Aktuelles: Opposition – Presse - Grundrechte - 09/2016

Aus Tansania Information
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Demokratieverständnis

Präsident Magufuli („JPM“) offenbarte sein spezielles Demokratie-Verständnis, als er wiederholt erklärte, die Opposition habe außerhalb des Parlaments zu schweigen und dürfe sich erst im Rahmen des nächsten Wahlkampfes wieder öffentlich zu Wort melden. Bis dahin sei kein Raum für „kleinliches Politisieren“; vielmehr müssten sich alle Kräfte auf die Entwicklung des Landes konzentrieren. JPM verglich die Oppositionsparteien mit einer Schlange, die noch zuckt, wenn ihr Kopf abgehackt ist. „Wo sind diese Parteien? Sie sind tot!“ Kommentatoren sehen darin das Ideal einer Einheitspartei, die die Aufgaben der Opposition mit erledigt.

Der Wunsch der Opposition nach öffentlichen Kundgebungen und politischer Kritik spiele den Feinden Tansanias in die Hände. „Die Imperialisten werden mit vielen Worten ankommen, wie Demokratie. Unsere Demokratie reicht uns, verteidigen wir sie und leben wir in Frieden“. „Die Imperialisten wollen unsere natürlichen Reichtümer. . . Sie werden alles Mögliche tun, um uns zu destabilisieren, wie Libyen und Irak“. Dort seien die Bürger gegen ihre rechtmäßige Regierung aufgestachelt worden, mit den verheerenden Folgen von Verarmung und Chaos. Um Zustände wie in Syrien und Somalia zu vermeiden, werde seine Regierung nicht zögern, gegen alle Unruhestifter hart durchzugreifen. Dr. Magufuli sagte, er sei „eine andere Art von Führer“, seine Gegner sollten ihn ja nicht herausfordern. Niemand solle ihn daran hindern, seine Wahlversprechen einzulösen und dem Volk zu dienen.

Oppositionsführer verwahrten sich gegen die Unterstellung, sie würden vom Ausland finanziert. ACT-Wazalendo-Chef Z. Kabwe erinnerte daran, dass die tansanischen Naturschätze von CCM-Regierungen an ausländische Firmen gegeben worden seien. Ähnlich äußerten sich CHADEMA („Demokratie und Fortschritt“) und CUF („Vereinigte Bürger-Front“).

Die CHADEMA kündigte landesweite Kundgebungen an, die Magufulis „undemokratischen Führungsstil“ und „diktatorische Tendenzen“ anprangern sollten. Die Polizei verbot daraufhin öffentliche Versammlungen aller Parteien bis zur nächsten Wahl, hatte allerdings keine Bedenken gegen den Parteitag der CCM Anfang August. Die CHADEMA rief nach vielen aus ihrer Sicht repressiven Polizeimaßnahmen zum „Tag des Ungehorsams“ am 1. September auf und startete die „Operation Ukuta“ („Allianz gegen Diktatur in Tansania). Daraufhin wurden auch parteiinterne Versammlungen verboten, da sie zur Vorbereitung von Ausschreitungen missbraucht werden könnten. Die Polizeiführung deutete an, die Ermordung von vier Polizisten könnte als Racheakt von Regierungsgegnern aufgefasst werden.

Der scharfzüngige CHADEMA-Abgeordnete T. Lissu wurde mehrfach verhaftet und wegen Beleidigung und Volksverhetzung angeklagt. Er soll JPM als „Diktatorlein“ bezeichnet haben. Das Verbot von Parteiversammlungen sei, so Lissu, de facto ein Verbot jeglicher politischen Aktivität und damit verfassungswidrig.

Mitglieder der CHADEMA-Jugend wurden verhaftet, weil sie T-shirts mit den Aufschriften trugen: „Mwalimu [Nyerere], die Demokratie ist in Gefahr“ und „Schwache Diktatur“. 35 Chadema-Mitglieder wurden in Arusha wegen unerlaubter Zusammenkünfte verhaftet, ebenso der bekannte CHADEMA-Abgeordnete G. Lema, sowie Vizeparteisekretär S. Mwalimu, wegen Volksverhetzung. CHADEMA-Chef Lowassa wurde vorübergehend festgenommen und befragt. 7 CUF-Mitglieder wurden auf Sansibar wegen „Spionage“ verhaftet, weil sie Kontakt mit der schwedischen Bloggerin Susanna Nordland pflegten, die über Menschenrechtsverletzungen und Landkonflikte in Loliondo berichtet. Die „Tansanischen Menschenrechtsverteidiger“ (THRDC) protestierten dagegen, dass die Verhafteten 9 Tage lang keinen Rechtsbeistand erhielten.

