Interessenkonflikte im Loliondo Wildschutzgebiet - 11/2009: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 6. Januar 2019, 20:22 Uhr
Ausweisung
Im Juli 09 berichteten in Loliondo, dem nördlicher Teil des Ngorongoro-Distrikts (Arusha-Region), lebende Maasai, man habe sie aus der Loliondo Game Controlled Area (LGCA) in knochendürres Land ohne Wasser und Weide für ihr Vieh vertrieben. Seit Jahren hätten sie in der LGCA gelebt, einem Gebiet, in dem es auch in dieser Jahreszeit Wasser und Gras gebe. Hunderte von Maasai-Kraals seien in Brand gesteckt worden. Es gehe darum, der Ortello Business Corporation (OBC) ungehindertes Jagen zu ermöglichen. <Siehe Tans-Inf. 6/93 S. 5; 1/95 S. 6; 4/95 S. 6; 7/00 S. 3; 4/02 S. 7>
Mindestens drei Männer der Eingreiftruppe der Polizei bewachten eines der OBC-Lager. Die Leute sagten, viele arabische Adelige und einflussreiche Geschäftsleute verbrächten jedes Jahr mehrere Wochen in Loliondo und schössen Antilopen, Löwen, Leoparden u. a. Wildtiere.
Seit der Staat 1992 angeblich heimlich mehr als 4.000 km2 an einen arabischen Scheich für Jagdaktivitäten der OBC verpachtete, währt der Streit um dieses Gebiet. <Man sprach damals von 'Loliondo-Gate'>
Manche Maasai-Hirten beschlossen, mit ihrem Vieh in den Serengeti National Park zu ziehen. Wahrscheinlich wird man sie auch dort vertreiben.
Der Distrikt Commissioner des Ngorongoro-Distrikts rechtfertigte die Aktion, denn die Dorfbewohner hätten die Umwelt zerstört und entlang des Wanderweges der Wildtiere Felder angelegt.
Eine lokale Verantwortungsträgerin aber erklärte, die heimische Bevölkerung schade dem Schutzgebiet absolut nicht.
1959 wurde die Gegend von Loliondo zur Game Controlled Area erklärt.
1983 wurden die Dorfbewohner jedoch ebenda legal registriert. Das ist der Kern des Problems. (Guardian 18.9.09; Citizen 4./14.9.09; ThisDay 26.8./15.9.09)
Später wurde berichtet, viele Vertriebene seien mit ihren Herden in das Gebiet, aus dem sie ausgewiesen worden waren, zurückgekehrt. (DN 30.9./10.10.09)
Demonstration
Mehr als 100 der ausgewiesenen Männer und Frauen in traditioneller Maasai-Kleidung zogen vor den Regierungssitz in Dar-es-Salaam, um Präsident Kikwete ihre Klagen vorzutragen. Er war jedoch nicht zugegen.
Bei ihrer Rückkehr wurden in Arusha vier Frauen verhaftet mit der Begründung, ihr Aufenthalt in Tansania sei illegal. (Guardian 18.9.09; Citizen 18.9.09)
Intervention
Dänemark, einer der wichtigsten Unterstützer Tansanias auf bilateraler Basis, forderte die Regierung auf, eine unabhängige Untersuchung durchzuführen. Der Botschafter Dänemarks und vier weitere Botschafter fühlten sich gezwungen, bis nach Loliondo zu reisen, um selbst in Augenschein zu nehmen, was einige Medien und Organisationen berichtet hatten. (Citizen 14.9.09; Arusha Times 19.9.09)
Rechtfertigung
Der Distrikt Commissioner kritisierte, die Diplomaten hätten sich nicht an die Vorschriften gehalten, sich nicht beim Regional Commissioner gemeldet. Bei der angeblichen Vertreibung habe es sich um eine friedliche Anweisung gehandelt. "Es gab keine Gewalt, die Menschen zogen selbst weg", berichtete er. Nicht ein Haus sei in Brand gesteckt worden.
