Zu Morden an Albinos und Menschen, die man der Zauberei verdächt - 03/2009

Aus Tansania Information
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Zahlen

Seit Dez. 07 wurden 35 Albinos ermordet. Die Tanzania Albino Society (TAS) meint, es könnten 60 sein. In der Shinyanga-Region werden jeden Monat vier oder fünf ältere Frauen, die man der Zauberei verdächtigt, ermordet, seit 03 waren es insgesamt 2.866. (Observer 28.12.08; Citizen 18.10.08/9.1.08)

Zu Verbreitung und Motiv

Die Ermordung von Albinos und Menschen, die man der Zauberei verdächtigt, ist vor allem in den Regionen um den Viktoriasee konzentriert. Offensichtlich hat nun ein grenzübergreifendes Netzwerk Teil an diesen Verbrechen. Mörder verkaufen Körperteile von Albinos in den Nachbarländern. Auch in Burundi, Kenia, Uganda und in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) werden Albinos getötet, ihre Körperteile nach Tansania geschmuggelt.

Weit verbreitet ist der Glaube, die Körperteile der Albinos könnten beim Fischfang und beim Bergbau durch magische Kräfte zu Reichtum verhelfen, Haare von Albinos lockten große Mengen von Fischen an.(DN 13.2.09; Citizen 11./16.2.09)

Zum Hintergrund

Ein Fachmann berichtete, in Tansania habe von je 35 Personen eine das Albinismus-Gen. Albinos heirateten untereinander, wodurch ihre Zahl zunehme. (ThisDay 24.10.08)

Weil man sie für europäische Geister hielt, wurden Albino-Säuglinge Hunderte von Jahren routinemäßig umgebracht. Das geschieht nicht mehr. Doch Stigmatisierung und Diskriminierung der Albinos sind weit verbreitet. Man nennt sie 'lebende Geister', bisweilen auch 'deal' (Geschäft), in Swahili 'dili'. (DN 16.12.08; Observer 28.12.08; Arusha Times 6.12.08)

Der Polizeikommmandant der Tanga-Region berichtete, es gebe eine neue Welle von Morden. Sie richteten sich gegen Menschen, auf deren Handfläche ein 'M' zu sehen ist, und solche mit braunen Zähnen. Maskierte hatten einem Mann die linke Hand abgeschlagen, weil sie mit einem 'M' gezeichnet sei. Sie flohen mit der Hand. (Guardian 26.12.08)

Jakob Mameo, Bischof der ELCT-Morogoro-Diözese, sagte, Mitte der 70er Jahre seien Menschen mit Glatzen umgebracht worden. Bei der Jagd nach menschlichen Körperteilen sei Aberglaube das Motiv. Das Interessengebiet ändere sich der Nachfrage entsprechend von Zeit zu Zeit. "Wir sollten vorsichtig sein, denn die Mörder könnten sich rasch von Albinos großgewachsenen, dicken oder Menschen mit anderen Körpermerkmalen zuwenden. Der Glaube an Zauberei sei heutzutage der Kern der meisten Probleme Tansanias.

Aktivitäten, Unterstützung für Albinos

Im Okt. 08 organisierten die TAS und Al-Shaymaa Kwegyir, erste Albino-Abgeordnete Tansanias, in Dar-es-Salaam einen Demonstrationszug, um über die Lage der Albinos zu informieren. Auch Präsident Kikwete nahm teil. Er sagte der TAS finanzielle Unterstützung zu. Sieben Kinder sagten Gedichte auf, die von Morden berichten.

In Tansania leben mehr als 150.000 Albinos; nur 8.000 sind in der TAS registriert. (DN 20.10.08; Guardian 20.10.08; Observer 28.12.08; Citizen 20.11.08)

Ein Anti-Diskriminierungsaktivist aus Kanada, selbst Albino, übergab Vizepräsident Shein eine Liste mit nahezu 6.000 Unterschriften aus unterschiedlichen Ländern, die die Morde an Albinos verurteilen. Er berichtete, seine Delegation mit Albinos aus den USA und Südafrika habe bei einem Besuch der für Albino-Morde bekannten Regionen Feindseligkeit erlebt. "Deal, deal!" sei ihnen nachgerufen worden. (Citizen 24.1.08; ThisDay 24.10.08; ThisDay 2.2.09)

Die TAS der Mwanza-Region bildet Albinos in Nähen und Färben von Stoffen aus. Die meisten Albinos sind arm, weil sie keine Anstellung bekommen. Die meisten arbeiten als Selbständige. (DN 31.12.08; Citizen 13.1.09)

