Landnutzung - Landkonflikte - 04/2014

Aus Tansania Information
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Land an Großinvestor

Die Firma Agrizo aus Singapore hat im Landkreis Kisarawe / Küstenregion 28.000 acres (etwa 11.200 ha) Land erhalten, auf dem sie Hirse, Mais, Reis, Gemüse, Bananen, Pyrethrum, anbauen und Milch, Geflügel, Fische und Tierfutter erzeugen will. Außerdem will sie eine Düngemittelfabrik, ein Ausbildungszentrum und eine Arbeitersiedlung errichten. Die Firma will auch Kleinlandwirte als Zulieferer gewinnen und Tauchbäder für die Tiere der lokalen Viehzüchter einrichten. Dies ist das zweite große Stück Land, das einer ausländischen Firma in diesem Distrikt zugewiesen wurde. Vorher hatte Sun Biofuels 18.000ha zum Jatropha-Anbau erhalten, das Land aber nicht genutzt und die Rechte weiter verkauft.

Die OECD forderte die Regierung auf, die Landgesetzgebung und ihre Umsetzung zu straffen und zu dezentralisieren, um Investoren mehr Anreize und Rechtssicherheit zu geben.

Die Weltbank stellt Tansania USD 60 Mill. zur Verfügung, um Landvermessung und -Registrierung zu beschleunigen und durch vereinfachte und verständliche Gesetzgebung die Investitionssicherheit zu erhöhen.

Land-Konflikte: Kiteto, Morogoro

Im Landkreis Kiteto (Manyara-Region) schwelt seit 2000 ein Konflikt um Landnutzung zwischen Maasai-Hirten und Landwirten, wobei Behörden und Polizei eine zwielichtige Rolle spielten. Die jahrelangen Auseinandersetzungen bis hin zum Berufungsgericht gipfelten um den Jahreswechsel 2013/14 in einer Totschlagsserie, der mindestens 15 Siedler zum Opfer fielen.

Maasai-Gruppen hatten nach und nach Land an Bauern verkauft. So erschlossen auch Großfarmer aus Kongwa, Dodoma, Iringa und Mbeya große landwirtschaftliche Flächen mit Hilfe von Tagelöhnern. Als das Weideland knapp wurde, versuchten die Distrikt-Behörden, die Siedler mit dem Argument zu verdrängen, das umstrittene Gebiet Embolwoi Murtangosi sei illegal besetzt worden, es sei ein Naturreservat. Zur Durchsetzung dieser Version wollten Distriktsbeamte von den Maasaigemeinschaften Tshs 150 Mill. einsammeln. Sie nahmen 72 Mill. ein, blieben aber weitgehend untätig. Es gab widersprüchliche Karten, Landnutzungspläne und Gerichtsurteile. Die Maasai-Ältesten sahen sich betrogen und setzten die Bauern mit Repressalien unter Druck. Ende 2013 griffen etwa 50 Bewaffnete mehrere Dörfer an, verbrannten Häuser, Ernten und Besitztümer und töteten mindestens 15 Männer. Die Farmer klagen die Polizei an, trotz Warnungen vor geplanten Angriffen nichts zu ihrem Schutz getan zu haben.

Im Oktober 2013 wurden in der Morogoro-Region 7 Menschen getötet und 55 verletzt als Maasai-Krieger 300 Rinder mit Gewalt zurück holten. Die Tiere waren beschlagnahmt worden, nachdem sie einen Fluss, aus dem mehrere Dörfer schöpfen, verunreinigt hatten. Die Murani waren mit modernen Schusswaffen ausgerüstet.

Viehhirten (Wamaasai und Wasukuma) drangen nach Beendigung der missratenen Anti-Wilderer-Kampagne [s. TI Januar 2014] mit großen Herden in das Selous-Wildreservat ein. Sie weideten ihre Tiere jeweils nachts im Reservat, tränkten sie an einem für Wild angelegten Stausee und trieben sie morgens zu ihren Siedlungen zurück. Dem Wildhüter zufolge hatten sich die Viehbesitzer zunächst als Bauern angesiedelt, um dann ihre Herden nach zu holen. Inzwischen haben sich die Viehherden stark vermehrt. Viel Wild sei bereits vergrämt worden und Touristen seien verärgert. Die Polizei wird verdächtigt, mit den Eindringlingen zu kooperieren, streitet dies aber ab.