Shamwa Mwangunga, Ministerin für Naturschätze und Tourismus, erklärte, die Regierung werde die Ausweisung der Maasai, angeblich ein Vergehen gegen die Menschenrechte, untersuchen. Sie sagte, aus eigenem Interesse übertrieben mehrere NGOs und einige Medien die Konflikte in der LGCA. Viele der Leute, die behaupteten, man habe sie vertrieben, seien in Wirklichkeit Maasai aus Kenia, die illegal ins Land gekommen seien. Man müsse unverzüglich dafür sorgen, dass die OBC wie vereinbart jagen könne.
Der kenianische Botschafter in Tansania fordert, die tansanische Regierung müsse beweisen, dass die vertriebenen Hirten, deren Häuser niedergebrannt wurden, wirklich Kenianer sind. Er glaube, die ganze Sache sei politisch motiviert angesichts der Allgemeinen Wahl im kommenden Jahr. (DN 15.9.09; Guardian 14.10.09; Citizen 14./15./18.9.09; ThisDay 13.10.09; Arusha Times 19.9.09)
Unterstützung
Der Abgeordnete des Ngorongoro-Distrikts sagte, 1.172 Hirten und 54.510 Stück Vieh seien ausgewiesen worden. Er plane, im Oktober im Parlament in einem privaten Antrag zu fordern, dass ein unabhängiger Ausschuss die Vertreibung seiner Wähler untersucht. Er bestritt, dass die Hirten, deren Haus niedergebrannt wurde und die zum Regierungssitz zogen, Kenianer seien. Falls man einige Illegale finde, gebe es legale Wege, sie auszuweisen. Kenia zum Sündenbock zu machen, sei gefährlich. Die Kenianer seien unsere Nachbarn.
Eine Chadema-Abgeordnete unterstützt ihn. Sie sagte, es sei gefährlich, Investoren aus dem Ausland auf Kosten der heimischen Bevölkerung zu favorisieren.
Auch der Pastoralists Council of East and Central Africa verurteilte das Vorgehen der Regierung.
Aktivistinnen der Feminist Activists Coalistion (FemAct) wollen den Opfern im Rechtsstreit mit der Regierung Rechtshilfe gewähren, Entschädigung für die Verluste erkämpfen. Mehr als 100 Zeugen sind zur Aussage bereit. In einer FemAct-Erklärung heißt es, die Regierung solle berichten, wie viel an Steuern und Zöllen von der OBC bezahlt wurde. Die Geschäftsführerin des Tanzania Gender Networking Programme (TGNP) erklärte, man werde weiterhin für die Rechte der ausgewiesenen Hirten Loliondos eintreten. (Citizen 17.9.09; ThisDay 28.9.09)
Regierungsmaßnahmen
Im Augenblick stoßen in der 4.000 km5 großen LGCA unterschiedliche Interessen aufeinander. Die Regierung wird die Grenzen der LGCA neu festlegen und genau bestimmten, welche Gebiete für Viehzucht, für Ackerbau, für Jagd, für Camping, für Tourismus und für Naturschutz und als Korridore für wandernde Wildtiere reserviert sind.
Sie will alle in Loliondo aktiven NGOs und zivilen Organisationen prüfen lassen. (Arusha Times 26.9.09)
Zwischenfall
In Loliondo stieß eine Einheit der Eingreiftruppe der Polizei auf eine Versammlung. Sie setzte Tränengas ein. Einige wurden ohnmächtig, viele liefen um Hilfe zu holen. Immer mehr Menschen eilten herbei. Sie griffen mit Speeren und Schwertern an, die Polizei mit Feuerwaffen. Zwei Personen wurden schwer verletzt, mehrere leicht, unter ihnen zwei Polizisten. Ein Polizeifahrzeug wurde demoliert.
Fünf Personen wurden im Zusammenhang mit diesem Zwischenfall verhaftet, einer der Verletzten (er hatte ein Auge verloren) später, als er vorübergehend aus dem Krankenhaus entlassen worden war. (DN 1./8.10.09; Citizen 30.9.09)