Aktuelles - 02/2015

Aus Tansania Information
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Kikwete in Europa

Präsident Kikwete nahm an der internationalen Konferenz der „Allianz für Impfungen und Immunisierung“ (GAVI-Allianz) in Berlin teil. Anschließend reiste er zu Gesprächen und zur Einweihung eines neuen Botschaftsgebäudes nach Frankreich.

DN 27.01.15; Guardian 27.01.15

Wochenzeitung verboten

Die Regierung verbot das Erscheinen der Wochenzeitung „The East African“ mit der Begründung, das Blatt sei nicht ordnungsgemäß registriert. Die Nation Media Group (NMG), Eigentümerin des Wochenblattes, zeigte sich erstaunt über die Begründung, da die Zeitung seit 20 Jahren unbeanstandet in Tansania erscheine. Sie vermutet als wahren Grund die offene Berichterstattung über Korruption, Unterschlagungen und mangelhafte Dienstleistungen. Eine Karikatur über Präsident Kikwete sei von der Zulassungsstelle als geschmack- und respektlos kritisiert worden. „Mwananchi“ und „Mtanzania“, Tageszeitungen der NMG, waren 2014 temporär verboten worden.

Der Tansanische Medienrat (MCT) und viele Beobachter verurteilten das Verbot als übereilt und unverhältnismäßig. Die EU, Kanada, Norwegen und die Schweiz äußerten sich besorgt über die Meinungs- und Pressefreiheit in Tansania. Die EU-Delegation erinnerte daran, dass bereits 2010 die Unabhängige Wahlbeobachtungs-Mission eine Modernisierung der restriktiven Mediengesetzgebung von 1976 eingefordert hatte.

Citizen 26.,27.,30.01.15; East African 24.01.15

Rückblick auf 2014 und Ausblick

Die Medien hoben im Rückblick auf 2014 hervor, dass infolge der Kontroversen um die neue Verfassung und des Tanesco-Treuhandkonto-Skandals das politische Bewusstsein der Bevölkerung gewachsen sei. Regierung und die Regierungspartei CCM werden kritischer beobachtet als früher. Bei den Lokal-Wahlen konnten die oppositionellen Parteien ihren Anteil von 7,5 auf 28,8% der Sitze steigern.

Die Oppositionsparteien zogen nach erbitterten Auseinandersetzungen mit der CCM aus der Verfassunggebenden Versammlung aus. Sie bildeten eine „Koalition zur Verteidigung der Verfassung des Volkes“ (UKAWA). Die vier wichtigsten Oppositionsparteien beschlossen erstmals, eine gemeinsame Strategie zu erarbeiten und einen gemeinsamen Präsidentschafts-Kandidaten vorzustellen.

Viele Tansanier/innen bedauern jedoch, dass das Land vor eine Zerreißprobe gestellt und kein konsensfähiger Verfassungsentwurf gesucht wurde. Die neue Verfassung, über die 2015 abgestimmt wird, lässt die von Vielen gewünschte Stärkung der parlamentarischen Kontrolle der Exekutive vermissen.

Die Vertuschungs-Versuche der Regierung beim Treuhandkonto-Skandal stärkten die Medienpräsenz der Opposition. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss aus Mitgliedern aller Parteien erzwang erste Korrekturen der Regierung und vermehrte Einfluss und Ansehen des Parlaments. Die Motivation, die Vorgänge um die $ 122 Mill. auf dem Tanesco-Treuhandkonto aufzuklären, wurde dadurch gestärkt, dass Tansanias Entwicklungspartner ihre Subvention für den Staatshaushalt aussetzten bis der Skandal befriedigend geklärt wird.

Weitere wichtige Ereignisse aus 2014:

  • Auf Sansibar explodierten mehrere Sprengkörper, meist in der Nähe von Kirchen. Zwei Britinnen wurden durch Säure verletzt. Weitere Bombenattentate gab es in Arusha und Ruvuma. Im Lauf des Jahres wurden an die 60 Terrorismus-Verdächtige festgenommen.
  • Ein von der Buffet-Stiftung für den Wildschutz gespendeter Hubschrauber im Wert von $ 500.000 verunglückte in der Nähe von DSM (4 Tote und Totalschaden).
  • Die Zahl der Verkehrsopfer ging leicht zurück: 3.437 Tote und 13.495 Verletzte (Vorjahr: 3.642 / 18.813).
  • Die blutigen Kämpfe zwischen Viehzüchtern und Landwirten im Kiteto-Distrikt forderten mehrere Tote und sind bis dato ungelöst.
  • Die Ebola-Epidemie in Westafrika führte auch in TZ zu Beunruhigung und Kontroll- bzw. Vorbeugungsmaßnahmen. Bisher wurde keine Ebola-Erkrankung im Land bekannt.
  • Obwohl das Gesundheitswesen noch viele Wünsche offen lässt, wurden bei Schutzimpfungen 70% der Zielpersonen erreicht. Die Zahl der Malaria-Infektionen wurde auf 9% halbiert.
  • Die Wilderei in den Nationalparks nahm weiter zu. Ihr Ausmaß ist nur durch ein Zusammenspiel von kriminellen Syndikaten und korrupten Regierungsstellen zu erklären. Seit 2006 wurden 2/3 aller Elefanten im Land getötet.
  • Tansania feierte das 50-jährige Jubiläum der Untion von Tanganjika und Sansibar.
  • Viele Tansanier/innen sind stolz auf die Erfolge tansanischer Entertainer, z.B. des Sängers Diamond Platnumz.

Für die anstehenden Parlaments- und Präsidentschafts-Wahlen erwartet man nach den Verfassungs-Kontroversen hohes Interesse und verbesserte Chancen der Oppositionsparteien. Andererseits wirkt die zögerliche Aufarbeitung des Treuhand-Skandals demotivierend.

Weitere Erwartungen für 2015:

  • Zunehmende Erwerbslosigkeit, besonders unter jungen Akademikern
  • Verzögerte Investitionen in Entwickungsprojekte
  • Verzögerte Investitionen in den Energiesektor, weil die Regierung noch keine klare Energiepolitik formuliert hat
  • Anhaltendes Wirtschaftswachstum mit geringen Vorteilen für arme Bevölkerungskreise
  • Die Sterblichkeitsrate bei Müttern und Neugeborenen könnte weiter sinken.

Citizen 28.12.14; Guardian 28.12.14; 04.01.15

Volkswirtschaft – Armut - Schulden

Ein Evaluationsteam aus internationalen Fachleuten schätzte die im Rahmen der Initiative „Big Results Now“ erzielten Entwicklungsfortschritte positiv ein. Besonders die Bereiche Investitionsförderung und Umweltschutz hätten sich positiv entwickelt. Nun müssten aber langfristige, schwer erreichbare Ziele angestrebt werden wie z.B. Ausgleich der wirtschaftlichem Ungleichheit. Die Tansanier müssten ihre Tendenz zum Zurückhalten von Information und zum Hinnehmen der Korruption korrigieren.

Die jüngste Umfrage von Finanzministerium und Statistikbüro ergab, dass 2013 mehr Menschen unter der Armutsgrenze lebten als 2011, obwohl die Volkswirtschaft kräftig gewachsen ist. Der Bevölkerungsanteil der Armen stieg von 18 auf 21%, im ländlichen Bereich stärker (von 22,7 auf 26%), im städtischen weniger; DSM verzeichnete nur noch 0,6% Arme (2011: 1,4%). Die Ungleichheit der Kaufkraft (nach dem Gini-Index) stieg an und wächst weiter von 0,37 auf 0,39, auch die wirtschaftliche Ungleichheit ist auf dem Land stärker ausgeprägt.

In einem Ranking des britischen Legatum Institute zu Regierungsqualität, Infrastruktur, Geschäftsklima und Lebensqualität fiel Tansania um 8 Positionen auf Platz 19 in Afrika und Platz 117 weltweit zurück. Der Bericht hebt hervor, dass TZ im Bildungsbereich deutliche quantitative, aber kaum qualitative Fortschritte erzielt habe. „Das Bildungssystem produziert keine Absolventen, die den Anforderungen moderner Unternehmen entsprechen.“ Dies sei ein schweres Hemmnis für Investitionen in Industrie, Bauwesen, Bergbau, Landwirtschaft, Finanzsektor und Telekommunikation.

Nachdem die Treibstoff-, und die Nahrungsmittel-Preise fielen, ging die Inflationsrate im Dezember auf 4,8% zurück. Im Jahresdurchschnitt 2014 betrug sie 6,1% (Vorjahr 7,9%).

