Justizwesen - 02/2021

Aus Tansania Information
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Tito Magoti und Theodory Giyani freigelassen

Die beiden Menschenrechtsaktivisten kamen nach einjähriger Haft aufgrund einer Vereinbarung mit der Anklagebehörde frei. Sie bekannten sich schuldig, eine kriminelle Vereinigung gegründet zu haben und wurden zu einer Geldstrafe von Tsh. 17,3 Mill. (€6.400) verurteilt. Magoti war als Rechtsanwalt für das Legal and Human Rights Centre (LHRC) tätig, Giyani ist Computerspezialist und mit Magoti befreundet. Magoti wurde am 19.12.2019 auf der Straße verhaftet, nachdem er sich auf Twitter mit Regierungskritikern solidarisiert hatte und galt zunächst tagelang als „verschwunden“. Ihm und Giyani wurden im Dezember 2019 Wirtschaftsverbrechen vorgeworfen, aber die Polizei legte bis zum Schluss bei insgesamt 26 Haftprüfungsterminen vor Gericht keine Anklage vor, da ihre Untersuchungen noch nicht abgeschlossen gewesen seien. Zu den Vorwürfen gehörten Geldwäsche, Besitz eines Computerprogramms zum Zweck der Begehung von Straftaten und die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Beim letzten Gerichtstermin ließ die Anklage die ersten beiden Punkte fallen, und da die Angeklagten sich im 3. Punkt schuldig bekannten, kam das Gericht zu seinem Urteil. Die Anklage führte aus, die beiden Beschuldigten hätten sich im Jahr 2018 verabredet, eine Lügenkampagne zur Menschenrechtssituation in Tansania zu beginnen. Dazu sei Magoti von einem Dritten mit einer niederländischen Telefonnummer angestiftet worden. Sie hätten für ihre Zwecke eine Whatsappgruppe gegründet und dazu eine ausländische Telefonnummer benutzt. Sie hätten ferner Geld aus dem Ausland für ihre Ziele erhalten.

Die tansanische Polizei, die zugleich Anklagebehörde ist, setzt gerne den Vorwurf der Geldwäsche ein, da hier eine vorläufige Freilassung auf Kaution bis zur Hauptverhandlung nicht möglich ist. Auf diese Art und Weise ist es möglich, Beschuldigte über längere Zeit in Haft zu halten und sie so zu Geständnissen zu zwingen, ohne gerichtsfeste Beweise vorlegen zu müssen. Bisher tolerieren die Gerichte die Taktik der Polizei, bei wiederholten Haftprüfungsterminen jeweils eine Vertagung zu beantragen, um die Ermittlungen abschließen zu können. Im vergangenen Jahr hatte der Journalist Eric Kabendera unter ähnlichen Umständen nach 7 Monaten Haft ebenfalls ein Schuldgeständnis abgelegt, um durch Zahlung einer Geldstrafe aus der Haft freizukommen, in der sein Gesundheitszustand sich bedrohlich verschlechtert hatte. Die LHRC-Leiterin Anna Henga hatte den Fall Magoti im Juli 2020 einen Beleg für große Strukturprobleme im tansanischen Justizwesen genannt, in dem die Anklage Gesetzeslücken ausnutzen kann, um Beschuldigte ohne Gerichtsurteil in Haft zu halten. Auch Amnesty International und die US-Juristenvereinigung hatten über die willkürliche Haft von Magoti und Giyani berichtet und ihre umgehende Freilassung gefordert.

amnesty.org 21.01.20, Citizen 03.07.20, Capital FM (Kenya) 06.01.2021, Mwananchi 09.01.21, Nation (Kenya) 06.01.21

Tansanische Justiz feiert 100 Jahre „Gerechtigkeit für alle“

Der Oberste Gerichtshof feierte im Januar sein 100-jähriges Bestehen. Der oberste Richter Hamisi Juma feierte “hundert Jahre Beiträge im Dienste von Freiheit, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und Wohlfahrt aller Bürger”. 1920 nahm der erste britische Richter seine Arbeit in der frisch eroberten Kolonie nach dem Ende der Militärverwaltung auf. Die Formulierung des Eigenlobs scheint auch 40 Jahre der britischen Kolonialjustiz einzuschließen; die vorherige deutsche Justizbehörde war offenkundig nicht im Blickfeld.

