Aus der Gesellschaft ‐ 05/2023

Aus Tansania Information
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Katholiken für Rechtsgleichheit

Die katholische Bischofskonferenz sprach sich für eine Abschaffung der Regelungen zur Immunität der hohen Amtsträger Tansanias aus. Laut Verfassung kann ein Präsident nicht wegen Verfehlungen im Amte jeglicher Art verklagt werden. Dies gilt auch nach Ablauf seiner Amtszeit. Unter dem vorherigen Präsident Magufuli wurde diese Immunität per Gesetz auf seine Stellvertreter, den Ministerpräsidenten, Parlamentspräsident und Stellvertreter sowie den Obersten Richter ausgeweitet. Nach Ansicht der Bischofskonferenz stehen diese Bestimmungen im Widerspruch zum Verfassungsgrundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz.

Mwananchi 24.03.2023

Ehealter

Mehrere Kinderrechtsorganisationen verlangen von der Regierung, das Ehegesetz von 1971 so zu ändern, dass das Mindestalter von 18 Jahren verpflichtend bei der Eheschließung ist. Bisher sieht das Gesetz vor, dass Männer 18 und Frauen mit Zustimmung der Eltern mindestens 15 Jahre alt sein müssen, aber das Gesetz erlaubt den Gerichten auch, Ausnahmen zuzulassen. Das Ehegesetz steht im Widerspruch zum Kinderschutzgesetz, dass alle Personen unter 18 Jahren als Kinder definiert. Im Jahre 2019 forderte das oberste Gericht den Staat auf, das Ehegesetz zu ändern. Diese Änderung ist bisher durch Verzögerungen im Parlament noch nicht abgeschlossen.

Im Gegensatz dazu hatte der offizielle Islamverband Bakwata im März gefordert, unter Aufsicht der Gerichte die Ehe für jüngere Mädchen weiterhin zu ermöglichen. Bakwatajurist Hassan Fatiu meinte, dass man den Gerichten hier einen Spielraum zugestehen müsse. Was solle es denn helfen, einer Zwölfjährigen, die die Schule abgebrochen hat, die Eheschließung zu verweigern? Das sei nur der sichere Weg zu einer minderjährigen unehelichen Mutter oder sogar in die Prostitution. Er sei nicht für eine generelle Zulassung der Ehe für dieses Alter, aber man müsse immer den Einzelfall prüfen. Das sei am besten durch das Gericht zu entscheiden.

Guardian 26.04.2023, Mwananchi 28.03.2023

Sittenalarm

Einige Abgeordnete im Parlament forderten die Einführung der Todesstrafe für Homosexuelle. Damit hat eine seit Februar in Tansania eingesetzte Debatte einen neuen Höhepunkt erreicht. Sie kann sicher auch als Reaktion auf das neue Gesetz in Uganda verstanden werden, das die Todesstrafe für homosexuelle Handlungen vorsieht, aber noch nicht vom dortigen Präsidenten unterschrieben wurde.

Bei den Etatberatungen im Parlament brachten mehrere Abgeordnete das Thema Homosexualität auf. Der Abgeordnete Ahmad Katani aus Tandahimba sprach sich für strengere Gesetze aus, man müsse die Homosexuellen aufhängen. Er forderte auch eine medizinische Untersuchung aller männlichen und weiblichen Parlamentarier auf Homosexualität. Man könne kein Gesetz verabschieden, das Bürger zu medizinischen Untersuchungen verpflichtet, wenn die Abgeordneten nicht mit gutem Beispiel vorangingen.

Der Abgeordnete Sanga aus Makete forderte das Parlament auf, Schritte zu unternehmen, um Sodom und Gomorrha abzuwenden. Sonst würde in 30 Jahren die Hälfte des Parlaments aus Homosexuellen bestehen. Ein Zwischenrufer warf ein, dass es bereits jetzt im Parlament welche geben soll.

