Innenpolitik ‐ 12/2025

Aus Tansania Information
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Ergebnisse und Vereidigung

Bereits am 1. November wird das Wahlergebnis verkündet: Die Präsidentschaftskandidatin der CCM erreicht bei einer Wahlbeteiligung von 87 % mit 97,6 % (31.913.866 von 32.678.844 gültigen Stimmen) einen „Erdrutschsieg“. 37.647.235 Personen hatten sich für die Wahl registriert. Der Census vom November 2022 ergab 35.341.131 Bürger im Alter über 15 Jahre, was bedeutet, dass 92,5 % der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben haben – ein erstaunlicher Rekord.

Die Vereidigung der Präsidentin und ihres Stellvertreters Dr. Emmanuel Nchimbi durch den Obersten Richter Prof. George Masaju fand am 3. November um 10 Uhr mit erhöhtem Sicherheitsaufkommen auf dem Gwaride-Militärgelände in Dodoma statt. In ihrer Rede forderte Präsidentin Hassan die Behörden auf, die Normalität wiederherzustellen und vermutete wie die Polizei Ausländer als Anstifter der Unruhen. Solches Verhalten sei nicht tansanisch.

Anwesend bei der Vereidigungsfeier waren die Präsidenten von Sambia (Hakainde Hichilema), Somalia (Sheikh Hohamud), Mosambik (Daniel Chapo) und Burundi (Évariste Ndayishimiye). Die Präsidentin gratulierte Dr. Hussein Ali Mwinyi zur Wiederwahl in Sansibar. Nach der Zeremonie wurde das Internet wieder freigegeben und die Bewegungsfreiheit der Bürger wiederhergestellt.

TheChanzo, 04.11.2025, Guardian, 05./06.11.2025, DW, 7.11.2025

CCM – die letzte „Befreiungspartei“

Kommentar von Nicodemus Minde: Seit 48 Jahren sei die CCM an der Macht, aber seit der traumatischen Wahl jetzt mit zweifelhafter Zukunft. Dass die Vereidigung nicht öffentlich stattfand, zeige eine Partei im Panikmodus. Predigten über die 4R (Reconciliation, Resilience, Reforms, Rebuilding) bei der „Krönung“ erschienen wie Hohn. Der Mangel an parteiinterner Demokratie und die Verstrickung der CCM in die Wirtschaft werde sie langfristig schwächen. Man respektiere auch weiterhin Nyereres Lehren, doch habe Magufulis Ressourcennationalismus Einfluss genommen auf die Denkweise der Tansanier. Dank ihrer ausgedehnten ländlichen Netzwerke hätte die CCM, auch ohne ACT-Wazalendo und Chadema auszubooten, gegen die städtische und die Opposition im Norden gewonnen. Die Verfassung, die alle Macht dem Präsidenten gibt, und die Bedürfnisse der Jugend (77 % der Tansanier sind unter 35) zu ignorieren, sei nicht mehr zeitgemäß. Ohne innerparteiliche Reformen müsse eine schwere Glaubwürdigkeitskrise die Folge sein.

EastAfrican, 08.11.2025

Erste Parlamentssitzung

Am 11. November fand die erste Sitzung des 13. Parlaments statt. 95 % der Sitze gehen an die CCM, 60 % ihrer Abgeordneten sind neu und sozusagen als Samia-Loyalisten akkreditiert. ACT-Wazalendo hat sechs von 272 Festland-Wahlkreisen gewonnen, Chaumma einen. Von den 115 Sitzen für Minderheiten-Vertreter gehören zwei der Opposition. Damit besteht die Opposition aus neun Abgeordneten. Als einziges Kabinettsmitglied hat CIT-Minister Jerry Silaa seinen Sitz an Bakari Shingo von ACT-Wazalendo verloren. Es gibt 36 Frauen (statt zuletzt 21) im 13. Parlament. Sechs der CCM-Abgeordneten (sie darf bis zu zehn) ernennt Präsidentin Hassan persönlich, weil Regierungsangehörige auch Abgeordnete sein müssen: Mahmoud Thabit Kombo, Dorothy Gwajima, Rhimo Nansaho, Bashiru Ally, Khamis Mussa Omar und Abdullah Ali Mwinyi.

