Aktuelles: Kampf gegen Korruption - 09/2017 und Aktuelles: Kikwetes Präsidentschaft: Rückblick - 12/2015: Unterschied zwischen den Seiten

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==Präsident von 2005 bis 2015==
==Bekämpfung erfolgreich?==
Afrikaweit wird beachtet, dass der vierte Präsident Tansanias, J. M. Kikwete, sein Amt verfassungsgemäß am Ende seiner zweiten Arbeitsperiode niederlegte. In Burundi sicherte sich Präsident Nkurunziza kürzlich mit massiver Gewalt eine dritte Amtszeit, in Ruanda und der DR Congo streben die amtierenden Präsidenten eine entsprechende Verfassungsänderung an.


Nach einer Twaweza-Umfrage meinen 74% der Befragten, dass Reiche und Hochgestellte kaum für Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Beamte, Polizisten, und Religionsführer hätten wenig zu befürchten. Mehr Befragte als früher meinen, die Gesetze würden heute mehr beachtet als 2015.
Business Times 30.10.15;


Die NRO „Policy Forum“ bescheinigt in ihrem Bericht zur Regierungsführung 2016 /17 ''„Von Kikwete zu Magufuli – Bruch mit der Vergangenheit oder weiter Dasselbe?“'' der Magufuli-Regierung entschlossenes Vorgehen gegen Disziplinlosigkeit und Korruption, sowie konsequentes Eintreiben von Steuern. Die tief verwurzelte Korruption könne jedoch nicht durch spektakuläre Einzelaktionen bekämpft werden. Dies können nur hohe Transparenz und unabhängige Kontroll-Institutionen leisten, die gerade nicht Eingriffen des Präsidenten ausgesetzt sind. Hauptproblem seien skrupellose Amtsträger, die ihre Position missbrauchten.
==Kritische Einschätzungen==
Kikwete wird als Reisepräsident in Erinnerung bleiben. Die Business Times schrieb karikierend, er habe die Hälfte seiner Amtszeit in Fünf-Sterne-Hotels und auf Erster-Klasse-Flügen verbracht. Diese häufigen internationalen Flüge mit großen Delegationen werden hinterfragt, da sie den Staatshaushalt eines armen Landes stark belasteten. Z.B. stellte beim Weltwirtschaftsforum in Nigeria 2015 China die stärkste Delegation (80 Delegierte), TZ folgte mit 68 Delegierten. Bei solchen Reisen bleibt viel öffentliches Geld an diversen Händen kleben: ein Businessclass-Ticket nach Europa kostet ca $ 8.000, der Regierung werden dafür $ 14.000 in Rechnung gestellt.  


Premier K. Majaliwa warnte Verwaltungsbeamte davor, ihre bürokratische Macht zu missbrauchen, um sich zu bereichern. Wer die Bürger mit „Komm morgen wieder“ unter Druck setzt, werde unnachsichtig bestraft.  
Andererseits fand Kikwete mit seiner Reisediplomatie immer wieder Geldgeber für große Projekte, viele davon auf Kredit. Damit wuchsen naturgemäß die Staatsschulden stark an: von TZS 7 Billiarden bei seinem Amtsantritt 2005 auf 40 Brd. (€19 Mrd.) 2015, darunter hochverzinsliche Bankkredite. Weitere Billiarden schuldet der Staat mit zahlreichen offenen Rechnungen, Entschädigungen für enteignete Grundstücke und unbezahlten Gehältern. Der Wert des Tanzania-Shilling gegenüber dem US-Dollar sank während Kikwetes Amtsperiode um 80% von 1.142 auf 2.152 TZS / Dollar. Hohe Werte waren bei der intransparenten Privatisierung staatlichen Besitzes verloren gegangen. Kikwete gelang es nicht, diese Verluste zu begrenzen [vgl. unten: Magufulis erste Maßnahmen].


Die regierungsnahe „Daily News“ zitierte eine Reihe von Bürgern, die Magufulis Antikorruptions-Kampagne für wirkungsvoll halten. Es gebe keine „Unantastbaren“ mehr.
Zivilgesellschaftliche Organisationen und die kritische Presse erinnern an zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Einschränkungen der freien Meinungsäußerung während Kikwetes Amtszeit. Er selbst meint, alle Regeln guter Amtsführung beachtet zu haben.