Der Währungsfonds (IMF) wertete daher den Erfolg seines neuen Programms „Politik-Unterstützungs-Instrument“ positiv. Die für 2015 angestrebte Inflationsrate von 5% könne wohl eingehalten werden. Sehr bedenklich sei aber die weiter ansteigende unkontrollierte Staatsverschuldung durch hohe Zahlungsrückstände bei Lieferanten (Material, Treibstoffe, Energie, Wasser) und bei den Pensionsfonds. Bei diesen nimmt die Regierung zusätzlich substantielle Kredite auf.

Allein für Getreidekäufe der Nationalen Lebensmittelreserve schuldet das Agrarministerium Landwirten noch TZS 87 Mrd.; die staatseigene Air Tanzania ist mit TZS 180 Mrd. überschuldet. Eine Anpassung der Ausgaben an tatsächliche Einnahmen sei dringend erforderlich.

Das Zahlungsbilanzdefizit des Landes stieg im Okt. 2014 um 2,1% auf $ 4.683 Mill. an. Ursachen dafür sind die blockierten Haushaltszuschüsse der Geberländer und der fallende Goldpreis. TZ ist der viertgrößte Goldexporteur Afrikas.

In Ostafrika steht Tansania an 2. Stelle bei Schwarzgeld-Transfers ins Ausland. Mit jährlich $ 462 Mill. nimmt TZ in Afrika Platz 21 und weltweit Position 81 ein. Die Höhe des Schwarzgeld-Transfers entspricht den gesamten ausländischen Haushaltszuschüssen. Das illegal verschobene Geld stammt aus Verbrechen, Korruption und Steuerhinterziehung [s. zu Kriminalität die nächste Ausgabe der Tansania Information]. Insgesamt fließen aus Entwicklungs- und Schwellenländern $ 991,2 Mrd. jährlich illegal ab. Das ist mehr als die offizielle Entwicklungshilfe und ausländische Direktinvestitionen zusammen.

Präsident Kikwete weigert sich unter Hinweis auf das Geschäftsgeheimnis weiterhin, die Produktionsvereinbarungen mit 26 ausländischen Öl- und Gasfirmen offen zu legen. Das Parlament besteht aber auf seinem Recht, alle Verträge der Regierung zu überprüfen. Bisher wurden erst vier solche Verträge geprüft. In einem Fall stellte sich heraus, dass die betreffende Firma den Staat durch aufgeblähte Kostenrechnungen um $ 26 Mill. betrogen hatte. Auch die Lieferverträge des staatseigenen Stromversorgers Tanesco mit Privatfirmen will das Parlament überprüfen. Man vermutet, dass die Tanesco extrem ungünstige Modalitäten hinnimmt.

Die Einführung eines elektronischen Ladungs-Verfolgungs-Systems auf Fern- und Transitstrecken scheint den Güterstrom nicht zu beschleunigen. Im Gegenteil, die Zahl der Kontrollpunkte der Zollbehörde wurde weiter erhöht, was den Güteraustausch erschwert und verteuert.

Die regionalen und lokalen Behörden wollen die Teerstraße von Mtu wa Mbu nach Loliondo durch den Serengeti-Nationalpark trotz einer Verfügung des Ostafrikanischen Gerichtshofs bauen. Allerdings fehlt es an Geld, so dass keine Termine genannt werden können.

Eine Delegation aus Yangpu, der chinesischen Partnerstadt von Mwanza, schloss eine Reihe von Vorverträgen über Investitionen in Mwanza ab. Demnach sollen zwei neue Satellitenstädte entstehen, sowie Tourismus, Landwirtschafts- und Industrieunternehmen aufgebaut werden.

Außenminister B. Membe vereinbarte mit seinem russischen Kollegen in Moskau, eine „Tansanisch-Russische Kommission für Handel, Investition und wirtschaftliche Zusammenarbeit“ einzurichten. Damit will man vor allem Handel, Tourismus und Ausbildung von Studenten fördern. Zur Zeit beträgt das bilaterale Handelsvolumen nur $ 120 Mill. pro Jahr und ist ausgeglichen. Auch die militärische Zusammenarbeit soll intensiviert werden.Business Times 02.01.15; Citizen 24.12.14; 09.,19.01.15; East African 10.01.15; Guardian 24.,26.12.14; 09.,01., 07.,17.,23.,24.01.15