DN 18.01.21

Drakonische Bestrafung

In Morogoro trat der 22-jährige Bakari Abdallah eine zwanzigjährige Gefängnisstrafe an, nachdem er und seine Familie die alternative Geldstrafe von Tsh 8,8 Mill. (ca. € 3.300) nicht aufbringen konnten. Sein Vergehen war der „Besitz von Regierungseigentum“ (government trophies), konkret eines halben Kilos Wildfleisch, das er im November 2018 jemand auf der Straße im Glauben abgekauft hatte, es handele sich um Rindfleisch. 2 Stunden nach dem Kauf kamen 6 Polizisten zu seinem Haus und durchsuchten es nach Wildfleisch. Nachdem sie nichts fanden, wurden sie von ihrem Vorgesetzten unter Berufung auf eine telefonischen Anzeige zurückgeschickt. Bakari zeigte ihnen das vermeintliche Rindfleisch, das er erworben und in einem Gefäß aufbewahrt hatte. Nach siebentägiger Polizeihaft wurde Bakari vorläufig auf Kaution freigelassen; seine Familie brachte den Betrag von rund €300 durch Verkauf eines Grundstücks auf. In der jetzt folgenden Hauptverhandlung wurde er aufgrund des Wildschutzgesetzes von 2009 zur Höchststrafe verurteilt. Ein Beamter der Wildschutzbehörde versicherte auf Grund seiner Sachkenntnis, das Fleisch als Gazellenfleisch identifiziert zu haben, dessen Wert er mit Tsh 845.520 (ca. $390) bezifferte.

Mwananchi 20.01.2021

Regionalkommissar fordert die Polizei zur Beachtung der Gesetze auf

In einer ungewöhnlichen Rede anlässlich der „Woche des Rechts“ zum 100jährigen Bestehen des Obersten Gerichtshofs forderte der Regionalkommissar von Simiyu, Anthony Mtaka, die Polizei zur Beachtung der Gesetze auf. Die Gerichte könnten ihre Aufgabe nur wahrnehmen, wenn ihnen wahrheitsgemäße Ermittlungsergebnisse vorgelegt werden. Dazu müsse die Polizei das Recht und die Grundsätze der Menschlichkeit (utu) beachten. Unwahre Angaben seitens der Polizei würden zur Verurteilung von Unschuldigen führen. Dies würde gerade den Armen („Wanyonge“, die i.d.R. ohne Anwalt vor Gericht stehen, Red.) ihr Recht vorenthalten. Die Polizei solle ihre Methoden ändern. Mtaka dürfte sich auf die häufigen Fälle bezogen haben, bei denen Geständnisse aus Verdächtigen herausgeprügelt oder dem Gericht schlampige Recherchen vorgelegt werden.

MTansania 24.01.21, Tansaniaweb 26.01.21

Sinkende Kriminalitätsrate

Laut dem Generalinspekteur der Polizei, Simon Sirro, ist die Zahl der Straftaten landesweit im Jahr 2020 um 15,5% zurückgegangen, von 58590 Fällen im Jahr 2019 auf 50.689. Geschlechtsbezogene Gewalt sei nach wie vor ein Problem. Die Polizei arbeite hierbei mit den Religionsgemeinschaften zusammen.

DN 21.01.21

Kriminelle Polizisten

In Arusha wurde ein Polizist verhaftet, der für sein Haus eine illegale Stromleitung gelegt und unerlaubten Alkohol gehortet hatte. - In Moshi wurde ein Verkehrspolizist durch die Antikorruptionsbehörde verhaftet, der von einer Frau sexuelle Dienstleistungen verlangt hatte, um seinen Unfallbericht auszufertigen. Sie benötigte diesen für die Versicherung, nachdem sie von einem Motorrad angefahren worden war.