Die US-amerikanische Botschaft verlieh den Albinos Tansanias für ihren Mut im Kampf um Sicherheit und Gerechtigkeit den Martin Luther King Jr. Drum Major for Justice Award. Seit zehn Jahren erhält ihn alljährlich eine Persönlichkeit, die sich für Frieden und Gerechtigkeit im tansanischen Volk einsetzt. (Guardian 8.1.09)

Einige Vorfälle

Eine Abgeordnete, Vertreterin der Albinos, berichtete, bisweilen heirateten Männer eine Albino-Frau, um sie später umzubringen. In einem Dorf seien einem Kind Arme und Beine abgetrennt worden. Sein Vater habe die Leiche in seinem Haus bestattet, denn immer wieder würden bereits beerdigte Albinos ausgegraben.

Mörder töteten ein Mädchen und trennten vor den Augen seiner Eltern Körperteile ab.

Mit traditionellen Waffen griffen Männer bei Dunkelheit ein 16-jähriges Mädchen an, als es mit dem Fahrrad heim fuhr. Sie schnitten ihm beide Hände ab und ließen es verbluten.

Eine Frau kleidete ihren Albino-Säugling schwarz und ließ ihn in ihrer Hütte liegen. Einige Männer schnitten ihm die Beine ab, die Kehle auf und tranken sein Blut.

Ein Mann wurde gefasst, als er mit dem Kopf eines Albino-Kindes in die Demokratischen Republik Kongo (DRK) einreisen wollte. Ein Geschäftsmann habe ihm versprochen, ihn dem Gewicht entsprechend zu entlohnen, sagte er.

Ein Fischer soll versucht haben, seine Frau für 2.500 US$ an Geschäftsleute aus der DRK zu verkaufen.

Ein Albino-Mädchen wurde mit einem Buschmesser zerhackt. Ihre Körperteile fand man im Haus eines Zauberers.

Es gibt Vermutungen, einige Eltern verkauften ihre Albino-Kinder an geldgierige Verbrecher.

In der Rukwa-Region wurde in einem Sumpf der Körper eines Albinos gefunden, bei dem die Haut abgezogen, die Beine, ein Arm und die Genitalien abgetrennt worden waren. (DN 13.2.09; Guardian 30.12.08; Observer 28.12.08; Citizen 22.10./10.12.08)

Morde wegen vermuteter Zauberei

Ein Ehepaar wurde ermordet, weil viele glaubten, sie terrorisierten die Dorfbewohner durch Zauberkraft.

In der Shinyanga-Region wurden zwei Frauen getötet, denn man verdächtigte sie der Beteiligung am Tod eines Jungen. Er war im Schlaf von einer Mamba gebissen worden. (DN 13.1.09; Citizen 18.10.08)

Albinos auf der Flucht

Bei einer Pressekonferenz sagten Albinos, sie würden in andere Länder fliehen, wenn es der Regierung nicht gelinge, die Morde einzudämmen.

Ein 34-jähriger Albino flüchtete sich in das Büro der Stadtverwaltung. Beim Holzsammeln sei er Dank seines Buschmessers dem Tod mit knapper Not entronnen, nun in die Stadt gezogen. Aber er wage es nicht, zur Arbeit zu gehen, sagte er.

Viele Albinos flüchten sich auf die Viktoriasee-Insel Ukerewe. "Dort glaubt man nicht an diese satanische Kampagne", berichtete ein Albino-Fischer. Es soll dort mehr Albinos als sonst irgendwo geben.

Vier Albinos flohen nach Sansibar, weil sie Morddrohungen erhalten hatten. (DN 10.2.09; Guardian 17.11.08; Observer 28.12.08; Citizen 15.10.08)

Zum Schutz von Albinos

Die Regierung wies die Bevölkerung an, alle Albinos zu schützen und Androhungen unverzüglich zu melden.

Weil zwei Verdächtige um sein Haus geschlichen waren, geht der Vater eines Albinos nicht mehr zur Arbeit. Er will seiner Frau helfen, das Kind zu beschützen. Es darf das Haus nicht verlassen.

Viele fordern Geleitschutz für Schulkinder. Sie sagen, auf die Gräber von Albinos solle man Steine legen, um sie vor Dieben zu schützen.

Die Eltern von Albino-Kindern ersuchten die Regierung, ihren Kindern in der Schule Schutz zu gewähren. Sie wagten kaum, das Haus zu verlassen.