Der 2014 vom damaligen Präsidenten Kikwete ernannte Regionschef von Arusha wurde abgelöst, weil er, so wird vermutet, nicht entschlossen genug gegen die Oppositionsparteien vorging. Arusha gilt als CHADEMA-Hochburg.

Citizen 30.06.; 03.,04.,08.,10.,20.,24.,25.,26.,27.,30.08.16; DN 27.08.16; Guardian 24.06.; 10.,13.,25.07.; 07.,19.08.16;

Oppositionsparteien

Politologen vermuten, dass das rigide Vorgehen gegen Oppositionsparteien diesen eher nutzen könnte. Sie hätten nach Dr. Magufulis energischem Kampf gegen Korruption, Veruntreuung und Behördenwillkür kaum noch eigene Themen gehabt. JPM habe ihnen mit seinem autoritären Stil neue Argumente geliefert. Die oppositionellen Parteien müssten ferner Korruption und undemokratische Tendenzen bei sich selbst angehen, um glaubwürdig zu werden.

Ein Kongress der CUF, der einen neuen Parteichef wählen sollte, endete in Chaos und Handgreiflichkeiten zwischen Gegnern und Befürwortern von Prof. I. Lipumba. Dieser war zurückgetreten, nachdem E. Lowassa als gemeinsamer Präsidentschaftskandidat der Oppositionsparteien aufgestellt worden war, bewarb sich aber nun erneut.

Citizen 03.,22.08.16; DN 25.07.16; Guardian 30.08.16

Ruf zum Dialog, Kritik

Politische Kommentatoren und Menschenrechts-Organisationen warnten vor einem „Kampf der Egos“ und mahnten zu einem zivilisierten Dialog der politischen Gegner. Der Präsident müsse allen Bürgern gleich gut dienen und seine Gegner zum Gespräch einladen. Das Land befinde sich nicht in einem Notstand, der es rechtfertigen würde, Grundrechte einzuschränken. Die Altpräsidenten Mkapa und Kikwete sollten Dr. Magufuli beraten. Oppositionsführer E. Lowassa mahnte ebenfalls zum Dialog, um die Spannungen abzubauen. „Keine Einzelperson kann beanspruchen, das Land zu besitzen“. Lowassa schlug einen versöhnlichen Ton an, indem er JPMs Arbeit lobte und in einigen Punkten mit Nyereres Leistungen gleichsetzte.

Das Menschenrechtszentrum (NRO) sprach der Regierung das Recht ab, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einseitig einzuschränken und damit die regierende Partei unfair zu bevorzugen. Das Tansanische Verfassungsforum (TCF) sagte, man könne nicht mehr von wahrer Demokratie sprechen, wenn staatliche Institutionen in den Dienst der herrschenden Partei gestellt würden. Die Koalition zur Verteidigung der Menschenrechte hält es für verfassungswidrig, die fundamentalen Rechte politischer Gruppierungen zu beschneiden und tadelte den Registrierungsbeamten für Parteien dafür, dass er den Präsidenten nicht auf die in der Verfassung garantierten Grundrechte hingewiesen hatte.

Die „Kommission für Menschenrechte und gute Staatsführung“ lud zum Gespräch zwischen den Parteien ein. Dieses scheiterte jedoch, da weder die Polizeiführung, noch CCM-Vertreter erschienen. Der Justizminister erklärte, die Versammlungsverbote seien rechtmäßig, weil sie der Erhaltung des Friedens im Land dienten.

Der Vorsitzende Scheich Tansanias, A. Zubeir bin Ali, mahnte zu Weisheit anstelle von Machtgesten. Alle Parteien hätten das Recht zu Versammlungen und Demonstrationen. Öffentliche Übungen der Polizei seien befremdlich. „Was sollen sie bedeuten?“.

Ein Sprecher der Pfingstkirchen mahnte zur Gesprächsbereitschaft nach dem Beispiel Nyereres. „Wir sehen nur Polizeiübungen. Das sind wir nicht gewohnt“. Der Präsident müsse die Opposition zu Gesprächen einladen anstatt Demonstrationen zu verbieten. Ähnlich äußerte sich die interreligiöse „Gesellschaft für Versöhnung“. Von lutherischer und katholischer Seite wurde bisher keine öffentliche Stellungnahme bekannt.