Guardian 07.01.21 , Mwananchi 07.04.21

Personalkarussell in Antikorruptionsbehörde

Brigadegeneral John Mbungo hat als Leiter der Antikorruptionsbehörde eine umfangreiche Versetzungswelle unter den Direktoren, regionalen Leitern und Ermittlern angeordnet, um die Effizienz der Behörde zu steigern.

Citizen 13.01.21

Prügelnde Beamte

Im Dorf Hydom in der Manyararegion wurde der örtliche Verwaltungsleiter suspendiert, nachdem er eine Frau verprügelt hatte, die sich nicht an einer von ihm angeordneten Umlagezahlung des Dorfes beteiligt hatte. Das Menschenrechtszentrum LHRC lobte den zuständigen Distriktsdirektor für diese Entscheidung, jeder habe das Recht auf seinen gesetzlichen Richter.

In letzter Zeit wurde mehrfach von Fällen berichtet, wo höhere Beamte zum Stock gegriffen hatten, um persönlich „Übeltäter“ zu bestrafen, ohne dass es hinterher für sie Konsequenzen gegeben hatte. Nach den Prügeln für Schüler in Arusha durch Distriktkommissar K. Kihongosi (vgl. TI 01-2021) hatte Anfang Januar die für Behinderte zuständige Staatsministerin Ummy Mwalimu zum Stock gegriffen, als sie bei einer Razzia in Dar es Salaam auf Personen stieß, die Behinderte zum organisierten Betteln in Gästehäusern hielten. Als sie im Verlaufe der Prügelaktion auf eine Hose schlug, die papierene Geräusche von sich gab, reichte sie den Stock an den anwesenden Distriktskommissar von Kinondoni weiter, der nach Entfernung der Polsterung zur Tat schreiten musste.

Im Oktober 2019 hatte der Regionalkommissar von Mbeya persönlich sämtliche Schüler einer 11. Klasse durchgeprügelt, die der Brandstiftung in der Schule beschuldigt worden waren.

Die Zeitung Mwananchi wies in ihrem Bericht darauf hin, dass nach einem vergleichbaren Vorfall im Jahre 2009 der damals prügelnde Distriktkommissar von Bukoba seines Amtes enthoben wurde. Er hatte die Polizei nach einem Vorfall an einer Schule angewiesen, mehreren Lehrern Stockschläge zu erteilen. Der damalige Präsident Kikwete hatte ihn daraufhin mit der Begründung entlassen, er habe seine Zuständigkeit überschritten und sein Amt entwürdigt.

Citizen 20.01.21 , Mwananchi 04.01.2021

Säumige Verkehrssünder

Ende Januar führte die Polizei landesweit Verkehrskontrollen durch, um zahlungsunwillige Verkehrssünder zur Rechenschaft zu ziehen. In Tansania haben die meisten Fahrzeugführer 7 Tage Zeit, um nach Erhalt eines Strafzettels (i.d.R. handelt es sich um Tsh 30.000 € 11, die über das Handy gezahlt werden können; Red.) die Buße zu begleichen. Laut Polizei stehen Tsh. 12 Mrd. aus, was beim Standardsatz von Tsh30.000 etwa 400.000 unbezahlten Strafzetteln entspricht. In den ersten 5 Tagen seien Tsh 1,4 Mrd. eingetrieben worden.

Citizen 23.01.21, Mwananchi 25.01.21

51 illegale Migranten aus Äthiopien verhaftet

In der Mbeyaregion wurden 51 Äthiopier verhaftet, die bei einer Verkehrskontrolle auf der Durchreise gen Süden ohne Visum auf der Durchreise ins südliche Afrika entdeckt wurden. Sie waren in einem LKW aus Arusha, wo sie seit Tagen ohne Nahrung eingeschlossen waren. Der Fahrer bot den Beamten Tsh 3 Mill. An, worauf diese nicht eingingen. (vergleiche Abschnitt Außenbeziehungen, Red.)

Guardian 14.01.21