Bildungswesen: Primar- und Sekundarschulen - 07/2006
==Neue Bildungspolitik Sansibars==, vom Abgeordnetenhaus Sansibars verabschiedet: Schwangere Schülerinnen werden nach der Entbindung wieder zugelassen (bisher drohte u. U. Gefängnisstrafe); Schulpflicht bis Klasse vier (bisher bis Klasse zwei); Einschulungsalter sechs Jahre (bisher sieben); Kindergartenbesuch ab zweitem Lebensjahr (bisher ab viertem). (IRIN 1.2.06)
Zu den Lehrkräften
Wegen akuten Lehrermangels will die Regierung für die Sekundarschulen im Juli und August 5.793 Lehrkräfte neu einstellen. 3.500 Sekundarschulab-solventen mit gutem Notendurchschnitt bekommen einen einmonatigen Schnellkurs. Rekrutiert werden sollen auch 250 pensionierte Lehrkräfte, die tüchtig und dazu bereit sind, und 260 Universitätsabsolventen, auch solche ohne Pädagogikstudium. Weiterhin beschäftigen will man Lehrkräfte, die das Pensionsalter erreichen. Manche Schüler, die man im April in einer Sekundarschule aufnahm, genossen bis Mitte Mai noch keinen regulären Unterricht. (DN 4.4./20.6.06; Guardian 15.5.06)
Erziehungsministerin Sitta wies die Sekundarschul-Komitees an, neben dem Bau von Klassenzimmern auch dem von Lehrerhäusern Priorität einzuräumen. "Die Lehrkräfte wurden vernachlässigt, vor allem die auf dem flachen Land. Sie arbeiten dort unter schwierigen Verhältnissen." Manche weigerten sich, in dörflichen Regierungsschulen zu unterrichten; sie gingen lieber in Privatschulen. "Es ist höchste Zeit, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern", sagte sie. (Guardian 25.5.06)
Im Gebiet um den Viktoriasee ist der Lehrermangel besonders groß. Seit Anfang 06 bildet die Römisch-Katholische Bukoba-Diözese in einer pädagogischen Hochschule 120 Studierende, da-runter 50 Frauen, in einjährigen Kursen aus. Auch die ELCT-Nordwest-Diözese wird eine pädagogische Hochschule einrichten.
In diesen Regionen schießen private Sekundarschulen wie Pilze aus dem Boden. Sie locken Lehrkräfte mit hohen Gehältern an. In Mwanza war eine der ältesten privaten Sekundarschulen fast lahmgelegt, weil alle Lehrer vorübergehend streikten, 50 % Gehaltserhöhung forderten. Acht der 35 Lehrkräfte verließen die Schule unverzüglich, als die Schulverwaltung 20 % anbot. Endlich gab sie nach. Er frage sich, wie die neuen Schulen diese lukrativen Gehälter finanzieren, sagte der Schulleiter, denn das Schulgeld betrage pro Jahr maximal 150.000/- TSh. (DN 4.4.06)
Die Regierung rechnet damit, dass bis 2020 bis zu 27.000 Lehrkräfte infolge von AIDS sterben, jedes Jahr 3.600. Pro Jahr können 1.200 Lehrkräfte ausgebildet werden. Folglich wird die Klassenstärke ständig steigen. (IRIN 9.5.06)
Zum Lehrplan
Die Regierung plant, in Vor- und Primarschulen Arabisch unterrichten zu lassen. Angesichts der globalisierten Welt halte sie es "für nötig, ihre Einwohner mit den wichtigsten Geschäftssprachen auszurüs-ten", sagte die Direktorin einer pädagogischen Hochschule. "Wir können heute nicht mit der arabischen Gesellschaft kommunizieren, einfach, weil wir ihre Sprache nicht kennen." (Guardian 7.3.06)
Frankreich ist bereit, zusammen mit der tansanischen Regierung Lehrkräfte auszuwählen und auszubilden, die von 07 an in Primar- und Sekundarschulen Französisch als Nebenfach unterrichten. Absolventen der Universität sollen Kurzkurse angeboten werden. Viele Tansanier beantragten ein Stipendium, um Französisch zu lernen. Ende 06 sollen einige nach Frankreich gehen, später Französisch unterrichten. (Guardian 17./23.3./ 20.6.06)