NROs äußerten sich erstaunt darüber, dass die Polizei-Kommandantin von Kinondoni/DSM auf einen Verwaltungsposten versetzt wurde. Sie hatte sich besonders für verantwortliches und professionelles Verhalten ihrer Untergebenen eingesetzt.
Die Zeitung „Nipashe“ erinnert an Großprojekte, die Kikwete 2010 angekündigt, aber nie verwirklicht hat, z.B.: Passagier- und Frachtschiffe auf Victoria-, Tanganyika- und Nyassa-See; 400 dreirädrige Ambulanzfahrzeuge; Überführungen an großen Kreuzungen und eine neue Ringstraße in DSM; Neubau der Zentralbahn; eine Wirtschaftszone in Tanga. Kikwete habe 2005 jährlich 500.000 neue Arbeitsplätze versprochen, in 10 Jahren entstanden allerdings nur 1.117.011 neue Jobs.  


Der Fonds für Soziale Sicherheit (NSSF) entließ 12 leitende Angestellte wegen Veruntreuung und Machtmissbrauch.
Die „Business Times“ hebt hervor, dass unter Kikwete entgegen seinen Ankündigungen Korruption und Missbrauch öffentlicher Gelder zugenommen haben. Während 2005 50 Fälle bekannt wurden, waren es 2014 bereits 1.900 Fälle, die Verluste von TZS 88 Mrd. bedeuteten. Die vom parlamentarischen Untersuchungsausschuss angeforderten Berichte zum Tegeta-Treuhandskandal wurden nie veröffentlicht. Mit knapper Not wurden die Vorgaben der US-amerikanischen Millennium Challenge Corporation zur Korruptionsbekämpfung erfüllt und damit ein Zuschuss von $ 473 Mill. gerettet.  


Seit Längerem steht der Nationale Umweltrat unter Korruptionsverdacht. Umweltverträglichkeitsprüfungen wurden verzögert, um an Schmiergelder zu kommen, hohe Bußgelder verhängt, die dann auf unerklärliche Weise ermäßigt wurden. Lobbyisten erreichten, dass Plastikbeutel immer noch nicht verboten sind und große Fabriken weiter ihre Umwelt belasten. Beratungsfirmen, die Angestellten gehören, stellten überhöhte Rechnungen.  
Der „Citizen“ listet eine lange Reihe von Fällen von schwerer Korruption, Veruntreuung und Missbrauch öffentlicher Gelder während Kikwetes Präsidentschaft auf. Dabei zeigt sich ein wiederkehrendes Muster: Ein Skandal wird bekannt – die Öffentlichkeit empört sich – Geber drohen mit Kürzungen – einige unleugbar Verwickelte werden entlassen – selten gibt es Anklagen, allenfalls gegen „kleine Fische“. Weder wird Schadensersatz gefordert, noch gibt es effektive Vorbeugung gegen den nächsten Skandal.  


Der zuständige Minister im Amt der Vizepräsidentin löste daraufhin den Rat auf und entließ vier leitende Beamte. Schon nach einer Woche musste er freilich auf „Weisung von oben“ alles wieder rückgängig machen. Die Probleme des Umweltrates bestehen daher weiter. Sie sind beispielhaft für hoch organisierte kriminelle Netzwerke innerhalb von Behörden.
Die „Koalition der Menschenrechts-Verteidiger“ (TDHRC) resümiert, Kikwete habe zwar zu einer gewissen Transparenz beigetragen, das Hauptverdienst an der Aufdeckung von Betrugsfällen komme aber dem Parlament, dem General-Buchprüfer und einigen mutigen ''whistleblowers'' zu. Das entscheidende Transparenz-Hindernis sei, dass kein Präsident bisher dem Korruptions-Verfolgungs-Büro Entscheidungs- und Anklage-Kompetenz übertragen hat.


Das Nationalmuseum im Haus der Kultur hat eine Wanderausstellung mit Kunstwerken zum Thema Korruption entwickelt. Sie soll landesweit Diskussionen und Aktionen anregen.
Kikwete nahm vom damaligen Minister für Öffentliche Arbeiten und jetzigen Präsidenten Magufuli einen Traktor, einen Kleinlastwagen und landwirtschaftliche Maschinen als Abschiedsgeschenke entgegen, bezahlt aus der Staatskasse.


