Zur Todesstrafe: Lage, Umfragen, Forderungen, Diskussionen - 01/2009

Aus Tansania Information
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<Siehe Tans.-Inf. 6/07 S. 9>

Zur Vollstreckung

Seit der Unabhängigkeit 1961 wurden in Tansania 2.562 Menschen zum Tod verurteilt, doch nur 232 Männer und 6 Frauen tatsächlich durch den Strang hingerichtet, letztmalig 1994. Im Nov. 08 waren 277 Männer und 6 Frauen, die zum Tod verurteilt sind, im Gefängnis. Die längste Zeit, die ein zum Tod Verurteilter inhaftiert war, betrug 22 Jahre.

Einer Verurteilung zum Tod gehe ein komplexes Verfahren voraus, sagte der Stellvertretende Justizminister. Wer verurteilt ist, hat die Chance, beim High Court Berufung einzulegen. Erfolgt kein Freispruch, prüft ein Sonderkomitee mit dem Präsidenten die von einem Richter des High Court vorgelegten Vorschläge. Vor der Vollstreckung beraten Generalstaatsanwalt und District Commissioner des Geburtsortes der Verurteilten. (DN 1.11.08; Guardian 31.1./11.10./1.11.08)

Berichten zufolge sind in Sansibar mehr als 5.000 zum Tode Verurteilte im Gefängnis. (Guardian 16.10.08)

Umfragen

Im Nov. 06 begann die von der Regierung eingesetzte Legal Rights Commission (LRC) in mindestens zwei Distrikten jeder Region zu erfragen, was die Bevölkerung über die Todesstrafe denkt.

Im Mai 08 vorgelegten Bericht der LRC heißt es: "Die Mehrheit derer, die antworteten, stimmte für die Beibehaltung der Todesstrafe." Mathias Chikawe, Minister für Justiz und Verfassungsfragen, sagte: "Wenn ein beachtlicher Teil unseren Volkes die Todesstrafe behalten will, ist es schwierig, sie abzuschaffen."

Doch laut einer Probeabstimmung der in Dar-es-Salaam beheimateten Human Rights and Legal Richts Commission sind 70 % der Tansanier für die Abschaffung der Todesstrafe. (DN 11.10.07/30.1.08; Guardian 31.1./19.3.08; The East African (Nairobi) 2.6.08)

Joseph Warioba, Richter des East African Court of Appeal, ehemaliger Premierminister, sagte, man müsse erneut Äußerungen des Volkes zur Beibehaltung der Todesstrafe sammeln. Bei einer 66/67 durchgeführten Befragung seien die Menschen anscheinend dafür gewesen. Aber nun sei es höchste Zeit für ein ähnliches Vorgehen. Todesstrafe gleiche einer Vergeltung, sie bessere den Übeltäter nicht. Man solle ihn lieber inhaftieren, dann könne er sich ändern. (Guardian 30.10.08)

Forderungen

Am Welttag gegen die Todesstrafe 07 forderte die Geschäftsführerin des Legal and Human Rights Centre (LHRC) die Abschaffung der Todesstrafe. Beispiele zeigten, dass sie nicht mehr als Abschreckung wirke. LHRC und Zanzibar Legal Service Centre (ZLSC) seien der weltweiten Koalition gegen die Todesstrafe beigetreten. Dr Mary Nagu, damals Justizministerin, erklärte, sie persönlich sei gegen die Todesstrafe, doch für ihre Abschaffung sei ein formales Vorgehen nötig. (DN 11.10.07; Guardian 12.10.07; The Citizen 11.10.07)

Bei einem Seminar des ZLSC forderte der Oberstaatsanwalt Sansibars die Abschaffung der Todesstrafe, denn sie beeinflusse Kriminelle kaum. Seit 1985 sei die Todesstrafe in Sansibar nie vollstreckt worden, berichtete er.

Ein anglikanischer Priester sagte, er sei für die Abschaffung der Todesstrafe.