Ab 2007 soll es in Primar- und Sekundarschulen Unterricht in Informations- und Kommunikationstechniken geben. (Guardian 20.6.06)
Bei einer vom Bildungsminis-terium iniierten Untersuchung stellte man fest, dass fast 30% der Primarschul-Kinder schon sexuelle Erfahrungen haben und dass viele Mädchen wegen Schwangerschaft oder weil sie HIV-positiv sind, die Schule vorzeitig verlassen. Deshalb beschloss die Regierung, in der Primarschule Sexualkunde einzuführen. Repräsentanten der Religi-onsgruppen, vor allem Anglikaner, Katholiken und Muslime, kritisierten die Pläne der Regierung, denn sie fördere die Unmoral. Sexualkunde sei eigentlich "Kondom-Unterricht". Erhiehungsministerin Sitta war gezwungen, die Einführung von Sexualkunde zu verschieben, bis man mit Religionsführern, Gesundheitsexperten und traditionellen Verantwortungsträgern beraten habe. (IRIN 1.6.06)
Der Tansanische Verband der Katholischen Frauen beklagte bei der Regierung, das Bildungsministerium zwinge die Lehrkräfte, den Kindern die Verwendung von Kondomen zu lehren, was Unterricht über Unzucht gleichkomme. (Msema Kweli 30.4.06)
Solomon Swallo, ehemaliger Bischof der ELCT-Südzentral-Diözese, riet der Regierung, in den Primar-, Sekundar- und weiterführenden Schulen Unterricht über Umweltschutz einzuführen. Das Land benötige viele Menschen, die für dieses Fach ausgebildet wür-den. (Msema Kweli 16.4.06)
Zur Schulpflicht
Bei einer Kundgebung im Monduli-Distrikt (Arusha-Region) stellte Lowassa den Eltern schulpflichtiger Kinder ein Ultimatum von sieben Tagen. Alle, die Kinder bis dahin nicht angemeldet hätten, würden 14 Tage inhaftiert, die betreffenden Kinder zum Schulbesuch gezwungen. Man hat-te Lowassa berichtet, von 150 schulpflichtigen Kindern seien 47 nicht eingeschult worden. (Guardian 21.3.06)
Im Ngorongoro-Distrikt (Arusha-Region) verlassen 40 % der Kinder die Primarschule vorzeitig, weil sie Vieh hüten müssen oder in jungen Jahren verehelicht werden. 13 Erziehungsberechtigte wurden 30-60 Tage inhaftiert, weil sie sich der Schulpflicht widersetzten. Lowassa sagte bei einer Kundgebung, die Maasai blieben rückständig, wenn sie ihre Kinder nicht einschulten. (DN 7.3.06)
Zur Schulspeisung
Eine Sekundarschule der Ruvuma-Region schloss vorzeitig, weil die Lebensmittelvorräte aufgebraucht waren. Wenn der Unterricht wieder beginnt, sollen Schüler und Schülerinnen je einen Sack Mais mitbringen. Schon bisher hatten sie Nahrungsmittel beigesteuert. Doch nun entsprachen die Eltern den Bitten der Schule nicht mehr. (Guardian 6.5.06)
Regierungsschulen der Tabora-Region, die wegen Versorgungsnot schließen müssten, bekamen vom Erziehungsministerium 182,3m/- TSh. Wiederholt waren Regierungsinternatsschulen dieser Region wegen ausstehender Schulden nicht mehr beliefert worden. Doch dieses Problem herrsche nicht nur in der Tabora-Region, so der Stellvertretende Minister. (DN 10.5.06)
Das Welt-Ernährungsprogramm (WFP) organisierte in Dar-es-Salaam, Dodoma, Kigoma und am Fuß des Kilimanjaro zu Gunsten eines Schulspeisungsprogramms einen Wohltätigkeitsmarsch und die Besteigung des Kilimanjaro mit internationaler Beteiligung. Die WFP-Schulspeisung soll weltweit 16 Mio. Kindern helfen. Premierminister Lowassa sagte, die Regierung werde dafür sorgen, dass jedes Schulkind jeden Tag eine Mahlzeit bekomme. "Aber das braucht etwas Geduld." (DN 10.5.06; Guardian 22.5.06)