Citizen 18.,19.,27.07.; 02.,07.,21.08.17; DN 22.,25.07.17; Guardian 18.,29.07.17; [http://www.policyforum-tz.org/ www.policyforum-tz.org]; [http://www.twaweza.org/ www.twaweza.org]
Citizen 24.,26.06.; 09.07.; 03.,21.08.; 11.,19.11.15; Business Times 30.10.15; East African 14.11.15; Guardian 05.10; 12.11.15; Nipashe 02.10.15


==Beispiele für Korruption==
==Erfolge==
Kikwete selbst charakterisierte die positiven Entwicklungen seiner Amtszeit mit statistischen Angaben, ohne auf die Qualität der zitierten Dienstleistungen einzugehen:* ''Big Results Now: ''Mit der 2012 aus Malaysia übernommenen Strategie „BRN“sollen Projekte schneller und effektiver verwirklicht und Mitarbeitende besser motiviert werden. [vgl. TI August 2014, S.4]
* ''Verkehr:'' Zwei- und dreirädrige Motorfahrzeuge verdoppelten sich auf 3,3 Mill.; 5.568 km Fern- und 535 km städtische Straßen wurden neu gebaut. Terminal 3 des Flughafens DSM ist im Bau
* ''Tourismus: ''Die Zahl ausländischer Touristen in TZ stieg von 612.754 (2005) auf 1.138.000 2014, die Einnahmen aus diesem Sektor von $ 747 Mill. auf $ 2 Mrd.; 1,2 Mill. Menschen arbeiten in der Tourismusbranche (2005: 500.000). Sie erbringt 25% des Brutto-Inlandsprodukts
* ''Kommunikation:'' 7.560 km Glasfaserkabel wurden verlegt. Es gibt jetzt 28 Mill. Telefonanschlüsse (2005: 3 Mill.) Die Telefonkosten pro Minute sanken von TZS 115 auf 35; Internetkosten pro GB von TZS 36.000 auf 9.000. Monatlich werden TZS 2 Brd. telefonisch überwiesen.
* ''Bildungswesen:'' Die Zahl der Universitäten stieg von 26 auf 52; Primarschulen von 14.27 auf 16.538; Sekundarschulen von 1.745 auf 4.753; Technische Hochschulen von 184 auf 744. 6.000 Labore für den Unterricht in Naturwissenschaften wurden gebaut, 4.000 sind im Bau. Für Bildung gibt der Staat am meisten aus: TZS 3,4 Brd. (2005: 570 Mrd.)
* ''Gesundheitswesen:'' 2.175 neue Gesundheitseinrichtungen wurden errichtet; die Zahl der Medizinstudierenden stieg von 3.025 auf 11.807; die der Ärzte von 1.048 auf 2.325; die der Pflegekräfte von 15.961 auf 22.942; Das Arzt-Patienten-Verhältnis steht jetzt bei 1:6.666 (2005: 1:35.714). Für Medikamente gibt der Staat TZS 147 Mrd. aus. 19% haben eine Krankenversicherung (2005: 3%). Die HIV-Infektionsrate fiel von 7,7% auf 5,1%.
* ''Medien:'' TZ hat 16 Tageszeitungen (davon zwei in Staatsbesitz) 62 Wochenzeitungen, 115 Radiostationen und 29 Fernsehsender
* ''Wasser:'' 86% der Bevölkerung haben Zugang zu Leitungswasser (2005: 73%)
* ''Elektrizität:'' 40% haben Stromanschluss (2005: 10%); 5.336 Dörfer von 12.423 haben Stromanschluss. Die häufigen Netzzusammenbrüche sollen mit den kommenden Gaskraftwerken Vergangenheit sein
* ''Kreditwirtschaft: ''2005 gab es 5.832 Kooperativen, 2015 9.604; Spar- und Kreditgenossenschaften (SACCOS) waren 2005 1.875 vorhanden, 2015 sind es 5.559.
* ''Mineralien:'' Bergbau-Erzeugnisse erbrachten 2005 $ 655 Mill., 2014 1.800 Mill.
* ''Industrie:'' Das Land zählt 2015 51.224 Industriebetriebe aller Größen, 2005: 11.544
* ''Investitionen:'' In 10 Jahren wurden $ 154,3 Mrd. investiert, 49% von einheimischen Investoren, 23% von Ausländern, 28% waren Gemeinschaftsprojekte
* Die ''Lohnsteuer'' ging von 18 auf 11% zurück
* ''Land und Wohnung:'' 10.500 Dörfer wurden vermessen; 164,275 Grundbucheinträge vorgenomnmen. Wellblech-gedeckte Häuser machen nun 65% aus, gegenüber 46% 2005.
* ''Justizwesen:'' die Zahl der Richter/innen an Berufungsgerichten stieg von 45 auf 97, davon 37 Richterinnen; in den Amtsgerichten arbeiten nun 35% Richterinnen
* ''Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC):'' Einführung der Zollunion und Aufbau eines gemeinsamen Marktes; EAC-Länder investierten 2014 $ 677 Mill in Tansania (2005: $ 40 Mill.)
* ''Entwicklungshilfe:'' Während Entwicklungspartner zunehmend hohe Beträge für Infrastruktur-Projekte beisteuerten, ging der Geber-Anteil am Nationalhaushalt von 42 auf 15% zurück.


