Aktuelles: Innenpolitik - 02/2019

Aus Tansania Information
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Geplantes Parteiengesetz

Knapp zwei Jahre vor der nächsten Parlamentswahl will die Regierung das Parteiengesetz von 1992 novellieren. Nach Auffassung der Opposition will sie damit die demokratischen Spielräume weiter einengen. Die wichtigsten Kritikpunkte sind:

  • Der (vom Präsidenten etablierten) Registrierungsbehörde werden uneingeschränkte Rechte eingeräumt, Parteien anzuerkennen und zu löschen
  • Sie kann über die Zulassung von Kandidaten sämtlicher Parteien und Koalitionen entscheiden
  • Sie zensiert die politische Information der Bürger durch NROs oder Individuen; auch einfache Informationen zum Wahlrecht dürften nur mit Erlaubnis der Behörde gegeben werden
  • Der Register-Beamte würde damit zum Überwacher und Zensor der Parteien, anstatt ihre Arbeit konstruktiv zu begleiten
  • Politische Aktivitäten wie Versammlungen und Demonstrationen würden kriminalisiert
  • Die vorgesehenen Strafen seien übermäßig (Gefängnis bis zu 20 Jahren), ihre Verhängung intransparent und willkürlich
  • Dies und unklare Formulierungen würde Machtmissbrauch Tor und Tür öffnen und hätte Politikverdrossenheit und Apathie zur Folge

Zivilgesellschaftliche Organisationen wie der Tansanische Medienrat, das Menschenrechtszentrum, die Anwaltskammer, Twaweza und Wahamaza (Sansibarische Journalisten) erkennen an, dass manche Parteien Kontrolle und Unterstützung benötigen, vor allem beim Umgang mit Finanzen. Auch das Verbot von Parteimilizen unterstütze man.

Missstände dürften jedoch nicht zum Vorwand dienen, Parteien zu entmündigen und ihre Arbeit zu kriminalisieren. Der Gesetzentwurf sei keinesfalls mit der tansanischen Verfassung vereinbar. Der Rat Islamischer Organisationen bezeichnete das Gesetz als Verrat an den Bürgern des Landes. Der Lutherische Bischof B. Bagonza (Karagwe-Diözese) sagte, das Gesetz minimiere den Wert von (oppositionellen) Parteien. Ein Kommentar des „Citizen“ bemerkt, das Gesetz behandle die Demokratie als Feindin des Fortschritts. Die wahren Feinde seien jedoch mangelnde Transparenz, schwache Institutionen und unterdrückte Meinungsfreiheit.

Eine Klage vor dem Verfassungsgericht, die Debatte des Gesetzes im Parlament wegen Verfassungswidrigkeit zu untersagen, wurde aus formalen Gründen abgewiesen.

Der CCM-Generalsekretär B. Ali begrüßte das geplante Gesetz. Es stärke Tansanias Politik und führe zu soliden Parteien.

Citizen 14.,21.11.18; 11.,13.,18.,26.01.19; Guardian 15.,18.,26.01.19; www.humanrights.or.tz; www.tls.or.tz; www.twaweza.org 13.01.19

Opposition

Präsident Magufuli lobte seinen Gegenkandidaten E. Lowassa (Chadema): er habe sich nach seiner Wahlniederlage allezeit friedlich verhalten. Wenn seine Kollegen in der Opposition sich nicht ruhig verhielten, endeten sie im Gefängnis, um dort zu lernen, die Gesetze zu befolgen.

Der Vorsitzende der oppositionellen NCCR-Mageuzi J. Mbatia forderte den Präsidenten zu einem nationalen Versöhnungsdialog auf. Den Bürgern würde ihr grundlegendes Recht auf Versammlungs- und Redefreiheit verweigert [vgl. u. S. 4 „Kursänderungen“]. Dies eröffne düstere Aussichten auf das Wahljahr 2020.

Die Oppositionsparteien formulierten bei einer vom „Tanzania Constitution Forum“ veranstalteten Konferenz gemeinsame Ziele, um gute Staatsführung und nachhaltige Demokratie zu gewährleisten:

  • Gemeinsamer Kampf gegen das Parteiengesetz
  • Eintreten für eine Verfassungsreform
  • Ratifizierung der „African Charter on Democracy, Elections and Good Governance“ (unterzeichnet von 28, ratifiziert von 10, ignoriert von 16 Staaten der Afrikanischen Union
  • Eintreten für das Recht einzelner Abgeordneter, Gesetzentwürfe einzubringen (bisher nur Parteien)
  • Ressourcen mobilisieren für den Kampf um Demokratie in Tansania

Die neue Verfassung sollte wichtige Verbesserungen enthalten:

  • Unabhängige Wahlkommission „National Election Commission“ (bisher vom Präsidenten ernannt)
  • Parteilose Abgeordnete (in nationalen und lokalen Parlamenten) und Präsidentschaftskandidaten
  • Mehr Geschlechtergerechtigkeit

Das Verfassungsforum TCF will erneut an den Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte appellieren, sein Urteil von 2013 zugunsten unabhängiger Kandidat/innen durchzusetzen. Die tansanischen Regierungen haben dieses bis dato ignoriert.