Zwei Geschäftsleute spendeten 350 Handys für die Familien von Albinos, damit sie die Polizei verständigen können, wenn Gefahr droht. Der Sekretär der TAS von Arusha rief die Einwohner der Arusha- und der Manyara-Region auf, für die mindestens 260 Albinos der beiden Regionen Handys zu spendieren.

Die Tanzania Security Industry Association (TSIA) wies die privaten Sicherheits-Gesellschaften an, mit ihren ca. 1 Mio. Angestellten den Kampf gegen Albino-Morde kostenlos zu unterstützen. Wenn ein Wächter etwas verlangt, werde er zur Rechenschaft gezogen. Der TSIA-Vorsitzende versprach, man werde freiwillige Sicherheitsleute beauftragen, Albinos in Büros, Schulen und ihren Wohnungen zu beschützen. Alle seien angewiesen worden, Informationen über Menschen weiterzugeben, die der Beteiligung an Morden von Albinos verdächtigt werden.

Unterstützt von einem Team von Sicherheitsbeamten führt Interpol eine geheime gemeinsame Operation in den Ländern der Großen Seen an. Vor einigen Jahren beteiligte sich Interpol an einer gemeinsamen Aktion gegen rituelle Morde in der Mbeya-Region, bei denen Opfern die Haut abgezogen wurde. (DN 4.2.09; Guardian 17.11.08/7.1./9.2.09; Citizen 9./12.12.08/ 11./16.2.09; Arusha Times 6.12.08)

Verhaftungen, Verurteilungen

Präsident Kikwete sagte, alle, die man wegen Mordes an Albinos schuldig gesprochen hat, würden zum Tod verurteilt.

Aus Furcht, ihr Name werde genannt, wagen viele nicht, die Polizei über Menschen, die offensichtlich Albino verfolgen, zu informieren.

In Zusammenarbeit mit der TAS will die Polizei Telephonnummern und Internetseiten einrichten, über die man sie informieren kann.

Bei einer zehntägigen Aktion gelang es der Polizei ein Syndikat von des Mordes an Albinos Verdächtigen auszuheben, fünf Personen zu verhaften. Sie gestanden, der Kern eines in den Regionen rings um den Viktoriasees etablierten Netzwerkes von Albino-Mördern zu sein.

Al-Shaymaa Kwegyir, erste Albino-Abgeordnete Tansanias, berichtete, 170 Personen seien wegen des Mordes von Albinos verhaftet, doch noch keiner verurteilt worden. Sie fordert von der Regierung ein strengeres Vorgehen.

Ein bekannter Geschäftsmann wurde verhaftet, weil er für einen Albino-Jungen, der beim Hüten entführt und ihm lebend gebracht werden sollte, 1m/- TSh geboten hatte.

Die Polizei verhaftete zwei angebliche Geologen, die "für wissenschaftliche Zwecke zu einem erschwinglichen Preis" Albino-Körperteile kaufen wollten. Ihr Ziel sei, wissenschaftlich festzustellen, ob Albino-Körperteile zu Reichtum verhelfen können, sagten sie.

Ein Mann wurde von der Polizei verhaftet, weil er ein Kind in der Dunkelheit entführt und ihm die Haare abgeschnitten hatte.

Die Polizei verhaftete neun Personen, die den Kopf eines Albino vergraben hatten, weil ihre Kunden, mit denen sie sich per Handy verabredet hatten, nicht aufgetaucht seien.

Eine Mutter rief ihre Nachbarn zu Hilfe, als zwei Männer versuchten, ihr Kind zu entführen. Es gelang ihnen die Männer festzuhalten, bis die Polizei diese verhaftete.

Die Polizei lockte einen Fischer, der beabsichtigte, seine Ehefrau für 3,6m/- TSh an Kongolesen zu verkaufen, in eine Falle.

Die Polizei verhaftete zwei Männer wegen des Verdachts, sie hätten einem Albino sein rechtes Bein abgehackt und seien mit diesem geflohen. (DN 1./12./29.11./16. 22.12.08; Guardian 22.10./20.11.08/ 27.1.09; Observer 28.12.08; Citizen 24.10./12.12.08/24.1.09; UN Service 24.12.08)

Vier Polizisten wurden verhaftet, weil sie vermutlich von Personen, die mit Albino-Körperteilen Handel treiben, Schmiergeld angenommen hatten.

