Aktuelles: Regierung und Staatsführung – 12/2019

Aus Tansania Information
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Haushalt 2020/21 im Parlament

Finanzminister Dr. P Mpango präsentierte dem Parlament den Haushaltsentwurf für 2020/21 mit Einnahmen und Ausgaben von TZS 34,36 Bill. / € 13,744 Mrd.; die Budget-Summe steigt damit um 3,8% an. Der Minister erwartet Inlandseinnahmen aus Steuern, Gebühren, Abgaben und Dividenden von TZS 23,4 Bill.; Entwicklungspartner sollen TZS 154 Mrd. für Haushaltshilfe, 173 Mrd. für Vorhaben einzelner Ministerien und 942 Mrd. für Projekte der Zentralregierung beisteuern. Der Rest von etwa TZS 8,5 Bill. soll aus Krediten von Weltbank, Afrikanischer Entwicklungsbank, Geberländern und kommerziellen Anleihen aufgebracht werden.

Die laufenden Ausgaben werden mit TZS 21,6 Bill. beziffert (€ 8,5 Bill.,+ 4,7%, entsprechend 13,7% des Bruttoinlandsprodukts), die Entwicklungsinvestitionen mit TZS 12,6 Bill. (€ 4,9 Bill., 8% des BIP). Die wichtigsten Entwicklungsprojekte:

  • Das hydroelektrische Nyerere-Kraftwerk am Rufiji-Fluss mit 2115 Megawatt Leistung
  • Weiterbau der Zentralbahn in Normalspurbreite bis Dodoma. Die Teilstrecke DSM – Morogoro soll 2020 fertiggestellt werden.
  • Air Tanzania wird 2020 zu den vorhandenen sieben weitere vier neue Flugzeuge erhalten. Ihre Schulden sollen verringert werden. Das Nationale Transportinstitut soll eine Pilotenschule betreiben.
  • Bisher verzögerte Projekte wie die Uganda-Ölpipeline, Kohleabbau in Mchuchuma, Eisengewinnung in Liganga und die Gasverflüssigungsanlage in Lindi sollen in Angriff genommen werden.
  • Das BIP soll um 7,1% wachsen.

Die Opposition forderte, die Regierung müsse die einzelnen Haushaltsposten wie beschlossen ausgeben und dürfe Gelder nicht mehr willkürlich verschieben. Die für Landwirtschaft vorgesehenen Gelder seien zu gering, zumal im Finanzjahr 2018/ 19 von den geplanten TZS 98 Mrd. nur 41 Mrd. tatsächlich angewiesen wurden. Im laufenden Haushaltsjahr habe das Landwirtschaftsministerium von TZS 100 Mrd. erst 2 Mrd. erhalten. Das Ministerium für Viehzucht und Fischerei habe erst 3% seines Budgets bekommen. Dies widerspreche dem Maputo-Abkommen, demzufolge alle afrikanischen Staaten 10% ihrer Ausgaben für Landwirtschaft und Ernährung aufwenden.

Der Vorsitzende des Ausschusses für Bevölkerung und Entwicklung F. Mwakibete erklärte, Tansania habe sich bei einem Netzwerk-Treffen in Kampala zu wichtigen Zielen bei der Familienplanung verpflichtet:

  • Die Nachfrage nach modernen Kontrazeptiva zu befriedigen (Bisher verwendeten 39% solche Methoden, 2020 sollten es eigentlich 60% sein).
  • Die vermeidbaren Todesfälle von Müttern auf null zu reduzieren und in allen Gesundheitsstationen kompetente Geburtshilfe anzubieten.
  • Ebenso die Fälle von geschlechtsbezogener Gewalt, namentlich Kinderehen und weibliche Geschlechtsverstümmlung.
  • Alle Gesundheitsdienste müssten jugendfreundliche Beratung zur Reproduktionsgesundheit anbieten (bis dato sind es 30%).