Parlamentspräsident Ndugai forderte den Chadema-Abgeordneten T. Lissu auf, seine Pflichten im Parlament wieder aufzunehmen. Lissu war bei einem Attentat im September 2017 durch mehr als 16 Schüsse verletzt und in Belgien behandelt worden und bereist nun Europa. Er macht die Regierung für seine Sicherheit verantwortlich und gab bekannt, dass er 2020 für die Präsidentschaft kandidieren wolle.

Ein früherer Minister, L. Nyalandu, forderte den Präsidenten auf, willkürliche Festnahmen von „Staatsfeinden“ zu unterlassen und einem „Geist der nationalen Heilung“ Raum zu geben.

Citizen 11.,12.,15.,17.,20.01.19; Mtanzania 27.11.18; http://www.achpr.org/instruments/charter-democracy

Grundrechte verletzt / geschützt

Die Menschenrechtsorganisationen LHRC und THRDC starteten eine Kampagne „Die Rechte von Beschuldigten verteidigen“. Es werde leider zur Normalität, dass die Polizei Beschuldigte unrechtmäßig festhält. So seien fünf Menschenrechtlerinnen in Loliondo über Weihnachten 15 Tage ohne Rechtsbeistand eingesperrt und dabei auch geprügelt, gedemütigt und sexuell schwer misshandelt worden. Sie hatten sich gegen Übergriffe eines Tourismusunternehmens gewandt. Die Menschenrechtskoalition THRDC appellierte an den Innenminister, derartige Vorfälle energisch zu unterbinden.

LHRC und weitere Menschenrechtsgruppen scheiterten vor dem Verfassungsgericht mit ihrer Klage gegen die Ausführungsbestimmungen des Gesetzes zur elektronischen Kommunikation. Die Kläger hätten nicht nachweisen können, dass ihre Rechte beeinträchtigt würden.

Die ehemalige Direktorin des LHRC Dr. Helen Kijo-Kisimba resümierte in einem sehr freimütigen Interview mit der Zeitung Mwananchi, ihre Arbeit habe zwar erfolgreich wichtige Gesetze positiv verändert. Andererseits sehe sie mit größter Sorge, wie viele Tansanier/innen hinnähmen, dass die Regierung ihre Freiheit immer weiter einschränkt. „Ein Land von Feiglingen und Heuchlern ist kein Land“. Hoffnungsvoll stimme, dass Einzelne nicht schwiegen. [vgl. zu LHRC u. S. 6 f „Geber-Zurückhaltung“].

Die oppositionelle ACT-Wazalendo beschuldigte das Fischereiministerium, im Rahmen der an sich berechtigten Kampagne gegen illegales Fischen mehrere Menschen getötet, viele verletzt und Boote willkürlich zerstört zu haben. ACT-Chef Z. Kabwe sieht einem Prozess wegen aufwieglerischer Behauptungen entgegen. Er hatte im Oktober 2018 gesagt, die Polizei habe bei Auseinandersetzungen um ein Naturschutzgebiet in der Kigoma-Region mehr als 100 Wanyantuzu getötet.

Der Leichnam eines Händlers in Mbeya bleibt seit mehr als 200 Tagen unbestattet, weil er nach Ansicht von Angehörigen im Polizeigewahrsam getötet wurde. Sie fordern eine unabhängige Untersuchung.

Innenminister K. Lugola sagte, manche Geistliche analysierten in ihren Predigten politische Vorgänge, was illegal sei. Wenn sie überführt würden, werde man ihren Organisationen die Zulassung entziehen.

Die Chefin der Kunst-Fakultät an der Universität Dar-Es-Salaam Dr. V. Shule machte über Twitter bekannt, dass sexuelle Korruption an der Uni allgegenwärtig sei. Sie habe beim Besuch Dr. Magufulis ein entsprechendes Plakat zeigen wollen, sei aber von Sicherheitsbeamten daran gehindert worden.

