Wahl ‐ 11/2025

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Luhaga Mpina

In der von ACT-Wazalendo angestrengten Verfassungsklage gegen den Ausschluss von Luhaga Mpina als Kandidat für das Präsidentenamt hat das Hohe Gericht am 15. Oktober den zwei Monate währenden Rechtsstreit beendet und Mpina endgültig von der Liste der Präsidentschaftsanwärter gestrichen. Das Fehlen jeglicher relevanter Gegenkandidaten führe Tansania faktisch zurück in die Zeit der Einparteienpolitik. Demokratie sei wie der Rechtsstaat nur Schein.

Seit dem Urteil verlassen bekannte ACT-Wazalendo-Anwärter auf ein Abgeordnetenamt ihre Partei, um sich der CCM anzuschließen, oder ziehen ihre Kandidatur zurück. So wechselte in Geita der führende Chadema-Politiker Ezekiah Wenje, langjähriger Abgeordneter für Nyamagana und Chadema-Vorsitzender für die Lake Zone, zur CCM. Er erklärte, dass er nach 15 Jahren in der Opposition nun an der Neugestaltung des Landes mitwirken wolle. Das Schicksal der Nation sei wichtiger als seine persönlichen Interessen. Auch Jackson Kongoye, der für Tarime in der Lake Zone angetreten war, schloss sich der CCM an und brachte die Opposition damit um ihre traditionelle Hochburg. Mit diesen und anderen Übertritten sinkt ACT-Wazalendo in die Bedeutungslosigkeit. Die verbleibenden 17 weitestgehend unbekannten Kandidaten stellen für Hassan keine Gefahr dar.

Citizen, 14.10.2025 TheChanzo, 16.10.2025

Ausweisung

Tundu Lissu gibt an, am 6. Oktober sei er aufgefordert worden, eine Liste mit 100 Personen (auch Anwälte, Parteifreunde und Familienangehörige) abzugeben, die er zu seiner Gerichtsverhandlung einladen wolle. Das habe er getan, darunter auch Dr. Stefanie Brinkel von der Konrad Adenauer Stiftung (KAS), die aus Deutschland, und Catherine Jannel Almquist Kinokfu, die aus den USA angereist waren. Die tansanische Einwanderungsbehörde verweigerte ihnen am 13. Oktober die Einreise und schob sie am Folgetag mit der Erklärung ab, ihre Touristenvisa hätten ihre berufliche bzw. institutionelle Tätigkeiten im Land nicht abgedeckt. Die bevorstehenden Wahlen und die Verbindung zwischen der KAS und der Chadema werden bei der Analyse des Vorfalls ausdrücklich erwähnt. Die KAS betrachtet den Kontakt zu politischen Akteuren und die Begleitung demokratischer Reformprozesse traditionell als Teil ihres Mandats.

Tanzania Times, 14.10.2025, Citizen, 15.10.2025, FokusAfrika, 18.10.2025

Amnesty International

Der regionale Beauftragte für Ost- und Südafrika von Amnesty International Tigere Chagutah stellte den offiziellen Bericht über Tansania im Zeitraum Januar 2024 bis Oktober 2025 im Vorfeld der Wahl vor: „Unopposed, Unchecked, Unjust – „Wave of Terror“ Sweeps Tanzania Ahead of 2025 Vote“ (https://www.amnesty.org/en/documents/afr56/0376/2025/en/). Die Organisation beklagt, dass die Unterdrückung abweichender politischer Meinungen unter Präsidentin Hassan schlimmer sei als unter Präsident Magufuli bei der letzten Wahl vor fünf Jahren. AI hat ebenso wie die Tanganyika Law Society zahlreiche Menschenrechtsverletzungen und Entführungen dokumentiert. Die Justiz werde missbraucht, um Oppositionelle auszubremsen. Das prominenteste Opfer sei Tundu Lissu. Am 6. Oktober hatte AI einen Kommentar des Generalstaatsanwalts erbeten, doch bis zum 20. Oktober keine Reaktion erhalten.

Amnesty.org, 20.10.2025

John Heche

Der stellvertretende Vorsitzende der Chadema John Heche wurde am 22. Oktober an der kenianischen Grenze verhaftet, als er zur Beerdigung von Raila Odinga, des früheren kenianischen Premierministers, in Kenia einreisen wollte. In der gleichen Woche war er bereits vor dem Gericht, in dem Tundu Lissus Landesverratsanklage verhandelt wird, ohne Angaben von Gründen in Haft genommen worden. Er wird seither ohne Angabe von Gründen bei sich verschlechterndem Gesundheitszustand im 1.300-km-entfernten Tarime festgehalten.