Der Oberste Kadi von Sansibar aber betonte, die Gesellschaft müsse sehr interessiert sein an der Todesstrafe, denn der Koran enthalte dieses Gesetz. Es sei unklug, ein Irrtum, diese Strafe für inhuman zu halten.

Ein Dozent der Zanzibar University erklärte, die Muslime hätten nicht das Recht, irgendein Gesetz zu ändern, vor allem nicht die Todesstrafe. "Nie werden wir Muslime Gottes Gesetze ändern. Es heißt, wer tötet und dessen überführt ist, muss auch getötet werden", betonte er.

Am Ende der Diskussion sagte der Vorsitzende des ZLSC, das Justizsystem werde von der Regierung festgelegt, es sei kein muslimisches Gesetz, wie manche fälschlicherweise dächten. (Guardian 22.10.07)

Am Welttag gegen die Todesstrafe 08 beantragten Menschenrechtsaktivisten beim High Court, die Todesstrafe für verfassungswidrig zu erklären.

Um die Regierung zur Abschaffung der Todesstrafe zu bewegen, nahm das LHRC zusammen mit dem South African Human Rights NGOs Tanzania Chapter (SAHRINGON) an einer friedlichen Demonstration teil.

Bei einer Pressekonferenz sagte ein Professor der Universität von Dar-es-Salaam, im eigenen Interesse hätten die Kolonialherren vor mehr als 100 Jahren erzwungen, dass die Todesstrafe in die Gesetzesbücher Tansanias aufgenommen wird. Aber sie sei ein Verstoß gegen die Menschenrechte. 133 Nationen hätten sie abgeschafft.

Ein muslimischer Gelehrter aus Sansibar jedoch sprach sich offen für die Todesstrafe aus. (Guardian 11.10./1.11.08)

Diskussionen

Bei einer offenen Diskussion auf Pemba kam es zu einer hitzigen Debatte zwischen Rechtsgelehrten und Einwohnern Sansibars. Der Koordinator der Diskussion sagte, erfahrungsgemäß zögerten sowohl die Präsidenten der Union als auch die Sansibars, das Dokument zum Vollzug der Todesstrafe zu unterschreiben. Weil Tansania indirekt die Todesstrafe nicht unterstütze, solle die Regierung eine offizielle Erklärung abgeben und der internationalen Gemeinschaft der Gegner der Todesstrafe beitreten.

Andere Teilnehmende sagten, in einem Mehrparteiensystem sei die Todesstrafe vielleicht nicht angemessen, denn der regierende Präsident könne sie bei einem Konflikt mit der Opposition verhängen. (Guardian 16.10.08)

Bei einer Fragestunde im Parlament fragte ein Abgeordneter: "Warum kann der Präsident nicht das Todesurteil unterschreiben, statt dass man Leute, die sterben sollen, füttert?" Das sei Veruntreuung von Mitteln, die man besser verwenden könnte. Der Stellvertretende Innenminister antwortete, die Todesstrafe sei sehr umstritten. Minister Chikawe berichtete, er sammle Ansichten zur Abschaffung oder Beibehaltung der Todesstrafe. (DN 1.11.08; Guardian 1.11.08)

Minister Chikawe sagte, in Anbetracht der in letzter Zeit verübten Morde an Albinos komme der Vorschlag, die Todesstrafe abzuschaffen, nicht zum rechten Zeitpunkt. "Die meisten Menschen sind so frustriert durch das, was mit Albinos geschieht, dass sie nichts von Abschaffung der Todesstrafe hören wollen", berichtete er bei einem Interview.

In Kenia und Uganda wurde die Todesstrafe abgeschafft. (Guardian 27.11.08)

Kommentar

Im Augenblick gilt das Interesse der Tansanier ohnehin nicht der Todesstrafe. Üblicherweise nehmen sie beim kleinsten Anlass das Gesetz selbst in die Hand. Man steinigt und verbrennt jeden, der auf der Straße etwas geklaut hat, eine Handtasche, eine Uhr, ein Handy, oder dessen verdächtigt wird, (The East African (Nairobi) 2.6.08)