Tanesco-Treuhandkonto-Skandal

Anlässlich der holprigen Aufarbeitung der Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit undurchsichtigen Geldbewegungen auf dem Tanesco-Treuhandkonto (gemeinsam eingerichtet von dem staatlichen Elektrizitätsversorger und der Privatfirma IPTL) reflektiert die Tageszeitung „The Citizen“ die Rolle des Parlaments in Tansania. Sowohl nach der bestehenden Verfassung von 1977 als auch nach dem umstrittenen Entwurf scheint die Nationalversammlung die Regierung nicht wirklich kontrollieren zu können. Beschlüsse des Parlaments sind damit eher Ratschläge, die die Regierung befolgen kann oder nicht. Sie sind jedoch nicht bindende Weisungen wie etwa ein Gerichtsurteil zu einer Regierungsentscheidung.

So erklärt sich, dass parlamentarische Resolutionen zu früheren Energie-Skandalen bis heute nicht umgesetzt wurden. Auch die Beschlüsse zum gegenwärtigen Treuhand-Skandal hat Präsident Kikwete bisher nur zum Teil durchgeführt, in erster Linie unter dem Druck der Entwicklungspartner. Der Autor sieht daher eine echte Gewaltenteilung nicht gegeben.

Die regierungsnahe Zeitung „Daily News“ hält den finanziellen Druck der Geldgeber für nicht gerechtfertigt. Die Gruppe der Entwicklungspartner (Afrikanische Entwicklungsbank, Weltbank, EU und acht europäische Länder, sowie Japan) hat bisher erst 15% der zugesagten $ 558 Mill. ausgezahlt. Sie will zunächst die Erfolge der Korrup-tionsbekämpfung weiter beobachten.

Auch die USA wollen die zweite Phase des Abkommens „Jahrtausend-Herausforderung“ erst verhandeln, wenn konkrete Schritte zur Korruptionsbekämpfung erkennbar sind. Das Abkommen umfasst $ 500 Mill. für Elektrifizierung und Wasserversorgung hauptsächlich in ländlichen Gebieten, sowie Verkehrserschließung des Südlichen Korridors. In der abgeschlossenen 1. Phase hatte TZ $ 698 Mill. erhalten. Auch bereits vereinbarte Strukturreformen, um Effizienz und Transparenz im Energiesektor zu verbessern, müssten endlich umgesetzt werden. Die Entwicklungspartner halten Finanzhilfen nur für sinnvoll, wenn der aussichtsreiche Energiesektor Tansanias von schwerer Korruption freigehalten und transparent gestaltet wird. Bisher gab die Gebergemeinschaft $ 84 Mill. (entspricht etwa 15% der zugesagten Subventionen) frei.

Nach und nach zogen Präsident und Regierungsorgane personelle Konsequenzen:

  • Sieben ranghohe Mitarbeiter der Steuerbehörde (TRA) wurden suspendiert, weil die transferierten Beträge nicht ordnungsgemäß versteuert wurden; Fünf weitere Regierungsfunktionäre wurden wegen Vorteilsannahme (TZS 2,5 Mrd.) angeklagt.
  • Generalstaatsanwalt F. Werema musste zurücktreten, weil er fragwürdige Überweisungen autorisiert hatte.
  • Land- und Bauministerin A. Tibaijuka wurde entlassen, weil sie TZS 1,6 Mrd. entgegengenommen hatte.
  • Energie- und Bergbauminister S. Muhongo und sein Staatssekretär mussten wegen Fehlentscheidungen in der Affäre zurücktreten. Muhongo wies alle Korruptionsvorwürfe zurück und ist weiter Abgeordneter. Er hatte sich mit seinen scharfzüngigen Äußerungen viele Feinde geschaffen („Tansanische Geschäftsleute können allenfalls Obstsäfte verkaufen“).
  • Drei Vorsitzende parlamentarischer Ausschüsse traten zurück, da bekannt geworden war, dass sie TZS 1,7 Mrd. angenommen hatten.
  • Der Tanesco-Vorstand (Stromversorger) wurde aufgelöst und neu besetzt
  • Zwei katholische Weihbischöfe (DSM und Bukoba), die TZS 40 und 80 Mill. aus den umstrittenen Geldern entgegengenommen hatten, erklärten, sie hätten das Geld gutgläubig als Spende betrachtet und sähen keinen Grund zu Konsequenzen.