BBC, 22.10.2025, TheChanzo, 22.10.2025, EastAfrican, 25.10.2025

Im Vorfeld der Wahl

Die allgemeine Politikverdrossenheit der Bevölkerung würde möglicherweise zu einer geringen Wahlbeteiligung führen, so der Kommentator des EastAfrican, und nach den Wahlen zu Demonstrationen als Protest gegen den unerbittlichen Einsatz der Staatsmacht (Polizei und Justiz) gegen Oppositionelle. Zu Demonstrationen werde vermehrt aufgerufen durch Graffitis an öffentlichen Plätzen und in anonymen Posts in den sozialen Medien. Die Politik habe bereits mit unbarmherziger Niederschlagung von Unruhen gedroht. International sei Tansanias Ruf beschädigt: Kritische Berichte gäbe es von Amnesty International und Human Rights Watch sowie Aufrufe zur Mäßigung von dem amerikanischen Kongressabgeordneten Gregory W. Meeks, dem Europäischen Parlament und den Vereinten Nationen. Am 22. Oktober habe sich EU-Botschafterin Christine Grau in Dar es Salaam mit Außenminister Mahmoud Thabit Kombo getroffen, um sich von ihm die aufgeheizte Situation erklären zu lassen.

Die EU-Botschaft sei eine von zwölf in Tansania, deren Antrag auf Beobachterstatus durch die Unabhängige Nationale Wahlkommission im August genehmigt worden seien (die anderen sind DK, NL, CND, IRL, D, N, B, S, GB, USA und die Gesellschaftliche Kammer der Russischen Föderation). Die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) und die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) hätten gleichfalls die Entsendung von Wahlbeobachter angemeldet. Die Veröffentlichung der Wahlergebnisse sei für Freitag oder Samstag geplant.

Schon während des Wahlkampfs habe sich bei etlichen Kandidaten gezeigt, dass sie nur nominell Oppositionsparteien angehörten, tatsächlich aber auf der Lohnliste der CCM stünden.

Die Entscheidung der Richter am 23. Oktober bei Tundu Lissus Hochverratsanklage die von der Anklage als zentrale Beweismittel vorgestellten Audio- und Videodateien nicht anzuerkennen, habe die Anklage praktisch in sich zusammenfallen lassen. Lissu habe den richterlichen Beschluss mit den Worten kommentiert: „Ab sofort bin ich nur noch in Haft, um mich an der Wahlteilnahme zu hindern.“ Nächster Termin seiner Verhandlung ist der 3. November.

EastAfrican, 25.10.2025

Die NGO Freedom House hatte Tansania 2024 von „partly free“ auf “not free” herabgestuft, ursprünglich wegen des Entzugs der Wahlberechtigung von den Massai, und diese Herabstufung auch für 2025 aufrechterhalten. (https://freedomhouse.org/country/tanzania/fredom-world/2025)

Chatham House, 28.10.2025

Wahlbeobachtung

Die meisten europäische Nationen, darunter Belgien, Schweden, Deutschland und Irland, zogen aufgrund von Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Wahl ihre Wahlbeobachter unmittelbar vor der Wahl zurück. Die USA verzichteten wie die EU auf eine reguläre Wahlbeobachtung. Die kenianische Menschenrechtskommission beklagte den Rückzug der Europäer. Ob die von der International Conference on the Great Lakes Region (ICGLR) am 23. Oktober abgeordneten Delegation aus 23 Juristen, die Medienzugang, Wahlkampfgebaren, Einhaltung von Sicherheit und Recht beurteilen sollten, brauchbare Ergebnisse liefern können, ist angesichts der ihnen auferlegten Beschränkungen zweifelhaft.

Die Wahlbeobachter von SADC und EAC dienten lediglich der Legitimierung des Wahlablaufs, so Vertreter der Southern African Coalition of Civil Society Organisations (SACCSO). Sie kritisieren SADC, EAC und AU, weil sie im Vorfeld nicht ausreichend gegen die sich verschlechternde Menschenrechtssituation in Tansania protestiert hatten. Die Wahlbeobachter der AU hätten auf X von friedlichen Wahlen gesprochen, während die Presseagentur AFP von geringer Wahlbeteiligung und Protesten berichtete. Der Mangel an internationaler Kritik, so die SACCSO, habe es Präsidentin Hassan leicht gemacht, demokratische Regeln zu missachten. Jaajal Ramjathan-Keogh, afrikanische Direktorin der Internationalen Juristenkommission, beklagt den Verfall der Demokratie in Tansania und den Mangel an institutioneller Kritik aus dem Ausland. Das Land etabliere sich als autoritäres Regime und missbrauche Recht als Waffe. Anwalt Onesmo Olengurumwa, Koordinator der Tanzania Human Rights Defenders‘ Coalition, erklärte, einige Mitgliedsländer von SADC und AU hätten selbst autoritäre Regierungen, die Menschenrechte verletzten.

AfricaReport, 29.10.2025, GlobalSecurity.org, 31.10.2025

Wahltag

Am Wahltag sind 37,6 Mio. Tansanier für die Wahl registriert (2020: 29,7 Mio.; 26,53 % Steigerung). Registrierung bedeutet aber nicht Teilnahme; 2020 lag die Wahlbeteiligung bei nur 50,72 %. In Dar es Salaam sind 99,9 % der Wahlplakate grün, die Farbe der CCM. Die sozialen Medien sind voll von Kommentaren von Personen, die „die Wahrheit sagen“ – eine ernsthafte Debatte über Tansanias Zukunft findet kaum noch statt. Dutzende Bus- und Fährunternehmen haben ihre Dienste vom 28.-30. Oktober eingestellt – zum ersten Mal bei Wahlen.