Aus gegebenem Anlass begnadigt die Präsidentin 500 wegen Hochverrat Angeklagte. In ihrer 90-minütigen Eröffnungsrede geht sie ein auf die Probleme der Jugend und verspricht einen eigenen Staatssekretär für Jugend sowie ein Beratergremium in ihrem Büro, mit dem Ziel, die Sorgen der Jugend mehr in den Blick zu nehmen. Versöhnung sei das oberste Ziel. Tansania werde weiterhin seine eigenen Vorstellungen von Demokratie verwirklichen und sich nicht von außen bevormunden lassen. Die Regierungschefin versprach, sich mit der Opposition zu treffen, um zu entscheiden, was aus deren Programmen übernommen werden kann.

Unklar blieb, ob sie weiter gegen ihre Kritiker kämpfen will oder sie sich, wie in den Protesten gefordert, auf Reformen einlässt. Und was schreiben sich die Abgeordneten auf ihre Fahnen: Partei- oder Landespolitik? Durch das 12. Parlament hat sich die Bevölkerung wenig repräsentiert gefühlt.

EastAfrican, 08./15.11.2025, Citizen, 11.11.2025, The Chanzo, 17.11.2025

Kabinett

Am 17. November stellt Präsidentin Hassan im Chamwino State House in Dodoma die Mitglieder ihres neuen Kabinetts vor. Der neue Premierminister und damit die rechte Hand der Präsidentin ist Mwigulu Nchemba (früher Finanzminister). Er war während ihrer ersten Amtszeit das Gesicht einer aggressiven Wirtschaftsdiplomatie mit beeindruckenden Ergebnissen. Die Ernennung ist als Signal an Investoren und Entwicklungspartner und als Versuch zu verstehen, das Vertrauen nach der Wahl wiederherzustellen. Einen Platz vorne am Kabinettstisch haben außerdem Vizepräsident Emmanuel Nchimbi, Chefsekretär Moses Kusiluka, Generalstaatsanwalt Hamza Johari, Sansibars Präsident Hussein Ali Mwinyi und die fünf Staatsminister für gute Regierungsführung Ridhiwani Kikwete, für Planung/Investition Kitila Mkumbo, für Jugend Joel Nanauka (er soll als neues Gesicht, charismatischer früher Prediger und junger Kommunikator Brücken bauen und die Frustration der Jugend in produktives Engagement verwandeln), für Union/Umwelt Hamad Masauni und für Politik/Parlament/Koordination William Lukuvi.

Ausgeschieden sind die Minister Doto Biteko (Energie und stellvertr. Premier), Jenista Mhagama (Gesundheit), Selemani Jafo (Industrie/Handel), Innocent Bashungwa (Inneres), Pindi Chana (natRessourcen/Tourismus), Hussein Bashe (Landwirtschaft), Damas Ndumbaro (Verfassung/Justiz) und Stergomena Tax (Verteidigung).

Als neue Gesichter hinzugekommen sind Riziki Shenidoe (RALG – Regional Administration and Local Government beaufsichtigt die 31 Regionen und mehr als 7.700 lokale Regierungen), Khamis Mussa Omar (Finanzen; er soll für Steuereffizienz, Kostenkontrolle und Verbesserungen im Schuldenmanagement sorgen), Daniel Chongolo (Landwirtschaft; früherer CCM-Generalsekretär, sein Portfolio steht im Zentrum der Schaffung von Arbeitsplätzen sowie von Ernährungssicherheit und Exportwachstum; das Leuchtturmprojekt „Building a Better Tomorrow“ von Vorgänger Hussein Bashe begreift Landwirtschaft nicht als letzte Zuflucht, sondern als Sektor der Innovation, Würde und Chancen), Rhimo Nyansaho (Verteidigung), Juma Homera (Verfassung/Justiz; er soll politische Stabilität, Vertrauen, Einheit zurückgewinnen; hohe Erwartung der Öffentlichkeit), Bashiru Ally (Vieh/Fischerei) und Leonard Akwilapo (Land/Behausung).