Dr. Magufuli zeigte sich wütend darüber, dass trotz seiner Anordnung immer noch keine Durchflussmesser für Ölprodukte in den Häfen von Dar-Es-Salaam und Tanga installiert sind. Die Geräte wurden vor 6 Jahren angeschafft und rosten vor sich hin. Sie sollten die importierten Treibstoffmengen erfassen und korrekte Steuerzahlungen sichern.
Die regierungsnahe Daily News hob die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion hervor: Die Nahrungsmittelproduktion wuchs in 10 Jahren von 9,66 auf 16 Mill. t an. Die nationale Reserve stieg von 100.000 auf 280.000 t. Damit wurden 125% des Bedarfs erzeugt (2005: 95%). 74 Molkereien 2015 stehen 22 in 2005 gegenüber. Die Haushaltsausgaben zur Förderung der Landwirtschaft stiegen von TZS 233 Mrd. auf 1.084 Mrd. Der Kunstdünger-Verbrauch wuchs von 242.000 auf 343.000 t, die Zahl der Traktoren von 7.491 auf 16.412. Derzeit werden noch 62% der landwirtschaftlichen Fläche mit der Hacke bearbeitet (2005: 70%).  


Ratsmitglieder des Babati-Distrikts beschwerten sich über Polizisten, die die Bürger schikanierten, um Schmiergelder zu erpressen.
Die Volkswirtschaft sei in den letzten 10 Jahren um durchschnittlich 6% jährlich gewachsen. Die Armut nahm um knapp 1% jährlich ab. Dennoch verfügen mehr als 70% der Tansanier über weniger als $ 2 pro Tag. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen erreichte 2014 $ 1.038 (2005: $ 375). Damit ist die von der Weltbank auf $ 1.045 festgelegte Schwelle zum „Land mit mittleren Einkommen“ fast erreicht.


Verwaltungsbeamte und Düngerlieferanten haben landesweit Subventionsgelder erschwindelt indem sie fiktive Begünstigte angaben. Sogar Dr. Magufulis Mutter erschien unter den angeblichen Subventionsempfängern, wie der Präsident erbittert bemerkte.
Die Bill-Gates-Stiftung rühmte Kikwetes Verdienste um die verbesserte Reproduktionsgesundheit, sowie die Gesundheit von Müttern, Neugeborenen und Heranwachsenden.  


Bei einem Wasserprojekt im Sengerema-Distrikt verschwanden TZS 2,4 Mrd.; die Schuldigen sollen das Geld zurückzahlen.
Die UN-Frauenbeauftragte für TZ lobte Kikwete für sein engagiertes Eintreten für Frauenrechte. Wichtige Gesetze gaben Frauen das Recht auf Erbschaft und Landbesitz. Unternehmerinnen wurden von der Frauenbank besonders gefördert. 64% aller Kleinunternehmen gehören Frauen (2013); 23% der Frauen verdienen mehr als Männer (2010). In Primar- und Sekundarschulen ist Geschlechter-Gleichheit erreicht. Im Parlament sitzen derzeit 127 Frauen (36,5%); eine 50%-Quote wird im Verfassungsentwurf angestrebt. In der Verfassunggebenden Versammlung stellten Frauen 41% der Mitglieder. Die Kikwete-Administration umfasste zuletzt 10 Ministerinnen und fünf Stellvertreterinnen. Die Regierung führt eine Kampagne durch: „Null Toleranz für Gewalt gegen Frauen und Kinder“. Die Müttersterblichkeit sank von 578 auf 432 pro 100.000 Geburten.