In den Großstädten kommt es noch am Wahltag zu Protesten. Die Demonstranten, die eine Verfassungsreform und politische Freiheit forderten, setzten Fahrzeuge, Wahllokale sowie die Polizeistation an der Nelson Mandela Road in Dar es Salaam in Brand und verursachten Schäden an der öffentlichen Infrastruktur. Es kommt zu Plünderungen. Das Muhimbili-Krankenhaus in Dar es Salaam nimmt zahlreiche Verletzte auf. Demonstrationen gibt es auch in Mwanza, Mbeya, Tunduma sowie in Ortschaften entlang der Grenze zu Kenia.

Die Polizei setzt Tränengas, Gummigeschosse und dann auch scharfe Munition ein. Für Dar es Salaam verhängt sie noch am Wahltag ab 18 Uhr eine unbegrenzte nächtliche Ausgangssperre. Der global Internetbeobachter NetBlocks gibt an, Tansania befinde sich in einem „landesweiten digital blackout“, weshalb seit dem 29. Oktober kein Zugang zu den Online-Ausgaben tansanischer Zeitungen besteht. Die Regierung sperrt Straßen und schließt Flughäfen.

Kritiker der Wahl beschwerten sich, Präsidentin Hassan habe keine ernsthaften Gegner gehabt. Die Mehrheit der Tansanier empfänden die Wahl als Königskrönung und als Aufführung, die die Illusion eines demokratischen Prozesses schaffen solle. Die Tatsache, dass die Regierung zur Unterdrückung der Proteste nicht nur Polizei, sondern auch Militär heranziehe, spreche eine deutliche Sprache.

TheChanzo, 28.10.2025, Reuters, 29./30.10.2025, BBC, 28./29.10.2025, DW 27.10.2025, Aljazeera, 29.10.2025, Chatham House, 28.10.2025

Internationale Reaktionen

Die weltweite Prioritätenverlagerung hin zu politischer Stabilität und Wirtschaftspragmatismus sowie das Schrumpfen der Entwicklungshilfe reduzierten bereits im Vorfeld der Wahl die Kritik an der Aushöhlung von Demokratie und Recht in Tansania.

Das EU-Parlament bezeichnete die Wahl weder als frei noch fair und verlangte die sofortige Haftentlassung des Oppositionsführers Tundu Lissu. Der EU-Rat, die Außenminister von Norwegen, Kanada und dem Vereinigten Königreich, die Commonwealth-Generalsekretärin Shirley Botchwey sowie UN-Generalsekretär Antonio Guterres brachten ihre tiefe Besorgnis zum Ausdruck. Der AU-Vorsitzende Mahmoud Ali Youssouf gratulierte Präsidentin Hassan zum Wahlsieg.

GlobalSecurity.org, 31.10.2025, Reuters, 31.10.2025, ArabNews, 01.11.2025, Europäischer Rat, 02.11.2025, EuropeanSting, 03.11.2025

Nach der Wahl

Internetausfall und Ausgangssperre konnten die Demonstranten nicht aufhalten. Zum ersten Mal seit der Einführung der Mehrparteienpolitik 1992 ist es in der Folge der Wahl zu landesweiten Protesten gekommen. General Jacob Mkunda, der Oberkommandierende der Streitkräfte Tansanias, hat bei einer Ansprache im Staatsfernsehen die Protestierenden als Kriminelle bezeichnet und sie aufgefordert, ihre Demonstrationen sofort einzustellen und das Gesetz zu respektieren.

Die Vereinten Nationen forderten Tansania auf, auf eine gewaltsame Niederschlagung der Proteste zu verzichten. Die Regierung spielt die gewaltsamen Vorkommnisse herunter. Der Chadema-Sprecher John Kitoka gibt an, dass bisher ca. 700 Menschen im Zuge der Proteste getötet wurden: 350 in Dar es Salaam und 200 in Mwanza. Chadema-Parteimitglieder hätten diese Zahlen ermittelt, indem sie landesweit durch die Krankenhäuser gefahren seien. Diese Zahlen widersprechen den Angaben von zehn Toten, die vertrauenswürdige Quellen dem Menschenrechtssprecher Seif Magango von den Vereinten Nationen in Genf gemacht haben.

AfricaReport, 30.10.2025, ChannelAfrica, 31.10.2025, BBC, 31.10.2025, Aljazeera, 31.10.2025

Am 1. November wurde Präsidentin Samia Suluhu Hassan mit 97,66 % zur Siegerin einer Wahl erklärt. Die Opposition wies den vermeintlichen Erdrutschsieg zurück und erklärt das Ergebnis zur Fälschung. Die Wahlbeteiligung habe unglaubwürdige 87% betragen.

Reuters, 02.11.2025, taz, 02.11.2025