CCM und Chadema abgebaut hatten. Er stellte aber in Frage, ob man einfach die Vergangenheit hinter sich lassen könne, als ob nichts geschehen sei. Er hält dies für unmöglich in Hinblick auf die Fälle, die zum Tod oder Verschwinden von Personen führten und die unter Magufuli nie aufgeklärt wurden. Auch die verantwortlichen Personen für die Wahlmanipulation von 2020 seien bekannt und nach wie vor in der Wahlkommission und in den hohen Rängen der Polizei im Amt.

Aus den Unterorganisationen der Chadema kam als Reaktion auf die Rede der Präsidentin die Forderung, nunmehr alle politischen Gefangenen freizulassen. John Pambalu, der Vorsitzende der Chadema-Jugendorganisation, würdigte, dass bereits 400 Verfahren gegen Mitglieder eingestellt und die Betreffenden entlassen wurden. Er verwies auch auf den Freispruch von 2 Mitgliedern in Shinyanga, die von der Polizei wegen bewaffnetem Raubüberfall und Vergewaltigung angeklagt und zu lebenslang verurteilt wurden, aber jetzt vom Obersten Gericht freigesprochen wurden. Es gebe aber nach wie vor mehrere Fälle, wo Funktionäre der Partei seit 2020 unter politischen Anklagen in Haft seien.

Citizen 05.+10.01.2023, East African 29.01.2023, Guardian 23.01.2023

Erste Kundgebungen der Oppositionsparteien

Nach der Rede der Präsidentin begannen in der 2. Januarhälfte die ersten öffentlichen Veranstaltungen der Oppositionsparteien. Die Chadema versammelte Tausende von Anhängern in ihrer Hochburg Mwanza. Hier war der Parteivorsitzende Freeman Mbowe 2021 beim Versuch festgenommen worden, an einem Kongress seiner Partei teilzunehmen, und anschließend unter Terrorismusanklage gestellt worden. Jetzt stellte er seine Rede unter das Motto "Kein Hass, keine Furcht". Die Hauptziele seiner Partei seien weiterhin die neue Verfassung und eine unabhängige Wahlkommission. Mbowe verteidigte seine Gespräche mit der CCM und der Präsidentin, die auch in Teilen der eigenen Partei auf Kritik gestoßen waren. Schließlich sei er persönlich es gewesen, der monatelange Haft und die Terrorismusanklage habe erdulden müssen, aber im nationalen Interesse sei er bereit gewesen, auf die Versöhnungsgespräche einzugehen. Er habe deshalb weder die Ziele der Opposition noch die Partei verraten.

Sprecher der Partei bedankten sich hinterher öffentlich bei der Polizei für die faire Begleitung und den Schutz der Veranstaltung. Eine Karikatur im Citizen zu der Veranstaltung zeigte einen Sarg mit der Aufschrift "Chadema", der von seinem Insassen geöffnet wurde.

Zwei Tage nach seinem Auftritt entschuldigte sich Mbowe für eine Wortwahl. Er hatte in Mwanza gesagt, es werde gar nicht so schwer sein, die CCM zu besiegen. Dazu müsse man keine Wissenschaft aufwenden, es reiche etwas Gerede, so als wolle man "ein Mädchen rumkriegen" (kutongoza demu). Abgesehen vom Machotonfall, der angesichts der Bemühungen um weibliche Wählerstimmen problematisch sein könnte, hatte diese Ausdrucksweise ihre eigene Brisanz, da der Entspannung zwischen den Lagern monatelang persönliche Gespräche zwischen Mbowe und Präsidentin Samia vorausgegangen waren.

Die andere größere Oppositionspartei ACT-Wazalendo, die auf Sansibar an der Regionalregierung beteiligt ist, kündigte für Februar eine Reihe von Kundgebungen an, mit deren Hilfe sie ihre Organisation in verschiedenen Landesteilen wieder aufbauen wolle.

Citizen 21.+ 24.01.2023, Mwananchi 23.01.2023

Tundu Lissus Rückkehr

Der Oppositionspolitiker Tundu Lissu kehrte am 25. Januar nach Tansania zurück und wurde von einer begeisterten Menschenmenge empfangen, die kilometerweit die Straße vom Flughafen in Dar es Salaam säumte. Lissu war bei der Wahl 2020 Präsidentschaftskandidat der Chadema gewesen und floh nach der Wahl mit Hilfe der deutschen Botschaft ins belgische Exil. Lissu war nach der Wahl 2015 einer der schärfsten Kritiker des damaligen Präsidenten Magufuli im Parlament gewesen. 2017 wurde auf ihn in Dodoma am helllichten Tage ein Attentat verübt, bei dem er mit 16 Kugeln schwer verletzt wurde. Die Täter wurden nie gefunden, einen offiziellen Bericht der Polizei gibt es bis heute nicht. Viele Beobachter vermuten aufgrund der Umstände und der Untätigkeit der Behörden die Täter in Sicherheitskreisen. Lissu wurde in Nairobi behandelt und begab sich anschließend für weitere Behandlung nach Belgien, wo er bis zur Wahl 2020 blieb. Nach der Wahl entzog er sich einer drohenden Verhaftung durch Flucht in die deutsche Botschaft, die ihn nach Verhandlungen mit der Regierung Magufuli schließlich zum Flughafen begleitete.

Lissu trat unmittelbar nach seiner Rückkehr auf einer Kundgebung seiner Partei in Dar es Salaam auf. Er kündigte an, er sei zurückgekommen, um beim politischen Neuanfang des Landes dabei zu sein und forderte eine neue Verfassung.

Beobachtern fiel auf, dass der Parteivorsitzende Freeman Mbowe nicht zur Begrüßung Lissus am Flughafen war und auch nicht bei der Kundgebung in Dar es Salaam erschien. Es hieß er habe einen anderen Termin gehabt. Lissu und Mbowe trafen später zusammen.

Citizen 25.+ 26.01. 2023