Die Abgeordneten erhielten je einen Tablet-Computer, der alle Dokumente und Informationen übermittelt. Dadurch sollen die jährlichen Druckkosten des Parlaments um TZS 1 Mrd. auf TZS 200 Mill. / € 80.000 sinken.

Citizen 06.11.19; DN 07.11.19; Guardian 05.,06.11.19; Mwananchi 05.11.19

Bürgerrechte, Demokratie-Diskussion

Innenminister K. Lugola drohte allen, die über Soziale Medien die Regierung schlecht machten: man werde sie ausfindig machen und nach dem Gesetz über Internetverbrechen bestrafen. Die Tage des Twitter-Nutzers @kigogo2014, der viel Anklang findet, seien gezählt. Die Anwältin F. Karume, die mit Berufsverbot in TZ-Festland belegt ist, sagte in einem Interview, die Bürger, die Präsident Magufuli gewählt haben, hätten das Recht, ihn zu kritisieren und müssten es verteidigen. Dies habe nichts mit Aufwiegeln zu tun.

Premier Majaliwa versicherte, das neue Gesetz zu den NROs werde die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Regierung stärken und schwarze Schafe aussondern. NRO-Sprecher befürchteten, dass neue organisatorische und finanzielle Auflagen kleinere NROs in ihrer Existenz gefährdeten. Dr. Eyakuze von der Fürsprache-NRO „Twaweza“ betonte, politische Aufklärung und Fürsprache seien ebenso entwicklungsrelevant wie wohltätige Aktivitäten.

Ein Sprecher des Tansanischen Bürgerbüros TCIB bezweifelte, dass die Regierung auf die Forderungen von Amnesty International nach Bürgerbeteiligung und demokratischen Freiräumen eingehen wird. Die Rechtsverletzungen geschähen nicht versehentlich, sondern planvoll. Ein Sprecher des Verfassungsforums TCF meinte, keine Regierung präsentiere ihren Bürgern Freiheit auf dem Silbertablett. Die Bürger müssten ihre Rechte aktiv von den Herrschenden einfordern.

Der CCM-Sprecher für Internationale Angelegenheiten sagte, in Tansania würden keine Menschenrechte verletzt. Auch das Ausland erkenne dies an; daher hätten die USA nach langer Vakanz wieder einen Botschafter für Tansania ernannt. Das Land könne nicht auf ausländische Empfehlungen eingehen, die die Nation spalten und ihre Entwicklung hemmen wollten.

Der Verlag Mwananchi Communications pflanzte einen Baum zum Gedenken an den seit drei Jahren „verschwundenen“ Journalisten Azory Gwanda. „Reporter ohne Grenzen“ forderte erneut, den Journalisten Erick Kabendera freizulassen. Er sei krank und seit August in Untersuchungshaft. Die Anklage habe keinerlei Beweise für seine angeblichen kriminellen Handlungen.

Die zivilgesellschaftliche Organisation „Twaweza“ musste eine Pressekonferenz „aus Gründen außerhalb unseres Einflusses“ absagen. Sie wollte über eine Umfrage zur Bedeutung der Pressefreiheit informieren. Dieser zufolge finden 82% der Tansanier/innen, dass die Medien eine sehr wichtige Aufgabe haben, 67% wünschen stetige Berichte über Korruption und Verwaltungsmängel. 44% denken, einflussreiche Leute bedienten sich der Polizei, um Journalisten zum Schweigen zu bringen, 56% halten dies für unwahrscheinlich.

In der Diskussion, ob Tansania als demokratisches Land gelten kann, zeichnen sich drei Positionen ab: Opposition und kritische Politologen meinen, die Regierung habe die Kontrollinstanzen (Parlament, Rechtswesen, Presse, Generalkontrolleur) weitgehend gleichgeschaltet. Auch die regierende CCM dulde regierungskritische Äußerungen und alternative Vorschläge aus den eigenen Reihen nicht mehr. Andere Kommentatoren sehen das Grundproblem in der Verfassung von 1977, die dem Präsidenten zu viel unkontrollierte Macht einräume. Schließlich meint der Politologe B. Bana, prinzipiell müsse Macht kontrolliert werden, aber angesichts der politischen „Unreife“ des Landes seien für eine gewisse Zeit umfassende Vollmachten des Präsidenten vertretbar.