Schulkinder sagten, die Schulspeisung werde sie von der Müdigkeit, die sie nachmittags überfalle, befreien, da könnten die meisten dem Unterricht nicht folgen, weil der Magen leer sei. Morgens sei alles ganz o. k. Ein älterer Lehrer sagte, er frage sich, warum die Regierung das Schulspeisungssystem aufgab. Er unterrichte seit 1974. Damals hätten die Kinder Bulgur bekommen. Die meisten verließen die Schule vorzeitig, weil sie nichts zu essen bekämen. Lowassa berichtete, das Schulspeisungsprogramm fördere den Schulbesuch vor allem in den Hirten-Gesellschaften. (Observer 18.6.06)
Zu Privatschulen
Präsident Kikwete sagte, die Privatschulen sollten ihr Schulgeld senken, damit viele Kinder Bildung erlangen könnten; sie dürften nicht als profitabwerfende Firmen geführt werden. Alle Privatschulen sollten qualifizierte Lehrkräfte einstellen und sich an den Lehrplan halten, um Entfremdung der Jugend zu vermeiden. "Es ist gefährlich, wenn jede Schule ihrem eigenen Lehrplan folgt", betonte er. (DN 31.1.06; Guardian 31.1./29.3.06)
Die Verwaltung eines Stadtteils von Dar-es-Salaam verfügte, 51 private Vor-, Primar- und Sekundarschulen müssten schließen, unter ihnen solche, die von Einzelpersonen, Stiftungen oder religiösen Organisationen geführt werden. Sie seien nicht regis-triert, hätten die für die Registrierung geltenden Regeln missachtet, ihre Klienten ausgebeutet, das Schulgeld sei unverschämt hoch, es fehle an Grundlegendem, was Hygiene, Sicherheit, Lehrmittel und Ausstattung angehe. Die Bildungsbeauftragten der Sprengel müssen die Schulen ihres Gebietes nun täglich inspizieren, sicherstellen, dass sie wirklich schließen. Eine dieser Sekundarschulen hat nur 85 Kinder; es heißt, die Räume, ursprünglich für Hühnerzucht gebaut, seien unzumutbar, es fehle an sauberem Wasser, geeigneten Lehrkräften u.a. Einige Schulen ließen sich daraufhin ordnungsgemäß registrieren.
Bisher ergriff die Regierung Maßnahmen gegen 670 private, illegal errichtete Schulen. (Guardian 24./27.5./2./3./ 20.6.06)
Das Bildungsministerium gab bekannt, welche Bedingungen für die Registrierung einer Schule gelten und welche Maßnahmen man gegen jene ergreife, die sie nicht erfüllten, was bei vielen der Fall sei. Z. B. werde man Sekundarschulen u. U. zwei Jahre nach Inbetriebnahme die Aufnahme in ihre Eingangsklasse verbieten. Einige kirchliche Sekun-darschulen und Seminare, die sich nicht auf religiösen Unterricht konzentrierten, würden in säkulare verwandelt. Jede einzügige Schule muss auf ihrem Gelände mindestens vier Klassenzimmer, ein Büro- und ein Vorratsgebäude, ein Labor, Toiletten und drei Lehrerhäuser haben. (DN 16.6.06)
Kommentar: Seit der Liberalisierung wird die Bildung kommerzialisiert. Vor allem in den Städten entstehen viele Privatschulen. Jede umwirbt die Eltern, indem sie Besonderheiten ihres Lehrplans anpreist, was natürlich seinen Preis hat. Die Plakate an den Bushaltestellen sind unübersehbar. Die Regierung muss kontrollieren, denn es könnte sich um Schwindelei handeln. (Guardian 12.4.06)
Zu Schulbau und -einrichtung
Die Regierung verbot, Primar- in Sekundarschulen umzuwandeln, was immer häufiger geschehe, weil die Gegebenheiten besonders gut seien. Auch Primarschulkinder bräuchten gute Gegebenheiten, so Bildungsministerin Sitta. (Guardian 18.4.06)
Für den Bau einer modernen Primarschule nahe bei Makunyuni (Arusha-Region), die von Kindern der Hirten-Gesellschaften besucht werden soll, gaben Spender 2,2mrd/- TSh. Die Schule bekommt elektrischen Strom und Einrichtungen, um das Regenwasser aufzufangen. (Arusha Times 13.5.06)