Der DSM-Regionalchef erklärte, der schlechte Zustand der Straßen in Dar-Es-Salaam sei durch unseriöse Baufirmen verursacht, die von bestochenen Beamten Aufträge erhielten. Er ordnete an, innerhalb eines Monats alle Schlaglöcher zu reparieren.  
Kikwete begnadigte zum Abschluss seiner Amtszeit 4.160 Gefängnisinsassen, hauptsächlich Kranke und stillende Mütter.


Citizen 13.07.; 07.08.17; DN 05.,11.07.; 08.,09.,20.08.17; Guardian 07.08.17
Citizen 02.09.15; DN 16.07.; 08.,12.,21.,30.10.15; Guardian 05.08.; 11.07. 05.,21.10.; 06.11.15


[[Kategorie:09/2017]]
==Rückblick auf die 10. Legislaturperiode==
[[Kategorie:Wirtschaft_-_Wirtschaftsprobleme]]
Das 10. Parlament setzte sich aus 357 Mitgliedern zusammen, 262 von der CCM und 90 aus 5 Oppositionsparteien, sowie 5 Delegierte aus Sansibar. 2010 wurde mit A. Makinda erstmals eine Frau zur Vorsitzenden (speaker) gewählt. Sie galt als CCM-freundlicher als ihr Vorgänger Sitta. Wichtige Debatten drehten sich um Korruptions- und Veruntreuungsskandale und um die aus dem Ruder gelaufene Aktion zur Bekämpfung des Wilderns in Nationalparks. Diese wegweisenden Debatten wurden von der Opposition erzwungen und nötigten Präsident Kikwete zweimal, mehrere Minister zu entlassen. Die stärksten Oppositionsparteien Chadema und CUF beendeten ihre Gegnerschaft und begründeten die „Koalition der Verteidiger der Volksverfassung“ (Ukawa), konnten aber den von ihnen favorisierten Verfassungsentwurf nicht durchsetzen.
 
50 neue Gesetze wurden in den vergangenen fünf Jahren verabschiedet, darunter die zum Jugendrat und zum vereinfachten Grenzübertritt. Einige neue Gesetze sind wegen Einschränkung von Rechten umstritten, so die Gesetze zur Internetkriminalität, zum Schutz von Informanten und zur Pressearbeit. Das 10. Parlament ratifizierte 14 internationale Verträge und Vereinbarungen. Die Mitglieder stellten der Regierung 3.825 und dem Premier 337 Fragen.
 
Citizen 09.07.15; DN 23.09.15
 
[[Kategorie:12/2015]]
[[Kategorie:Staatswesen_-_Persönlichkeiten_der_Regierung_-_Kikwete]]

Aktuelle Version vom 6. Januar 2019, 20:21 Uhr

Präsident von 2005 bis 2015

Afrikaweit wird beachtet, dass der vierte Präsident Tansanias, J. M. Kikwete, sein Amt verfassungsgemäß am Ende seiner zweiten Arbeitsperiode niederlegte. In Burundi sicherte sich Präsident Nkurunziza kürzlich mit massiver Gewalt eine dritte Amtszeit, in Ruanda und der DR Congo streben die amtierenden Präsidenten eine entsprechende Verfassungsänderung an.

Business Times 30.10.15;

Kritische Einschätzungen

Kikwete wird als Reisepräsident in Erinnerung bleiben. Die Business Times schrieb karikierend, er habe die Hälfte seiner Amtszeit in Fünf-Sterne-Hotels und auf Erster-Klasse-Flügen verbracht. Diese häufigen internationalen Flüge mit großen Delegationen werden hinterfragt, da sie den Staatshaushalt eines armen Landes stark belasteten. Z.B. stellte beim Weltwirtschaftsforum in Nigeria 2015 China die stärkste Delegation (80 Delegierte), TZ folgte mit 68 Delegierten. Bei solchen Reisen bleibt viel öffentliches Geld an diversen Händen kleben: ein Businessclass-Ticket nach Europa kostet ca $ 8.000, der Regierung werden dafür $ 14.000 in Rechnung gestellt.