Das Oppositionsbündnis Ukawa begrüßte die Aufforderung religiöser Anführer, wieder an den Parlamentssitzungen teilzunehmen, die das Bündnis seit Juni 2016 boykottiert. Die CHADEMA erhob Klage gegen die Versammlungsverbote beim High Court in Mwanza und beim Ostafrikanischen Gerichtshof. Der High Court wies die Klage aus formalen Gründen zurück.

Eine Umfrage der „Gesellschaft für Internationale Entwicklung“ (www.sidint.net, dort „State of East Africa Report 2016“) ergab, dass das tansanische Parlament einen dramatischen Vertrauensverlust erlitten hat: 66% hatten kein oder wenig Vertrauen in das Hohe Haus (Daten von 2014/15). Besonders kritisch werden Bestechlichkeit und Parteiegoismus der Abgeordneten gesehen. Wesentlich mehr Vertrauen finden Kirchenführer und Staatspräsident.

Citizen 28.07.; 03.,17.,24.08.16; DN 01.,26.08.16; Guardian 30.07.; 17.,26.08.16

Sansibar

Auch auf den Inseln stehen sich CCM und Polizei einerseits und die oppositionelle CUF andererseits unversöhnlich gegenüber. Der Polizeichef drohte CUF-Generalsekretär S. Hamad mit Verhaftung wegen Hassparolen. Dieser hatte in den USA und Europa um Unterstützung geworben, u.a. auch das EU-Hauptquartier in Brüssel und den Internationalen Gerichtshof in Den Haag besucht und von den Menschenrechtsverletzungen seit der letzten Wahl berichtet. Mehr als 40 CUF-Anhänger seien durch „Polizeibrutalität“ verletzt worden. Hamad erinnerte daran, dass er 1989 für zwei Jahre inhaftiert war und sich nicht einschüchtern ließ.

Die erbitterte Feindseligkeit zwischen den Parteien zeigt sich darin, dass die Feierlichkeiten zum Ende des Ramadan (Idd-ul-Fitr) erstmals nicht gemeinsam von allen Muslimen, sondern nach Parteien getrennt abgehalten wurden.

Das Afrikanische Rechte-Netzwerk (www. africalegalnetwork.com) tadelte die Polizei-Drohungen gegen S. Hamad und CUF-Mitglieder scharf als Affront gegen die Demokratie. Jede Person und jede Gruppe habe das unveräußerliche Recht, die Regierung zu kritisieren. Wer die Opposition zum Schweigen bringen wolle, trage keinesfalls zum inneren Frieden bei.

Der ehemalige Präsident Sansibars und Vizepräsident der Union, Aboud Jumbe, starb im Alter von 96 Jahren. Er hatte ab 1972 eine relative Demokratisierung auf den Inseln eingeleitet (Verfassung von 1979) und zusammen mit J. Nyerere TANU (Tanganyika African National Union) und ASP (Afro-Shirazi-Party) zur gesamt-tansanischen Revolutionspartei CCM verbunden. 1984 musste er alle Ämter abgeben, weil er im Gegensatz zu Nyerere ein föderales System von drei Regierungen (und Parlamenten) für Tansania wollte (Eine Unionsregierung, je eine Teilregierung für Festland und die Inseln). Jumbe lebte seitdem in einer Art Hausarrest in Kigamboni / Dar-Es-Salaam und durfte sich nicht öffentlich äußern. Er erhielt ein eingeschränktes Staatsbegräbnis, an dem viele Würdenträger teilnahmen, nicht jedoch Dr. Magufuli und Dr. Kikwete.

Presse

Das Kiswahili-Boulevardblatt „Mseto“ (Mischung) wurde für drei Jahre verboten. Es hatte unterstellt, Dr. Magufuli habe über die staatliche Minengesellschaft Geld aus dem Ausland für seinen Wahlkampf erhalten. Im Januar war ein anderes Blatt unbefristet verboten worden. Der Informationsminister dementierte Gerüchte, die Presse dürfe nicht über eventuelle Demonstrationen berichten. Zensiert würden nur Berichte, die das Publikum aufstacheln.

Citizen 07.,26.06.; 07.,23.07.; 12.,15.08.16; DN 12.08.16; East African 02.07.16; Guardian 06.,16.08.16