Forscher verlangten, das Statistik-Gesetz von 2015 zu revidieren, das nur Veröffentlichungen erlaubt, die vom staatlichen Statistik-Büro abgenickt sind. Das Land riskiere, bedeutende Fördermittel aus Europa zu verlieren, wenn Forschung zensiert werde.

Die Alliance Française zeigte eine Karikaturen-Ausstellung, die die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 veranschaulicht. Der französische Botschafter hob hervor, dass die tansanische Verfassung wesentliche Rechte enthält, wie das Recht auf Bildung, Gleichheit vor dem Gesetz, Versammlungsfreiheit und Nicht-Diskriminierung.

Die NRO „UMATI“ intensiviert mit japanischer Unterstützung ihre Aufklärungsarbeit zur Familienplanung im Bahi-Distrikt, Dodoma-Region. Dies könne die hohe Müttersterblichkeit auf einfache Weise senken. Die NRO EngenderHealth teilte mit, sie habe 2017 dazu geholfen, 697.000 unerwünschte Schwangerschaften und 157.000 Abtreibungen, sowie 14.000 Todesfälle von Kindern und 1.600 von Müttern zu vermeiden.

Citizen 07.,22.,26.11.18; 13.,22.,23.01.19; DN 30.11.; 14.12.18; 10.,21.01.19; Guardian 22.11.; 12.12.18; 08.01.19; Mwananchi 28.11.18; www.humanrights.or.tz

Kabinett

Bei einer Kabinettsumbildung wurde das Bergbau-Ministerium neu besetzt. Ähnlich wie die Kikwete-Regierung, die fünf Bergbau-Minister verschliss, amtiert im dritten Jahr der Fünften Regierung auch schon der dritte Bergbau-Minister. Präsident Magufuli ist unzufrieden damit, dass nach wie vor Gold und Edelsteine im großen Stil verschoben werden, ohne dass das Land davon profitiert. Daran haben auch verschärfte Gesetze nur wenig geändert. So wurden erst kürzlich 324 kg Gold, begleitet von Polizisten, auf illegalem Weg nach Kenia beschlagnahmt. Fachleute weisen darauf hin, dass die Probleme struktureller Art sind: vielfache und überhöhte Steuern und hochkomplizierte, zeitraubende Prozeduren, um eine legale Ausfuhr-Erlaubnis zu bekommen. Im Amt des Ministerpräsidenten wurde ein Staatsministerium für Investitionsförderung geschaffen. Auch drei Staatssekretärsposten wurden neu besetzt. - Auf Kuba wurde eine tansanische Botschaft eingerichtet.

Citizen 08.,09.,10.,13.,14.01.19; DN 08.01.19

Kursänderungen

Auf verschiedenen Gebieten revidierte der Staatspräsident frühere Anordnungen bzw. zeigte sich kompromissbereit.

  • Dr. Magufuli traf sich entgegen seiner früheren Praxis mit Religionsführern zum Gedankenaustausch. Die Religionsvertreter baten um mehr Kontinuität und Planungssicherheit sowohl bei geschäftlichen als auch bei kirchlichen Investitionen. Der lutherische Bischof A. Lyimo stellte fest, die Bürger/innen fürchteten, frei ihre Meinung zu äußern. Er bat den Präsidenten, diese Freiheiten wiederherzustellen. JPM bestand darauf, dass jeder Politiker in seinem eigenen Wahlkreis Versammlungen abhalten könne. Das genüge zur Meinungsbildung. Er wollte nichts zu den unterdrückten Chadema-Versammlungen in Dar-Es-Salaam sagen, da sie vor Gericht verhandelt würden. [vgl. S. 6 „Kirchen“]
  • Dr. Magufuli befahl, alle wegen fehlender Lizenz verhafteten Fischer freizulassen. Die laufende Kampagne sollte ursprünglich hart gegen illegales Fischen durchgreifen.
  • 336 Dörfer, die illegal in Schutzgebieten gebaut worden waren, sollten geräumt werden. Nun will Magufuli sie legalisieren und die geschützten Gebiete entsprechend verkleinern. Wildschutzgebiete ohne Wild und geschützte Wälder ohne Bäume werden für Landwirtschaft und Viehzucht freigegeben.
  • Entgegen dem laufenden 5-Jahresplan dürfen Gebäude, die ohne Genehmigung in ungeplanten Siedlungen errichtet wurden, bestehen bleiben. Die Eigentümer sollen nachträglich Genehmigung und Besitztitel erhalten.
  • Entgegen der bisherigen Politik werden die vielen und hohen Steuern auf Minenprodukte wie Gold und Diamanten schnell und deutlich reduziert.

Citizen 24.01.19; DN 18.01.19; Guardian 14.,16.01.19