Ärztestreik, Hintergrund, Reaktion der Regierung, Reue - 01/2006

Aus Tansania Information
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Im Juni streikten Ärzte des Muhimbili National Hospital (MNH), des größten Überweisungskrankenhauses, eine Woche lang für höhere Einkommen. Die Regierung entließ sie, widerrief diese Entscheidung sogleich, nachdem Premierminister Sumaye das MNH besucht, Unterstützung zugesichert und den Streik für beendet erklärt hatte. Aber nichts geschah.

Am 17. Nov. begann der Streik erneut, denn niemand nehme sie ernst, klagten die Ärzte. Ihr Ziel sei, das Los der Ärzte im ganzen Land zu verbessern. Am fünften Tag schlossen sich auch einige Pflege- und Hilfskräfte den Streikenden an.

Lage am MNH

Der Vorsitzende des MNH-Aufsichtsgremiums befahl den Ärzten am 20. Nov., die Arbeit wieder aufzunehmen. Vergeblich. Fast der ganze Betrieb kam zum Stillstand. Nur übermüdete Chef- und Fachärzte kümmerten sich um die Kranken. Manche Patienten wurden an kleinere Krankenhäuser überwiesen. Viele klagten über die Zustände. Gebärende riefen nach Hilfe. Die Zahl der Sterbefälle nahm zu. Patienten berichteten, Tote würden erst nach mehr als zehn Stunden weggebracht. Einer, der mit Gehirnmalaria eingeliefert worden war, berichtete, vier Tage lang habe er keinen Arzt gesehen. Nach einigen Tagen wurden nur noch extrem schwere Fälle behandelt, die Versorgung war auf ein Minimum geschrumpft. Die physiotherapeutische Abteilung wurde ganz von Krankenschwestern übernommen. Die ambulanten Patienten bildeten lange Warteschlangen. Die drei Regions-Krankenhäuser Dar-es-Salaams wurden angewiesen, keine Patienten zu überweisen. Nur wer in kritischem Zustand sei, einen Facharzt benötigte, werde behandelt.

Forderung

Die Streikenden fordern als Mindestgehalt 1,2m/- TSh. Das Medizinstudium sei anspruchsvoller, dauere länger als das für andere Berufe. Oft seien die Ärzte lebensbedrohlichen Risiken ausgesetzt. Man bezweifle, dass die Regierung keine besseren Löhne bezahlen könne; Steuerbeamte bekämen als Mindestlohn 624.465/- TSh. Ein DN-Kommentator stellt dagegen, nicht nur die Ärzte verdienten wenig, Lehrer, Journalisten, Ingenieure, Rechtsanwälte bekämen oft gar nichts.

Eine Demonstration der Ärzte wurde von der Polizei nicht genehmigt. Wenn sie friedlich zum State House ziehen wollten, um mit Präsident Mkapa zu sprechen, sollten sie mit diesem Ort und Termin vereinbaren.

Angebot, Ablehnung

Am 21. Nov. hob die Regierung die Löhne mit Wirkung ab 1.1.06 um 77,7 % an, von 226.000/- TSh auf 420.000/- TSh, für Fachärzte von 1.030.000/- TSh auf 1.141.000/- TSh. Man werde das Einkommen aller Mitarbeiter des Gesundheitsdiens-tes anheben, versprach sie. Doch die Mehrheit der streikenden Ärzte wies das Angebot ab, beharrte auf 1,2m/- TSh. Bei dem Angebot handle es sich um Peanuts. Im Juni habe die Tanzania Medical Association (MAT) eine Anhebung auf 600.000/- TSh, für Fachärzte auf 1,2m/- TSh empfohlen.

Die Patienten äußerten sich enttäuscht. Sie verurteilten die Ärzte, die sich weigerten, den Streik zu beenden. Es sei unfair von den Ärzten, das Entgegenkommen des Regierung nicht zu akzeptieren.

