Innenpolitik ‐ 04/2022
Verfassungsdebatte
Nach dem Willen von Präsidentin Samia soll die neue Verfassung erst nach den Wahlen im Jahr 2025 in Angriff genommen werden. Sie schloss sich damit dem Vorschlag einer Kommission an, die von der Aufsichtsbehörde für Parteien berufen worden war. Diese hatte argumentiert, die Zeit bis zu den Wahlen reiche nicht aus, um die ausstehenden Fragen zu klären. Vorrangig seien in einem ersten Schritt die Reform des Wahlgesetzes sowie des Parteiengesetzes.
Dieser Position hängen auch Teile der Opposition an; vor allem die auf Sansibar an der Einheitsregierung beteiligte ACT-Wazalendo vertritt die Auffassung, dass nur mit einer unabhängigen Wahlkommission ein neues Parlament möglich wird, das eine demokratische Verfassung für eine Volksabstimmung vorbereiten kann.
Auf der anderen Seite vertritt unter anderem die Chadema unter Mbowe die Auffassung, dass nur mit einer neuen Verfassung demokratische Veränderungen möglich sind. Mbowe kündigte auch an, die öffentliche Verfassungsdiskussion wieder aufzunehmen. Bei seinem letzten Anlauf zu öffentlichen Versammlungen zum Thema neue Verfassung war er 2021 verhaftet und dann mit einer Terrorismusanklage vor Gericht gestellt worden.
BBC 21.03.2022, Citizen 19.03.2022, Mwananchi 21.03.2022
Mbowes Besuch bei Samia
Nach dem Abbruch des Terrorismusprozesses gegen den CHADEMA-Vorsitzenden Freeman Mbowe, seiner Freilassung und seinem Zusammentreffen mit der Präsidentin erfolgte eine ausführliche Debatte über die Deutung des Vorganges. In der Öffentlichkeit waren die Meinungen zum Treffen von Samia mit Mbowe überwiegend positiv. Es gab aber auch Gegenstimmen, in denen Mbowe als Verräter an der Sache der Opposition bezeichnet wurde. Eine Reihe von Benutzern der sozialen Netze merkte an, dass Tundu Lissu, der sich im Exil aufhaltende Präsidentschaftskandidat der Chadema, auch mehrere Tage nach Mbowes Freilassung sich mit keinem Wort zu der Sache gemeldet hatte, worin manche eine stille Missbilligung von Mbowes Besuch bei der Präsidentin sahen.
Jamiiforums 09.03.2022, Mwananchi 08.03.2022
Schritte zur Versammlungsfreiheit?
Die Präsidentin wies die Regierung an, Richtlinien zur Abhaltung öffentlicher politischer Versammlungen zu erstellen. Von vielen wurde dies als weiterer Schritt hin zur Demokratisierung begrüßt; der verstorbene Präsident Magufuli hatte bald nach seiner Wahl im Jahr 2016 erklärt, jetzt sei die Zeit für Demonstrationen und Versammlungen vorbei, in Tansania müsse gearbeitet werden. Seither hatte die Polizei alle öffentlichen, oft auch interne Versammlungen der Oppositionsparteien unterdrückt. Willkürlich vorgenommene Ausnahmen wurden nur für gewählte Abgeordnete in ihren eigenen Wahlkreisen sowie begrenzt während des Wahlkampfs 2020 gemacht.
Auf sozialen Netzen und von Kommentatoren in den Medien gab es Kritik. Das Recht auf politische Versammlungen sei bereits in der Verfassung sowie im Parteiengesetz geregelt und bedürfe keiner weiteren Verordnungen, sondern warte nur auf die Anwendung der Gesetze. Der Chadema-Präsidentschaftskandidat von 2020 Tundu Lissu bemerkte, dass die Anordnung Samias darauf ziele, die Anwendung der geltenden Gesetze zu umgehen.
Citizen 13.03.2022
Neuaufstellung der CCM
Anfang April veranstaltete Tansanias “ewige Regierungspartei” CCM einen Parteitag und beschloss eine neue Satzung. Damit sollen offenkundig Veränderungen zurückgedreht werden, die vor 5 Jahren unter dem damaligen Präsidenten und Parteivorsitzenden Magufuli eingeführt wurden. Damals waren die Führungsgremien der Partei drastisch verkleinert und die Häufigkeit von Parteikonferenzen verringert worden. Jetzt sollen alle Distriktsvorsitzenden wieder in den Parteirat zurückkehren, der zwischen Parteitagen das höchste Kontrollgremium der CCM darstellt.