Andererseits fand Kikwete mit seiner Reisediplomatie immer wieder Geldgeber für große Projekte, viele davon auf Kredit. Damit wuchsen naturgemäß die Staatsschulden stark an: von TZS 7 Billiarden bei seinem Amtsantritt 2005 auf 40 Brd. (€19 Mrd.) 2015, darunter hochverzinsliche Bankkredite. Weitere Billiarden schuldet der Staat mit zahlreichen offenen Rechnungen, Entschädigungen für enteignete Grundstücke und unbezahlten Gehältern. Der Wert des Tanzania-Shilling gegenüber dem US-Dollar sank während Kikwetes Amtsperiode um 80% von 1.142 auf 2.152 TZS / Dollar. Hohe Werte waren bei der intransparenten Privatisierung staatlichen Besitzes verloren gegangen. Kikwete gelang es nicht, diese Verluste zu begrenzen [vgl. unten: Magufulis erste Maßnahmen].

Zivilgesellschaftliche Organisationen und die kritische Presse erinnern an zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Einschränkungen der freien Meinungsäußerung während Kikwetes Amtszeit. Er selbst meint, alle Regeln guter Amtsführung beachtet zu haben.

Die Zeitung „Nipashe“ erinnert an Großprojekte, die Kikwete 2010 angekündigt, aber nie verwirklicht hat, z.B.: Passagier- und Frachtschiffe auf Victoria-, Tanganyika- und Nyassa-See; 400 dreirädrige Ambulanzfahrzeuge; Überführungen an großen Kreuzungen und eine neue Ringstraße in DSM; Neubau der Zentralbahn; eine Wirtschaftszone in Tanga. Kikwete habe 2005 jährlich 500.000 neue Arbeitsplätze versprochen, in 10 Jahren entstanden allerdings nur 1.117.011 neue Jobs.

Die „Business Times“ hebt hervor, dass unter Kikwete entgegen seinen Ankündigungen Korruption und Missbrauch öffentlicher Gelder zugenommen haben. Während 2005 50 Fälle bekannt wurden, waren es 2014 bereits 1.900 Fälle, die Verluste von TZS 88 Mrd. bedeuteten. Die vom parlamentarischen Untersuchungsausschuss angeforderten Berichte zum Tegeta-Treuhandskandal wurden nie veröffentlicht. Mit knapper Not wurden die Vorgaben der US-amerikanischen Millennium Challenge Corporation zur Korruptionsbekämpfung erfüllt und damit ein Zuschuss von $ 473 Mill. gerettet.

Der „Citizen“ listet eine lange Reihe von Fällen von schwerer Korruption, Veruntreuung und Missbrauch öffentlicher Gelder während Kikwetes Präsidentschaft auf. Dabei zeigt sich ein wiederkehrendes Muster: Ein Skandal wird bekannt – die Öffentlichkeit empört sich – Geber drohen mit Kürzungen – einige unleugbar Verwickelte werden entlassen – selten gibt es Anklagen, allenfalls gegen „kleine Fische“. Weder wird Schadensersatz gefordert, noch gibt es effektive Vorbeugung gegen den nächsten Skandal.

Die „Koalition der Menschenrechts-Verteidiger“ (TDHRC) resümiert, Kikwete habe zwar zu einer gewissen Transparenz beigetragen, das Hauptverdienst an der Aufdeckung von Betrugsfällen komme aber dem Parlament, dem General-Buchprüfer und einigen mutigen whistleblowers zu. Das entscheidende Transparenz-Hindernis sei, dass kein Präsident bisher dem Korruptions-Verfolgungs-Büro Entscheidungs- und Anklage-Kompetenz übertragen hat.

Kikwete nahm vom damaligen Minister für Öffentliche Arbeiten und jetzigen Präsidenten Magufuli einen Traktor, einen Kleinlastwagen und landwirtschaftliche Maschinen als Abschiedsgeschenke entgegen, bezahlt aus der Staatskasse.

Citizen 24.,26.06.; 09.07.; 03.,21.08.; 11.,19.11.15; Business Times 30.10.15; East African 14.11.15; Guardian 05.10; 12.11.15; Nipashe 02.10.15

Erfolge

Kikwete selbst charakterisierte die positiven Entwicklungen seiner Amtszeit mit statistischen Angaben, ohne auf die Qualität der zitierten Dienstleistungen einzugehen:* Big Results Now: Mit der 2012 aus Malaysia übernommenen Strategie „BRN“sollen Projekte schneller und effektiver verwirklicht und Mitarbeitende besser motiviert werden. [vgl. TI August 2014, S.4]