Ursachen und Lösungsansätze

Das „Policy Forum“, ein Netzwerk von mehr als 100 NRO und „Mama Misitu“, eine Kampagne für nachhaltige Waldnutzung, analysierten Ursachen der Landkonflikte. Ein Sprecher des Internationalen Umwelt-Instituts (IIED) sagte, tiefsitzende Vorurteile gegenüber traditionellen Viehhirten führten zu politischen Fehlentscheidungen. Die Hirtenvölker würden als rückständig, fortschrittsfeindlich, wirtschaftlich ineffizient, gewaltbereit und umweltschädigend empfunden. Daher meint man, sie zu modernen Methoden erziehen zu müssen und sieht ihre Weideflächen als herrenloses Land an. Diese Vorstellungen beruhen auf einem grotesken Missverständnis: Die Hirten tragen mit ihren 21 Mill. Tieren 17% zum Bruttosozialprodukt bei, während der allseits gerühmte Bergbau-Sektor nur 4% beiträgt. Gerade die (halb-) nomadischen Weidetechniken schonen die Natur. Im Kontext des Klimawandels wird die traditionelle extensive Landnutzung in ariden und semi-ariden Gebieten noch bedeutsamer.

Das Institut für Landrechte (Haki Ardhi) meint, dass neue Landkonflikte nur vermieden werden können, wenn die alten effektiv gelöst werden. Der Kiteto-Konflikt sei vor allem durch die Landkreisregierung selbst ausgelöst worden. Die meisten Landkonflikte gingen auf Politiker zurück, die damit eigene Interessen verfolgten. Haki Ardhi nannte als wichtigste Konfliktursachen:

  • Hohes Bevölkerungswachstum
  • Schwindende Landreserven (70% der ursprünglichen Weideflächen sind heute Schutzgebiete)
  • Großfarmen entstehen auf „herrenlosem Land“, das aber periodisch beweidet wurde
  • Korrupte Behörden, besonders in den Landkreisen
  • Landwirtschaftliche Großbetriebe nehmen viel Land in Anspruch und verdrängen Kleinbauern
  • Wassermangel in Dürregebieten
  • Unklare oder inexistente Landnutzungspläne (90% des Landes sind nicht vermessen, nur 3% grundbuchmäßig registriert)
  • Marginalisierung der traditionellen Hirten
  • Alte Stammeskonflikte
  • Unterbeschäftigte und fehlgeleitete junge Männer

Eine Lösung gebe es nur, wenn man die Bevölkerung an der Landzuweisung beteiligt.

Premier M. Pinda rief bei der Eröffnung des „Land-Forums“ alle religiösen Führer auf, mit Regierung, NRO und Bevölkerung zusammenzuarbeiten, um die Landkonflikte friedlich zu lösen. Der Leitende Bischof der ELCT versprach im Namen der Religionsgemeinschaften, sich dieser Frage anzunehmen.

In der Morogoro-Region wurde eine Arbeitsgruppe zur Landfrage aus Kirchenführern, Regierungsbeamten und Vertretern von Bevölkerungsgruppen gebildet. ELCT-Bischof Jacob Mameo schlug vor, die Hirten durch verbesserte Infrastruktur in fest umschriebenen Zonen sesshaft zu machen. Durch intensivere Anbaumethoden soll der Bevölkerungsdruck auf das Land verringert werden. Weitere (einander teilweise widersprechende) Lösungsvorschläge aus verschiedenen Gremien sind:

  • Ausbildung ehrenamtlicher Rechtsassistenten zur Beratung der Konfliktparteien
  • Sesshaft-Machen der Viehzüchter durch Wasserversorgung, intensiv bearbeitete Weidegründe und Zucht effizienteren Viehs
  • Ausweisen von Weideland, das nicht bebaut werden darf
  • Kontrollierte Erlaubnis zum Viehweiden in Wildschutzgebieten
  • Zügige Landvermessung und Besitz-Registrierung ohne Bürokratie und Korruption
  • Den Zuständigkeits-Wirrwar zwischen den Behörden beseitigen
  • Überprüfung der bisherigen Landgesetzgebung, die Hirten und Jäger/Sammler diskriminiert

Schutz für Hadzabe

Die 352 Hadzabe in der Singida-Region (Landkreis Mkalama) sehen ihre Lebensgrundlage als Jäger und Sammler durch umliegende Ethnien bedroht, die in ihrem Gebiet zunehmend Ackerbau und Viehzucht betreiben. Regierung und NRO wollen durch verbesserte Infrastruktur die Übernutzung des Hadzabe-Landes verringern

Homepages

Land-Rights Research and Resources Institute: www.hakiardhi.org ; International Institute for Environment and Development (IIED): www.iied.org; Policy Forum Tanzania: www.policyforum-tz.org; Mama Masitu: www.mamamasitu.org;

Tanzania Daima 07.11.13; Guardian 16.,20.,21.01.; 01.,02.,10.,13.,16.,23.,28.02.; 02.,08.,09.03.14; DN 01.,22.01.; 01.,05.02.; 06.03.14; Citizen 02.02.14; Interpress Service 16.01.14;

Zu Landrechten für Frauen und diesbezügliche Konflikte siehe TI Februar 2014, S. 11