Drohung

Am 22. Nov. erklärte der MNH-Exekutivdirektor, wer bis 14 Uhr die Arbeit nicht aufgenommen habe, sei entlassen. Einschüchterungen von Angestellten, die die Arbeit aufnahmen, würden nicht geduldet. Derartige Aktionen seien eine Straftat, die gerichtlich verfolgt werde. "Uns wurde berichtet, arbeitswillige Ärzte seien von ihren Kollegen verprügelt worden", hatte ein Polizeikommandant erklärt. Auch der Tansanische Gewerkschaftsverband der Angestellten der Regierung und des Gesundheitssektors (TUGHE) forderte die Ärzte auf, den Streik zu beenden.

Entlassungen

Am 23. Nov. entließ die Regierung alle 179 im Krankenhaus lebenden Medizinalassistenten und mehrere vom MNH angestellte Ärzte und Krankenschwes-tern, ebenso einige Ärzte des KCMC in Moshi, die sich dem Streik angeschlossen hatten. Gesundheitsministerin Anna Abdallah sagte, die Geduld der Regierung sei zu Ende. Wer die Arbeit nicht wieder aufnehmen wolle, müsse das Gelände unverzüglich verlassen. Besonders ärgerlich sei, dass streikende Ärzte auf dem MNH-Gelände zu lauter Musik getanzt hätten.

Einige Ärzte streunten auf dem Gelände herum. Man werde die Zimmer nicht räumen, erklärten sie. Zwei Tage später stürmten schwerbewaffnete Polizisten die MNH-Wohnheime, um die entlassenen Jungärzte und Medizinalassistenten auszuweisen. "Sie sollen ihr Entlassungsschreiben holen, dürfen sich nicht mehr auf dem Gelände aufhalten. Andernfalls wird man gegen sie vorgehen", sagte ein MNH-Direktor. Dar-es-Salaamer begrüßten die Entlassung der Streikenden. "Was geschähe, wenn der gesamte öffentliche Dienst streikte? Was ist mit denen, die gar keine Arbeit haben?", fragte einer. Doch auch die Regierung wird kritisiert: "Sie hätte nicht warten sollen, bis die Lage im MNH außer Kontrolle gerät." "Die Abgeordneten bekommen viel Geld fürs Nichtstun. Auch die Steuerbeamten sind hoch bezahlt."

Veränderungen am MNH

Am 24. Nov. nahmen Ärzte aus allen Teilen Tansanias die Arbeit auf, um die entlassenen Ärzte zu ersetzen, 40 Militärärzte und 35 vom Gesundheitsministerium. Man will auch Ärzte der Polizei, des Strafvollzugs, pensionierte u. a. holen. 40 Medizinalassistenten, die auf der Warteliste stehen, sollen eingestellt werden. Die Ärzte aus anderen Einrichtungen leisteten goßartige Arbeit, sagte die Gesundheitsministerin. Die Patienten strömten wieder zum MNH. Doch es erholte sich nur langsam. Es sei unmöglich, so viele Kranke zu behandeln, sagte ein Arzt. Man müsse Überstunden machen. Nach der Einstellung von 290 Ärzten und vielen Krankenpflegern und Krankenpflegerinnen normalisierte sich der Betrieb, berichtete ein MNH-Direktor.

Reaktion der Streikenden

Zehn entlassene Jungärzte baten um Verzeihung. "Noch immer steht die Türe allen offen, die zur Arbeit zurückkehren wollen", sagte der Vorsitzende des MNH-Aufsichtsgremiums. Doch 179 Ärzte und andere Mitarbeiter nahmen die Arbeit nicht wieder auf und verloren ihren Job. Zwei Tage später erklärte Abdallah, die Regierung werde keine weiteren Anträge auf Wiederaufnahme akzeptieren. Die Frist sei abgelaufen. Von den 80 Ärzten des KCMC, die gestreikt hatten, meldeten sich 48 wieder zur Arbeit.