  • Verkehr: Zwei- und dreirädrige Motorfahrzeuge verdoppelten sich auf 3,3 Mill.; 5.568 km Fern- und 535 km städtische Straßen wurden neu gebaut. Terminal 3 des Flughafens DSM ist im Bau
  • Tourismus: Die Zahl ausländischer Touristen in TZ stieg von 612.754 (2005) auf 1.138.000 2014, die Einnahmen aus diesem Sektor von $ 747 Mill. auf $ 2 Mrd.; 1,2 Mill. Menschen arbeiten in der Tourismusbranche (2005: 500.000). Sie erbringt 25% des Brutto-Inlandsprodukts
  • Kommunikation: 7.560 km Glasfaserkabel wurden verlegt. Es gibt jetzt 28 Mill. Telefonanschlüsse (2005: 3 Mill.) Die Telefonkosten pro Minute sanken von TZS 115 auf 35; Internetkosten pro GB von TZS 36.000 auf 9.000. Monatlich werden TZS 2 Brd. telefonisch überwiesen.
  • Bildungswesen: Die Zahl der Universitäten stieg von 26 auf 52; Primarschulen von 14.27 auf 16.538; Sekundarschulen von 1.745 auf 4.753; Technische Hochschulen von 184 auf 744. 6.000 Labore für den Unterricht in Naturwissenschaften wurden gebaut, 4.000 sind im Bau. Für Bildung gibt der Staat am meisten aus: TZS 3,4 Brd. (2005: 570 Mrd.)
  • Gesundheitswesen: 2.175 neue Gesundheitseinrichtungen wurden errichtet; die Zahl der Medizinstudierenden stieg von 3.025 auf 11.807; die der Ärzte von 1.048 auf 2.325; die der Pflegekräfte von 15.961 auf 22.942; Das Arzt-Patienten-Verhältnis steht jetzt bei 1:6.666 (2005: 1:35.714). Für Medikamente gibt der Staat TZS 147 Mrd. aus. 19% haben eine Krankenversicherung (2005: 3%). Die HIV-Infektionsrate fiel von 7,7% auf 5,1%.
  • Medien: TZ hat 16 Tageszeitungen (davon zwei in Staatsbesitz) 62 Wochenzeitungen, 115 Radiostationen und 29 Fernsehsender
  • Wasser: 86% der Bevölkerung haben Zugang zu Leitungswasser (2005: 73%)
  • Elektrizität: 40% haben Stromanschluss (2005: 10%); 5.336 Dörfer von 12.423 haben Stromanschluss. Die häufigen Netzzusammenbrüche sollen mit den kommenden Gaskraftwerken Vergangenheit sein
  • Kreditwirtschaft: 2005 gab es 5.832 Kooperativen, 2015 9.604; Spar- und Kreditgenossenschaften (SACCOS) waren 2005 1.875 vorhanden, 2015 sind es 5.559.
  • Mineralien: Bergbau-Erzeugnisse erbrachten 2005 $ 655 Mill., 2014 1.800 Mill.
  • Industrie: Das Land zählt 2015 51.224 Industriebetriebe aller Größen, 2005: 11.544
  • Investitionen: In 10 Jahren wurden $ 154,3 Mrd. investiert, 49% von einheimischen Investoren, 23% von Ausländern, 28% waren Gemeinschaftsprojekte
  • Die Lohnsteuer ging von 18 auf 11% zurück
  • Land und Wohnung: 10.500 Dörfer wurden vermessen; 164,275 Grundbucheinträge vorgenomnmen. Wellblech-gedeckte Häuser machen nun 65% aus, gegenüber 46% 2005.
  • Justizwesen: die Zahl der Richter/innen an Berufungsgerichten stieg von 45 auf 97, davon 37 Richterinnen; in den Amtsgerichten arbeiten nun 35% Richterinnen
  • Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC): Einführung der Zollunion und Aufbau eines gemeinsamen Marktes; EAC-Länder investierten 2014 $ 677 Mill in Tansania (2005: $ 40 Mill.)
  • Entwicklungshilfe: Während Entwicklungspartner zunehmend hohe Beträge für Infrastruktur-Projekte beisteuerten, ging der Geber-Anteil am Nationalhaushalt von 42 auf 15% zurück.