Die Präsidenten der Union und Sansibars sollen - sofern sie CCM-Mitglieder sind- automatisch den Parteivorsitz erhalten. Es war bisher üblich, die Präsidenten zu Parteivorsitzenden zu wählen; dafür trat der scheidende Präsident nach einem Amtswechsel auch als Parteivorsitzender zurück, um seinem Nachfolger die Übernahme auch der Partei zu ermöglichen. Im Jahre 2020 folgte allerdings der vorherige sansibarische Präsident Shein nicht dieser Tradition und behielt den Parteivorsitz in Sansibar. Das soll für die Zukunft nun ausgeschlossen werden.
Mit einer weiteren Änderung verstärkt die Parteizentrale ihre Kontrolle über die lokalen Gliederungen. Bürgermeisterkandidaten sollen zukünftig vom Zentralkomitee nominiert werden, anstelle wie bisher von den gewählten Stadträten.
Citizen 31.03.2022
CCM: Wiederkehr der Alten
Zu den Personalveränderungen des CCM-Kongresses gehört die Rückkehr von 2 Parteiveteranen, die unter Samias Vorgänger Magufuli an den Rand und aus der Partei herausgedrängt worden waren.
Der vormalige Generalsekretär Abdulrahman Kinana wurde als Nachfolger des jetzt zurückgetretenen langjährigen stellvertretenden CCM-Vorsitzenden Philip Mangula bestimmt. Kinana ist 1951 geboren, hatte es nach Studium in Jugoslawien und Harvard beim Militär bis zum Oberst gebracht und war danach in die Politik gegangen. Er organisierte 3 Präsidentschaftswahlkämpfe für die CCM, zuletzt im Jahr 2015. 2018 war er als Generalsekretär der Partei zurückgetreten, begleitet von Vermutungen, dass er mit Entscheidungen des Vorsitzenden Magufuli nicht zufrieden war. Im folgenden Jahr kam er unter politischen Beschuss, als Beschuldigungen gegen ihn verbreitet wurden, er würde die Position Magufulis untergraben wollen. Schließlich wurden gegen ihn gemeinsam mit seinem Vorgänger als Generalsekretär und dem ehemaligen Außenminister Membe ein Disziplinarverfahren der CCM eröffnet. Anlass dafür waren abgehörte Telefongespräche gewesen, in denen sie sich über Verleumdungen gegen sich ausgetauscht hatten und darüber, dass die Verbreiter dieser Nachrichten offenkundig hohen Schutz genossen. Anfang 2020 wurden Kinana wegen nicht näher benannter Verstöße gegen die Parteidisziplin für 18 Monate die Rechte zur Bekleidung von Ämtern aberkannt. Mit einer öffentlichen Entschuldigung für ebenfalls nicht näher bezeichnetes Fehlverhalten erreichte er dann Magufulis Absolution, blieb aber seither in der politischen Versenkung.
Jetzt forderte Präsidentin Samia ihn zur Kandidatur für den freigewordenen Stellvertreterposten auf und will damit offenkundig seine Erfahrung und Fähigkeiten für ihren Wahlkampf im Jahre 2025 nutzen. Kinana sprach sich in seiner Bewerbungsrede für die Verstärkung der innerparteilichen Demokratie und Respekt für unterschiedliche Meinungen aus.
Anlässlich des Parteikongresses wurde auch der ehemalige Außenminister Bernard Membe wieder in die CCM aufgenommen. Membe war bis 2015 Außenminister gewesen und seinerzeit bei der parteiinternen Nominierung des Präsidentschaftskandidaten Magufuli unterlegen. 2020 wurde er aus der CCM ausgeschlossen und trat anschließend zur Oppositionspartei ACT-Wazalendo über, die ihn als Präsident nominierte. Nach einem mit wenig Engagement geführten Wahlkampf erhielt er bei der manipulierten Wahl 2020 ein schwaches Ergebnis. Nach dem Tod Magufulis und dem Amtsantritt Samias legte er seine Mitgliedschaft in der ACT nieder und bemühte sich um die Rückkehr in die CCM. Citizen 31.03.2022, East African 02.04.2022