Den neu gegründeten Schulen des Kondoa-Distrikts (Dodoma-Region) fehlt es an den wichtigsten Dingen, an Lehrbüchern, Lehrkräften, Labors. In einer Schule müssen die Eltern pro Kind 18.000/- TSh für Stuhl und Tisch bezahlen. Für die 160 Kinder stehen nur zwei Lehrkräfte zur Verfügung. (Guardian 17.5.06)
Die Dodoma-Region wird allen erfolgreichen Primarschulabsolventen einen Platz in einer Sekundarschule anbieten. Sie richtete einen Fonds ein, in den jeder Erwachsene mindestens 5.000/- TSh einzahlt; von Wohlhabenden wird mehr erwartet. Mit diesem Geld will man Baumaterial, Tische und Stühle bezahlen. Obwohl die Region 24 neue Sekundarschulen errichtete, steige die Anforderung ständig, sagte der Regional Commissioner. Im Augenblick hat die Region 76 Sekundarschulen (19 davon privat). (DN 20.4.06)
Zur Hygiene
In Kinondoni, einem Stadtteil Dar-es-Salaams, gibt es laut einer Untersuchung in 83,4 % der Primarschulen für je 250 Kinder nur eine einzige Toilette. Für tragbar hält man, wenn es eine Toilette für je 80 Kinder gibt. Die meisten Kinder, vor allem die in Klasse eins, könnten nicht lange anstehen; sie erleichterten sich irgendwo auf dem Gelände. Mangel an Toiletten und Wasser sei eine der Hauptursachen dafür, dass viele die Schule schwänzen oder vorzeitig verlassen. Die meisten Mädchen kämen während der Menstruation nicht in die Schule, weil sie sich genierten, oder sie flüchteten in Gästehäuser und Kneipen. Außerdem seien die Toiletten sehr unsauber, sie würden nur einmal am Tag gereinigt. Die Schulleitung weise die Kinder an, Wasser von zu Hause mitzubringen. Doch wegen des Wassermangels ließen die Eltern das nicht zu. (Guardian 6.3.06)
Unruhen
Schüler der Njom-be-Sekundarschule fordern bessere Verköstigung und Erklärungen zur Verwendung von Projektmitteln und Stipendien. Sie verwüsteten Schuleigentum im Wert von 2,5m/- TSh. Elf von ihnen wurden festgenommen. Die Polizei untersucht die Hintergründe des Vorfalls. (Guardian 4.5.06)
Zu Förderkursen vor der Sekundarschule
Gerechtkeitshalber verbietet das Erziehungsministerium sog. 'pre-form one courses'. Sie sind in Dar-es-Salaam und anderen größeren Städten jetzt sehr verbreitet. Erziehungsministerin Margareth Sitta sagte, Zuwiderhandelnde würden streng bestraft. Die Schulinspektoren müssten die Namen der Schulen vorlegen, die solche Kurse anbieten, wobei es sich vor allem um Privatschulen handle. Es sei nicht richtig, Primarschulabsolventen zu zwingen, etwa ein Jahr lang Kurse zu besuchen, ehe sie für die Sekun-darschule qualifiziert seien, und dafür 150.000/- bis 200.000/- TSh zu verlangen. Das vergrößere die Kluft zwischen Armen und Reichen. Auch in den 90er Jahren, als der Nachhilfeunterricht blühte, sei Geldgier der Beweggrund gewesen. (Guardian 12.4.06)
Zur Kritik einer NRO
<Siehe Tans.-Inf. 12/05 S. 7> 2005 äußerte die NRO Haki Elimu, das Primarschulentwicklungsprogramm (PEP) sei nicht so erfolgreich gewesen, wie behauptet werde. Das Erziehungsministerium verlangt von Haki Elimu eine Entschuldigung dafür, dass sie die Regierung lächerlich gemacht habe; erst dann dürfe sie wieder aktiv werden. Ende 05 war die NRO verboten worden, denn ihre Anzeigen hätten die Lage des Bildungssektors verdreht dargestellt. In einer Erklärung von Haki Elimu heißt es, man sei nicht bereit, sich zu entschuldigen, denn man habe sorgfältig recherchiert, wolle niemanden lächerlich machen, nur auf Probleme hinweisen, damit die Zuständigen Abhilfe schaffen könnten. Die Regierung beauftragte einen Sonderausschuss mit der Untersuchung der Angelegenheit. (Guardian 6./7.4./10.5.06)