Fürsprache

Am 25. Nov. akzeptierte die Tanzania Medical Association (MAT) die Gehaltsanhebung. Sie bat die Regierung, ihren Beschluss, die am Streik beteiligten Medizinalassistenten nicht mehr zu unterstützen, rückgängig zu machen, die entlassenen Ärzte wieder einzustellen. Ein MAT-Sonderkomitee soll neue Verhandlungen aufnehmen. Doch das Gesundheitsministerium war nicht zum Dialog bereit. Die MAT aber blieb optimistisch. Man werde weiter verhandeln.

Regierung bleibt hart

Viele Stunden warteten Ärzte im Gesundheitsministerium in der Hoffnung, aus der Sackgasse herauszukommen. Doch der Stellvertretende Gesundheitsminister erklärte, die Regierung werde ihre Haltung nicht ändern. Wenn sich die Ärzte neu um eine Anstellung bewerben wollten, könnten sie das tun, hieß es. Die Regierung werde entscheiden.

Von den 176 entlassenen Ärzten stellten daraufhin 100 einen Antrag auf neuerliche Einstellung. Nur nach Überprüfung durch das Medical Council of Tanzania (MCT) bestehe Aussicht auf eine Einstellung, sagte Abdallah. Die letzte Entscheidung liege bei diesem. Alle, die 'die Karte nicht zögen', verlören die Lizenz, zu praktizieren. Nirgendwo auf der Erde würden sie dann als Arzt anerkannt. Der MCT ist das von der Regierung beauftragte Gremium, das medizinisches Personal bestraft, wenn es sich nicht an den Verhaltenskodex seines Berufsstandes hält.

Zur Lage

Einige anerkannte Mediziner warnen davor, alle Jungärzte zu entlassen, sie durch pensionierte Ärzte und Mitarbeiter des Gesundheitsministerium zu ersetzen. Das führe zu einer Krise im ganzen Land, denn diese hätten zum Teil seit 10-15 Jahren nicht mehr praktiziert, letztere im Büro Papier hin- und hergeschoben. Und wer tut die Arbeit derer, die versetzt wurden, fragen sie.

Disqualifizierung

30 Absolventen des Muhimbili University College (MUCHS), die sich am Streik beteiligt hatten, wird nicht gestattet, den Hippokratischen Eid abzulegen. Das sei die Strafe dafür, dass sie Patienten gestört hätten. Sie dürfen zusammen mit den anderen 463 anderen an der Abschlussfeierlichkeit teilnehmen, beim Ablegen des Eids jedoch nicht aufstehen, ihre Namen würden nicht verlesen. Nur wer eine Einladungskarte hatte, konnte an der Veranstaltung teilnehmen. Sicherheitskräfte waren am Haupteingang postiert.

Bitte um Verzeihung

Entlassene Ärzte baten Sumaye. Anna Abdallah und die Tansanier allgemein um Verzeihung. Sumaye sagte, die Regierung habe die richtige Entscheidung getroffen. Er sei nun erleichtert und vergebe ihnen. Sie sollten Geduld haben und sich nicht einmischen. Er sei optimistisch, erwarte, dass sie in ihren Job zurückkehren würden.

==Kommentar== des East African: Einen Haufen "unpatrioti- scher" Übeltäter zu entlassen sieht wie ein chirurgischer Eingriff aus. Aber wenn man sie zu Hause misshandelt, gehen die Ärzte nach Botswana oder Swaziland. Es besteht die Gefahr, dass Tansania der größte Exporteur qualifizierter Ärzte und anderer Fachleute wird. Bekämen die Ärzte das, was sie fordern, ermuntere sie das sicher, ihre Aufmerksamkeit wieder dem MNH zuzuwenden, statt Zeit und Energie auf ihre eigenen Kliniken zu richten. (DN 23./24./25./26./27./28./ 29./30.11.05; Guardian 18./20./21./22./23./24./25./ 26./28./29./30.11./2./5./6./11.12.05,Alasiri 28.11.05; Nipashe 2.12.05; The E.A. 3.12.05; IRIN 21./22.11.05)