Der Bischof der lutherischen Küstendiözese Dr. Malasusa sagte bei einer Konferenz mit dem DSM-Regionalchef P. Makonda, jeder, der sein Amt rechtschaffen verwalte, sei den Pfeilen Missgünstiger ausgesetzt. Die Geistlichen würden aber die Regierung mit Gebet unterstützen. Der pensionierte Kardinal Pengo tat kund, er könne mit dem Begriff „Diktator“ im Blick auf die Regierung nichts anfangen: „Wir brauchen viele rechtschaffene Führungspersonen wie Magufuli und Makonda“. Der Scheich für die Region Dar es Salaam will für die „Blinden“ beten, die die Leistungen Präsident Magufulis nicht erkennten. Manchmal sei die Demokratie problematisch, wenn es mehr auf Entwicklung und Fortschritt ankomme.

Der Komiker I.Sultan wurde verhaftet, weil er auf Instagram zum 60. Geburtstag von Dr. Magufuli diesen in Freizeitkleidung und sich selbst auf dem Präsidentenstuhl gezeigt hatte und dazu schrieb: „Rollentausch, damit er seinen Geburtstag in Ruhe feiern kann“. Sultan soll nach dem Cybercrime-Gesetz angeklagt werden. Der Tourismusminister versprach ihm Rechtshilfe.

Der Präsident des Internationalen Tribunals für Verbrechen gegen die Menschlichkeit dankte Tansania für die gute Zusammenarbeit bei der Aufarbeitung des Ruanda-Genozids. Derzeit halten sich neun vom Tribunal entlassene Personen in Arusha auf, die kein anderer Staat aufnehmen will.

Citizen 31.10.; 02.,03.,09.,11.,14.,21.11.19; DN 11.11.19; East African 01.11.19; Mtanzania 19.11.19; RSF 19.11.19; www.twaweza.org/go/protecting-journalists-and-the-media; @fatma_karume; www.twitter.com/IdrisSultan

Kommunalwahlen

Sieben Oppositionsparteien, darunter Chadema, ACT-Wazalendo und CUF, boykottierten die Gemeinde- und Distriktswahlen am 24. November. Mehr als ¾ ihrer Kandidat/innen seien mit fadenscheinigen Gründen (Rechtschreibfehler in Anträgen, Analphabetismus, fehlende Anschrift, Trunksucht) nicht zugelassen worden. Korrekte Meldungen seien mit „Fehlern“ versehen worden. Viele Oppositionskandidaten hätten keine Formblätter zur Registrierung bekommen. Der Minister für Regionalverwaltung erklärte nach der Boykottankündigung, die Zurückgewiesenen könnten sich trotzdem zur Wahl stellen, zog dies aber wieder zurück. Der Bürgermeister von Arusha (bisher Chadema) trat nach dem Boykottaufruf zur CCM über. Die katholische Bischofskonferenz TEC lehnte den Boykott ab. Nur geeignete Volksvertreter könnten bestehende Herausforderungen bearbeiten. Die „Koalition der Menschenrechtsverteidiger THRDC beanstandete, dass nur ganz wenige zivilgesellschaftliche Organisationen 6 von 86) die Erlaubnis erhalten hätten, die Wähler zu informieren und die Wahlen zu beobachten.