Geblieben sind bzw. intern gewechselt haben Abdallah Ulega (Bau), Makame Mbarawa (Transport), Judith Kapinga (Industrie/Handel), Angellah Kairuki (Kommunikation, Information Technology – CIT), Dorothy Gwajima (Gemeindeentwicklung/Gender/Frauen/Sondergruppen), Mohamed Mchengerwa (Gesundheit; soll Allgemeine Krankenversicherung einführen, für Neuanstellungen sorgen und Medikamentenherstellung vorantreiben, die bisher zu 90 % importiert wird), Adolf Mkenda (Bildung/Wissenschaft/Technologie), Ashatu Kijaji (natRessourcen/Tourismus), Palamagamba Kabudi (Information/Kultur/Künste/Sport), Anthony Mavunde (Bodenschätze), Deogratius Ndejembi (Energie), Deus Sangu (Arbeit), Mahmoud Thabit Kombo (Außen), George Simbachawene (Inneres; früher Staatsminister gute Regierungsführung, er soll Sicherheit und Polizei sowie Grenzschutz reformieren) und Jumaa Aweso (Wasser).

Neuer Parlamentssprecher ist Mussa Azzan Zungu (ersetzt Tulia Ackson).

EastAfrican, 15.11.2025, Reuters, 17.11.2025, Citizen, 18./19.11.2025, Guardian 18.11.2025

Wanu Hafidh Ameir, die stellvertretende Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Technologie ist Präsidentin Hassans Tochter. Der neue Gesundheitsminister Mohamed Mchengerwa ist ihr Schwiegersohn. Ridhiwani Kikwete, der Staatsminister für gute Regierungsführung, ist der Sohn des früheren Präsidenten Jakaya Kikwete.

FokusAfrika, 18.11.2025

Menschenhändler

Kommentar von Richard Lamu: Die Desillusionierung der tansanischen Jugend mache sie anfällig für Schlepper. Für viele sehe ein Job im Ausland wie der Rettungsanker aus. Das russische Alabuga Start Programm (DW, 13.06.2025) sei als Ausbildungs- und Arbeitsinitiative konzipiert. Doch die Wahrheit sei, dass junge Afrikanerinnen in Russland in der Rüstungsindustrie arbeiten und junge Afrikaner an die ukrainische Front müssten. Man kenne bereits viele Betroffenen in Kenia und Südafrika. Diese Tatsachen dürfe die Regierung nicht ignorieren und müsse proaktiv reagieren, um ihre Jugend zu schützen. Migration habe es schon immer gegeben, doch nun sei sie getrieben von Verzweiflung und nicht von Streben.

Citizen, 26.11.2025

Unabhängigkeitstag

Am 24. November sagte Premierminister Mwigulu Nchemba die Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag am 9. Dezember ab, um die dafür vorgesehenen Gelder für die Instandsetzung der im Wahlumfeld beschädigten Infrastruktur zu nutzen. Die Ankündigung fällt auf einen Zeitpunkt, da die Opposition und andere Gruppen zu Demonstrationen gegen das Wahlergebnis und die einhergegangenen Tötungen aufriefen.

Kommentar von Jenerali Ulimwengu: Eine Schar von Sheikhs habe in den sozialen Medien katholischen Priester unterstellt, Hetzkampagnen anzuzetteln, weil sie angeblich darüber unglücklich seien, dass die Präsidentin Muslima sei, und erklärt, allen den Kopf abzuschlagen, die an diesem Tag an einer Demo teilnehmen. Die Polizei, die sonst gerne hart zufasst, hat nicht reagiert, obwohl solche Posts das Land in Flammen setzen könnten. Die jungen Leute jedenfalls wollen sich nicht segregieren lassen, sondern sehen sich als ein Volk, als Wakrislamu, Waisristo, Chrislims oder Muslitians. Das lasse hoffen. Es reiche nicht aus, „Ausländer“ für die Unruhen zu beschuldigen und diejenigen, die die Zahl der Getöteten wissen wollten, mit der Unterstellung zum Schweigen zu bringen, sie wollten den Tod „feiern“.

BBC 25.11.2025, EastAfrican, 29.11.2025,