Thema: Demokratie-Diskussion: Reaktionen und Widerstand - 09/2017

Aus Tansania Information
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Reaktionen auf nationaler Ebene

Als Altpräsident J. Kikwete im Parlament erschien, bereitete ihm die Opposition demonstrativ stehende Ovationen, obwohl er bei Verfassungsdiskussion und Pressegesetzgebung einen sehr restriktiven Kurs verfolgt hatte. Verglichen mit Magufuli erscheint Kikwete aber inzwischen als liberaler Verteidiger von Mehrparteien-Demokratie, Meinungsfreiheit und parlamentarischer Kontrolle der Regierung.

Chadema-Sprecher sagten in Presse-Interviews, die immer noch möglich sind, ihre führenden Personen fühlten sich wie Flüchtlinge im eigenen Land. Während CCM-Funktionäre ungehindert Versammlungen durchführen, würden Chadema-Politiker sogar wegen interner Konferenzen belangt. Die Bürger/innen sollten Frieden und Rechtsstaatlichkeit verteidigen, die von denen erkämpft worden seien, die die Unabhängigkeit errungen haben. Das Mehrparteiensystem sei zu einem System ohne wirksame Parteien geworden.

T. Lissu, Vorsitzender der Anwaltskammer (TLS), sagte, er werde trotz häufiger Verhaftungen und Prozesse für die verfassungsmäßige Rede- und Versammlungsfreiheit kämpfen. T. Lissu und weitere Chadema-Repräsentanten forderten Gebernationen auf, die Magufuli-Regierung unter finanziellen Druck zu setzen, um die Wiederherstellung der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit zu erzwingen. Die CCM und weitere Parteien bezeichneten dies als unpatriotisch und verräterisch.

Die Direktorin des Menschenrechtszentrums (LHRC) verurteilte die Einschränkungen der Rede- und Versammlungsfreiheit. Die zunehmende politische Intoleranz verneine die Tatsache, dass Tansania ein Vielparteien-Staat sei, in dem die Opposition eine legitime Aufgabe habe. Ohne sie wären die großen Korruptionsskandale nicht publik geworden. Die Koalition der Menschenrechtsverteidiger (THRDC) verwahrte sich gegen die Verhaftung mehrerer Aktivisten und Behinderung ihrer Aktivitäten. Regierungskommissare missbrauchten das Gesetz, nach dem sie Leute für 48 Stunden festsetzen können, die die öffentliche Ordnung gefährden. Zudem würden Viele länger als erlaubt in Haft gehalten.

Oppositionsführer E. Lowassa kündigte an, gerichtlich gegen das Versammlungsverbot vorzugehen, falls die Regierung nicht einlenke. Die Chadema plant einige Maßnahmen, um sich trotz des Versammlungsverbots Gehör zu verschaffen:

  • Eine Haus-zu-Haus-Kampagne, die über „diktatorische Tendenzen“ aufklärt
  • Ein Zentrum für soziale Medien, das kritische Kommentare im Internet anbietet
  • Eine Liste der Mitglieder, die sich aus Furcht vor Verhaftung verstecken
  • Information der Bevölkerung, wie sie sich gegen Schikanen wehren kann

Die Vereinigung der Medienfrauen und das Bürger-Informationsbüro forderten, das „Gesetz zum Informationszugang“ von 2016 mit Ausführungsbestimmungen zu versehen, damit es wirksam wird. Ein Kommentator des Citizen meint, Magufulis rigoroses Vorgehen gegen Kritik und freie Meinung in den Medien werde sein Bild in den Geschichtsbüchern verdunkeln und seine engagierten Modernisierungsanstrengungen scheitern lassen.

Die breite Bevölkerung sieht Magufulis Führungsstil weniger kritisch. Bei einer Umfrage im Oktober 2016 hielten 11% Magufuli für einen Diktator, 58% nicht. Nur 43% missbilligten das Versammlungsverbot für Parteien; nur 20% meinen, die Opposition solle die Regierung kontrollieren und kritisieren. 80% zufolge muss die Opposition ihre Niederlage eingestehen und die Regierung unterstützen. Allerdings ergab eine Umfrage im April 2017 nur noch 71% generelle Zustimmung zu Magufulis Regierungsstil (Juni 16 noch 96%). JPMs Popularitätsverlust ist aber vor allem auf wirtschaftliche Probleme zurückzuführen.

Eine Abgeordnete empfiehlt, sich auf die bewährte tansanische Tradition des Dialogs zu besinnen, um die vergiftete Atmosphäre zwischen Regierung und Opposition zu reinigen.

Citizen 09.,16.,24.,27.,28.07.; 01.,23.08.17; DN 25.07.17; East African 01.10.16; 13.08.17; Guardian 18.07.; 01.08.17

International

Das „Internationale Bündnis für Menschenrechte“ (FIDH in Paris) sprach in seinem diesjährigen Bericht von „gefährdeter Freiheit der Meinungsäußerung“ und „Krieg gegen Information“ in Tansania. 27 Journalisten und Menschenrechts-Aktivisten seien willkürlich verhaftet worden, dazu 32 Bürger. Auch mehrere Entwicklungspartner Tansanias zeigten sich besorgt über die Beschneidung der Grundrechte und deren negative Auswirkungen. „Reporter ohne Grenzen“ wies auf das widersprüchliche Handeln der Regierung hin, die im Fall der Jamii Forums gerade die schikaniert, die wesentlich zur eifrig propagierten Korruptionsbekämpfung beigetragen hatten.

Drei internationale Anwaltskammern in Ost- und Südafrika äußerten „beträchtliche Besorgnis“ über die Entwicklungen in Tansania. Die nationalen Gesetze und internationalen Vereinbarungen müssten beachtet werden. Sie kündigten an, die Prozesse gegen T. Lissu zu verfolgen und seine Verteidigung sicherzustellen.

Die oppositionelle ACT-Wazalendo plant eine internationale Konferenz zur politischen und wirtschaftlichen Lage Tansanias. Eingeladen sind Vertreter/innen von Linksparteien in Dänemark, Deutschland, England, Griechenland und Senegal.

Citizen 23.07.17; 06.08.17; Guardian 02.08.17

Regierung: „zu Unrecht beschuldigt“

Ein Regierungssprecher wies jeglichen Vorwurf undemokratischen Verhaltens zurück. Tansania sei in Afrika führend in Respektieren der Demokratie und Verteidigung der Menschenrechte. TZ habe die UN-Konvention zu Bürger- und politischen Rechten von 1966 und die Afrikanische Menschenrechtscharta unterzeichnet und erlaube seinen Bürgern, den Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen. Tansania werde auch in Zukunft demokratische Prinzipien und Freiheiten garantieren, jedoch keinen Missbrauch der Freiheit tolerieren.

DN 19.07.17