Citizen 14.12.14; 02.,08.,09.,12.01.15; DN 13.,25.01.15; Guardian 10.,12.12.14; 25.01.15; Inter Press Service 18.01.15

Kikwete baut Kabinett um

Präsident Kikwete reorganisierte sein Kabinett nach Rücktritt und Entlassung von Ministern. Der Transportminister H. Mwakyembe übernimmt das Ministerium für Ostafrikanische Kooperation. Dessen bisheriger Minister S. Sitta wird Transportminister. Neuer Land- und Bauminister wird W. Lukuvi. Neuer Minister für Energie und Bergbau wird G. Simbachawene. Dies ist die vierte Kabinetts-Umstellung in Kikwetes Amtszeit. Jedes Mal war das Ministerium für Energie und Bergbau massiv in die Probleme verwickelt.

Guardian 25.01.15

Verfassungsdiskussion

Anfang Oktober beschloss die Verfassunggebende Versammlung (ohne die Vertreter/innen der Oppositionsparteien) den neuen Verfassungsentwurf. Während für Festland-Tansania von vornherein eine Mehrheit feststand, erreichten die Delegierten Sansibars die 2/3-Mehrheit nur knapp.

Präsident Kikwete hatte zunächst mit der Opposition vereinbart, dass das Referendum zur Verfassung erst nach den allgemeinen Wahlen im Oktober 2015 stattfinden werde. Nun aber setzte er den 30. April 2015 dafür fest. Vorher darf 30 Tage lang für oder gegen den Entwurf geworben werden.

Das „Tanzania Constitution Forum“ bezeichnete den Verfassungsentwurf als nicht bürgerzentriert. Das Referendum sollte jedenfalls nach der Wahl stattfinden. Das Forum warf der VV vor, die Abstimmung gefälscht zu haben. Eine Festlands-Delegierte habe als Sansibari gestimmt. Ein Abwesender sei bei den Ja-Stimmen Sansibars mitgezählt worden. Sansibaris mit ablehnender Einstellung seien massiv bedroht worden.

Ein prominenter Gegner des derzeitigen Verfassungsentwurfs, Joseph Warioba (Vorsitzender der Kommission zur Revision der Verfassung - CRC), wurde bei einem Symposion der Nyerere-Stiftung zum Verfassungsentwurf von jugendlichen Rowdies unterbrochen und mit Stühlen beworfen. CCM-Gegner äußerten den Verdacht, diese Partei wolle ihre Gegner mundtot machen. Vertreter aller Parteien zeigten sich empört über den Vorfall.

Die renommierte Mwalimu Nyerere Foundation will landesweit Symposien organisieren, bei denen die unterschiedlichen Meinungen zum Verfassungsentwurf formuliert werden können. Die Stiftung präsentierte sich zunächst als neutrales Diskussionsforum. In jüngeren Stellungnahmen vertritt sie nun Argumente der Gegner des derzeitigen Verfassungsentwurfs (UKAWA):

  • Die Verfassungsrevision sei von der CCM monopolisiert und für deren Interessen missbraucht worden
  • Der zur Abstimmung stehende Entwurf unterdrücke wesentliche Bürgerwünsche wie Beschneidung der Macht des Präsidenten und bessere Kontrolle der Regierenden
  • Der Entwurf favorisiere die regierende CCM. Er sei in einer Atmosphäre von Heuchelei, Feigheit und Suche nach persönlichen Vorteilen entstanden.
  • Die Zeit bis zum Referendum im April sei zu kurz für eine informierte Entscheidung der Bürger, zumal der Entwurf immer noch nicht für alle verfügbar ist.

Daher befürwortet die Nyerere-Stiftung den von UKAWA angekündigten Boykott des Referendums und verlangt, dieses auf einen späteren Zeitpunkt nach den Wahlen zu verschieben. Mehrere Politologen und Soziologen warnten vor einer schwach legitimierten Verfassung, wenn diese ohne Grundkonsens durchgesetzt werde.

Die vier in der UKAWA („Verteidiger der Volksverfassung“) zusammengeschlossenen Oppositionsparteien wollen das Verfassungs-Referendum boykottieren. Ihr Vorsitzender, Prof. I. Lipumba, nannte als Hauptgründe viele Irregularitäten im Diskussionsprozess, Manipulationen bei der Abstimmung und technische und Zuständigkeitsprobleme bei der biometrischen Wähler-Erfassung. Auch die Zeit für eine fundierte Meinungsbildung der Wähler sei zu kurz. Die vier Oppositionsparteien verlangen, das Referendum, wie mit der CCM-Führung vereinbart, erst 2016 abzuhalten.