Mehrere Abgeordnete drückten ihre Sorge über die Zukunft aus. Gottes Auftrag sei es, Kinder zu zeugen. Für wen mache man denn die ganzen Pläne, die im Haushalt stehen, wenn es hinterher durch die eingeschlechtliche Ehe keine Kinder mehr gibt?

Die Abgeordneten zitierten ausgiebig Bibel, Koran und Hadithen (Aussprüche des Propheten Mohammed), wobei sich die Geschichte von Sodom und Gomorrha religionsübergreifend als populär erwies. Abgeordnete forderten die Regierung auf, sich auf keinerlei ausländische Programme einzulassen, die die Akzeptanz von eingeschlechtlicher Ehe oder Homosexualität im Allgemeinen zur Bedingung für die Gewährung von Hilfsgeldern machen. Einige Abgeordnete fragten, wofür man denn hier Zukunftspläne diskutiere, wenn es demnächst durch Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe keine Kinder mehr geben werde.

Auch der Premierminister äußerte sich zur gleichgeschlechtlichen Ehe, die nach Kultur, Moral und den bestehenden Gesetzen verboten sei. Alle staatlichen Organe hätten die Aufgabe, gute Sitten und die Kultur zu schützen. Die Regierung höre die Besorgnisse und werde Schritte ergreifen.

Parlamentspräsidentin Ackson rief die Abgeordneten auf, die Debatte wieder auf den Haushalt zu konzentrieren. Die Regierung solle einen Bericht vorlegen, ob das Problem Homosexualität tatsächlich größer geworden sei. Bisher seien keine Zahlen bekannt.

In Tansania war das Thema erneut in die Öffentlichkeit gekommen, als sich der Generalsekretär des Elternverbandes der Regierungspartei CCM im Februar gegen angebliche Pläne wandte, Grundschulkinder „Homosexualität zu lehren“. Eine entsprechende Rede wurde in den sozialen Medien breit kommentiert. Wenig später sprach das Erziehungsministerium ein Verbot von importierten Kinderbüchern aus, die in einigen englischsprachigen Privatschulen als Lektüre benutzt werden und in denen angeblich die eingeschlechtliche Ehe propagiert wird.

Im Netz wird die Diskussion mit mäßiger Intensität seit längerem geführt, wiewohl hier keine vollständige Einhelligkeit der Meinungen vorliegt. Es finden sich hier nebeneinander Klagen über den Untergang der Nation infolge von Sittenverfall, Aufrufe zu Lynchjustiz gegenüber Homosexuellen wie auch Anregungen, das Thema etwas ruhiger anzugehen. Politisch geübte Geister verweisen darauf, dass Menschenrechtsorganisationen in „imperialistischen Ländern“ angesiedelt sind, woraus sich die Propagierung von Homosexualität als neuerliche Methode zur Verminderung der Bevölkerung und damit Schwächung Afrikas entlarven lasse. Auch weniger pointierte Stimmen wiederholen immer wieder, dass Homosexualität ein „westlicher Import“ sei, die es in Afrika früher nie gegeben habe und der afrikanischen Kultur und Ethik fundamental entgegenstehe. Westliche Regierungen wollen demnach die Afrikaner unter dem Vorwand der Menschenrechte dazu zwingen, der gleichgeschlechtlichen Ehe zuzustimmen. Dafür würden auch finanzielle Druckmittel eingesetzt. Regelmäßig findet sich auch der Bezug auf „die heiligen Bücher“, wonach alle Religionen hier ein Verbot hätten.