Der zuständige Minister erklärte, die CCM habe 99,77% aller 332.160 Posten in kommunalen und Distrikts-Gremien gewonnen. In den Regionen Katavi, Ruvuma und Tanga wurde nicht gewählt, weil es nur CCM-Kandidaten gab. 19,7 Mill. Wähler/innen beteiligten sich an dieser Wahl; mehr Frauen als Männer ließen sich in das Wählerverzeichnis eintragen (10.151.267 zu 9.529.992). Citizen 06.,08.,09.,12.,17.,18.,19.11.9; DN 09.,11.,26.11.19; Mtanzania 26.11.19

Mkapa-Memoiren

Große Aufmerksamkeit findet die Autobiografie des 3. Präsidenten (1995 -2005) Benjamin Mkapa „My Life, My Purpose“. Mkapa (81) hatte die Privatisierung von Staatsfirmen vorangetrieben und Medienvielfalt gefördert. Einige Aspekte aus dem Buch, die die Presse, natürlich auch im Blick auf aktuelle Verhältnisse, hervorgehoben hat:

  • Die Justiz müsse von der Exekutive unabhängig sein, auch wenn der Präsident die Richter ernennt
  • Verhaftungen müssten von Gerichten überprüft werden und müssen kurz gehalten werden, wenn ein Verdacht nicht bewiesen werden kann
  • Legislative, Exekutive und Justiz müssten strikt voneinander getrennt, gleich stark und voneinander absolut unabhängig sein
  • Neue Gesetze sollten von einem Ältestenausschuss überprüft werden, bevor sie der Präsident unterschreibt
  • Minister und hohe Beamte sollten die Grenzen ihrer Zuständigkeit kennen und respektieren
  • Wichtige Entscheidungen sollten im Team getroffen werden
  • Das größte Problem des Landes sei die Korruption, daher habe er die Warioba-Kommission eingesetzt. Das daraus entstandene Antikorruptionsbüro PCCB müsse weiter gestärkt werden
  • Die Staatsfinanzen seien heute weitaus solider als zu seiner Amtszeit. 1994/5 seien nur TZS 331 Mrd. an Steuern eingegangen bei einer Inflationsrate von 27%. Er habe 2001 einen Schuldenerlass für Tansania erreicht und Hilfen aus Europa und China erwirkt.
  • Die CCM müsse akzeptieren, dass es Oppositionsparteien gibt und dürfe sich nicht mehr als einzige legitime politische Kraft verstehen. Nur so könne es eine seriöse Debatte über die Entwicklung des Landes geben.
  • Zu viele Parteien schwächten den demokratischen Wettbewerb. Die Parteien folgten zu sehr der westlichen Tendenz zu Intoleranz und Abgrenzung. Afrikaner sollten inklusiv denken.
  • Politiker sollten sich nicht opportunistisch anpassen, um sich zu bereichern, sondern uneigennützig dem Land dienen. Die gegenwärtige Tendenz zum Populismus schade Tansania.
  • Die Tendenz mehrerer ostafrikanischer Präsidenten, ihre Amtszeit über die verfassungsmäßig zulässige Zeit auszudehnen, gefährde Sicherheit und Stabilität.
  • NROs sollten nicht übereifrige Kritik an der Regierung üben, sondern durchdachte Alternativen anbieten.

Citizen 13.,14.,15.11.19; Mtanzania 18.11.19

Neuer Generalkontrolleur

Präsident Magufuli verlängerte das Mandat des bisherigen Generalkontrolleurs (CAG) M. Assad nicht. Dieser hatte dem Parlament vorgeworfen, aufgedeckten Unregelmäßigkeiten zu wenig nachzugehen. Er hatte seine Untersuchungen ohne Ansehen der Person durchgeführt. Dr. Magufuli ernannte C. Kichere zum neuen CAG und ermahnte ihn, den Anweisungen seiner Vorgesetzten zu folgen. Er könne jederzeit entlassen werden, wenn er den Anforderungen nicht genüge. Assads Ablösung und Kicheres Ernennung lösten Erstaunen in den Sozialen Medien und Unmut bei der Opposition aus.

Citizen 03.,04.11.19; DN 04.11.19; Guardian 05.11.19