Die regierungsnahe Daily News hob die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion hervor: Die Nahrungsmittelproduktion wuchs in 10 Jahren von 9,66 auf 16 Mill. t an. Die nationale Reserve stieg von 100.000 auf 280.000 t. Damit wurden 125% des Bedarfs erzeugt (2005: 95%). 74 Molkereien 2015 stehen 22 in 2005 gegenüber. Die Haushaltsausgaben zur Förderung der Landwirtschaft stiegen von TZS 233 Mrd. auf 1.084 Mrd. Der Kunstdünger-Verbrauch wuchs von 242.000 auf 343.000 t, die Zahl der Traktoren von 7.491 auf 16.412. Derzeit werden noch 62% der landwirtschaftlichen Fläche mit der Hacke bearbeitet (2005: 70%).

Die Volkswirtschaft sei in den letzten 10 Jahren um durchschnittlich 6% jährlich gewachsen. Die Armut nahm um knapp 1% jährlich ab. Dennoch verfügen mehr als 70% der Tansanier über weniger als $ 2 pro Tag. Das jährliche Pro-Kopf-Einkommen erreichte 2014 $ 1.038 (2005: $ 375). Damit ist die von der Weltbank auf $ 1.045 festgelegte Schwelle zum „Land mit mittleren Einkommen“ fast erreicht.

Die Bill-Gates-Stiftung rühmte Kikwetes Verdienste um die verbesserte Reproduktionsgesundheit, sowie die Gesundheit von Müttern, Neugeborenen und Heranwachsenden.

Die UN-Frauenbeauftragte für TZ lobte Kikwete für sein engagiertes Eintreten für Frauenrechte. Wichtige Gesetze gaben Frauen das Recht auf Erbschaft und Landbesitz. Unternehmerinnen wurden von der Frauenbank besonders gefördert. 64% aller Kleinunternehmen gehören Frauen (2013); 23% der Frauen verdienen mehr als Männer (2010). In Primar- und Sekundarschulen ist Geschlechter-Gleichheit erreicht. Im Parlament sitzen derzeit 127 Frauen (36,5%); eine 50%-Quote wird im Verfassungsentwurf angestrebt. In der Verfassunggebenden Versammlung stellten Frauen 41% der Mitglieder. Die Kikwete-Administration umfasste zuletzt 10 Ministerinnen und fünf Stellvertreterinnen. Die Regierung führt eine Kampagne durch: „Null Toleranz für Gewalt gegen Frauen und Kinder“. Die Müttersterblichkeit sank von 578 auf 432 pro 100.000 Geburten.

Kikwete begnadigte zum Abschluss seiner Amtszeit 4.160 Gefängnisinsassen, hauptsächlich Kranke und stillende Mütter.

Citizen 02.09.15; DN 16.07.; 08.,12.,21.,30.10.15; Guardian 05.08.; 11.07. 05.,21.10.; 06.11.15

Rückblick auf die 10. Legislaturperiode

Das 10. Parlament setzte sich aus 357 Mitgliedern zusammen, 262 von der CCM und 90 aus 5 Oppositionsparteien, sowie 5 Delegierte aus Sansibar. 2010 wurde mit A. Makinda erstmals eine Frau zur Vorsitzenden (speaker) gewählt. Sie galt als CCM-freundlicher als ihr Vorgänger Sitta. Wichtige Debatten drehten sich um Korruptions- und Veruntreuungsskandale und um die aus dem Ruder gelaufene Aktion zur Bekämpfung des Wilderns in Nationalparks. Diese wegweisenden Debatten wurden von der Opposition erzwungen und nötigten Präsident Kikwete zweimal, mehrere Minister zu entlassen. Die stärksten Oppositionsparteien Chadema und CUF beendeten ihre Gegnerschaft und begründeten die „Koalition der Verteidiger der Volksverfassung“ (Ukawa), konnten aber den von ihnen favorisierten Verfassungsentwurf nicht durchsetzen.

50 neue Gesetze wurden in den vergangenen fünf Jahren verabschiedet, darunter die zum Jugendrat und zum vereinfachten Grenzübertritt. Einige neue Gesetze sind wegen Einschränkung von Rechten umstritten, so die Gesetze zur Internetkriminalität, zum Schutz von Informanten und zur Pressearbeit. Das 10. Parlament ratifizierte 14 internationale Verträge und Vereinbarungen. Die Mitglieder stellten der Regierung 3.825 und dem Premier 337 Fragen.

Citizen 09.07.15; DN 23.09.15