Das Thema ist derzeit so angespannt, dass sich in der Öffentlichkeit keine identifizierbare Stimme gegen die aktuelle Stimmungsmache finden lässt. Als 2018 unter Magufuli der damalige Regionalkommissar von Dar es Salaam zur Jagd auf Homosexuelle aufforderte, hatte die sansibarische Rechtanwältin Fatma Karume noch erklärt, sie werde jederzeit für die Rechte von Homosexuellen kämpfen, die ihnen wie jedem anderen Bürger zustehen. Das Außenministerium hatte nach empörten Reaktionen im westlichen Ausland erklärt, der Regionalkommissar habe nur seine Privatmeinung und nicht die Regierungslinie zum Ausdruck gebracht. Der Chademapolitiker und spätere Präsidentschaftskandidat Tundu Lissu hatte damals zum Thema gemeint, dass es von der CCM als Ablenkung vom eigenen Politikversagen aufgebracht werde, und ansonsten die Privatsphäre von der Verfassung geschützt sei. Parlamentspräsidentin Acksons Versuch, das Thema aus dem Parlament an die Regierungsstatistik weiterzugeben, war jetzt der engagierteste Versuch zur Beruhigung.

Citizen 12.04.2023, East Africa TV 12.04.2023

Festpredigten

An Karfreitag und Ostern nahm laut Zeitungsberichten der Sittenverfall eine wichtige Stelle in den Festtagspredigten in Tansania ein. Der lutherische Bischof Mdegella in Iringa kritisierte als wohltätig registrierte Organisationen, die gleichgeschlechtliche Tendenzen propagieren würden. Ostern sei ein Anlass für Christen zum Nachdenken über die Erziehung ihrer Kinder und darüber, was sie gegen den moralischen Verfall tun können. Der anglikanische Bischof Hotay in Arusha forderte die Regierung zum Vorgehen gegen Homosexualität auf. Bischof Minder von der katholischen Diözese Moshi forderte die Tansanier allgemein auf, sich gegen schlechtes Verhalten auszusprechen, das beschämend für die Schöpfung und das Sakrament der Ehe sei. In Monduli sprach sich Distriktkommissar Nassari im Gottesdienst für ein Zusammenwirken aller gesellschaftlichen Kräfte gegen die Ausbreitung der Homosexualität aus.

Auch der lutherische Bischof Malasusa von Dar es Salaam befasste sich ausführlich mit der Bedrohung durch die gleichgeschlechtliche Ehe, die er als Kampf der Finsternis gegen das Licht bezeichnete. Diese Form der Ehe werde seit dem Jahr 2000 mit großem Aufwand propagiert. Er frage sich, warum hier dauernd von Menschenrechten geredet werde, wenn es doch zuerst ein Recht Gottes als Schöpfer am Menschen gebe, der den Menschen nun einmal als Mann und Frau geschaffen und zur Ehe bestimmt habe.

Demgegenüber kam der leitende lutherische Bischof Shoo in seiner Osterpredigt anscheinend ohne dieses Thema aus. Er sprach sich gegen die Gewalt gegenüber Kindern aus und kritisierte Morde und die Veruntreuung öffentlichen Eigentums durch Amtsträger.

Guardian 08-04-2023, Mwananchi 09.04.2023

Bücherverbot für Schulen

Das regionale Erziehungsministerium für Sansibar hat die US-amerikanische Kinderbuchserie „Diary of Wimpy Kid“ für den Einsatz in englischsprachigen öffentlichen und privaten Schulen verboten. Sansibar folgte damit einem Verbot, das bereits im Februar auf dem Festland erlassen worden war. Es gab in beiden Fällen keine weitere Begründung, außer dass die Bücher unmoralisch seien. In Tansania (aber anscheinend nur hier) wird die Serie der Propagierung der Homosexualität bezichtigt. Die in Deutschland unter der Bezeichnung „Gregs Tagebuch“ verkaufte Buchserie gehört derzeit zu den international erfolgreichsten Kinderbüchern. In einem Diskussionsstrang auf Jamiiforums wurde von einigen Eltern die Auffassung vertreten, dass das Ministerium im Februar einer Falschmeldung auf WhatsApp aufgesessen sei, wo eine Seite eines ausländischen Buches über Sexualaufklärung als Zitat aus der Kinderbuchserie gezeigt wurde.

Jamiiforums seit Februar 2023, Mwananchi 29.04.2023