Bis Ende Dez. 08 verhaftete die Polizei 173 Personen, unter ihnen fünf Polizisten. Die TAS vermutet, einige Polizisten ließen sich von Mördern bestechen. (Guardian 27.1.09; Citizen 26.1.09; ThisDay 25.11.08; UN Service 24.12.08)

Aufruf Pindas

Premierminister Pinda erklärte 09 zum Jahr des Krieges gegen die Morde an Albinos. Er besuchte die Regionen Kagera, Mwanza, Shinyanga und Tabora, um die Öffentlichkeit über den Kreuzzug gegen die Ermordung von Albinos und älteren Menschen, die man der Zauberei verdächtigt, zu informieren.

Kurz nach dem Besuch eines Albino-Kindes, das dem Verlust seiner Hände mit knapper Not entgangen war, sprach er in Tabora bei einer Kundgebung. Er sagte, Menschen, die beim Mord an Albinos erwischt werden, sollten auch getötet werden. Wer seine Ansicht verurteile, habe keine Ahnung von der sinnlosen Brutalität, der Albinos ausgesetzt sind.

Repräsentanten der Oppositionsparteien verurteilten Pindas Worte. Er müsse zurücktreten oder entlassen werden, forderten sie.

Als Pinda im Parlament zur Rede gestellt wurde, entschuldigte er sich, erklärte, man habe seinen Aufruf falsch interpretiert, aus dem Zusammenhang gerissen. Unter Tränen sagte er: "Ist meine Botschaft teuflischer als die Ermordung von Albinos, möge mir der Herr vergeben."

Seine Gegner räumten daraufhin ein, Frustration und Mitgefühl stünden hinter seiner Äußerung.

Zur Unterstützung Pindas organisierte die TAS in Mwanza eine Demonstration. Viele Albinos und Sympathisanten nahmen daran teil. (DN 29.718.1.09; Guardian 29.1./3.2.09; Nipashe 1.2.09; Citizen 24./28./ 29./30.1./3.2.09; ThisDay 2.2.09)

Zur Rolle traditioneller Heiler

Berichten zufolge geben traditionelle Heiler ihren Klienten die Anweisung, Körperteile von Albinos zu bringen, dann würden sie von ihnen geheilt oder erhielten die Fähigkeit, Erfolg zu erzielen.

Bei einem traditionellen Heiler wurden die Beine eines Albino-Jungen gefunden. (Guardian 4.12.08; Citizen 24.1.09)

Aktion gegen traditionelle Heiler

Um der Ermordung von Albinos und der Zauberei verdächtigter Menschen Einhalt zu gebieten, entzog die Regierung allen traditionellen Heilern die Lizenz, denn wiederholt hätten sie bei diesen Morden eine wichtiger Rolle gespielt. Nur wer von der Traditional Medicin Research Unit des Muhimbili National Hospital in Dar-es-Salaam anerkannt ist, darf praktizieren.

Die regionalen Polizeikommandanten wurden angewiesen, alle traditionellen Heiler aufzulisten und ihre Namen bei der Polizeizentrale zu melden. (Guardian 4.12.08; Citizen 24.1.09)

Während einer Polizeiaktion wurden 84 Medizinmänner verhaftet. Acht werden des Handels mit Körperteilen von Albinos, 17 als Mittelsmänner verdächtigt.

Fünf Personen, unter ihnen zwei traditionelle Heiler, wurden von der Polizei verhaftet. Sie hatten eine vor einem Jahr verstorbene Schwangere ausgegraben und verstümmelt. Die Heiler hatten versprochen, sie könnten aus den Körperteilen einen Reichtum verschaffenden Trank brauen.

Einige traditionelle Heiler berichteten, um sie zu erpressen, erfänden manche Polizisten Geschichten, die ihnen Albino-Morde zur Last legten. Sie zögen mit vorbereiteten Listen umher. Um der Verhaftung zu entgehen, seien sie gezwungen gewesen, bis zu 2m/- TSh zu zahlen. Von einem Heiler hätten die Polizisten 8m/- TSh gefordert. (DN 28.10./1.11.08; Guardian 22.11.08; ThisDay 25.11.08)

Der National Council of Traditional Healers in Tanzania (Bawata) verurteilte die Ermordung von Albinos. Wer involviert ist, sollte gejagt und verurteilt werden. Der Bawata-Vorsitzende gab zu, einige Heiler, die illegal tätig sind, könnten hinter diesen Morden stehen, doch statt ihnen die Lizenz zu entziehen, solle man andere Maßnahmen ergreifen.

Viele traditionelle Heiler kritisierten die Aberkennung der Lizenz als zu rigoros. 30 % der Tansanier suchten Hilfe bei den Heilern. Diese Maßnahme treffe sie hart. (Guardian 2.1.09; Citizen 26.1.09)