Der katholische Bischof von Lindi kritisierte, dass immer noch keine Kopien des Verfassungsentwurfs verfügbar sind. Auch die Kirchenführer hätten den Text bis Mitte Januar noch nicht erhalten. So sei es nicht möglich, sich eingehend und kritisch damit auseinander zu setzen. Die Gefahr wachse, dass sich die Leute an oberflächlichen Schlagworten orientieren.

Muslimische Sprecher drohten damit, dass die Muslime gegen den Verfassungsentwurf stimmen werden, wenn die islamischen Kadi-Gerichte nicht in der Verfassung verankert würden. Demgegenüber protestierte der Tansanische Christenrat (CCT) scharf gegen einen Gesetzentwurf, der die Kadi-Gerichte wieder einführen will. Dies schaffe eine Paralleljustiz mit unklaren Grenzen, verletze die bestehende Verfassung und gefährde die Gleichheit vor dem Gesetz.

Auf den Inseln formieren sich drei Empfehlungen zur Verfassungsabstimmung: die CCM um Präsident A.M. Shein befürwortet den Entwurf, die CUF um Vizepräsident M.S.S. Hamad lehnt ihn ab. Eine weitere Gruppierung spricht sich dafür aus, das Referendum zu boykottieren.

Citizen 01.,04.10.; 03.,04.,15.11.; 14.,21.,30.12.14; 24.,26.01.15; DN 03.10.; 05.11.14; Guardian 13.10.; 03.,04.11.; 21.12.14; 10.,24.,27.01.15

Albinos: Neue Angriffe - Reaktionen

Ende Dezember wurde in der Mwanza-Region ein vierjähriges Albino-Mädchen von Bewaffneten in Begleitung eines „traditionellen Heilers“ entführt. Alle Mitglieder der Bürgerwehr (sungusungu), die Bedrohte schützen soll, waren zur Zeit des Verbrechens auf Nahrungssuche, was nach Meinung des Regionschefs für ein abgekartetes Spiel spricht. Nicht selten sind Angehörige oder Nachbarn der Opfer an derartigen Verbrechen beteiligt. Die Polizei verhaftete 15 Dorfbewohner, konnte aber das Mädchen nicht finden. Der Regionalchef forderte die Bevölkerung auf, ihren Aberglauben aufzugeben, demzufolge Zaubertränke und Amulette mit Blut oder Körperteilen von Albinos zu Reichtum, Ansehen und Wahlerfolg verhelfen. Dieser Irrglaube ist besonders unter Bergleuten und Fischern im Gebiet der Großen Seen verbreitet. Manche halten Albinos nicht für Menschen, sondern für Phantomwesen, die nicht sterben, sondern einfach verschwinden.

Der UN-Koordinator suchte den Regionalchef auf und äußerte seine Besorgnis über den neuerlichen Angriff auf einen Menschen mit Albinismus. Die Regierung müsse mehr tun, um solche Personen zu schützen. Diese seien vor Wahlen besonders gefährdet, da sich manche Kandidaten Erfolg durch Zaubermittel versprächen. Seit 2000 wurden 151 Angriffe auf und 74 Morde an Albinos registriert, aber nur 5 aufgeklärt. Aberglaube und Handel mit menschlichen Körperteilen sind grenzüberschreitend. Für einen kompletten Satz von Organen werden bis zu $ 100.000 bezahlt. In Tansania leben etwa 177.000 Menschen mit Albinismus.

Der Innenminister verbot alle magischen Praktiken und lancierte eine Aktion gegen sogenannte Zauberdoktoren. Er bildete eine Arbeitsgruppe aus Sicherheitskräften und Menschen mit Albinismus. Sie soll die Motive der Albino-Morde erforschen, Verdächtige ermitteln und die Bevölkerung aufklären. Zunächst arbeitet sie in den besonders betroffenen Regionen Mwanza, Simiyu, Geita, Tabora, Rukwa und Shinyanga. Die Gruppe soll auch verfolgen, wie die Justiz einschlägige Fälle aufarbeitet. Minister M. Chikawe bat die religiösen Gemeinschaften, abergläubische Vorstellungen, die zu Diskriminierung und Morden führen, zu bekämpfen.

Citizen 09.,14.01.15; DN 08.,14.01.15; Guardian 14.01.15